Unsinniges Sterben auf AAO bei Reanimation

@Elisabeth .. wenn Du mich meinst, ich arbeite im AnInt-Bereich.

Weiß ich doch schon lange. *g* Ich meinte eigentlich auch nicht dich sondern precious20.

@ precious20, wenn du bzw. deine Freundin selbst entscheiden wollt, dann empfiehlt sich ein Medizinstudium. Ich befürchte nur, dass ihr mit dem Hintergrundswissen nicht anders als der Doc entscheiden werdet.

Elisabeth

PS Sollte der Doc tatsächlich einer Fehleinschätzung unterliegen (auch er ist nur ein Mensch) dann darf/ muss Fachkraft den Mund aufmachen und auf den ev. Fehler hinwiesen. Dem Doc das Regime aus der Hand nehmen geht nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß nicht, ob es precious schon aufgefallen ist, aber: Die Sterblichkeitsrate der Menschen beträgt immer noch 100%. Selbst die eifrigste, längste oder aggressivste Therapie wird daran nichts ändern. Sich mit dem Tod nicht abfinden zu können und die Schuld bei einer anderen Berufsgruppe zu suchen ist in unserem Arbeitsbereich kritisch zu sehen. Aus einer akuten Notsituation einen Wettkampf zwischen den Berufsgruppen zu machen ist ein No-Go.

Ich habe vor kurzem ein Interview mit Chesly B. Sullenberger gelesen; das war der Pilot, der im Januar das kaputte Passagierflugzeug im Hudson River landete. Er hat nach dem Triebwerksschaden die Kontrolle über das beschädigte Flugzeug übernommen (zu Beginn flog der Copilot), und er hat entschieden, wo gelandet wird (der Tower hatte einen anderen Flughafen vorgeschlagen). Alle Entscheidungen mussten innerhalb von Sekunden getroffen werden. Glaubst Du, die Sache wäre so glimpflich abgegangen, wenn im Cockpit eine Diskussion über das richtige Vorgehen ausgebrochen wäre?
 
Dann hat man imho den falschen Beruf ... ganz einfach.

Könntest du das DANN genauer formulieren? Danke.



wenn du bzw. deine Freundin selbst entscheiden wollt, dann empfiehlt sich ein Medizinstudium. Ich befürchte nur, dass ihr mit dem Hintergrundswissen nicht anders als der Doc entscheiden werdet.

Wenn Du meine Beitrage gelesen hättest, dann wüsstest Du, dass ich mich nie mit meiner Ex-Kollegin in eine Schublade gesteckt habe. Ich wollte lediglich wissen was andere Pfleger machen würden, wenn sie einem verhinderbaren Tod ins Auge sehen würden (und ich sprach NIE von Palliativpflege). Der Fazit hatte sich bereits herausgestellt.

Ich verlasse mich hauptsächlich auf mich und mein menschliches Gewissen. Wenn ich in so einer Situation mit 200%iger Sicherheit wüsste, wie der Pat. zu heilen ist, dann würde ich den Arzt unmittelbar in diese Richtung lenken und wenn ich danach in den Knast muss.. wäre mir das lieber als den Pat. sterben lassen zu haben. Dabei gehe ich von einem Pat. aus, der danach noch ein lebenswertes Leben vor sich hat.


Ich weiß nicht, ob es precious schon aufgefallen ist, aber: Die Sterblichkeitsrate der Menschen beträgt immer noch 100%.

Glaubst Du, die Sache wäre so glimpflich abgegangen, wenn im Cockpit eine Diskussion über das richtige Vorgehen ausgebrochen wäre?

Sorry, wenn ich das jetzt themenbezogen mal so drastisch ausdrücke, aber dann kannst Du Dich ja gleich an die Wand stellen und erschießen lassen. Es geht hier ums Leben, nicht ums Sterben (auch wenn Sterben in der Überschrift steht). Was würdest Du tun, wenn der Arzt anordnet alle schwarzen Kinder Deiner Station einzuschläfern? Der Arzt hats angeordnet, jetzt muss ich das auch ausführen?

Das weiß ich nicht. Ich war nicht dabei und außerdem hat er ja alles richtig gemacht, also hätte es da ja eh nichts zu diskutieren gegeben.

