Niedriger BZ - Insulin Ja/Nein

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Hallo Oldtimer, haben diese Schemata auch, nur ist bei 60 die Schmerzgrenze erreicht. Haben einige Patienten, bei denen man sich nicht unbedingt darauf verlassen kann, dass sie wirklich essen. Haben einen Patienten gehabt (ist bereits Anfang 90), der bei einem Wert von 72mg% nicht etwa angegangen hat zu essen, sondern erstmal noch in den Garten gegangen ist um seine Bäume zu beschneiden. Ich denke es ist einfach noch mal ein Unterschied, ob ich ambulant oder stationär versorge. Auch muss man es vom jeweiligen Patienten abhängig machen. Mit der Zeit kennt man ja seine "Pappenheimer". Gerade abends bin ich mit dem Insulin besonders vorsichtig, da unser Klientel in der Regel zwischen 70 und 100 Jahre ist und die Gefahr der nächtlichen Unterzuckerung nicht zu unterschätzen.
 
Hallo Sunshine1508,

ich möchte mal einen ganz anderen Aspekt in die Diskussion bringen. Ich arbeite in der Notaufnahme einer Klinik.
Wir bekommen nicht selten Hypoglycämien, aber selten aus dem häuslichen Bereich, bei denen ein Pflegedienst das Insulin spritzt.
Auch hatte ich vor kurzem die Diskussion mit einem Arzt ob bei einem BZ-Wert von 70 noch das Langzeitinsulin gegeben werden soll, in der vollen Dosis.
Er war der Meinung ja, da der Patient auch noch isst und es ansonsten den BZ mehr durcheinander bringt.

Etwas anderes ist es bei Rapidinsulin, da würde man bei diesem BZ kein Insulin mehr geben.

Schönen Abend
Narde
 
Oldtimer schrieb:
BZ Beispiel von 60-80 mg% 8 IE

Also bei 60er BZ würde ich auch keine 8 IE mehr spritzen..... jedenfalls im stationären Bereich. Denn da hat man ja die Möglichkeit der engmaschigen Nachkontrolle.
 
Hallo Netti es sollte nur ein Beispiel sein,ich habe auch immer zur Vorsorge Traubenzucker dabei. Wenn ich merke, dass jemand niedrigen BZ hat und ich auf Anordnung trotzdem Insulin geben soll, so gebe ich dem Patienten auch gleichzeitig Trbzck.da es bis zum essen ja noch ca. 30 Min. geht. Bei uns sind fast überall noch Angehörige da, denen ich das mitteilen kann.Wenn jemand alleine lebt, richte ich ein Brot oder sonstiges und evtl. was süsses zu trinken, auch meine Patienten sind alle zwischen 70 und 98 Jahren
 
@ Oldtimer:

Naja, wie ich schon sagte, im stationären Bereich warte ich mit dem Insulinspritzen lieber ab, wenn der BZ zu niedrig ist und kontrolliere lieber vorher nochmal nach nach 'ner halben Stunde oder so.
Ihr habt ja da im ambulanten Dienst wenig Möglichkeit dazu. Deswegen verstehe ich auch dein Handeln speziell für die ambulante Pflege. Im stationären Bereich wird lieber erst noch abgewartet. Das war mein Fazit von diesem Thema. Tschüüüüß......
 
Hallöchen,
also bei uns im Pflegeheim ist es so, dass wir ständig Kontakt zum Diabetologen halten und wann es Probleme gibt wenden wir uns an Ihn!
Wir haben für jeden Bewohner einen Extra Insulinplan wo die Insulineinheiten auf den BZ abgestimmt werden, bei Unterzucker versuch ich es erstmal mit Traubenzucker und messe dann nochmal nach, wenn dieses Schwankungen oft auftreten wird die BZ dokumentiert und zum Diabetologen gefaxt mit der bitte um Therapieänderung und das klappt eigentlich gut mit der Zusammenarbeit!
 
