Aktive Sterbehilfe - moralisch vertretbar?

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Aus eigener Erfahrung kann ich sagen daß es oftmals viel Mut und auch einen gewissen Einblick in das medizinische Prozedere braucht um dich einer Therapie zu wiedersetzen weil dir die verschiedenen Optionen nicht mitgeteilt
Die Betonung sollte hier auf eigene liegen. Jeder Mensch geht anders um mit Infos. Grob gesagt gibt es Leute die alles bis ins Detail wissen wollen. Und dann gibt es Leute, die wehren jede Information ab. Aufklärung über die Möglichkeiten und Grenzen der Therapie ist also nicht so einfach, wie manche Pflegekraft es gerne hätte.

Viele Patienten WOLLEN unterbewußt auch gar nicht die Wahrheit hören weil sie Angst davor haben, aber ich denke daß jeder die Chance bekommen sollte selbst zu entscheiden wann Schluß ist mit dem Raubbau an seinem Körper.
Du bringst es auf den Punkt. In Abänderung eines Sprichwortes könnte man sagen: Am leben hängt, nach dem Leben drängt doch jeder in dieser Welt. Wer will sterben? Wer will bewusst seine Zeit auf Erden reduzieren? Streben wir nicht unterbewußt alle nach der Unsterblichkeit? Und den Preis den jeder für diesen Wunsch zahlt kann ganz unterschiedlich sein.

Im Gegenteil ist es oft so das Patienten zu "Forschungszwecken" immer weiter therapiert werden obwohl keine Aussicht auf Heilung besteht und die Lebensqualität immer weiter abnimmt.
Hoffen hier nicht Arzt und Pat. gemeinsam auf das große Wunder. Der Wunsch zu heilen treibt den Arzt, der Wunsch zu (über-)leben treibt den Pat..

Elisabeth
 
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Hoffen hier nicht Arzt und Pat. gemeinsam auf das große Wunder. Der Wunsch zu heilen treibt den Arzt, der Wunsch zu (über-)leben treibt den Pat..

Elisabeth

So siehts aus. Ein Freund meiner Eltern ist mit 50 an Leukämie erkrankt. Er hat 1 Jahr gekämpft und lag wochenlang in der Klinik.

Er wurde genau aufgeklährt und wusste, worauf er sich einliess. Hat aber weiterhin gehofft. In der Zeit, die ihm durch die Medizin blieb, hat er sich von der Familie verabschiedet, falls es schief gehen würde. Er hat es nicht geschafft, ist aber dank der Medizin friedlich eingeschlafen.

Wer könnte sich in dem Alter schon damit abfinden?Seine Frau, 2 Kinder, ein Haus....


Das andere Beispiel: Von einem Freund die Mutter(51) ist am Gehirntumor gestorben, sie hat lang gelitten, aber die Medizin hat nichts mehr veranstaltet, da Sie die Angehörigen genaustens aufgeklährt haben. Sie starb im Kreise der Familie.
 
1.Die Betonung sollte hier auf eigene (Erfahrungen) liegen. Jeder Mensch geht anders um mit Infos... .. Aufklärung über die Möglichkeiten und Grenzen der Therapie ist also nicht so einfach, wie manche Pflegekraft es gerne hätte.

2. Streben wir nicht unterbewußt alle nach der Unsterblichkeit? Und den Preis den jeder für diesen Wunsch zahlt kann ganz unterschiedlich sein.

Zu 1.:
Klar spreche ich von eigenen Erfahrungen, von was denn auch sonst? Ich red´nur über Dinge von denen ich auch ne gewisse Ahnung habe,alles andere wär ja wohl ziemlich schwachsinnig. Und mit diesen Erfahrungen die ich sowohl im Job als auch privat gemacht habe steh´ich bestimmt nicht allein.Es geht hier auch nicht darum wie ich´s als "manche Pflegekraft" gern hätte (was sich in deiner Bemerkung übrigens irgendwie abwertend anhört, aber das nur nebenbei) sondern darum was für den Patienten Sinn macht. Klar geht jeder anders mit Infos um, aber dazu muß man diese erst einmal ERHALTEN um dann die Möglichkeit zu haben MIT HILFE eine adäquate Entscheidung für sich selbst zu treffen ob und wie´s weitergehen soll.
Zu 2.:
Dazu kann ich nur sagen: zu dieser Gruppe gehör ich ganz sicher nicht und diesen Wunsch nach Unsterblichkeit "Allen" zu unterstellen find´ich ziemlich anmaßend. Es gibt außer mir sicher noch ein paar andere die noch `nen realistischen Bezug zu Leben und Tod haben und die biologische Endlichkeit unserer Existenz akzeptieren ohne auf das große Wunder zu warten (welches übrigens auch oft auch suggeriert wird, womit wir wieder beim obigen Punkt angelangt wären).
Gruß, Amabilis
 