Außerdem hab ich A bereits einen Fazit herauskristallisiert und B diskutieren wir ja eben deshalb hier und nicht im Reanimationsraum (hab ich auch schon mal geschrieben, aber liest ja keiner ^^)
 
Was würdest Du tun, wenn der Arzt anordnet alle schwarzen Kinder Deiner Station einzuschläfern? Der Arzt hats angeordnet, jetzt muss ich das auch ausführen?
Meinst Du nicht auch, daß Du mit diese Aussage ein ganzes Stück zu weit gehst?
:down:
 
Da gibt es nicht mehr viel auszuführen ... wenn eine Pflegekraft meint, sie müsse 'eingreifen und es selber besser machen' ... DANN hat sie mit der Krankenpflege einfach den falschen Beruf gewählt.

Wer in unserem Metier medizinische Entscheidungen treffen möchte, der möge sich - und hier wiederhole ich mich - an einer Uni einschreiben und Medizin studieren.

Cys
 
Dabei gehe ich von einem Pat. aus, der danach noch ein lebenswertes Leben vor sich hat.

Dieses hast du NICHT zu entscheiden!!!!!!! Und ich finde den Vergleich mit dem 3.Reich in diesem Zusammenhang daneben. Es zeugt aus meiner Sicht von Unreife.

Elisabeth
 
Was würdest Du tun, wenn der Arzt anordnet alle schwarzen Kinder Deiner Station einzuschläfern? Der Arzt hats angeordnet, jetzt muss ich das auch ausführen?

Du hast - und ich hoffe, das weißt Du auch - die Pflicht, eine solche Anordnung zu verweigern. (Leider gab es tatsächlich bereits Fälle, in denen die Pflegekräfte dies nicht getan haben, nicht bei Schwarzen, aber bei geistig Behinderten - und ich rede jetzt nicht vom Dritten Reich! Nur so zur Info).

Mit solchem Argument zu kommen, zeigt mir aber, wie Dir hier gerade die Felle wegschwimmen. Ich muss Dich wohl nicht darauf hinweisen, welcher Unterschied zwischen den beiden Situationen besteht.

Ich wiederhole: Die Sterblichkeit der Menschen beträgt 100%. Heißt: Jeder Mensch wird eines Tages sterben. Dies ist nicht die Schuld unfähiger Mediziner oder eines anderen Sündenbocks. Es ist einfach eine Tatsache.

Versuche zu lernen, dass Du nicht alle Patienten retten kannst.
 
Jap,

ich muss auch sagen, bisher war die Diskussion bisweilen etwas einseitig, das Beispiel mit den schwarzen Kindern hat sie aber imho endgültig ad absurdum geführt.

Im Grunde denke ich, musst Du vermutlich einfach noch lernen, dass es eben Unterschiede zwischen machbaren und sinnlosen Bestrebungen gibt, das Leben zu verlängern und eben vor allen Dingen, dass die Pflege und die Medizin zwar zwei verwandte Berufssparten sind, die jedoch einen grundsätzlich anderen Blickwinkel und vor allem andere Kompetenzen haben.

Ich bin mir nicht sicher, ob es nicht besser wär, das Thema zu zu machen, denn wir drehen uns seit 5 Seiten im Kreis zwischen mittlerweilen ausgehenden Argumenten und - gerade in den letzten Posts - einer gewissen Hirnlosigkeit, so dass hieraus wohl kaum mehr eine fruchtbare Diskussion erwachsen wird.

Cys
 
Warum gibt es eigentlich auf Intensivstationen (Ich arbeite auch da.) so viele Kollegen, die glauben, daß sie fast alles besser können, als der Arzt und daß (junge/ spezielle/ alle) Ärzte sowieso ein bißchen dusselig sind und sie selbst das alles besser könnten, wenn man sie nur machen ließe? Ist das ein Problem mit Hierarchien, die Unfähigkeit, die, zumindest formal, höhere Qualifikation eines anderen anzuerkennen oder was sonst?
 
Ich persönlich habe das Problem im Op auch oft. Wir sind da Dienstleister der Ärzte, stehst nun mal in der "Qualifikationshierarchie" unter ihnen, aber wenn ein Greenhorn kommt, sind wir es, die sie an die Hand nehmen müssen, unterstützen, lenken, ohne dabei irgendwelche Kompetenzen zu überschreiten. Mit uns dagegen wird oft nicht so einfühlsam umgegangen.
Es ist ein ständiges Ausbalancieren und nervenaufreibend.