Hallo,also bei uns im Ambulanten Dienst handhaben wir es so: wir lassen uns vom Hausarzt für die Patienten ein Spritzenschema erstellen, daß heisst BZ Beispiel von 60-80 mg% 8 IE
90-120 mg% 10 IE
130-160mg% 14 IE dies lassen wir vom Arzt gegenzeichnen und spritzen laut dem vorgegebenen Plan. Klappt ganz toll und wir sind abgesichert.
Die Insulingabe in der ambulanten Pflege ist ein absolut heikles Thema. Bei mindestens 2 meiner Patientinnen würdest du mit solch einer Regelung auf den Bauch fallen. Diese Patientinnen sind völlig unberechenbar was das Essen angeht. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass sie selbst bereitgestelltes Essen dann auch wirklich zu sich nehmen. Bei einem Nüchtern-BZ bis 100 mg% spritze ich da kein Insulin (Actraphane 30/70) mehr, da schon mehrfach die BZ Werte nachmittags bedrohlich niedrig waren.

Aus meiner Sicht heraus dürften solche Patienten nicht mehr alleine bleiben. Notfalls müßten sie ins Heim denn sie gefährden sich selbst. Egal was du da an Tabellen aufstellst, du bekommst die Gesamtsituation nicht komplett abgesichert.

Oft genug habe ich auch Probleme mit Patienten, die frisch eingestellt aus dem KH kommen. Die Einstellung passt vorne und hinten nicht, was jetzt nichts mit einer evtl. schlechten Arbeit im KH zu tun hat, sondern mit den anderen Bedingungen in der häuslichen Umgebung.
 
Netti schrieb:
Wozu haben wir auch 3 Jahre die Schulbank gedrückt? Das es für alles Standarts gibt und man wenig selbstständig entscheiden kann?
Mein Reden...

Bei uns wird bei einem BZ von 60 oder 70 mg% zunächst kein Insulin gegeben, dann später noch einmal kontrolliert. Aber der Pat. ist dann ja auch nicht allein, ich arbeite ja im Heimbeatmungspflegedienst und es ist immer jemand vor Ort. Das ist natürlich eine andere Situation.
 
Danke, für euere Meinungen... Nur hat bis jetzt keiner was von einer Dienstanweisung, Standard oder ähnliches gesagt...
scheint dann wohl überall so zu sein, das es alle Pflegekräfte "frei Schnauze" entscheiden. :gruebel:
 
Eine Anweisung, wie zu verfahren ist kann nur der behandelnde Arzt geben. Er kennt (sollte kennen) alle Gegebenheiten.

Ergo: der Standard wir vom betreuenden Arzt erstellt und zwar individuell für jeden Pat.. Ggf muss der Arzt, wie im klinischen Betrieb auch üblich, noch mal an seine Verpflichtungen zur Festlegung einer Therapie erinnert werden. Ein Spritzen - Zitat "frei Schnauze"- entfällt damit.

Elisabeth
 
Elisabeth Dinse schrieb:
Ein Spritzen - Zitat "frei Schnauze"- entfällt damit.

Elisabeth

.... damit meinte ich nicht das jede Pflegekraft spritzen soll, wie sie/er denkt, sondern das jeder wohl selber entscheiden muss, ob er bei einem BZ von 65 mg% noch das spritzt was der Arzt angeordnet hat oder lieber ein zweites mal den Pat. anfährt!!!!
 
Ergo: der Standard wir vom betreuenden Arzt erstellt und zwar individuell für jeden Pat.. Ggf muss der Arzt, wie im klinischen Betrieb auch üblich, noch mal an seine Verpflichtungen zur Festlegung einer Therapie erinnert werden. Ein Spritzen - Zitat "frei Schnauze"- entfällt damit.
NEIN - das ist einer der Bereiche die du mit einem Standard nicht 100% absichern kannst. Es gibt immer wieder Situationen, wo das nicht passt. Vor allem in der ambulanten Pflege wo erschwerend hinzukommt, dass du den Patienten im Tagesverlauf nicht unter Kontrolle hast.