Klar geht jeder anders mit Infos um, aber dazu muß man diese erst einmal ERHALTEN um dann die Möglichkeit zu haben MIT HILFE eine adäquate Entscheidung für sich selbst zu treffen ob und wie´s weitergehen soll.

Woher weißt du als Pflegekraft genau, dass diese Aufklärung bis dato nicht gegebn wurde? Hier greift die eigene Erfahrung nicht- da du den Pat. nicht 24 Stunden jeden Tag in der Woche begleitest. Informationen bekommt man nicht nur im KKH. In der heutigen Zeit gibt es eine Vielzahl an Infomöglichkeiten.
Nicht jeder Pat. möchte Hilfe- wie sie auch immer aussehen mag.
Eigenerfahrung in meiner Familie: das Böse wird ignoriert bis zum Ende. Was soll ich dagegen tun? Denjeneigen nehmen und schütteln. Hilfe wird abgelehnt.
Ergo: Eigene Erfahrungen können nur begrenzt weiter helfen.

Dazu kann ich nur sagen: zu dieser Gruppe gehör ich ganz sicher nicht und diesen Wunsch nach Unsterblichkeit "Allen" zu unterstellen find´ich ziemlich anmaßend.

Der Wunsch nach Unsterblichkeit ist eine menschliche Eigenschaft. Du wärst einer der ganz wenigen Menschen, die nicht nach Unsterblichkeit drängen. Woran das liegt, wirst du sicher am besten selber wissen.
Menschliches Sein nur aufgrund von biologischen Fakten erklären zu wollen wird übrigens unweigerlich scheitern. Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Organe.
Ergo: Deine Einstellung kann nicht als das Maß der Dinge gelten.

Meine Einstellung kann oft bitter sein. Vor allem, wenn man weiß, welchen Weg der Betroffene da einschlägt und wie schwer die Begleitung auf diesem Weg sein wird. Aber sind wir nicht Pflegekräfte geworden um genau dieses mittragen zu helfen?

Elisabeth
 
Ergo: Eigene Erfahrungen können nur begrenzt weiter helfen.



Menschliches Sein nur aufgrund von biologischen Fakten erklären zu wollen wird übrigens unweigerlich scheitern. Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Organe.
Ergo: Deine Einstellung kann nicht als das Maß der Dinge gelten.

......Aber sind wir nicht Pflegekräfte geworden um genau dieses mittragen zu helfen?
Liebe Elisabeth,
alles was ein Mensch wiedergibt ist ein Spiegel seiner eigenen Erfahrungen, deine Meinung, meine Meinung, jedermanns Meinung. Zu diesem Thema wird uns quasi gar nix "weiterhelfen" wie du´s ausdrückst, weil es hier keine allgemeingültige Meinung geben kann. Dazu sind Menschen zu verschieden.Du siehst, ich weiß auch daß ein Mensch mehr ist als die Summe seiner Organe (das ist übrigens bei den meistern "höherentwickelten" Lebewesen so). Ich seh´das ganze nur anders als du, nämlich als gesellschaftliches Problem.

Ich seh´meine Meinung übrigens nicht als Maß aller Dinge, so anmaßend bin ich nicht.Deswegen werd´ich sie aber trotzdem weiter äußern wenn mir danach ist.

Zum letzten Satz aus dem Zitat:
Ich bin nicht Krankenschwester geworden um ein krankes System zu unterstützen sondern kranke Patienten.
Aber ich glaub´wir entfernen uns wieder zu weit vom eigentlichen Thema.
Gruß,Amabilis
 
Ich bin nicht Krankenschwester geworden um ein krankes System zu unterstützen sondern kranke Patienten.

Würde hier bedeuten, dass ich den Weg, den der Pat. einschlägt akzeptiere auch wenn es meinen Vorstellungen widerspricht. Solange ich echt bleiben kann bei dieser Begleitung.