Letzten Endes kann man jedoch nicht einfach alle über einen Kamm scheren. Alle haben ein Recht zu lernen. Wenn mir Entscheidungen missfallen oder ich sie nicht verstehe, kann ich auch durchaus das Gespräch suchen oder Vorschläge machen. In einer Diktatur leben wir nicht.

Mir stellt sich hier die Frage: Reanimieren um des Pat. willen oder weil man's gut kann und sich das beweisen möchte? Weil der Tod immer eine Niederlage bedeutet? Weil der intubierte, rundum versorgte Pat. immerhin noch ein Beweis von medizinischem Können ist?

Anders ist es, wenn der junge oder unerfahrene oder sonstwie überforderte Arzt eindeutig mit der Situation nicht mehr zurechtkommt. In den allermeisten Fällen kann man Vorschläge machen, Unterstützung anfordern. Das deutet sich ja meist schon im Vorfeld an, nicht erst, wenn der Zug abgefahren ist.
 
Anders ist es, wenn der junge oder unerfahrene oder sonstwie überforderte Arzt eindeutig mit der Situation nicht mehr zurechtkommt. In den allermeisten Fällen kann man Vorschläge machen, Unterstützung anfordern. Das deutet sich ja meist schon im Vorfeld an, nicht erst, wenn der Zug abgefahren ist.

Selbst dann besitze ich nicht das Recht, die Situation an mich zu reissen!
Es wird mir keiner 'ans Bein pinkeln' ... Recht habe ich dennoch nicht, wenn man es rein formal betrachtet.

Ich bin als Pflegekraft nicht für die Ausbildung der Ärzte zuständig, das ist nunmal Fakt. Und bitte versteht das nicht als engstirniges Pflegekraft-Denken - ich befürworte viele Arten der Zusammenarbeit innerhalb des sog. therapeutischen Teams, aber hier ist eine Grenze.

Cys
 
Bei meiner Ex-Kollegin soll es so gewesen sein, dass ein junger Pat. mit Kammerflimmern in die NA kam und der Arzt jede Menge Betablocker verabreichte um den Puls zu senken. Das soll beim irreversible Nullpunkt geendet sein. Die Ex-Kollegin hätte gern den Defi benutzt. Im Allgemeinen gings um Sitationen in denen die Reanimation erfolgslos vom Arzt beendet wird und meine Ex-Kollegin aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung in diesem Bereich der Meinung ist, dass der Pat. noch Chancen gehabt hätte.



Ich hatte mal eine ähnliche Situation bei einer Patientin. Die hatte allerdings eine komplette Asystolie, die der Arzt versucht hat mit einer Defibrillation zu beheben. Da habe ich mir schon herausgenommen, zu sagen, dass das wohl so nichts bringt. Aber das wurde glatt überhört.
Ich denke, man kann und soll auch einen Arzt als erfahrene Pflegekraft schon auf einen gravierenden Fehler hinweisen, man ist sogar verpflichtet dazu. Mann darf sich auch weigern, eine Anordnung durchzuführen, die ganz offensichtlich falsch ist und auch fatale Folgen haben kann. (Zum Beispiel hat bei uns eine Ärztin mal 6 Fläschchen Natriumbicarbonat am Stück angeordnet...). Da haben wir den Chef angerufen.
Aber was man sicher nicht kann, ist den Arzt an einer Tätigkeit mit Gewalt zu hindern oder auch, wenn der Arzt etwas anderes tut, selbst den Defi zu nehmen und den Patienten zu defibrillieren. Man kann aber den Defi bereitstellen und energisch sagen: "Hier ist der Defi, wollen Sie nicht defibrillieren?!?" Wenn der Arzt das nicht tut, kann man vielleicht einen anderen Arzt oder am besten den Vorgesetzten dazuholen. Aber mehr kann man nicht machen.
Und ich sage Euch nochwas: Zum Glück sind die meisten Ärzte kompetent und tun das Richtige. Aber es gibt auch immer mal wieder welche, die ganz gravierende Fehler machen, und da dürfen wir als Pflegekraft durchaus den Mund aufmachen und auch mal mit Nachdruck darauf hinweisen. Also einen jungen Mann mit Kammerflimmern nicht zu defibrillieren, das halte ich schon für einen gravierenden Kunstfehler. Ich glaube ich hätte mit Nachdruck darauf hingewiesen und evtl. einen anderen Arzt beigeholt. Aber selbst den Defi in die Hand genommen hätte ich nicht.
 
