Sammelthread: MRSA/ORSA in der Pflege - praktische Umsetzung

Dann bin ich ja froh, dass ich nicht der einzige bin, der das kritisch sieht.
Ich komme übrigens darauf, da Fr. Knappstein die gleiche Meinung in der Ausgabe Oktober 2010 von "Management & Krankenhaus" wieder vertritt. Dazu ein kleines, hübsch anzusehendes, aber aussageloses Balkendiagramm, das ihre Aussage untermauern soll.
Aber in einem hat sie recht: es fehlen evidenz-basierte Zahlen, die repräsentativ sind!
Einzelerhebungen in kleinen Häusern reichen offensichtlich nicht aus. Allerdings kann sie selber ihre These auch nur durch eine Meta-Analyse untermauern, ohne eigene Zahlen zu bringen.
Ok, danke für die Antworten und den Link.
Gruß
Philipp
 
Dr. med. Ines Knappstein, ihres Zeichen Krankenhaushygienikerin, vertritt eine sehr kritische Haltung zur Isolierung bei MRSA und fordert anstatt reflexhaftiger Patientenisolierung, die viel genauer zu überprüfen. Eine ernst genommene Standard-Hygiene würde häufig ausreichen.

Wenn man der Isolierung einen so grossen Stellenwert beimessen würde, wäre zu klären, warum BewohnerInnen mit MRSA regelmässig in die Heime zurückverlegt werden, in denen häufig eine Isolation gar nicht möglich ist.

Eine These lautet ja, MRSA braucht eine sterile, konkurrenzarme Umgebung. In einer normalen Umgebung konkurriert es mit nicht-resistenten Keimen und wird normalerweise verdrängt.

Ein Standard-Argument von Seiten der Krankenhäuser lautet ja immer wieder gerne, dass man ja nicht wisse, wo die Besiedelung tatsächlich stattgefunden hätte. Im Krankenhaus wurde es "nur" festgestellt. Auch wenn man eine ambulante Übertragung nicht ausschliessen kann, wird hier doch die Ausnahme zu Regel erklärt, und damit das Problem erfolgreich verdrängt.

Um auf die Isolierung zurückzukommen: Mir ist im Pflegeheim kein einziger nachweisbarer Fall bekannt, wo MRSA von einem Bewohner auf den anderen übertragen wurde. Aber ich habe mir die zahlreichen Beiträge hier auch nicht durchgelesen.
 
1.) Wenn man der Isolierung einen so grossen Stellenwert beimessen würde, wäre zu klären, warum BewohnerInnen mit MRSA regelmässig in die Heime zurückverlegt werden, in denen häufig eine Isolation gar nicht möglich ist.

2.) Eine These lautet ja, MRSA braucht eine sterile, konkurrenzarme Umgebung. In einer normalen Umgebung konkurriert es mit nicht-resistenten Keimen und wird normalerweise verdrängt.

3.) Ein Standard-Argument von Seiten der Krankenhäuser lautet ja immer wieder gerne, dass man ja nicht wisse, wo die Besiedelung tatsächlich stattgefunden hätte. Im Krankenhaus wurde es "nur" festgestellt. Auch wenn man eine ambulante Übertragung nicht ausschliessen kann, wird hier doch die Ausnahme zu Regel erklärt, und damit das Problem erfolgreich verdrängt.

4.) Um auf die Isolierung zurückzukommen: Mir ist im Pflegeheim kein einziger nachweisbarer Fall bekannt, wo MRSA von einem Bewohner auf den anderen übertragen wurde. Aber ich habe mir die zahlreichen Beiträge hier auch nicht durchgelesen.


zu 1.) Eine Isolierung in Heimen ist laut RKI auch nicht notwendig, solange der Mitbewohner keine offenen Wunden oder liegende Katheter hat.

zu 2.) MRSA brauch den Selektionsdruck durch Antibiotika, ist dieser nicht vorhanden fehlt der Überlebensvorteil und in einer konkurenzreichen Umgebung kann er von der Standortflora verdrängt werden!

zu 3.) Wird das Screening nicht zeitnah zur Aufnahme durchgeführt, kann in der Tat nicht bewiesen werden, dass die Besiedlung/Kolonisation nicht nosokomial ist. Durch das konsequente Screnning ist allerdings auch bewiesen, dass ca 90% mitgebracht ist.

zu 4.) fehlende Fallzahlen für Deine Beobachtung! Wie sonst ist zu erklären, dass Aufenthalt im Heim mit zu den Risikofaktoren des RKI zählen?


