Pflegekammer Bayern

Was hat das mit Pflegewissenschaft zu tun? ...
Desweiten: wenn es denn Deiner Meinung nach ohne ging, warum gibt es sie dann in D nun? Und warum gibt es in anderen Ländern seit fast 100 Jahren?
Das muß ich jetzt aber doch noch schnell loswerden: Da, wo ich herkomme, gab es schon seit den Sechzigern Hochschulabschlüsse, das war normal und nichts Besonderes. Die Krankenschwester war ein sehr anerkannter Beruf (daher auch mein Selbstbewusstsein!) und unsere Berufsausbildung wurde von studierten Medizinpädagogen übernommen. Und: ich bezog mich indirekt oben wiedermal auf Ruth Schröck und Liliane Juchli. Beide legen größten Wert auf die Einbeziehung der Praxis. Bei uns bildet sich nach meiner Meinung derzeit leider eine abgehobene "Elite" heraus, die zu großen Teilen gar nicht halten kann, was sie verspricht. So, nun Feuer frei.
 
Gehen wir doch nich mal in die Praxis. Denn für diese ist die Kammer ja da.

Es sollen von der Kammer Vorbehaltsaufgaben und notwendige Kompetenzen fetsgeschrieben werden. Man fragt sich: Wozu? Schön heute braucht es keine Fachweiterbildung. Es reichen die Grundkenntnisse aus der Grundausbildung. Den Rest besorgt der Stationsarzt. Er weiß, was die Fachkraft in seinem Zuständigkeitsbereich können muss.
@Elisabeth
Natürlich muss man wissen, was man tut. Dafür gibt es allerdings auch Einarbeitung und im optimalsten Fall auch innerbetriebliche Fortbildungen durch die Stationsärzte (die sich mit Beatmung ja besser auskennen).
Ich selber habe in meiner Fachweiterbildung natürlich auch etwas über Beatmung gelernt. Aber man wird schon vorher auf Station geschult, wie das alles funktioniert.

Ergo: Der Arzt legt die Kompetenzen fest und kontrolliert sie. Die Kollegen machen die Einarbeitung. Da braucht es keine Kammer. Die dürfet dann eher hinderlich sein wenn wie uns vorstellen, dass von da eine Weisung rausgeht: nur noch ausgebildetes Fachpersonal (FS und Atemtherapeut) dürfen Beatmungen einstellen. Das würde bedeuten, dass zahlreiche Intensivstationen im Lande arbeitsunfähig werden. Die wenigsten gönnen sich bekanntlich einen annähernd 100%igen Anteil an hochspezialiserten Fachkräften.

Elisabeth
 
@squaw- wir sollten schon zugeben, dass es in unserer ehemaligen Heimat keine Pflegewissenschaften in dem heutigen Sinne gab. Aber zu der Zeit gab es in unserer neuen Heimat diese auch nur als ganz zartes Pflänzchen.
Diplomierte Pflegekräfte gingen in Neufünfland in der Regel in das Management. Seit wann gibt es das Managementstudium mit entsprechendem Abschluss in den Altbundesländern?
An den Ausbildungseinrichtungen unterrichteten fast ausschließlich Medizinpädagogen mit entsprechender Ausbildung. Ab wann war das bindend in den Altbundesländern?

Und zur Pflegewissenschaft- ab wann gab es eigentlich die Möglichkeit in den Altbundesländern im Bereich Pflegewissenschaften zu promovieren? Ich meiner jetzt keine ausländischen Abschlüsse.

Ergo- die Diskussion wer nun als erster das Rennen machte, ist unsinnig. An Traditionen wollten wir ja nicht so klammern. Jedenfalls nicht an Ausbildungstraditionen.

Elisabeth
 
War eben auch nicht alles Schlecht in der ehemaligen DDR...:aetsch:

Hatte schon befürchtet, dass jetzt auch noch zwsichen Alt- und Neu-Bundesländern gespalten wird, aber so war's ja nicht gemeint.

@squaw: Schröck ist sehr für die Akademisierung der Pflege, aber pflegewissenschaftlich ist sie vor allem dafür, die Pflegepraxis zum Gegenstand zu nehmen. In Deutschland behandeln die meisten Pflegewissenschaftler Management- oder Pädagogikthemen oder gehen auf eher indirekte Themen, z. B. Kommunikation, ein. Insofern finde ich die Entwicklung in Alt+Neu=Gesamtbundesrepublick hin zu einer eigenständigen Pflegewissenschaft u. a. auch mit pflegepraktischen Ausrichtungen sehr erfreulich. Und alles was davor kam, hat uns hierher geführt und das gilt es vor allem anzuerkennen, auch wenn der Weg lang und mühsehlich war. Mit einer Pflegekammer dürfte es künftig deutlich schneller gehen.

Übrigens ist Schröck eine absolute Befürworterin der Pflegekammer. Sie selbst kennt es aus dem UK gar nicht anders.
 
Mag ja sein, daß Schröck die Pflegekammer befürwortet. Was sie mit Sicherheit nicht befürwortet, ist das Auseinanderdriften von Theorie und Praxis. Aber das führt uns jetzt wohl doch zu weit weg von Deinem und meinem Lieblingsthema, der Pflegekammer......
 
@squaw: Ne, ganz im Gegenteil. Die Pflegekammer ist sogar dafür da, Theorie und Praxis zusammenzubringen! Wenn es gesichertes Wissen gibt, das dem Pflegebedürftigen nützt oder für seine Gesundheit wichtig ist, dann soll es auch zur Anwendung kommen. Das kann es aber nicht, wenn es den Pflegenden nicht bekannt ist. Deshalb ist die Verpflichtung zur Fortbildung ja so wichtig.

