Pflegenotstand (häuslich) - auch religös bedingt?

Misshandlungen der Kinder und der Frau waren normal und von der Kirche (Wenn du zum Weibe gehst, vergiss die Peitsche nicht!) abgesegnet.
Ich stimme in deinen historischen Betrachtungen weitgehend mit Dir überein, wundere mich aber doch sehr darüber, dass Nietzsche ein Mann der Kirche gewesen sein soll. Dein Zitat stammt aus "Also sprach Zarathustra".
Also sprach Zarathustra

Ich denke, sowohl die Abwendung von der Kirche als auch die Veränderungen in der häuslichen Altenversorgung sind Folgen sozialer Veränderungen. Sie haben ähnliche Ursachen, aber sie bedingen einander nicht gegenseitig.
 
Oups, lebe hier leider etwas isoliert von meiner Bibliothek. Ganz hübsch, habe mal eine Seminar über den Knaben gemacht. Hat sich ein bisschen mit Luther vermischt.
Natürlich sind das soziale Veränderungen. Aber welche? Und wodurch? Mir fällt hier gerade, wenn wir von Religion sprechen, Max Weber und seine Religionssoziologie ein. Ansonsten wüsste ich da gerade nichts.
 
Die Abwendung von der Kirche hat zu 100% nix mit der den Folgen der Industralisierung zu tun.

Elisabeth
 
Nicht mit der Industrialisierung an sich. Mit gesellschaftlichen Veränderungen. Viele Lebensentwürfe und Biographien wären für wenigen Generationen noch undenkbar gewesen - oder nur für die wenigen möglich, die eine gewisse Bildung und die nötige finanzielle Unabhängigkeit hatten, um sich nicht darum scheren zu müssen, was die Umwelt von ihnen hält. Die große Mehrheit konnte es sich einfach nicht leisten, aus der Masse auszuscheren.

Heutzutage haben wir eine höhere Bildung, dadurch ein höheres Selbstbewusstsein und sehr viel mehr berufliche Möglichkeiten - und diese nutzen wir auch. Man braucht Kirche und Gesellschaft weniger als Schutz vor der bösen Welt da draußen. Mit einem guten Teil unserer Alltagsprobleme werden wir auch so fertig. Natürlich benötigen wir immer noch soziale Kontakte - die suchen wir uns aber selbst, es muss nicht zwangsläufig Familie, Kirche oder Gemeinde sein.
 
Gesellschaftliche Veränderungen fallen nicht vom Himmel. Mir kommt gerade so der Gedanke, dass man ja zur in dem letzten Zeit geradezu von einer Renaissance des Glaubens sprechen kann. Ständig wird was von christlichen Werten geredet. Ein deutscher Komiker geht Pilgerwege und so weiter. Schreibt Bestseller- Wie passt das eigentlich in die Argumentation?
 
Ob diese Renaissance des Glaubens in christlicher Nächstenliebe mündet? Und ob es die überhaupt früher in der Menge gab, wie immer behauptet wird?

Im Namen Gottes wurden auch genug Werke vollbracht und toleriert, die nicht mit der Bergpredigt vereinbar sind. Und gerade die Pflege durch Angehörige im häuslichen Bereich (und geht es hier nicht um diese?) war gesellschaftlich ein Muss, mit Nächstenliebe hatte das oft nichts zu tun.

Natürlich gab es die Diakonissen. Die wurden aber auch deshalb gegründet, um unverheirateten Frauen die Möglichkeit eines Lebensunterhalts zu geben und nicht auf das Gnadenbrot von Verwandten angewiesen zu sein. Einen anderen Beruf zu ergreifen war ihnen so gut wie unmöglich.

Glücklicherweise hat sich das geändert. Wir wollen wohl auch kaum zurück in die Zeiten, in denen Frauen in einen Orden oder eine Gemeinschaft eintreten mussten, um versorgt zu sein.
 
Um sich vom Glauben lösen zu können brauchst Alternativen. Eine Alternative ist der Zugang zu Wissen. Wissen bringt dich in die Situation, hinterfragen zu können. Zunehmendes Selbstbewusstsein verträgt sich nicht mit den verknöcherten Strukturen der Kirche.

