Corona und dann? Zukunftsaussichten für die Pflege

Diese Gehaltsdiskussion bringt doch nichts. In den Medien wird ja immer nur pauschal von der Pflege erzählt, da werden dann Pflegehilfskräfte im Seniorenstift mit OP- oder Intensivpflegekräften am Uniklinikum in einen Topf geworfen, da werden tariffreie Arbeitgeber mit tarifgebundenen in einen Topf geworfen. Zwischen diesen Extremen liegen finanzielle Welten.
Das Problem ist doch aber, dass selbst im tarifgebundenen Uniklinikum die Pflegekräfte mit langer Berufserfahrung abwandern und nachrückende Kräfte fehlen oder nach wenigen Jahren das sinkende Schiff verlassen.
Das Gehalt ist also in der Breite sicherlich ein Hebel, an dem man ansetzen könnte, aber es löst nicht das Problem der abwandernde Fachkräfte in den tarifgebundenen Bereichen. Dass auch dort Fachkräfte abwandern und ein Nachwuchsmangel herrscht, zeigt doch, dass ein viel gravierenderes Problem besteht, das alle Pflegebereiche gleichermaßen betrifft und den Nachwuchsmangel in den tariflich schlechter gestellten Bereichen nur noch verschärft: die schlechten Arbeitsbedingungen bzw. die hohe Arbeitsbelastung.

So lange man nur an einem kleinen Hebelchen dreht, nämlich der Bezahlung, wird man den Fachkräftemangel nicht beheben können. Etwas mehr Lohn lockt möglicherweise den Einen oder die Andere zurück in die Pflege, gerade die Pandemiezeit hat ja vielen gezeigt, dass es eben auch ein sehr sicherer Arbeitsplatz sein kann. Aber in den Häusern wird sich durch rückkehrende Pflegekräfte nichts an den Bedingungen verbessern, so lange dort nicht parallel auch verbindliche Personalbemessungstools gesetzlich festgeschrieben werden. So lange das nämlich nicht parallel etabliert wird, werden die Rückkehrer lediglich die Löcher stopfen und die Leasingquote reduzieren, an der Schichtbesetzung wird sich aber nichts ändern.

Fazit:
Das Drehen an der Bezahlschraube muss für einen allgemeinen Flächentarifvertrag in allen (!) Pflegebereichen sorgen, die Attraktivität des Berufes nachhaltig zu steigern kann man aber nur erreichen, wenn dieser Flächentarif dtl. über dem aktuellen TvöD liegt.
Das Drehen an der Arbeitsbedingungsschraube gelingt nur durch die allgemeingültige Etablierung von verbindlichen Personalbemessungstools mit scharfen Sanktionsmöglichkeiten bei Unterschreiten der Quote.

Gruß spflegerle
(warum habe ich nur das Gefühl, mich hier ständig zu wiederholen)
Gute Zusammenfassung! Fehlt nur noch zu Erwähnen, dass auch strukturell sich was bessern muss. In der Pflege müssen auch Dienste abgeleistet werden zu Zeiten die anderen Berufsgruppen heilig oder - eben doch auch teuer sind. Hier in dem Beruf sind sie selbstverständlich Teil des "Gesamtpaketes"! Auch hierzu ist ein vernünftiger Ausgleich herbeizuführen.
Btw: Dein Gefühl teile ich...
 
Warum wohnen dann so viele Pfleger und auch Handwerker in ner Mietwohnung und fahren einen Kleinwagen aus Fernost? Der Partner verdient doch meist auch noch Geld. Da müsste man doch locker 100000 zusammen haben pro Jahr
Gott sei Dank bin ich Single, dann muss ich nicht in einem Kleinwagen fahren, sondern kann mein Rad nehmen.
 