Wobei: Ich mich weigere aktive Sterbehilfe auf Wunsch zu leisten. Das würde für mich bedeuten, dass ich ggf. in entsprechenden Einrichtungen nicht arbeiten könnte. Hat was mit Akzeptanz der anderen Meinung und der Wahrung der eigenen Grenzen zu tun.

Elisabeth
 
Hallo
All die Jahre die ich auf einer Inneren Abteilung mit Onkologie gearbeitet habe, mußte ich feststellen -keiner darf einfach so sterben. Egal wie alt oder wie krank.Die Schmerztherapie bei den Krebspatienten war lausig, vor lauter Angst seitens der Ärzte der Patient könnte entweder süchtig werden oder ein paar Tage eher versterben.Ein ständige Kampf seitens der Pflege und ein teilweise neues Ärzteteam hat diesen Zustand gottseidank verbessert. In manchen Nächten als ich am Bett eines Todkranken stand der sich seit Stunden vor Schmerzen krümmt und der Doc trotz halbstündlichem telefonierens nicht dazu durchringen konnte ordentliche Schmerzmedikation anzuordnen, kam mir schon ab und an den Gedanke wenn ich jetzt dürfte wie ich wollte dann....
Habe dann meine möglichkeiten mit Lagerung,Massage,Akupressur usw ausgechöpft und mich so gut wie möglich innerlich Abgeschottet.
Meine Großmutter wurde mit 96 Jahren durch einen Unfall ein Pflegefall Stufe 3.Seit 20 Jahren hat sie mir mindestens 5xwöchentlich erklärt sie wolle nie als Pflegefall enden und hat mich als Bevollmächtigte ihrer Patientenverfügung eingesetzt. Als sie dann nach 5 Monaten als Pflegefall beschloß ihre Medikamente nicht mehr zu nehmen und auch das Essen einstellte weil sie die Quälerei satt hatte, wurde in Absprache mit ihrem Hausarzt nur noch Nacl Infusionen und Schmerzmittel gegeben. Sehr viele Schwestern auf dieser Station konnten mit diesem Zustand nicht umgehen, dauernd wurde auf mich eingeredet sie in die Klinik zu bringen,und einer PEG Anlage zuzustimmen. Eine hat sogar den Notarzt angerufen nur um eine Krankenhauseinweisung zu erreichen.Die Patientenverfügung hat sie nicht interessiert.In den 3 Wochen bis zu ihrem Tod ohne Ess-und Trinkzwang mit reichlich Schmerzmittel war meine Oma richtig glücklich.Sie war bis zum Ende ansprechbar und weitgehend orientiert. Eine Stunde bevor sie friedlich eingeschlafen ist hat sie sich noch bei mir bedankt, daß sie endlich Sterben darf ohne die endlose Quälerei der Lebensverlängerung die sie bei ihren Geschwistern miterleben mußte. Die Schichtleitung der Pflegestation mußte ich davon abhalten Wiederbelebungsmaßnahmen bei meiner Großmutter einzuleiten.Dafür hat sie mir dann die Kripo auf den Hals gehetzt. Begründung-aktive Sterbehilfe-unterlassene Hilfeleistung-Behinderung des Fachpersonales bei Reanimation.Selbst der Ausdruck Mord ist gefallen.Der "Fall" wurde von der Kripo untersucht, es wurde keine Anklage gegen mich erhoben, die zuständigen Stellen waren der Meinung daß hier keine Straftat vorliegt.Wie Alt und Krank muß ein Mensch in Deutschland sein um in Frieden sterben zu dürfen ? Muß ein Leben wirklich um jeden Preis erhalten werden?
Alesig
 
Hallo alesig!
Tut mir leid daß du so´ne erfahrung machen musstest, aber ich danke dir für deinen Beitrag.
Du zeigst genau die inhumanen Zustände in diesem "Gesundheitssystem" auf die ich so schrecklich finde.
Anscheinend bin ich also doch nicht so wirklichkeitsfremd wie ich von manchen Teilnehmern dieses Threads gerne hingestellt werde.
Jetzt bin ich mal `nen Moment egoistisch und freue mich darüber daß es noch mehr Leute gibt die ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht haben und genau meine Meinung teilen.
Ich kann mir echt vorstellen wie schwer es für dich war unter Drohungen und Druck von außen, dir (und vor allem natürlich deiner Oma) treu zu bleiben, und gleichzeitig in dieser sensiblen Phase des Abschiednehmens zu sein.

