Etwas weniger Blauäugigkeit liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Euphorie gegen über Pflegekammern scheint wohl auf einer gehörigen Portion Unwissenheit und auf einer noch grösseren Portion Demagogie der tatsächlichen Nutzniesser einer Pflegekammer begründet zu sein. Was dort als Allheilmittel verkauft wird ist nichts anderes als eine Entmündigung.
Ich bin angestellter Krankenpfleger und nebenbei selbstständig in einem nicht medizinischen Beruf. Ich erlebe daher das unsägliche System der Zwangsverkammerung an meiner eigenen Person durch die IHK und spreche aus langjähriger Erfahrung.
Wie funktionieren Kammern:
Kammern sind staatlich-politisch eingesetzte Organisationen. Der Staat setzt eine Kammern ein um einen Ansprechpartner gegenüber bestimmten Interessengruppen zu haben.
Er setzt also selbst die Vertretungsorganisation bestimmter Gruppen ein die ihn beraten oder ggf. kontrollieren sollen.
Im Gegenzug werden alle die in irgendeiner Form in diese Interessengruppe gehören könnten per Gesetz Zwangsmitglied in dieser Organisation. Beschönigend Pflichtmitgliedschaft genannt. Damit rechtfertigt man die Existenz und die Legitimation dieser Organisation. Zusätzlich überträgt man noch ein paar Aufgaben auf diese Organisation damit man deren Existenz auch Inhaltlich rechtfertigen kann. Die Organisation darf von diesen Zwangsmitgliedern Zwangsbeiträge einziehen. (Würde der Staat bezahlen wäre es ja Korruption.) Wer nicht zahlt der wird mit dem Gerichtsvollzieher bis hin zur Haft bedroht. Wer hier an sizilianische Methoden denkt, liegt absolut richtig.
Wie wird eine Organisation handeln die von staatlicher Stelle die Lizenz zum abkassieren bekommt? Im Interesse der Zwangsvertretenen oder im Interesse ihrer Gönner? Welche Interessen wird diese Organisation vertreten wenn die Politik Entscheidungen zu den kommenden wirtschaftlichen Problemen im Gesundheitswesen treffen muss?
Es ist nicht möglich die Mitgliedschaft einer Kammer zu kündigen! Es sei denn, man gibt das Gewerbe bzw. den Beruf auf!
Werden die Kammern gegen die eigenen Interessen aktiv, kann ich mich nicht mittels Austritt gegen diese Bevormundung stellen. Bei jeder Gewerkschaft, bei jedem Berufsverband, bei jeder Partei, sogar bei der Kirche kann ich das. Die Kammern haben keine demokratische Legitimation durch die »Mitglieder«, vertreten diese aber ungefragt!
Ziel von Kammern ist nicht die Selbstverwaltung bestimmter Interessentengruppen sondern die Einrichtungen von angenehmen Scheinvertretungen bis hin zur Meinungsgleichschaltung. Das klingt dramatisch ist aber tägliche Realität in bestehenden Zwangskammern.
Vollversammlungen.
In den bestehenden Zwangskammern gibt es sog. Mitgliederparlamente, die Vollversammlungen. Diese sollen die Tätigkeiten der angestellten Mitarbeiter und Geschäftsführer kontrollieren. Theoretisch. In der Realität sind das Abnickveranstaltungen. Die Vollversammlungsmitglieder haben kaum die Möglichkeit in Geschäftsprozesse der Zwangskammern Einblick zu nehmen oder die Entscheidungen der Geschäftsführer zu beeinflussen. Viele Informationen werden vorenthalten. Die Zwangskammern wurden bis jetzt nicht einmal durch die Landesrechnungshöfe geprüft sondern haben sich ihre eigenen Rechnungsprüfungsorganisationen eingesetzt. Mit anderen Worten, es kann nicht kontrolliert werden was mit den Zwangsbeiträgen passiert und wie deren Höhe festgesetzt wird.