  • Haha
Reaktionen: HellBunny
Warum wohnen dann so viele Pfleger und auch Handwerker in ner Mietwohnung und fahren einen Kleinwagen aus Fernost? Der Partner verdient doch meist auch noch Geld. Da müsste man doch locker 100000 zusammen haben pro Jahr
Gott sei Dank bin ich Single, dann muss ich nicht in einem Kleinwagen fahren, sondern kann mein Rad nehmen.

Ok, dann hau ich auch mal in die Kerbe:
Gott sei Dank bin ich verheiratet, fahre einen Mittelklassewagen und wohne in einem (bezahlten) Einfamilienhaus. :mrgreen:
Aber mein Mann arbeitet auch nicht in der Pflege....:aetsch:
 
Ok, dann hau ich auch mal in die Kerbe:
Gott sei Dank bin ich verheiratet, fahre einen Mittelklassewagen und wohne in einem (bezahlten) Einfamilienhaus. :mrgreen:
Aber mein Mann arbeitet auch nicht in der Pflege....:aetsch:
Das ist das anzustrebende Ideal im Stationszimmer, sonst gilt man im Team irgendwann als komisch. :mryellow:
 
  • Haha
Reaktionen: NN
Das ist das anzustrebende Ideal im Stationszimmer, sonst gilt man im Team irgendwann als komisch. :mryellow:

Als komisch, wenn man Single ist, oder wenn man kein Haus hat? Oder wenn der Partner auch in der Pflege arbeitet? Wir hatten mal nen Pfleger der einen Mercedes SLK fuhr. Den hätten einige Kollegen am liebsten zerkratzt, was natürlich massig ist
 
Als komisch, wenn man Single ist, oder wenn man kein Haus hat? Oder wenn der Partner auch in der Pflege arbeitet? Wir hatten mal nen Pfleger der einen Mercedes SLK fuhr. Den hätten einige Kollegen am liebsten zerkratzt, was natürlich massig ist
Man ist eher komisch, wenn man Ü30 keine feste Beziehung hat oder verheiratet ist, ohne Kinder und am schlimmsten vielleicht noch keinen Apfelbaum im Garten. Darüber definieren sich viele, ist mein Eindruck.
Und das mit dem Mercedes wundert mich auch nicht.
 
Man ist eher komisch, wenn man Ü30 keine feste Beziehung hat oder verheiratet ist, ohne Kinder und am schlimmsten vielleicht noch keinen Apfelbaum im Garten. Darüber definieren sich viele, ist mein Eindruck.
Und das mit dem Mercedes wundert mich auch nicht.

Das ist aber eine sehr engstirnige Sicht. Kenne genug Leute die überzeugte Singles sind, auch wohlhabende Leute. Gerade in Großstädten soll es doch so viele Singlehaushalte geben. Und nicht jeder will sich ein Haus mit Garten leisten, oder hat Lust den Garten zu pflegen. Unsere Chefin wohnt auch zur Miete-aus Überzeugung
 
Ab hier auf Seite 41 ein paar weitere Zukunftseinschätzungen:

Bin gespannt, was wie eintreten wird. Tetlock hat mal ein gutes Buch zu Vorhersagen geschrieben. Könnten die ganzen Medien- und Zukunftsexperten, die täglich für uns Szenarios malen, mal durchlesen.
 
Hmm... Gehaltsdiskussionen müssen geführt werden. Schließlich wird in der Krise und vor allem nach der Krise der "Kuchen verteilt". Momentan sehen wir, wie Automobilhersteller aus ihrer Wolfsburger Puppenkiste alte Ideen (die damals schon gescheitert sind) nochmal rauskramen und steuersubventioniert ihren Umsatz steigern wollen.