Für mich ist einfach klar, daß der letzte Wunsch eines todkranken Menschen wann er sterben will zu respektieren ist, da wär meiner Meinung nach jede Diskussion um aktive oder passive Sterbehilfe völlig unnötig, da geht´s einfach um die Achtung vor dem Menschen, und ich glaube da sind wir uns völlig einig.
Gruß, Amabilis
 
[...]Als sie dann nach 5 Monaten als Pflegefall beschloß ihre Medikamente nicht mehr zu nehmen und auch das Essen einstellte weil sie die Quälerei satt hatte, wurde in Absprache mit ihrem Hausarzt nur noch Nacl Infusionen und Schmerzmittel gegeben. [...]

Ich sehe meine Aufgabe als Pflegekraft, den Patienten, auf seinem von ihm gewählten Weg, mit meinem (fachlichen) Wissen und Können zu unterstützen und diesen Weg gemeinsam mit ihm zu gehen. Eine wichtige Voraussetzung dafür, daß sich ein Patient entscheiden kann, ist eine offene und ehrliche Beziehung, in der alle Möglichkeiten und die daraus resultierenden Konsequenzen dargelegt werden.

Wir (Innere Med, Schwerpunkt Pneumo) hatten schon Patienten mit der Diagnose Bronchialcarcinom, die sich, nach dem ihnen die möglichen Therapieoptionen (Chemo, Bestrahlung) und die daraus wahrscheinlich resultierende Lebensverlängerung geschildert wurden, gegen eine Chemo/Bestrahlung entschieden haben. Für sie war das so in Ordnung.

Was ich als einen entscheidenden Punkt ansehe, ist, daß jeder Patient einen Anspruch auf ausreichende und angemessene Analgesie hat!

Dann noch zum eigentlichen Topic:

Prinzipiell halte ich aktive Sterbehilfe als moralisch und ethisch vertretbar.

Nur muß das immer eine Einzelfallentscheidung sein und keine "pauschale Erlaubnis". Denn dann ist, meiner Meinung nach, der Schritt nicht mehr weit, auch z. B. wirtschaftliche Erwägungen mit in die Entscheidung einfließen zu lassen. ("Was kostet der Patienten?") Ein Schritt in diese Richtung ist ja schon in meinen Augen gegangen worden durch den Apache-Score in der (Intensiv-)Medizin, der eine Abschätzung bietet, ob die eingeleitete Therapie sich "lohnt". (Sprich die aufgewandten Kosten auch ein entsprechendes "Outcome" sichern.)
 
Nur muß das immer eine Einzelfallentscheidung sein und keine "pauschale Erlaubnis". Denn dann ist, meiner Meinung nach, der Schritt nicht mehr weit, auch z. B. wirtschaftliche Erwägungen mit in die Entscheidung einfließen zu lassen. ("Was kostet der Patienten?") Ein Schritt in diese Richtung ist ja schon in meinen Augen gegangen worden durch den Apache-Score in der (Intensiv-)Medizin, der eine Abschätzung bietet, ob die eingeleitete Therapie sich "lohnt". (Sprich die aufgewandten Kosten auch ein entsprechendes "Outcome" sichern.)
Hi!
Klar muß `ne so´ne Entscheidung immer eine Einzelfallentscheidung bleiben, alles andere wär undenkbar.
Den Apache-Score empfind´ich übrigens als gutes Hilfsmittel dabei, wie sollte man sonst im Sinne des Patienten handeln wenn er nicht mehr imstande ist für sich selbst Entscheidungen zu treffen.
Zum Thema Kosten:
Ich glaube über kurz oder lang wird dieser Faktor im Gesundheitswesen eine noch viel größere Rolle einnehmen, auch im Hinblick auf die Fortführung "sinnloser" medizinischer Maßnahmen. Wenn man sich die demographische Entwicklung und die steigenden Kosten so ansieht wird diese Form der Medizin in Zukunft nicht mehr bezahlbar sein.
Hat für mich auch was positives.
Wenn ein umdenken von Verantwortlichen schon nicht über die humanistische Schiene funktioniert, vieleicht funktioniert´s über die finanzielle, damit sich auch die rechtlichen Voraussetzungen für´s "Sterbenlassen in welcher Form auch immer" irgendwann ändern.
Um´s mal provokant zu sagen: vielleicht ist ein zukünftiger Finanzminister mal froh wenn ein paar unheilbar kranke Rentner sich für´s frühzeitigere sanfte Einschlafen entscheiden anstatt für kostenintensive Lebensverlängerung???!!!
Ich bin mir sicher dieser Satz wird einen Sturm der Entrüstung nach sich ziehen, viel Spaß dabei.
Gruß, Amabilis
 