Gerade die Situationen wo man einen Patienten mit einem relativ niedrigen BZ vorfindet, aber eine recht hohe Insulinmenge spritzen soll, erfordern immer wieder Personal mit grosser Wissensbasis und großem Verantwortungsbewußtsein.

Wenn ich eine alte, alleinstehende, leicht demente Patientin mit einem BZ von 70 vorfinde, laut Standard soll ich ihr 20 IE Insulin spritzen, Nahrungszufuhr ist nicht gesichert (z.B. durch Angehörige) dann werde ich hier sicher keine 20 IE mehr spritzen. Auch wenn es sich um Insuline Typ Actraphane 30/70 handelt. Zu oft habe ich schon erlebt, dass solche Patientinnen dann vom Spätdienst in desolatem Zustand aufgefunden und mit einer massiven Hypoglykämie ins KH eingeliefert wurden.

Das sagt mir meine mittlerweile 10 jährige Erfahrung in der ambulanten Pflege. Es kommt immer wieder einmal vor, dass ich abweichend von festgelegten Werten agieren muß und das Ergebnis meiner Arbeit zeigt eindeutig, das ich in diesen Fällen Recht hatte mit meinem "eigenwilligen" Handeln.

Das hat absolut nichts mit dem Ehrgeiz zu tun, ärztliche Tätigkeiten zu übernehmen. Das hängt damit zusammen, dass man sein über Jahre hinaus erworbenes Wissen einsetzt und nicht völlig betriebsblind nur noch Standards umsetzt. Ich muß eine Handlung auch vor mir selbst verantworten können. Natürlich sind Standards da, um eine einheitliche Arbeitsweise zu erreichen, aber es gibt Momente wo das schlichtweg nicht mehr funktioniert.

Das was ich hier sage, gilt für mich aber nur in der ambulanten Pflege, wo ich nur allzuoft keinen entscheidungsfähigen Arzt finde, z.B. an Wochenenden. Das möchte ich ausdrücklich erwähnen, da hier auch durchaus Berufsneulinge lesen und ich halte es für wichtig, dass sie die Problematiken in den verschiedenen Arbeitsbereichen mitbekommen. Pflege wird über einen Kamm geschert, egal ob KH, ambulant oder Heim. Die Besonderheiten des jeweiligen Bereiches werden nicht berücksichtigt.
 
Vielleicht hab ich mich mißverständlich ausgedrückt.

Bei uns im klinischen Bereich war es üblich sogenannte Limits vorzugeben: Von- bis- dann. Wenn die Werte außerhalb dieser Limits lagen, war eine Info an den Doc angesagt.

Wenn man im ambulanten Dienst nicht gewährleisten kann, dass die ärztliche Verordnung umgesetzt werden kann (z.B. mangelnde Compliance des Pat.): wer wenn nicht der Arzt soll hier entscheiden?

Frage: Wann darf/ wird der behandelnde Arzt mit dieser "Lapalie" eigentlich konfrontiert? Und gibt es nicht ähnlich unseren Dienstärzten eine Vertretung des Hausarztes außerhalb seiner Dienstzeiten? Wenn der ärztliche Kollege sich nicht festlegen mag, dann muss seine Dienstvertretung gebeten werden.
Das niedergelassene Ärzte anders reagieren als klinisch tätige wage ich zu bezweifeln. Auch unsere maulen nicht selten wenn man sie mit ihren Aufgaben behelligt.

Ich finde es absolut schwierig hier eine allgemeingültige eindeutige Vorgabe zu formulieren: wenn- dann. Ich entscheide stets individuell im klinischen Betrieb- je nach Pat.. Was beim einen noch geht, ist beim anderen ev. grundverkehrt. Und manchmal braucht der Doc einfach ne Info um seine Therapieidee anpassen zu können.

Elisabeth
 
Sunshine: hatte auf Seite 2 schon geschrieben, dass bei uns die Anordnung gilt bei Zuckerwerten unter 90 kein Insulin gespritzt wird.
Letzendlich ist es so wie Stormrider schon schrieb. Du musst genau gucken, bei wem du bist und wie verlässlich die Nahrungsaufnahme ist. Als ich vor 11 Jahren mit der ambulanten Pflege angefangen habe, hab ich mir die Haare gerauft. Vieles ist eben doch anders als im stationären Bereich.