Warum eine Renaissance des Glaubens? Die Anforderungen der Gesellschaft wachsen so schnell, dass zunehmend die Orientierung schwer fällt. Da ist der Glauben ein Anker im Sturm. Hier gehts aber net um Nächstenliebe sondern um die eigene Sicherheit.

Übrigens- Wenn man bösartig wäre, dann würde man sagen- es gibt keine Atheisten, die Menschen konvertieren lediglich von Gott zu Mammon als neue Religion.

Es geht hier um den Altruismus als solches und wo er seine Wurzeln hat. Und ich behaupte, dass dieser net an den Glauben gebunden ist. Den findest z.B. auch bei den Tieren. Es geht um den Nutzen, den die Sippe schlussendlich aus dieser Haltung hat.

Elisabeth
 
Renaissance?

Denke eher, wenn es dem Menschen schlecht geht, dann braucht er was, woran er festhalten kann.
Das kann dann Gott oder sonst was sein.
Wir glauben dann an etwas Höheres, daß und erlöst oder hilft.

Die Religion hat wahrscheinlich auch nur den Nutzen gehabt, als sie erfunden wurde, um Menschen in Zaum zu halten.
Man konnte die Menschen kontrollieren und ihnen Regulaturen auferlegen. Wenn mir einer erzählt ich komme dafür in den Himmel, dann mache ich das vielleicht auch.

Wieviele pilgern nach Rom, weil sie ernstlich glauben?
Wieviele pilgern nach Rom, weil sie diese Reise spannend fänden?

Auf dem Jacobsweg zu laufen, hat heute auch nicht zwangsweise mit Glauben zu tun oder mit dem Überprüfen, welche Beziehung ich zu dem da oben habe.
 
Interessante Frage- bringt uns hier aber net weiter.

Die These lautete: Nimmt der Trend zur häuslichen Pflege ab weil die Menschen net mehr kirchlich oder religiös gebunden sind? Was bringt Menschen dazu altruistisch zu handeln?

Elisabeth
 
Gute Frage...kannst du es mir sagen?

Wann ist wer auf die Idee gekommen, an irgendetwas zu glauben und dafür diverse Dinge tun zu müssen?
Wann kam der Begriff Religion bzw. nannte das dann Religion und fühlte sich damit einer Glaubensgemeinschaft zugehörig?

Wer hat die Kirche zu dem gemacht, was sie heute ist?
Oder das Judentum und der Islam?
Sie sind Institutionen, die gewisse Regeln durchsetzten...meinetwegen nach der Bibel, Koran oder Thora.
Nun wissen wir, daß die Bibel nicht nur von einem geschrieben wurde.



Ich rede nicht von Religionsstiftern, die vieleicht eine Methode gefunden hatten, Menschen für etwas zu begeistern und die auf einemal bereit waren für eine Göttlichkeit Opfer zu bringen oder andere Dinge zu tun.
Ich rede auch nicht von der Schöpfungsgeschichte...das Gott alles schuf.

Vor allem, wer will das gewußt haben, das Gott alles gemacht hat?
Oder wer kam auf die Idee etwas anbeten zu müssen/wollen umetwas dafür zu bekommen?

Dann kommen wir zurück zu demThema im Bezug auf die Pflege...;-)
 
Was konkret bringt die Leute dazu altruistisch zu handeln? Der Glaube kanns net sein. Du findest dieses Verhalten auch im Tierreich.

Warum verknüpfen wir mit dem Pflegen die Religion? Woran liegt das, dass manche die Hilfe für kranke, gebrechliche und alte Menschen im Glauben an Gott ansiedeln?

Wenn ich mich recht erinnere, dann gibt es im Islam den Glauben, dass es gut ist fürs Jenseits, wenn man sich im hiesigen Leben um Kranken kümmert.
Dann wäre es aber net mehr altruistisch sondern hätte als Hintergrund den Nutzengedanken für sich selber.