Um´s mal provokant zu sagen: vielleicht ist ein zukünftiger Finanzminister mal froh wenn ein paar unheilbar kranke Rentner sich für´s frühzeitigere sanfte Einschlafen entscheiden anstatt für kostenintensive Lebensverlängerung???!!!
Ich bin mir sicher dieser Satz wird einen Sturm der Entrüstung nach sich ziehen, viel Spaß dabei.
Zynismus macht manches vielleicht leichter - diese Aussage finde ich in einem öffentlichen Forum allerdings mehr als gewagt oder sage ich besser unpassend.
Es läßt aus meiner Sicht tiefe Einblicke zu in die Einstellung desjenigen, der dies so äußert.

Elisabeth
 
Zitat von Amabilis: "[...]Den Apache-Score empfind´ich übrigens als gutes Hilfsmittel dabei, wie sollte man sonst im Sinne des Patienten handeln wenn er nicht mehr imstande ist für sich selbst Entscheidungen zu treffen.[...]"

Wie der individuelle Wunsch des Patienten (im Sinne des Patienten handeln...) im Apache-Score abgebildet ist, ist mir aber schon ein ziemliches Rätsel!

Der Apache-Score bietet ein Hilfsmittel, um bei gegebenen Parametern (Nieren-, Leberfunktion usw.) eine Abschätzung zu liefern mit welcher Wahrscheinlichkeit eine eingeschlagene Therapie zum Erfolg führt.

Was meiner Meinung nach dabei "unter den Tisch" fällt, ist das Individuum.
Ein Herr Meier mit 70 Jahren läßt sich nun mal nicht mit einem Herrn Müller mit 70 Jahren vergleichen. Da ist dann der Schritt nicht mehr weit, daß z. B. Patienten über 70 keine Dialyse mehr bekommen.

Um solche Therapieentscheide zu erleichtern, ist es in meinen Augen wichtig, von Patientenseite rechtzeitig die individuellen Wertevorstellungen und Lebensziele deutlich zu machen, z. B. im Rahmen einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht.

Zitat von Amabilis: "[...]Wenn ein umdenken von Verantwortlichen schon nicht über die humanistische Schiene funktioniert, vieleicht funktioniert´s über die finanzielle, damit sich auch die rechtlichen Voraussetzungen für´s "Sterbenlassen in welcher Form auch immer" irgendwann ändern.[...]

Wenn's nur noch über die "finanzielle Schiene" laufen würde, wär das in meinen Augen die Bankrotterklärung der Menschheit.
Da bleibt doch dann das Individuum mit seiner persönlichen Lebensgeschichte und Lebensleistung auf der Strecke. Wenn mal solche Zustände einzug halten, dann häng ich meinen Beruf an den Nagel...
 
Der Apache-Score bietet ein Hilfsmittel, um bei gegebenen Parametern (Nieren-, Leberfunktion usw.) eine Abschätzung zu liefern mit welcher Wahrscheinlichkeit eine eingeschlagene Therapie zum Erfolg führt......
.......und wenn diese Therapie nach Apache 3 mit ner Wahrscheinlichkeit von 80-95% keinen Erfolg hat, dann find´ich schon daß es im vielleicht im Sinne des Patienten ist keine weiterzuführen( da kommt natürlich meine persönliche Meinung wieder durch).
Natürlich darf man dabei die Individualität des Einzelnen nicht vergessen, klar ist der Apache-Score nur ein Hilfsmittel. Ne endgültige Entscheidung treffen doch immer noch wir als Menschen, und da sollte man halt ab und an auch mal diesen sogenannten "gesunden Menschenverstand" einsetzen.
Natürlich wär´s am besten jeder hätte ne Patientenverfügung damit man in dieses Entscheidungdilemma erst gar nicht kommt.
Es ist halt wirklich schwierig in der heutigen Medizin mit ihren großartigen Möglichkeiten irgendeine Form von Grenze zu ziehen.
Aber ich glaub´wir entfernen uns mal wieder meilenweit vom eigentlichen Thema,
Gruß, Amabilis
 
...Was meiner Meinung nach dabei "unter den Tisch" fällt, ist das Individuum.
Ein Herr Meier mit 70 Jahren läßt sich nun mal nicht mit einem Herrn Müller mit 70 Jahren vergleichen. Da ist dann der Schritt nicht mehr weit, daß z. B. Patienten über 70 keine Dialyse mehr bekommen.