Elisabeth:
Frage: Wann darf/ wird der behandelnde Arzt mit dieser "Lapalie" eigentlich konfrontiert? Und gibt es nicht ähnlich unseren Dienstärzten eine Vertretung des Hausarztes außerhalb seiner Dienstzeiten? Wenn der ärztliche Kollege sich nicht festlegen mag, dann muss seine Dienstvertretung gebeten werden.
Das niedergelassene Ärzte anders reagieren als klinisch tätige wage ich zu bezweifeln. Auch unsere maulen nicht selten wenn man sie mit ihren Aufgaben behelligt.

Habe schon häufig erlebt, dass wir den diensthabenden Arzt angerufen haben und der eine Anordnung getroffen hat, die die Patienten mit Sicherheit ins Koma geschickt hätte. Dann stehst du da mit deinem Talent. Einerseits musst du die Arztanordnung ausführen, andererseits weisst du, dass es für den Patienten gefährlich ist. Also gehst du in die Diskussion mit entsprechendem Arzt (wenn er denn mit sich diskutieren lässt) Das Problem bei den diensthabenden Ärzten ist, dass sie die Leute nicht kennen und deren häusliches Umfeld bzw. Lebensgewohnheiten. Also wird irgendein Standardschema gewählt, was aber nicht unbedingt für den betreffenden passt. Habe schon einige Anordnungen gehabt, die zur Unterzuckerung geführt haben. Sind aber Gott sei Dank nochmal spät abends hingefahren obwohl die ausdrückliche Anweisung hiess: "keine erneute Kontrolle erforderlich"....
Deshalb versuchen wir vorab schon so viele Eventualitäten wie möglich abzudecken, sprich vorab mit dem Hausarzt zu klären, um gar nicht erst den diensthabenden informieren zu müssen.
 
Hallo,

eines kann ich nicht ganz nachvollziehen (und ich habe selbst einige Jährchen ambulante Pflege auf dem Buckel):
wie demente insulinpflichtige Patienten offenbar ganz allein sich selbst überlassen sind...
Das habe ich nicht erleben können, zum Glück!
Abgesehen davon, dass die regelmäßige Nahrungsaufnahme nicht sicher gestellt werden kann (aufgrund der Demenz), wie kann dieser generell in einem Haushalt alleine sein? Er kommt doch dann ohnehin nicht mehr alleine klar.

Und: wie oft und wie lange dürfen wir eigentlich noch BZ messen im ambulanten Bereich? Nur noch nach Insulin-Neueinstellung einige Wochen. Und wenn der BZ dann immer noch stark schwankt, bekommt man nur noch mit guten Argumenten eine Genehmigung der Krankenkasse für die weitere tägliche BZ-Messung.
Während im KH das BZ-Tagesprofil täglich bei allen Diabetikern durchgeführt wird, muß im ambulanten Bereich die ärztl. Verordnung + die Genehmigung der Krankenkasse vorliegen, um überhaupt wenigstens ein bis zweimal am Tag messen zu dürfen.
Alternative: der Patient zahlt die Leistung selbst oder die Pflegekraft macht es mal eben ohne Verordnung, wobei letzteres mit der Zeit und je nach Anzahl der Patienten teuer werden kann.
Ergo: bei wie vielen Patienten spritzen wir die angeordneten Einheiten Insulin, ohne zu wissen, welchen BZ-Wert er hat???
Wir suchen den Pat. auf, spritzen die angeordneten Einheiten und fahren weiter....

Ich holte mir bei diesen Patienten die Angehörigen mit ins Boot. In der Regel verfügen Diabetiker über ein BZ-Gerät, welches Angehörige bedienen können. Da mit den Hausärzten oft keine befriedigende Lösung gefunden werden konnte, sprach ich mich immer mit den Angehörigen ab, die für die Nahrungsaufnahme gesorgt haben bzw. den Pat. nach der Injektion im Auge behielten. Bei dementen Patienten war eigentlich immer ein Ansprechpartner da.