Schlagt doch eurem Finanzamt mal vor, das ihr Eure Steuerprüfung künftig selbst durchführt. Es musste erst über viele Jahre geklagt werden, dass z.B. die ersten IHKn durch Landesrechnungshöfe geprüft werden. Und das sind öffentlich-rechtliche Organisationen. In den IHKn und HWKn (Handwerkskammern) ist es bis heute nicht einmal üblich die Gehälter und Einkünfte der Geschäftsführer offen zu legen. Jede öffentlich-rechtliche Krankenkasse muss das inzwischen machen.
Die Vertreter der Vollversammlung werden nicht nach demokratischen Prinzipien gewählt. Jeder kann nur in seiner Berufsgruppe oder Fachgruppe wählen und dort die Verteilung der Sitze verändern. Die Sitzverteilung in der gesamten Vollversammlung geht aber nicht nach Quantität sondern nach »Wichtigkeit« oder der wirtschaftlichen Komponente. Pflegedienstleitungen und gewerbliche Pflegeunternehmer (das sind auch die gemeinnützigen Träger) hätten dadurch viel mehr Möglichkeiten ihre Interessen gegenüber den »kleinen Pflegenden« durchzusetzen. Die Führungsposten in den Kammern werden ja dann nicht durch »kleine Pflegekräfte« besetzt, sondern durch ehemalige Kräfte in Führungspositionen mit den richtigen Kontakten und üblicherweise mit dem richtigen Parteibuch. Dadurch wird im Vorfeld geregelt wer das Sagen in den Kammern hat. Somit werden demokratische legitimierte Mehrheiten verhindert. Das wäre genauso, als würden jedem Bürger entsprechend seinem Berufsstand bei der nächsten Bundestagswahl nur bestimmte Parteien vorgegeben werden die er wählen darf und die Sitzverteilung der Parteigruppen wäre schon im Voraus geregelt.
Die Vollversammlungen sind nichts anderes als Scheinparlamente. Die Wahlbeteiligung bei den bestehenden Zwangskammern beträgt übrigens deutlich unter 10%. Von demokratischer Legitimation lässt sich auch hier nicht sprechen.
Wer sind denn nun die Nutzniesser dieser Pflegezwangskammern?
Nun in erster Linie die Leute, die sich auf den dort zu verteilenden Posten ein angenehmes Leben auf Kosten der Zwangsmitglieder machen können und die sich dadurch eine scheinbar wichtige und repräsentative Position erhoffen. Das dürften im Moment die Personen sein, die diese Kammern mit ihren Organisationen fordern. Vor allem könnten diese dann Ihre Ziele durchsetzen ohne sich von anderen Berufsverbänden hinterfragen zu lassen. Diese Leute müssen nicht mehr leistungsbezogen für ihr Geld arbeiten, sondern bekommen die Zahlungen dank Zwangsbeiträgen auch ohne Gegenleistung. In den Kammergesetzen ist sogar festgelegt, dass diese Zwangsbeiträge unabhängig von einem Nutzen oder einer Leistung gezahlt werden müssen!
Ein Gehalt ohne die Notwendigkeit einer Gegenleistung. Dies hat dazu geführt, dass in den bestehenden Zwangskammern Verschwendung, Subventionsbetrug, Untreue, Unfähigkeit,Luxuspensionen, Spitzengehälter, Dienstwagen, Lachshäppchenparties, Protzpaläste, jegliche Art der Geldverschwendung und Korruption Einzug gehalten haben.
Zwangskammern sind bürokratische Verwaltungsmonster. Sie übernehmen zum Schein hoheitliche Aufgaben um politischen Entscheidungen den Rücken frei zu machen. Sie sind auf keine Fall eine Vertretung der Interessengruppen. Die Leistungen stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen und sie untergraben die demokratische Kultur in diesem Land.
Wer wird den in Zukunft noch auf eine Gewerkschaft oder einen Berufsverband hören, wenn die »Zwangskammern alle Pflegenden vertreten«?