Wenn's nur noch über die "finanzielle Schiene" laufen würde, wär das in meinen Augen die Bankrotterklärung der Menschheit.
Da bleibt doch dann das Individuum mit seiner persönlichen Lebensgeschichte und Lebensleistung auf der Strecke. Wenn mal solche Zustände einzug halten, dann häng ich meinen Beruf an den Nagel...

Nu ja,

habe erlebt, wie se einem über 90 jährigen eine Herzklappe ersetzt haben - und da muss ich sagen, ist es mir egal, wie fit der Pat VORHER war - er ist und bleibt 90 und da hat eine solche OP imho nicht gemacht zu werden.

Ich denke es wäre manchmal gut, sich auch über die Kosten Gedanken zu machen, die durch gewisse Dinge entstehen ( wobei das ein anderes Thema, also OT, ist )

BTT: Ich habe kein Problem damit, wenn jemand ( der dies augenscheinlich nicht aus Affekt tut ) sich töten lassen will - und nix anderes ist das. Eine Entscheidung, die ich nicht anzweifle. Und eine Legalisierung unter strengen Rahmenbedingungen ( mir schwebt da im Moment nix vor... ) fände ich nicht schlecht - v.a. ist es halt so, dass dei wenigsten derer, die den Tod herbeisehnen, nicht den Mut aufbringen, von einem Haus o.ä. zu hüpfen - und denen wäre imho mit einer solchen Regelung geholfen.

Ich habe selbst auf unserer ITS Dienst gehabt, als ein Pat. kopfüber aus dem Fenster gesprungen ist, 5 min nachdem ihm der Internist seine extrem weit fortgeschrittene Krebserkrankung eröffnet hat - wir sind zwar gerannt, aber der Pat. war - zum Glück für ihn - tot, denn irgendeiner hätte vermutlcih versucht, ihn zu retten.

Cys
 
Heute früh war ein glückliches Ehepaar in der Zeitung abgebildet. Ich habe die Familie raten lassen, wie alt sie die Herrschaften schätzen: Ergebnis: max. 80 Jahre, allerhöchtens vitale 85 Jahre. Das Ehepaar beging den 102 Geburtstag der Ehefrau. Der Mann war nur wenige Tage älter.

Alter ist relativ. Das kalendarische Alter sagt nichts über die Vitalität des Menschen aus. Und wer das kalendarische Alter als Maß der Dinge nimmt, der zeigt m.E. wie wenig Ahnung er hat vom menschlichen Leben.

Langsam kommt mir der Gedanke, nicht nur eine Vorsorgevollmacht für übereifrige Mediziner zum Schutz vor zuviel Intensivmedizin abzugeben, sondern mich auch vor übereifrigen Pflegekräften zu schützen um ggf. nicht zu schnell abzuleben. Ich habe das Pech einer Famile von langlebenden Menschen zu entstammen und könnte unglücklicherweise über 90 Jahre alt werden.

Elisabeth
 
Nu ja,

habe erlebt, wie se einem über 90 jährigen eine Herzklappe ersetzt haben - und da muss ich sagen, ist es mir egal, wie fit der Pat VORHER war - er ist und bleibt 90 und da hat eine solche OP imho nicht gemacht zu werden.
Hallo, da muß ich fragen warum nicht?
Meiner Meinung nach ist das allein die Entscheidung des Patienten und nicht unsere. Ich spreche aus Erfahrung. Mein Opa hat sich mit 89 Jahren für eine 3-fach ACVB OP entschieden. Er wußte, durch mich, das die Op nicht einfach ist und die Zeit danach auch nicht.
Aber er hat sich trotzdem dafür entschieden. Er sagte wenn er auf dem Tisch liegen bleibt, würde er es ja nicht merken. Aber jeden Tag aufzustehen mit der Angst und dem Wissen das er heute evtl. einen Infarkt bekommt, das könne er nicht.
Er hat es überlebt und seine LEBENSQUALITÄT hat sich deutlich verbessert.