Bei einem Fall wurde das Insulin gänzlich abgesetzt - unregelmäßige Nahrungsaufnahme, keine Angehörigen, stark schwankende BZ-werte, oft <50mg/dl.
Es stellt sich schließlich auch die Frage, ob ich mit Insulin mehr Schaden verursache als ohne.

LG
Trisha
 
Erst einmal schließe ich mich Eiseules Beitrag vollkommen an.

Und gibt es nicht ähnlich unseren Dienstärzten eine Vertretung des Hausarztes außerhalb seiner Dienstzeiten? Wenn der ärztliche Kollege sich nicht festlegen mag, dann muss seine Dienstvertretung gebeten werden.
Es gibt eine Vertretung, aber nicht zu allen Zeiten. Hier in NRW werden die Wochenenden, von Freitag 18.00 Uhr (bin mir nicht ganz sicher, auf jeden Fall gibt es eine mehrstündige Lücke vom normal üblichen Praxisschluß bis Aktiv werden des Notdienstes) abgedeckt bis Montag morgen 7.00 Uhr und Mittwoch nachmittag bis Do. 7.00 Uhr durch einen ärztlichen Notdienst. Dieser Notdienst kennt die Patienten nicht, hat keine Möglichkeit, Informationen zum Patienten zu bekommen. Einzige Informationsquelle bin ich. Oft werden solche Probleme nach Standard abgefertigt. Ergebnis meines Anrufes: Die daraus resultierende Entscheidung kann ich definitiv nicht mitverantworten. Wenn ich es mit einem Standardproblem zu tun hätte, wäre mein Anruf garnicht notwendig gewesen, denn Standardsituationen werden von den Standards erfasst. (hhmmm lustiger Satz irgendwie ;-) )
Aber was ist mit Zeiten wie z.B. in der Woche morgens 6.30 Uhr? Da erreiche ich in der Regel keinen Hausarzt. Freitags nach 11 Uhr bis zum Aktiv werden des ärztlichen Notdienstes ist auch so eine arztlose Zeit.

Ich finde es absolut schwierig hier eine allgemeingültige eindeutige Vorgabe zu formulieren: wenn- dann. Ich entscheide stets individuell im klinischen Betrieb- je nach Pat.. Was beim einen noch geht, ist beim anderen ev. grundverkehrt. Und manchmal braucht der Doc einfach ne Info um seine Therapieidee anpassen zu können.
So ist es. Eine noch so gut ausgeklügelte Therapie kann versagen. Und das ist der Moment, wo ich dann in Bedrängnis komme und ggf. entgegen meiner Kompetenz handeln muß um Schaden vom Patienten abzuwenden, da in der ambulanten Pflege nicht 24/7 ein Arzt zur Verfügung steht.

Auch habe ich die Erfahrung gemacht, dass Ärzte die Problematik durch Demenz und damit bedingter unkontrollierbarer Nahrungszufuhr nicht ernst nehmen oder nicht sehen wollen, weil ihnen klar ist, das dieses Problem in unserem System ambulant nicht lösbar ist.

Gemildert werden könnte das Problem wenn die Krankenkassen ein wenig kulanter mit der Kostenabdeckung wären. Genehmigt bekomme ich in der Regel 2xtgl./7xwchtl. BZ-Messung/Insulingabe, also morgens und abends ein Einsatz. Die Kostenübernahme zusätzlicher Einsätze wird grundsätzlich abgelehnt. Genehmigt werden müßte dann BZ-Messung/Insulingabe nach Bedarf. Dann kann ich flexibel meine Einsätze gestalten und zumindest innerhalb der Woche auch eine Kontaktmöglichkeit zum Arzt schaffen. Aber leider ist solch eine Arbeitsweise nicht möglich und grundsätzlich immer solche Einsätze ohne Kostenvergütung zu fahren ist in der heutigen Zeit einfach nicht mehr möglich.