Matras
 
Durch das konsequente Screnning ist allerdings auch bewiesen, dass ca 90% mitgebracht ist.
Hallo Matras,

hast du dafür eine Quelle?

Mitte der 90er Jahre wurde erstmals in den USA über MRSAIsolate von Patienten mittiefgehenden Hautinfektionen berichtet, die weder Krankenhausaufenthalte noch Risikofaktoren aufwiesen. 1996 sorgten in den USA vier Fälle tödlich verlaufender ambulant erworbener Pneumonien mit Nachweis von MRSA bei Kindern für Aufsehen.
Auch hier fand sich kein Hinweis auf eine nosokomiale Infektion. Für diese ambulant erworbenen MRSA Stämme wurde die Bezeichnung „community acquired MRSA“ (ca-MRSA) eingeführt. Seither wird weltweit über Fälle berichtet. In Deutschland werden seit 2002 zunehmend ca-MRSA Isolate nachgewiesen: 2004 waren 1,1% der am Referenzinstitut untersuchten MRSA-Isolate ca-MRSA, 2005 1,5% und 2006 bereits 2,7%. Auch im Klinikum Stuttgart, vor allem im Olgahosital, konnte bei Patienten mit multiplen Abszessen der Nachweis von ca-MRSA geführt werden.
http://www.klinikum-stuttgart.de/uploads/tx_templavoila/LabTOPs_09_5.pdf

Entweder interpretiere ich das falsch, oder die Zahlen müßten sich dramatisch verändert haben. Gelten als nosokomial auch im Heim erworbene Infektionen?

Aber wenn ich etwas mehr Zeit habe, fange ich mal an, die ganzen Statements hier zu lesen. Müßte ja inzwischen jedes Fachbuch ersetzen?

Grüsse
 
Hallo Matras,

1.) hast du dafür eine Quelle?

http://www.klinikum-stuttgart.de/uploads/tx_templavoila/LabTOPs_09_5.pdf

2.) Entweder interpretiere ich das falsch, oder die Zahlen müßten sich dramatisch verändert haben. Gelten als nosokomial auch im Heim erworbene Infektionen?

Aber wenn ich etwas mehr Zeit habe, fange ich mal an, die ganzen Statements hier zu lesen. Müßte ja inzwischen jedes Fachbuch ersetzen?

Grüsse


zu 1.) Eigene Datenerhebung bestätigt durch Kongresse/Erfahrungsaustausch usw. Quelle wenn ich sie finde folgt!

zu 2.) nosokomial gilt auch für Heime, sicher.

Aber ansonsten ist MRSA zu cMRSA wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen! Weil der "normale" MRSA nicht das virulenzpotential wie der cMRSA hat...

und ja lies die Beiträge

Matras
 
zu 2.) nosokomial gilt auch für Heime, sicher.

Da wäre ich gar nicht so sicher. "Nosokomia" heißt bekanntlich Krankenhaus und nicht Pflegeheim.

Antibiosen und Desinfektionsmittel kommen im KH mit Recht wesentlich häufiger vor als im Heim, daher konnten sich dort auch die resistenten Keime ursprünglich entwickeln. Dass sie inzwischen auch außerhalb des Krankenhauses anzutreffen sind, sollte bekannt sein (und ist die Folge hygienischer Schlamperei der letzten Jahrzehnte, aber daran können wir jetzt auch nichts mehr ändern).
 
Da wäre ich gar nicht so sicher. "Nosokomia" heißt bekanntlich Krankenhaus und nicht Pflegeheim.

Antibiosen und Desinfektionsmittel kommen im KH mit Recht wesentlich häufiger vor als im Heim, daher konnten sich dort auch die resistenten Keime ursprünglich entwickeln. Dass sie inzwischen auch außerhalb des Krankenhauses anzutreffen sind, sollte bekannt sein (und ist die Folge hygienischer Schlamperei der letzten Jahrzehnte, aber daran können wir jetzt auch nichts mehr ändern).