Auch beim Thema Sterbehilfe geht es meiner Meinung nach nicht um die Hilfe beim Sterben, sondern um eine qualitative Begleitung des Sterbenden.
Ich habe auf meiner Station( Kardio/ Pulmo) schon einige begleitet, aber es hat noch niemand gesagt: Schwester geben sie mir die " Spritze". Weil die Patienten von allen Zuwendung/ Fürsorge/ Mitgefühl und eine vernünftige Schmerztherapie erhalten haben. Angehörige wurden mit einbezogen, durften auf Wunsch auch 24 Std dabei bleiben.

Aktive Sterbehilfe bedeutet für mich das ich einem Patienten etwas abnehme was zum Leben dazu gehört, nämlich das sterben.
Und das kann und darf ich nicht!
Es geht meistens um die Schmerzen oder die Angst davor. Aber sowas kann ich dem Pat nehmen durch qualitative Sterbebegleitung.

Doch da steckt Deutschland leider noch in den Kinderschuhen.

Lg Kardio
 
[...]Alter ist relativ. Das kalendarische Alter sagt nichts über die Vitalität des Menschen aus.[...]

Sehr richtig!

[...]Langsam kommt mir der Gedanke, nicht nur eine Vorsorgevollmacht für übereifrige Mediziner zum Schutz vor zuviel Intensivmedizin abzugeben, sondern mich auch vor übereifrigen Pflegekräften zu schützen um ggf. nicht zu schnell abzuleben.[...]

Soll ich das so verstehen, daß du denkst, alle Pflegekräfte töten reihum "alles was über 90 ist"?
Ich denke, daß ist wohl eher nicht der Fall! (Ausnahmen, wie z. B. aktuell in der Charité, bestätigen die Regel.)

[...]Aktive Sterbehilfe bedeutet für mich das ich einem Patienten etwas abnehme was zum Leben dazu gehört, nämlich das sterben.[...]

Aber was ist Pflege anderes, als daß ich jene Handlungen durchführe, die der Patient selbst vornehmen würde, wenn er dazu in der Lage wäre und das nötige Wissen hätte?

[...]Und das kann und darf ich nicht![...]

Das ich das nicht darf (bei der momentanen Rechtslage), ist mir auch klar. Die Schwierigkeit, eine gesetzliche Regelung zu treffen, liegt meiner Meinung auch darin, daß ein möglicher Mißbrauch (durch andere Personen) ausgeschlossen wird.

Ich vertrete die Meinung, daß das Leben selbstbestimmt gelebt werden soll/darf. Und da auch der Tod mit zum Leben gehört, so ist es für mich nur logisch, daß mensch auch darüber selbstbestimmt entscheiden darf.
 
Gego schrieb:
Soll ich das so verstehen, daß du denkst, alle Pflegekräfte töten reihum "alles was über 90 ist"?
Ich denke, daß ist wohl eher nicht der Fall! (Ausnahmen, wie z. B. aktuell in der Charité, bestätigen die Regel.)
Ich hoffe dies auch. Aber wenn ich hier so lese, wie mancher denkt und sowenig Widerspruch kommt macht es mich schon nachdenklich.

Kardio78 schrieb:
Aktive Sterbehilfe bedeutet für mich das ich einem Patienten etwas abnehme was zum Leben dazu gehört, nämlich das sterben.
Wie kann man jemandem etwas abnehmen, was nur der Betreffende selber kann?

Elisabeth
 
Hallo,
vielleicht habe ich mich damit falsch ausgedrückt.
Mit abnehmen meinte ich, den Tod durch Handlung meinerseits herbei zuführen, um den "Leidensweg" zu verkürzen.
Ich kann ihn so gut es geht begleiten, ihm beistehen, ihm zeigen das er nicht alleine ist auf diesem Weg, ihm die Angst und die Schmerzen nehmen, aber ich als Pflegekraft darf nicht entscheiden wann das Leben vorbei ist.

Und wenn der Pat aktive Sterbehilfe wünscht?

Dann müssen wir uns fragen warum der Pat das wünscht, was sind seine Ängste? Wie können wir ihm in dieser Situation beistehen?


LG Kardio
 
Dann müssen wir uns fragen warum der Pat das wünscht, was sind seine Ängste? Wie können wir ihm in dieser Situation beistehen?

Und ist nicht das die entscheidende Frage, wenn ich menschlich handeln will anstatt zu glauben das man schon alles weiß?

Elisabeth
 
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