Vielleicht sollte ich auch darauf hinweisen, dass ich betriebswirtschaftlich gesehen, gerade mal 5 Minuten Zeit habe, um einen Diabetiker mit BZ-Messung/Insulin zu versorgen.

Mir persönlich ist eigentlich wichtig, dass in der Ausbildung zur ex. Krankenschwester klar werden muß, dass ein Standard nicht immer 100% angewendet werden kann. Vor allem muß deutlich gemacht werden, dass man auch noch eine Durchführungsverantwortung hat und ein Standard einen davon nicht entbindet.

Nicht umsonst sind viele Krankenschwestern total schockiert, wenn sie in die ambulante Pflege wechseln. Auf die Probleme dieses Systems sind sie nicht vorbereitet worden.
 
Ohgott... man mag gar nicht weiter denken. Bloß nicht alt werden in diesem Gesundheitssystem. Langsam verstehe ich den Frust der Kollegen in der ambulanten Pflege.
Wie mag es in anderen Ländern laufen? *grübel* Ob es Sinn macht einen neuen Thread zu diesem Theman zu eröffnen?

Elisabeth
 
Ohoh da hat Trisha zwischendurch geantowrtet, muß ih doch glatt nochmal nachsetzen:
wie demente insulinpflichtige Patienten offenbar ganz allein sich selbst überlassen sind...
Das habe ich nicht erleben können, zum Glück!
Abgesehen davon, dass die regelmäßige Nahrungsaufnahme nicht sicher gestellt werden kann (aufgrund der Demenz), wie kann dieser generell in einem Haushalt alleine sein? Er kommt doch dann ohnehin nicht mehr alleine klar.
Dann hast du wirklich Glück gehabt. Der Patient kann sich ja oft noch bedingt versorgen, aber eben nicht auf seine Situation angepasst, weil er mit der Problematik des Diabetes nicht mehr klar kommt. Total unregelmässiges und vor allem falsches Essen, wenig trinken etc. sind die Folgen. Das System arbeitet viel zu langsam. Die Entscheidung, ob ein Patient ins Heim kommt kann der Pflegedienst nicht fällen und die meisten Ärzte scheuen sich davor Initiative zu ergreifen.
Eine meiner Patientinnen ist im Endeffekt in der Psychiatrie gelandet. Grund: Nachdem ich sie innerhalb von 2 Wochen das 4. Mal als Notfall ins KH hab transportieren lassen, hatten die wohl die Nase voll und zu dieser Maßnahme gegriffen. Der Pflegedienst hat alles mögliche versucht, die Situation der Patientin abzusichern. MDK war informiert, Hausarzt war informiert. Wochenlang hatte sich nichts getan.......

Und: wie oft und wie lange dürfen wir eigentlich noch BZ messen im ambulanten Bereich? Nur noch nach Insulin-Neueinstellung einige Wochen. Und wenn der BZ dann immer noch stark schwankt, bekommt man nur noch mit guten Argumenten eine Genehmigung der Krankenkasse für die weitere tägliche BZ-Messung.
Wir haben das bis jetzt bis auf einen Fall immer durchgesetzt bekommen. In diesem einen Fall haben wir dann die Versorgung abgelehnt weil es für uns nicht tragbar war, weil die Kasse auch die Kostenübernahme für die Teststreifen verweigerte und das Patient das nicht zahlen konnte.

Ergo: bei wie vielen Patienten spritzen wir die angeordneten Einheiten Insulin, ohne zu wissen, welchen BZ-Wert er hat???
Wir suchen den Pat. auf, spritzen die angeordneten Einheiten und fahren weiter....
Nein, wird es bei uns nicht geben. Wir messen den BZ wenn wir das für nötig halten. Es gibt einige Patienten die wirklich stabil sind. Aber auch hier nehme ich mir einfach das Recht heraus den BZ zu messen, wenn ich das Gefühl habe, dass mit dem Patienten etwas nicht stimmt.