Allerdings glaube ich, dass wir noch viel mehr den Fokus auf die praktische Pflege richten müssen, ganz so wie es Schröck propagiert. Für die Praxis reicht es sicher, eine Pflegetheorie zu kennen, die der pflegerischen Arbeit Struktur gibt und die Koordination erleichtert. Wer nach Roper arbeitet, muss nicht unbedingt Leiniger oder Orem kennen. Man muss es ja nicht übertreiben.

Viel wichtiger ist es, die pflegerischen Interventionen zu beherrschen. Dazu gehören nicht nur die Prophylaxen, sondern z. B. auch Validation bei Dementen, Schmerzmanagement in der akuten Chirurgie, Eschöpfungszustände in der Onkologie oder auch Konzepte wie Bobath und Kinästhetik. Selbstverständlich gehört im Krankenhaus auch medizinisches Wissen dazu. In der Altenpflege dürften z. B. die von Dementen nicht kommunizierten Bedürfnisse von großer Bedeutung sein. Hier muss die Klientenbeobachtung viel gezielter erfolgen, damit versehentliche Verletzungen oder Verbrühungen oder Opstipationen oder schmerzbedingte Kontrakturen nicht entstehen. Gering oder gar nicht qualifizierte Pflegehilfskräfte können hier unbeabsichtigt viel Schaden anrichten, oft ohne dass es jemand bemerkt.

Ich meine, dass unsere alltäglichen Angelegenheiten der Pflege viel mehr Aufmerksamkeit verdienen. Sie werden aber oft als Urinflasche leeren und Popo abwischen abgetan, was doch jeder kann. Was nützt mir die teuerste Medizin, wenn Praktikanten mein Essen abräumen und nicht bemerken, dass ich nicht genug zu trinken bekomme - ja, dann werde ich kachektisch ins Krankenhaus geliefert und bekomme eine teuere, aber eben abrechenbare medizinische Behandlung. Oder wenn permanent meine frühkindlichen Reflexe ausgelöst werden und meine Kontrakturen sogar noch verschärft werden, bis meine Handinnenflächen bluten? Wenn ich mitbekomme, was in der Pflege alles abgeht, wird mir ganz anders, wenn ich an mein eigenes Alter denke. Es ist weiß Gott nicht überall so schlimm, aber unter dem ökonomischen Druck in immer mehr Einrichtungen. Dann erscheint mir doch die gegenwärtige Debatte um aktive Sterbehilfe wie die Ankündigung einer willkommen billigsten Lösung.

Auch wenn jetzt viele hier von sich sagen würden, dass sie keine Pflegekammer brauchen, um gute Pflege drauf zu haben - wir wissen alle, dass wir nicht alle gleich sind und dass viele durchaus noch Bedarf an Schulung hätten - da unterscheiden wir uns von keiner anderen Berufsgruppe. Und vor allem haben wir vermutlich alle die Erfahrung gemacht, dass es dem Patienten gar nichts nützt, wenn ich alleine Bobath anwende und viele andere nach Hau-Ruck arbeiten. Wie gesagt, nicht das ich glaube, dass es überall ganz schlimm wäre, aber die Qualität der Pflege hängt immer noch sehr viel mehr von den einzelnden Personen ab, die sie machen, als von denen, die sie benötigen - da unterscheiden wir uns vielleicht doch ein bisschen mehr von anderen Berufsgruppen. Deshalb habe ich auch keine großen Probleme damit, diejenigen, die Fortbildungen eher meiden oder für aktuelles Wissen nicht zu haben sind, über eine Berufsordnung und Fortbildungspunkte inklusive Mindestverpflichtung durch eine Pflegekammer anzutreiben, ihre Wissensauffrischung nachweisen zu müssen. Das ist für mich einfach eine Frage der Verantwortung, die durchaus schwerer wiegt, als eine beliebige Freiwilligkeit, die mangelnde Qualität in Kauf nimmt und damit Unprofessionalität symbolisiert.

Was mich aber sehr ärgern würde ist, wenn die Vorgaben wieder von den ökonomischen Interessen der Arbeitgeber, der Sozialversicherungsträger und der konkurrierenden Berufsgruppen bestimmt werden würden und wir wieder fremdbestimmt werden würden. Deshalb brauchen wir eine pflegeberufliche Selbstverwaltung, die dafür sorgt, dass unsere Berufsgruppe bestimmt, was pflegerisch notwendig und sinnvoll ist, ganz besonders in Bezug auf das Zusammenbringen von Wissenschaft und Praxis.

Kurz: Pflegekammer ist enorm wichtig gegen "das Auseinanderdriften von Theorie und Praxis".
 
Nee, mein Lieber. Hör mal endlich auf zu träumen und komm auf den Boden der Realität zurück. Deine Pflegekammer ist ja ein Tausendsassa! Es gibt nichts, was sie nicht kann - toll! Das Erwachen wird furchtbar sein. Nicht für alle, aber für viele.
 
@wh- wenn ich deine fachlichen Ausführungen lese, dann braucht es wirklich dringend eine Weiterbildung... für dich. Und dann hoffen wir alle gemeinsam, dass du das Gelernte dann auch umsetzen kannst. Inklusive der Erkenntnis, dass auch die beste Pflege der Welt ihre natürlichen Grenzen hat und das net jede Abweichung von der Norm gleichbedeutend mit einem Pflegefehler ist.

Elisabeth
 

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