Nosokomien wurden die Pflegeheime (Spitäler) im Mittelalter genannt. Nosokomial bedeutet im Heim/Krankenhaus erworben, dabei ist es wurscht ob Krankenhaus oder z. B. auch Praxis! Mittlerweile wird im NRZ auch von nosokomial bei ambulanten Behandlungen gesprochen, dabei geht es darum ob die Entstehung/Übertragung durch/während einer Behandlung stattfand oder spontan an der Kinokasse oder Supermarktschlange.
Nosokomial ist auch als neutrale Bezeichnung zu verstehen und soll keine Schulthaftigkeit unterstellen.

Matras
 
8. nosokomiale Infektion
eine Infektion mit lokalen oder systemischen Infektionszeichen als Reaktion auf das
Vorhandensein von Erregern oder ihrer Toxine, die im zeitlichen Zusammenhang mit
einer stationären oder einer ambulanten medizinischen Maßnahme steht, soweit die
Infektion nicht bereits vorher bestand,
RKI Nosokomiale Infektionen: Definition und Berichte


ist Punkt 8

Matras
 
http://www.rki.de/cln_169/nn_137849...Id=raw,property=publicationFile.pdf/36_10.pdf

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass es sich bei den in Deutschland bei Krankenhauspatienten bei Aufnahme oder später
nosokomial nachgewiesenen MRSA nach wie vor zu über
95 % um hospital acquired MRSA handelt (Bericht des NRZ
für Staphylokokken für das Jahr 2008).
Hier ist jetzt nicht von cMrsa die Rede.
Und ein Heimaufenthalt ist keine medizinische Massnahme.

Sucht man in dieser ausführlichen Definition nach dem Begriff Pflegeheim oder Altenheim, wird man zu Recht nicht fündig:

http://www.rki.de/cln_169/nn_206444...rty=publicationFile.pdf/nosok_infekt_pdf2.pdf


 
Hallo!

Ich arbeite als Pflegefachkraft in einer Pflegeeinrichtung für geistig und körperl. behinderte Menschen und wir haben derzeit einen MRSA-positiven Bewohner (Nase+Rachen befallen), der bereits mehrfach befallen war (vor 2 und vor 4 Jahren). Wir sollen ihn nach den üblichen Verfahren sanieren. Soweit, sogut.

Nun kommt aber dass, was uns Bauchschmerzen verursacht: Die HL hat per Dienstanweisung angeordnet, dass dieser Bewohner, der die unangenehme Marotte hat, zu spucken, OHNE Schutz am Gemeinschaftsleben unserer Einrichtung teilnehmen darf. Wir (das Team, zu dem auch eine Hygienefachkraft gehört) haben der Heimleitung gegenüber unsere bedenken mitgeteilt (Angst, das Mitarbeiter und Mitbewohner sich anstecken). Daraufhin bekamen wir den Kommentar:"Wir sollen uns nicht so anstellen, wir stecken uns ja auch mit anderen dingen an oder schleppen sie ein, und außerdem soll Herr W nicht unter der Isolation leiden sondern weiter ans Gemeinschafsleben gewöhnt werden".
Hat jemand noch Tipps, wie man Überzeugungsarbeit leisten kann, damit der Rest der Menschen im Haus geschützt wird? Die Richtlinien des RKI haben nicht geholfen.

DANKE, togesch
 
Bei uns werden alle Patienten,welche aufgenommen werden,auf MRSA abgestrichen zur PCR. Bei jedem Mund-Nasenabstrich,aber wir brauchen dazu keinen neuen Roboter :wink:.

@togesch :

wenn sich Eure Hygienefachkraft nichtmal gegenüber der HL durchsetzen kann,dann würde MRSA-Pflege nach Standard machen und den Mann mit Mundschutz am Gemeinschaftsleben teilhaben lassen.
Notfalls mal beim Gesundheitsamt anrufen.
 
Hallo! DAS ist eine zweischneidige Sache...
Man kann einem Patienten die Teilnahme an Veranstaltungen nicht verbieten, ist aber auch verpflichtet das Personal und die anderen Bewohner zu schützen.
Die Frage haben wir uns im Arbeitskreis MRSA auch gestellt.
Dabei kam auch nur raus,das jeder Träger das individuell handhabt.
Hilfen geben kann da eventuell:
MRSA net
Das lokale Gesundheitsamt kann bestimmt auch bei Fragen helfen.

Grüße.
 
Hallo!