ist den Arzt an einer Tätigkeit mit Gewalt zu hindern oder auch
und selbstdas mußte ich einmal zum Wohle des Patienten tun, als unser Stationsarzt bei einem Patienten mit z.n HI / HK und Versorgung mit Stents über den arteriellen Schenkel der HK Schleuse 1mg Noradrenalin spritzen wollte, um eine vorübergehende Hypotonie zu beheben (keine Reanimation!). Ich war mit dem Nachbarpatienten beschäftigt und bekam aus den Augenwinkeln mit, was er gerade im Begriff war zu tun, drehte mich um und nahm ihm wortlos die Stpritze aus der Hand, die schon auf dem arteriellen Schenkel steckte.
Leider war dies nicht der erste und einzige Vorfall dieser Art. Nach Rücksprache mit unserem LAA wurde er versetzt.
 
Der Wunsch nach dem allwissenden Gott in Weiß muss ein Wunsch bleiben. Auch der Arzt ist nur ein Mensch.

Was mir aufgefallen ist in den Jahren, dass es auch auf die Art der Kommunikation mit den "Jung"-ärzten ankommt. Besonders wenn man dem Doc versucht deutlich zu machen, dass sein Studium ihn nur unzureichend auf die Realität vorbereitet hat, reagieren manche recht abweisend und pochen auf ihre Hierarchiestufe.

Vielleicht wär es im Sinne des Pat. nicht zu versuchen, die Hierarchiestufen mit Gewalt zu kippen, sondern dem anderen Respekt zollt... und sei es nur der Respekt vor der Leistung eine 6jährige generalistische Ausbildung durchlaufen zu haben (mit etwas Probs zu haben bei der Sortierung des imensen Grundwissens).

Elisabeth
 
Selbst dann besitze ich nicht das Recht, die Situation an mich zu reissen!
Es wird mir keiner 'ans Bein pinkeln' ... Recht habe ich dennoch nicht, wenn man es rein formal betrachtet.
Cys

Man muss ja nicht die Situation an sich reißen, aber wenn gravierende Fehler passieren, hat man schon eine moralische Pflicht zu handeln. Ob das nun bei anderen ist, oder die Pflicht, eigene Fehler nicht zu vertuschen.
 
Hier liegt das Problem: kann ich wirklich anhand meiner Kenntnisse sicher sein, dass hier ein Fehler vorliegt. Wenn ja, dann habe ich die Remonstrationspflicht. Ich habe auch die Pflicht ggf. einen anderen Do zu holen um schlimmeres zu verhindern.

In diesem Sinne hätte precious20 Freundin sich strafbar gemacht und könnte im Falle einer Klage zur Verantwortung gezogen werden... sofern der Kadi nachwiesen kann, dass ihre Fachkenntnisse ausreichten die Gefahr zu erkennen.

Es bleibt hier aber ein Stochern im Heuhaufen. Wir wissen bei den Beispielen nichts über die Umstände, meint: Nebendiagnosen, Prognosen, Patientenverfügungen etc..

Elisabeth
 
Es bleibt hier aber ein Stochern im Heuhaufen. Wir wissen bei den Beispielen nichts über die Umstände, meint: Nebendiagnosen, Prognosen, Patientenverfügungen etc..

Elisabeth

Nein, wir können hier nur grob allgemein sprechen und verschiedene Aspekte beleuchten. Aber vielleicht hilft das ja schon weiter.
 
Vielleicht gehts auch manchmal nur um das ******gefühl jemanden sterben lassen zu müssen, ganz gleich der Umstände:


Einer meiner Patienten war ein Einheimischer mit einer Schusswunde im Unterleib. Sein Dickdarm war rupturiert, seine Bauchhöhle voller Exkremente. Aus irgendeinem Grund konnte ich die Sauerstoffsättigung nicht ausreichend sicherstellen, obwohl ich konstant manuell beatmete. Eine Brustdrainage war eingesetzt und an den Absaugungen abgeschlossen, und nichts deutete darauf hin, dass der Pat. aus einer Brustkorbverletzung blutete. Dennoch wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Das Niveau der Sauerstoffsättigung, das bei 95 bis 100 Prozent hätte liegen sollen, war auf 89 Prozent abgesunken. Die Ärzte entschieden den Eingriff abzubrechen und den Brustkorb zu öffnen. Eine dramatische, aber notwendige Entscheidung. Als der Brustkorb offen war, sahen wir ein Loch von der Größe eines Tennisballs im oberen Bereich seiner rechten Lunge, aus dem Blut quoll. Ich beatmete ihn, aber der Sauerstoff kam nicht in sein Blut - stattdessen wurde er aus dem riesigen, klaffenden Loch in seiner Lunge herausgeblasen. Als die Operateure diese verheerende, tödliche Wunde bemerkten, sahen sie sich an und konstatierten: >>Das wars mit der OP. Wir können nichts mehr für den Mann tun.<< Ich blickte zum Kommandierenden und fragte: >>Das wars? Was soll ich jetzt tun?<<