Um nochmal auf die Rechnungen bzgl. Gehalt zurückzukommen. In Unikliniken ist es derzeit nicht allzu schlecht, dank der 120€ Zulage (welche dynamisch ist und somit wieder ggf. Verhandlungsmasse wird). Würde man nun also direkt nach der Ausbildung auf einer normalen peripheren Stat. arbeiten, wären das ca 40.000 € p.a. (samt Schichtzulage und JSZ). Für einen Ausbildungsberuf nicht zu verachten, wird aber natürlich der Verantwortung nicht gerecht. Auch bzgl. der Schichtarbeit typischen Belastung etwas zu gering. Als Vergleich hat man dann eben die IGM Tabellen vor Augen und braucht sich eben nicht wundern, wenn potentielle Bewerber bzw. Auszubildende lieber den Weg gehen.
Insgesamt ist das Gehalt, für die Pflege am Bett im vollen drei Schicht system auch als Schmerzensgeld zu betrachten. Da Schichtarbeit, im öD aber scheinbar keine lobby hat und keiner Gewillt ist eine aufzubauen, gehören anständige Schichtzuschläge nicht zum Verhandlungsgegenstand der Tarifverhandlungen.
Insgesamt steht die Pflege eben einem komplett anderem Verständnis von Arbeit gegenüber. Wenn ich meinen Vater und auch meinen Bruder so reden höre (Anfang 60 und Mitte 30), dann hat man in den Generationen eben noch eine "Malocher Mentalität". Also schaffen und Geld verdienen.
Heutzutage geht es eben viel mehr um Work Life Balance, welche im Schichtsystem eher schwerer zu vereinbaren, aber auch nicht unmöglich, ist. Auch fehlt es in der Pflege auch an gutem Führungspersonal. Auf nicht wenigen Stationen herrscht z.T. immer noch ein Regime der Angst und es wird, gerade bei PDL´s, auch nicht immer auf Augenhöhe diskutiert oder Verhandelt. Moderner Führungsstil? Fehlanzeige.

Zur Zukunft der Pflege nach Corona. Ich habe keine Ahnung.
Das klatschen fand ich... naja... da hat man eben die Bilder aus Bergamo gesehen und den Menschen ging der ***** auf Grundeis.

Es wird interessant zu sehen sein, was mit anderen Branchen passiert. Deutschland ist eine Exportnation und eben kein Alleinunterhalter. Es bringt nichts, wenn wir produzieren, aber nichts nach außen verkaufen können. Also, sollten andere Nationen noch weiter mit Corona beschäftigt sein, sitzen wir drauf und es wird weitere Wirtschaftliche Folgen haben. Es könnte dadurch zu strukturveränderungen kommen, aber in erster linie zu einem "nicht auffüllen" der Kassen und dient somit ggf. als Argumentation für Sparmaßnahmen oder sogar Nullrunden in öD Verhandlungen.

Auch erleben wir aber eine "entzauberung der Globalisierung". Der Mainstream fordert, es soll mehr vor Ort produziert werden. Auch sehen wir, dass mehr staaten, aufgrund des Virus, die Schotten dicht machen und auf Protektionismus setzen. Die EU zeigt sich als wenig solidarisch. Alle machen eher so ihr Ding (wie immer). Auch könnte es in vulnerablen Staaten (wie z.B. Osteuropa oder auch Italien, Spanien etc.) es wieder zu einem verstärkten Nationalismus kommen. Auch nach der Eurokrise wurde Nationaler Populismus wieder In. Italien und Spanien zwang man zum sparen (natürlich auch im Gesundheitswesen) was sich in der Krise bemerkbar machte. Schwer vorstellbar, dass man sich dies nochmal, in dem Umfang antun möchte.
Gerade Pflegekräfte aus Osteuropa (zum Teil in illegalen Arbeitsverhältnissen), stellen ja bekanntermaßen die Häusliche Versorgung sicher. Derzeit bleiben diese aber in ihrer Heimat, aus Quarantäne Angst oder in vergangenheit, im Zeitraum um Ostern, wegen Einreiseverbotes.

Sollte diese Krise auch in den Ländern zu einem Umdenken führen, könnte ich mir gut vorstellen das Regierungen u.a. sagen "unsere Pflegekräfte kriegt ihr nicht so einfach" und bestimmte Abmachungen aufkündigen. Schon vor der Corona krise äußerte sich ein Regierungschef kritisch gegenüber Spahns Tournee zum abwerben von Pflegekräften ( bitte nicht fragen, wer das war). Also könnte es unter Umständen teuerer werden, solche "billigen" Arbeitskräfte zu bekommen.