Wenn die Pflege eine berufsständische Vertretung haben möchte, dann sollten sich die Berufsverbände in einem gemeinsamen Rat o.ä. zusammenfinden und ihre Interessen einbringen. Sie sollten einen demokratisch gewählten Vorstand haben der für seine Tätigkeit verantwortlich ist und nach Leistung bezahlt wird. Auch unabhängige Berufsverbände könne Prüfungen abnehmen und an Gesetzgebungen mitwirken. (TÜV, DEKRA, GTÜ usw. beweisen dies - nicht nur bei Autos)
Was mich sehr stutzig macht, dass in den Organisationen die eine Pflegekammer fordern auch Ärzte im Vorstand sitzen. Was bitte machen berufsfremde Personen in einer angeblich berufspolitischen Organisation für Pflegende? Der Interessenkonflikt ist doch vorprogrammiert. Oder anders gefragt: Welches Pflegepersonal sitzt in der Ärztekammer? Da sind doch ganz andere Interessen am Werk als die Vertretung des Pflegepersonals.
Wenn bei vielen in der Pflege kein Interesse an einer Berufsvertretung besteht, warum sollen dann Zwangskammern dies gegen den Willen der Betroffenen regeln? Was soll diese Bevormundung? Wie gross wird erst die Begeisterung für die Kammern wenn unaufgefordert der Zwangsbeitragsbescheid kommt oder der Zwangsbeitrag gleich vom Lohn abgezogen wird?
Lasst Euch bitte nicht für Dumm verkaufen. Pflegekammern sind Zwangsorganisationen und nutzen nicht wirklich den Pflegenden. Sie werden eine meist politisch motivierte Kontrollorganisation über Pflegende ohne echtes Mitspracherecht und dienen eher Eure echten Interessen auszuhebeln und Bereiche gegen unliebsame Mitbewerber abzuschotten.
Was Zwangsverkammerung in bestehenden Kammern bedeutet kann man auf diesen Seiten sehen:
Bundesverband für freie Kammern e.V. oder
Kammerwatch
Der bffk e.V. hat übrigens bereits ein Statement wegen den Pfelgezwangskammern herausgegeben.
http://www.bffk.de/files/nieders._pflegekammer_-_bffk_stellungnahme.pdf
Nehmt Euch das zu Herzen. Ich werde seit Jahren von einer nutzlosen Zwangskammer terrorisiert und abgezockt. Ich persönlich möchte nicht zwei dieser parasitären und nutzlosen Organisationen durchfüttern müssen. (Entschuldigung, aber das sind die freundlichsten Formulierungen die mir dazu momentan einfallen.)
Ich habe nichts gegen eine demokratisch legitimierte Berufsvertretung. Ich gehöre selbst einigen an. Aber entmündigende Scheinvertretungen unter Zwang, und das sind Kammern nun mal, sind ein Schaden für die Pflegeberufe und die demokratischen Prinzipien in diesem Land.
Eine persönliche Bemerkung:
In Deutschland haben Zwangsorganisationen sehr viel Leid angerichtet. Mit aus diesem Grund wurde 1948 der Artikel 20.2 in die UN-Charta der Menschenrechte AEMR aufgenommen. »Niemand darf gezwungen werden einer Vereinigung anzugehören«.
Diese Recht wird in Deutschland millionenfach von Politikern und Lobbyisten mit Füssen getreten. Mit der Einrichtung neuer Zwangskammern kämen noch ein paar Hunderttausend, nämlich wir, dazu.
Und Leute die diese Charta verletzen sollen uns und die Pflege in Deutschland repräsentieren? Fordert Ihr das wirklich?
Ich kann aus meiner Erfahrung nur sagen: »Haltet die Augen auf und wehrt Euch so lange Ihr noch könnt gegen eine
Zwangsmitgliedschaft in Kammern!«
Daniel