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unser Plädoyer nach Fortbildung wird unterstützt durch den folgen Bericht:
Quelle:
http://www.aerztlichepraxis.de
Notfallmediziner Prof. Sterz: „Unsere Leitlinien sind wenig praxistauglich“
Warum kompliziert reanimieren, wenn’s einfach auch klappt?
von Dr. Karl Eberius
Sogar erfahrene Notfallmediziner machen beim Reanimieren Fehler. Dieses alarmierende Manko wird gleich in zwei jüngst veröffentlichten Studien aufgedeckt. Professor Fritz Sterz zeigt sich darüber nicht verwundert.
Für den stellvertretenden Vorstand der Universitätsklinik für Notfallmedizin in Wien sind die derzeit gültigen Reanimationsleitlinien schlicht praxisfern.
ÄP: Was missfällt Ihnen an den derzeitigen Empfehlungen zur kardiopulmonalen Wiederbelebung?
Sterz: Um möglichst viele Menschenleben zu retten, müssen die Leitlinien in wichtigen Punkten vereinfacht werden. Mit möglichst simplen Empfehlungen nimmt sowohl die Qualität der Reanimation zu wie auch die Bereitschaft, erste Hilfe zu leisten.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die Leitlinien fordern, den Thorax bei der Herzdruckmassage vier bis fünf Zentimeter tief zu komprimieren. Diese Anweisung ist jedoch viel zu theoretisch und für die Praxis völlig unbrauchbar. Die Empfehlung muss vielmehr heißen: Ordentlich hineindrücken! Wenn es dabei nicht knackst, wurde nicht tief genug gedrückt. Wer das Herz nur streichelt, wird keinen ausreichenden Blutfluss zu Stande bekommen.
Und wo, bitte schön, liegt der korrekte Druckpunkt für die Herzmassage?
Die Leitlinien verlangen, am Rippenbogen die Sternumspitze aufzusuchen und von dort zwei Querfinger nach oben zu gehen. Aber auch diese Empfehlung ist für die Praxis viel zu kompliziert. Wesentlich einfacher und mindestens genauso gut ist der Ratschlag, in Höhe der Brustwarzen auf das Brustbein zu drücken. Bei diesem simplen Vorgehen ist die Gefahr, dass eine Rippe bricht und sich in Leber oder Milz bohrt, sicherlich nicht größer als bei der Zwei-Querfinger-Empfehlung. Zumal das potenzielle Risiko in keinem Verhältnis zum möglichen Nutzen steht. Lediglich bei Frauen mit großen Brüsten muss man sich eventuell mit der Mitte des Brustbeins behelfen.
Zur Reanimation gehört auch die Mund-zu-Mund- oder Mund-zu-Nase-Beatmung ...
... und auch dabei kommt es immer wieder zu Problemen. Wichtig ist, dass ausreichend Luft in die Lungen gelangt. Um das zu überprüfen, muss man während der Atemspende mit einem Auge in Richtung Brustkorb schielen, ob sich dieser hebt. Tut er das nicht, ist die Beatmung ineffektiv. Typische Fehler sind, dass der Kopf des Patienten nicht korrekt überstreckt oder der Mund bei der Atemspende nicht fest genug aufgepresst wird. Beim Beatmen von Mund-zu-Mund muss man zudem die Nase des Patienten zuhalten, damit die Luft auch tatsächlich in Richtung Trachea strömt.
Für große Unsicherheit sorgt im Notfall immer wieder die Frage, ob tatsächlich ein Herz-/Kreislauf-Stillstand vorliegt und der Patient reanimiert werden muss.
Um diese Frage zu beantworten, sind die Leitlinien wenig brauchbar. Die Pulskontrolle ist dafür zum Beispiel nur bedingt tauglich. Denn das Tasten des Pulses ist bei Herz-/ Kreislauf-Notfällen nicht nur extrem schwierig, sondern kostet oft auch viel wertvolle Zeit.
Auch die Kontrolle der Atmung verleitet schnell zu Fehleinschätzungen. Nicht selten entpuppt sich eine vermeintlich intakte Atmung als Schnappatmung im Rahmen der Agonie. Die Lunge wird dabei jedoch nicht ausreichend ventiliert. Die fatale Folge ist, dass nicht umgehend mit der Reanimation begonnen wird und die Chancen auf eine erfolgreiche Wiederbelebung sinken.
Statt der unsicheren Überprüfung von Atmung und Puls sollte die praktische Empfehlung daher lauten: Umgehend mit der Herzdruckmassage zu beginnen, wenn jemand bewusstlos zusammenbricht und der Betroffene „wie tot“ aussieht.
Wie sieht denn ein toter Mensch aus?
Fragt man bei einem Herzstillstand die Angehörigen, wie der Betroffene aussah, als er kollabiert am Boden lag, lautet die Antwort immer: Der sah aus wie tot. Dieses Bild ist so eindeutig, dass keine weitere Beschreibung nötig ist.
Falls sich der Patient gegen die schmerzhafte Herzdruckmassage wehren sollte, ist das kein Problem. Im Gegenteil! Dann liegt auch kein Herz-/Kreislauf-Stillstand vor. Reanimieren erübrigt sich. Hinfällig ist damit auch die Diskussion, wie man am besten Schmerzreize zur Überprüfung des Bewusstseins setzt. Und auch für die Beatmung gilt: Kein Mensch, der noch selbst atmet, lässt sich beatmen.
Grundsätzlich sollte man bedenken, dass noch niemand gestorben ist, weil mit der Herzmassage begonnen wurde. Allerdings sind schon viele Millionen Menschen gestorben, weil diese Maßnahme nicht begonnen wurde. Die Devise kann daher im Zweifelsfall nur lauten: Just do it!
ÄP-HINTERGRUND
Die Fehler der Profis
Amerikanische und europäische Forscher haben Rettungsprofis beim Reanimieren auf die Finger geschaut. Die Ergebnisse sind ernüchternd.
Die US-Studie bezog sich auf 67 Patienten, die an der Uniklinik in Chicago wegen Herzstillstandes von klinikinternen Reanimationsteams wiederbelebt worden waren (JAMA 293 [2005] 305–310).
Ergebnis: Bei 28,1 Prozent der Reanimationen wurde der Thorax weniger als 90 statt der geforderten 100 mal pro Minute komprimiert – und dies auch noch in 37,4 Prozent der Fälle nicht tief genug (< 38 mm). Bei 40,3 Prozent der Wiederbelebungen summierten sich die Unterbrechungen der Herzmassage („No flow“-Phasen), auf mehr als 20 Prozent der Reanimationszeit
In die zweite Studie waren insgesamt 176 europäische Patienten integriert, die außerhalb des Krankenhauses von Rettungsdiensten reanimiert wurden (JAMA 293 [2005] 299–304). Resultat: Bei 62 Prozent der Patienten wurde der Thorax nicht tief genug komprimiert (< 38 mm). Die „No flow“-Phasen beanspruchten durchschnittlich 48 Prozent der Reanimationszeit.