Wenn geistig präsente Angehörige da sind, nutze ich selbstverständlich diese "Ressource". Es gibt aber auch viele alte Menschen, die ihren Partner gepflegt haben, dieser verstorben ist und keine weiteren Angehörigen aufzutreiben sind, meist sind es alleinstehende alte Frauen.

Das Perverse an dem System ist, dass wir in NRW einen Pauschalbetrag für die Behandlungspflege bekommen. Kostenmäßig ist es also für die Kasse nicht relevant, ob wir den BZ nun noch zusätzlich messen oder nicht, Einziger Kostenfaktor sind die Teststreifen. Deshalb sehe ich darin auch kein Problem, wir messen wenn wir es für notwendig halten. Schwierig wird es allerdings, wenn die Kasse die Kosten für Teststreifen nicht übernehmen will.

Mir geht es hier um die Patienten, wo ich einen immensen Aufwand fahren müßte um sie zu versorgen. Also zusätzliche, nicht abrechenbare Einsätze. Das kann nicht mehr geleistet werden.
 
Hallo stormrider,

wenn ich pro Tour vielleicht ein oder zwei Patienten hätte, bei denen ich kontrollieren muß, kann das die Pflegekraft und der Betrieb wirtschaftlich verkraften.
Aber wir hatten Abendtouren mit teilweise ca. 30 insulinpflichtigen Diabetikern....
Wie wägst Du ab?
Wenn ich dem einen den BZ messe, muß ich dem nächsten gerechterweise auch messen...Hypoglykämien verlaufen nicht selten unauffällig.
Und umgekehrt? BZ zu hoch = mehr Insulin spritzen?

Wenn keine gültige von der GKV genehmigte VO zur BZ-Messung vorliegt, wird nicht gemessen, sondern nur gespritzt. Im Zweifelsfall das Gerät des Patienten benutzen und messen. Wollte der Patient gemessen bekommen, dann mußte er diese Leistung bezahlen. Mit unserem Gerät voller Satz, mit Gerät des Patienten mußte er 1 € pro Messung bezahlen.

Ambulante Pflege hat hier seine Grenzen. Da mal eben RR messen, da mal eben BZ messen, da mal eben jemand aus dem Bett helfen usw - alles nicht abrechenbar.
Leistungen ohne Vergütung erbringt die amb. Pflege genug. Der Patient versteht es nicht. Die Pflegekraft auch nicht. Aber so ist es.

Wir haben oft Folge-VO´s für weitere BZ-Kontrollen eingefordert, meist ohne Erfolg.
Dass betroffene Patienten mehrmals im KH landeten wegen Hypoglykämien und das dies sehr viel teurer ist als die prophylaktische BZ-Messung zu Hause war für die GKV kein Argument. Antwort:"Das ist eine andere Abteilung, dafür sind wir nicht zuständig." Kein Kommentar:gruebel: .

Warum sollte also der Pflegedienst Teststreifen und Arbeitszeit kostenlos zur Verfügung stellen?
Keine Frage: bei eindeutigen Symptomen ist Handeln angesagt, aber nicht, wenn der Verdacht nahe liegt, es könne evtl. etwas schief gehen. Dann müßte ich tatsächlich bei allen insulinpflichtigen Patienten messen!!!

Wir können natürlich ewig auf diesem reduzierten Gesundheitssystem herum hacken.
Aber: der Trend geht eindeutig in Richtung eigenverantwortlicheres Handeln des Patienten bzw. Angehörigen, ob physisch oder aus dem eigenen Geldbeutel - das spielt keine Rolle.

LG
Trisha

P.S.: sorry, stellenweise offtopic
 
Elisabeth Dinse schrieb:
Ohgott... man mag gar nicht weiter denken. Bloß nicht alt werden in diesem Gesundheitssystem.

Sehe ich auch so.


Wie mag es in anderen Ländern laufen? *grübel* Ob es Sinn macht einen neuen Thread zu diesem Theman zu eröffnen?

Elisabeth
Diese Idee finde ich sehr gut.
 
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