Wenn ich mich in christlicher Nächstenliebe übe, denke ich dann zuerst an den zu Pflegenden oder doch zuerst an mein Wohl? Ist net eher der Gedanke, vor Gott gut dazustehen, der Antreiber?

Und ist es net in einer kleinen überschaubaren Gemeinschaft auch eine Tradition die die Gruppe zusammenhält?

Elisabeth
 
Ich habe irgendwie den Eindruck, dass wir hier alle wunderbar aneinander vorbeireden.
Es wurden doch eigentlich wissenschaftliche Beweise für eine These gewünscht, die so ungefähr heißt: Früher haben sie alle ganz doll geglaubt und deshalb haben sie die Angehörigen zuhause ganz doll versorgt. Heute hat man nicht mehr so viele christliche Werte und deshalb pflegt man nicht mehr viel zuhause.
Das ist eine Frage, die man mit der Wissenschaft nur sehr eingeschränkt beantworten kann. Denn bevor man eine wissenschaftliche Antwort hat, muss man eine vernünftige Frage haben. Man muss eingrenzen. Und die Grundannahmen müssen stimmen. Denn sonst passiert das, was hier gerade passiert.
Erstmal könnte es doch sein, dass sich im Laufe der Jahrtausende etwas geändert haben könnte- nicht? Also, von welchem Zeitraum sprechen wir eigentlich? Dinge wie „Glauben“ sind furchtbar schlecht messbar. Wie viel Gramm Glauben haben sie denn so täglich?
Man könnte versuchen, festzustellen, ob die Bereitschaft zur Pflege wirklich abgenommen hat. Da gibt es bestimmt was.
Wenn gleichzeitig wirklich der Glaube abgenommen haben sollte. Und die Menschen auch weniger pflegen, bedeutet das noch lange nicht, dass die Leute weniger zuhause pflegen w e i l sie weniger glauben. Das menschliche Gehirn hat so die Neigung, gern Dinge zu verknüpfen, die in Wirklichkeit nicht verknüpft sind. Ein Klassiker in der Forschung.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, solche Prozesse zu erklären. Psychologisch, kulturell, soziologisch, mathematisch, theologisch usw. Nur sollte man sich dann ein bisschen in dem Bereich auskennen....
 
Es gibt Studien zum Thema Motivation zum Altruismus. es gibt Studien zum Thema Ethik. usw., usw., usw.

Aber wenn wir hier bei der These bleiben wollen- dann ist die Frage hier net geklärt: was hat derjenige, der pflegt von seinem Handeln? Warum pflegt er überhaupt? Sind es altruistische oder egoistische Gründe, die ihn dazu treiben.

Meines Erachtens ist da der Dreh- und Angelpunkt- der ev. zum Glauben wieder zurück führt. Eventuell ... net 100%ig.

Elisabeth
 
.....soweit kenne ich mich aus, daß ich hier schon einmal gesagt habe, daß Glaube und oder Religion nichts mit Pflege zu tun haben.
Es sei denn ich glaube, ich komme in den Himmel, wenn ich kranke und gebrechliche Menschen pflege.
Auch ist hier schon mehrfach erwähnt worden, weshalb man Pflege mit Glauben in Verbindung bringt.

Ich pflege, weil ich Geld damit verdiene und davon leben kann...würde nicht soweit gehen, daß ich auch etwas anderes einfach so machen könnte/wollte..... so ist es doch.
 
:beten: :mrgreen:
OK Leute vielen Dank für Eure vielen und interessanten Antworten, hatte die letzten Tage nicht so viel Zeit um mir die ganzen Beiträge genauer durchzulesen und gleich zu antworten. Aber anscheinend, auch wenn eher für meine "Annahme" mit negativen Ausgang, hat man sich auch auf historische und religiöse Aspekte der "Pflegeentwicklung" gut unterhalten können.
 
War doch mal eine interessante Diskussion. Mir hats gefallen. Man musste mal wieder intensiver nachdenken.
Vielleicht hast ja wieder mal so einen interessanten Gedankengang.

Elisabeth
 

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