>>Du musst ihn sterben lassen.<<,

sagte er und ging vom Tisch weg. Der Mann war noch am Leben, weil ich mich bemühte, ihn konstant zu beatmen, indem ich den Beatmungsbeutel für die Narkose immer wieder drückte. Ich atmete für ihn, sein Leben lag tatsächlich in meinen Händen. Die Operateure brachen den Eingriff ab, verließen ihren Platz am Tisch und zogen den Kittel aus. Ich drückte immer noch auf den Beutel. So etwas lernt man nicht in der Narkoseausbildung, und ich war auf so einen herzzerreißenden, entscheidenden, letzten Akt nicht vorbereitet. Die OP-Schwestern begannen mit dem Aufräumen, kein Operateur war mehr zu sehen, aber ich drückte immer noch auf den Beutel. Ich konnte nicht aufhören, obwohl die Sättigungswerte des Mannes immer weiter absanken. Mir war klar, dass er im Sterben lag, dass sein Gehirn zu wenig Sauerstoff erhielt, dass man nichts mehr tun konnte, um sein Leben zu retten. Ich drückte immer noch auf den Beutel. Kollegen betraten den OP und sagten mir: >>Die Operateure kommen nicht wieder. Wir sind fertig, es ist vorbei.<< Ich drückte immer noch auf den Beutel. Ich brauchte Zeit, um mich davon zu überzeugen, dass die einzige Alternative darin bestand, das Leben dieses Mannes zu beenden. Ich war in diesem Augenblick voll für ihn verantwortlich, und mein Tun war das Einzige, was ihn noch am Leben erhielt. Während ich neben dem tödlich Verwundeten saß, erinnerte ich mich schlagartig an die Zeit, als ich noch an Bord des Marineschiffs stationiert war. Wir hatten damals darüber gesprochen, was wir tun würden, wenn das Schiff unter feindlichen Beschuss geriete und wir unsere Patienten nicht in Sicherheit bringen könnten, bevor das Schiff sank. Wir wollten nicht, dass sie qualvoll ertrinken müssen und entwickelten daher einen Plan: Die Patienten sollten von uns mit Morphium versorgt werden, damit sie friedlich sterben könnten, bevor sie zusammen mit dem Schiff untergehen würden. Diese Erinnerung gab mir Kraft. Ich verabreichte dem Patienten 10mg Morphium und drückte immer langsamer auf den Beutel. Schließlich und ganz allmählich bewegte ich den Beutel dann nicht mehr. Mein Patient war tot. Ich konnte nur beten, dass er friedlich eingeschlafen war. Trotz der überaus schmerzlichen Erfahrung, die ich gerade durchlebt hatte, war meine Arbeit noch lange nicht beendet. Man brachte uns immer mehr Verwundete, und es wurde schnell offensichtlich, dass in diesem Gebiet nicht nur Kampftruppen starben oder verwundet wurden. Ein neunjähriger Junge wurde eingeliefert; die Hälfte seines Gesichts war weggesprengt. Wo sich einst eine Nase befand, hing nur noch zerfetztes Gewebe. Sein rechtes Auge war verschwunden, wie auch ein großer Teil der rechten Gesichtshälfte. Er litt unter furchtbaren Schmerzen. Nur die Hälfte seines Munds war noch da, und doch schrie er laut nach seiner Mutter. Der Ruf nach >>Mama<< war universell, egal, welche Sprache die Kinder sich sonst bedienten. Wir wussten was er wollte, was er brauchte, was zu tun war.
 
Kannst Du mal bitte die Quelle für dieses Zitat einstellen? Interessiert mich, auch wenn's nur peripher mit dem Thema zu tun hat.
 

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