Aber das sind nur mal so aus der Luft gegriffene Gedanken. Mit viel Glaskugel.
 
OK, dann viel Spaß bei der Arbeit.
"Wir sind wohl gerade so an der Katastrophe vorbeigeschrammt", erklärt Spahn. "Zwar musste vereinzelt für Pflegekräfte geklatscht werden, aber bis auf einen alibimäßigen einmaligen Bonus für Altenpfleger mussten wir zum Glück nichts Grundlegendes ändern."
Nun kommt es laut Spahn vor allem darauf an, eine zweite Welle zu verhindern. "Sonst müssen wir am Ende doch noch Kohle an Pflegekräfte rausrücken, und das kann ja nun ernsthaft keiner wollen."
 
Ich habe letztens das Interview eines Youtubers gesehen, der ca. 80 Tausend Euro im Monat macht. Da denken sicherlich viele 16jährige drüber nach, ob sie sich bei uns die Knochen kaputt arbeiten wollen. Aber nicht jeder wird Top-Youtuber
 
Aber nicht jeder wird Top-Youtuber
Und vor allem nicht für immer und ewig. :wink1:
Das ist ähnlich wie bei Sportlern oder Musikern:
Die verdienen vielleicht (wenn´s gut läuft) in kurzer Zeit sehr viel Kohle. Aber nicht ihr Leben lang, sondern nur ein paar Jahre.
Und dann müssen sie auch schauen, was sie dann machen.
 
  • Like
Reaktionen: Southpaw
Ich habe letztens das Interview eines Youtubers gesehen, der ca. 80 Tausend Euro im Monat macht. Da denken sicherlich viele 16jährige drüber nach, ob sie sich bei uns die Knochen kaputt arbeiten wollen. Aber nicht jeder wird Top-Youtuber
Solche Kreativberufe macht man nebenberuflich und lässt es dann fast schon automatisch den Brotberuf verdrängen. Aber dazu sollte man nicht in die Pflege, weil da Teilzeit nicht wirklich viel rumkommt. ^^
 
Wundert dich das?
Schau dir doch mal die Stellenangebote hier an.
Wenn es um die Vergütung geht, wird maximal mit einem Tarifvertrag geworben. Ansonsten nur Wortbausätze, die man sinnlos aneinanderreihen kann und trotzdem ein gültiges, da nichts sagendes Stellenangebot entsteht.


Damit sich die Situation für uns Pflegekräfte in Deutschland sowohl in finanzieller Sicht als auch in den Arbeitsbedingungen bessert, hätte der Bürger im Rahmen der Krise unter Zwang rekrutiert werden müssen.
Was meint ihr, wie schnell sich diese Leute dann auf die Strasse begeben um aus dem Dienst im KH rauszukommen?
 
Ein Artikel zur superduper Wertschätzung
Ein ziemlich guter Artikel! :up:

"Ich wünschte, ich hätte mich mit meinem Kommentar zu Beginn der Corona-Krise geirrt, in dem ich Pflegekräfte nicht als „unsere Helden“, sondern als „Idioten der Nation“ deklariert habe."

Ja... genau das sind wir ja auch. :angryfire:

"Wenn Menschenmassen lieber auf die Straße gehen, um gegen einen Mundschutz zu protestieren, den sie selbst beim Einkaufen für ein paar Minuten tragen müssen, müssen sich Mitarbeitende in Pflege- und Krankeneinrichtungen ********* vorkommen."

In der Tat!

" Wieso sich nicht für andere Menschen einsetzen, die eben nicht streiken können, weil damit das Leben anderer Menschen gefährdet wird?"

Hier allerdings irrt der Autor.
 

Ähnliche Themen