Ich arbeite als Pflegefachkraft in einer Pflegeeinrichtung für geistig und körperl. behinderte Menschen und wir haben derzeit einen MRSA-positiven Bewohner (Nase+Rachen befallen), der bereits mehrfach befallen war (vor 2 und vor 4 Jahren). Wir sollen ihn nach den üblichen Verfahren sanieren. Soweit, sogut.

Nun kommt aber dass, was uns Bauchschmerzen verursacht: Die HL hat per Dienstanweisung angeordnet, dass dieser Bewohner, der die unangenehme Marotte hat, zu spucken, OHNE Schutz am Gemeinschaftsleben unserer Einrichtung teilnehmen darf. Wir (das Team, zu dem auch eine Hygienefachkraft gehört) haben der Heimleitung gegenüber unsere bedenken mitgeteilt (Angst, das Mitarbeiter und Mitbewohner sich anstecken). Daraufhin bekamen wir den Kommentar:"Wir sollen uns nicht so anstellen, wir stecken uns ja auch mit anderen dingen an oder schleppen sie ein, und außerdem soll Herr W nicht unter der Isolation leiden sondern weiter ans Gemeinschafsleben gewöhnt werden".
Hat jemand noch Tipps, wie man Überzeugungsarbeit leisten kann, damit der Rest der Menschen im Haus geschützt wird? Die Richtlinien des RKI haben nicht geholfen.

DANKE, togesch


Vor was oder wem wollt Ihre Euch oder Eure Bewohner denn schützen? MRSA ist per se nicht krankmachender als der sensible Staph. aureus (MSSA). Warum woll Ihr als Eurem Schützling einen Mund-Nasenschutz verpassen? Ihr und auch Eure Bewohner können zunächst einmal "nur" besiedeln und nicht infizeren! So what?!?
Übrigens sagt auch das RKI in Pflegeheimen nichts von isolieren, MNS usw. - da nicht gerechtfertigt!

Matras
 
Die Richtlinien des RKI haben nicht geholfen.

DANKE, togesch
Was besagen diese denn zu Heimen (also häuslciher Umgebung)?

wenn sich Eure Hygienefachkraft nichtmal gegenüber der HL durchsetzen kann,dann würde MRSA-Pflege nach Standard machen und den Mann mit Mundschutz am Gemeinschaftsleben teilhaben lassen.
Notfalls mal beim Gesundheitsamt anrufen.
S.o.: Heim = zu Hause...

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Eure Bewohner stecken sich nicht an, sie werden höchstens besiedelt...
 
Hallo,

hab' mich jetzt mal durch die 44 Seiten durchgewuselt - hab' aber trotzdem nochmal eine Frage.

Eine Patientin bei uns hat MRSA und zwar in der Nasen- und Rachenschleimhaut, an der Leiste, im Stuhl und in einer Wunde.
Sie ist weitgehend immobil, weswegen ich (Praktikantin) die GKW bisher immer zusammen mit einer KPH vorgenommen habe.
Diese hat mir das Ganze so gezeigt, dass wir die Patientin mit normaler Waschlotion gewaschen und abgetrocknet, danach Octenisept (das Antiseptikum) über den Körper verteilt, und dann die Nasensalbe und den Mundspray aufgetragen, bzw. halt gesprüht haben.

Heute war ich mit einer andern KPH unterwegs, die davon schier entsetzt war. Sie meinte, durch das Waschen vorher, würde man die Bakterien ja quasi nochmal schön verteilen. Sie bevorzugt das Einreiben mit Octenisept, dann Nasensalbe und Spray und dann erst das "normale Waschen" mit Seife.
Das klingt (für mich, als mehr oder weniger, Laie) auch logisch - bei der Handdesinfektion nehme ich ja auch erst das Desinfektionszeug, wasch die Hände dann, und desinfiziere nochmal.

Auf jeden Fall bin ich verwirrt - und hoffe auf baldige Erleuchtung :D

(Die Waschlotion von Octenisept, die hier mehrfach angesprochen wurde, gibt es bei uns leider nicht. )

Liebe Grüße
Sabeth
 
Die Einrichtung sollte eine Hygienerichtlinie oder einen Standard haben, der die Arbeitsweise vorgibt. Das muss in Schriftform auf Station sein, frag doch bei Gelegenheit mal danach. (Die Verfahrensweise der zweiten Person klingt logischer.) Wir waschen gleich mit Stellisept scrub.

Warum desinfizierst Du Deine Hände nach dem Waschen nochmals? Wird Deiner Haut nicht gut tun...
 

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