Ich hab hier jetzt wieder eine Weile gelegentlich mitgelesen, ohne aber Zeit zu haben auf irgendwas zu antworten. Ich mach mal den Versuch zwei Themenkomplexe, die öfter angesprochen werden zu streifen, ohne konkret auf einen bestimmten Beitrag zu antworten.
Impfen
Dazu gab es hier schon einige kluge und differenzierte Beiträge. Es klingt aber immer wieder durch, dass einige sich unsicher fühlen, auch wegen einiger kurioser Informationen, die dazu kursieren. Die Unsicherheit ist erstmal verständlich und ich wurde auch durch einige meiner Mitarbeiter darauf angesprochen. Ich hab dann mal spasseshalber ein bisschen recherchiert und bin zum Beispiel auf den Blog des Herrn Wodarg aufmerksam geworden. Die Vermengung von Fakten, Halbwahrheiten ohne Quellenangaben und offensichtlichem Unsinn ist schon faszinierend und erinnert mich an F20.0 - Patienten. Zum Thema impfen zitiert er den offiziellen RKI-Aufklärungsbogen („Nach derzeitigem Kenntnisstand sind etwa 95 von 100 geimpften Personen vor einer Erkrankung geschützt“) und bezeichnet dies mit fetten roten Lettern als „Amtliche Irreführung“. Denn seiner Meinung nach sind lediglich (erneut in fetten roten Lettern) weniger als eine von 100 Personen durch eine Impfung geschützt. Dies belegt er mit einer sehr offensichtlichen Fehlinterpretation der offiziellen Studiendaten. Da fällt vielleicht mein leicht seniler Nachbar drauf rein, aber doch bitte nicht medizinisches Fachpersonal... Kann man googeln wen´s interessiert, ich möchte das nicht verlinken.
Ich denke, das solch abenteuerliche Meinungen sich überwiegend durch social media ihren Weg bahnen und dann auch schnell mal im Privat- oder beruflichen Umfeld als Fakten verbreitet werden. Ich finde es sehr bedenklich wenn solche Sachen viral gehen, verstehe dadurch aber auch viele Unsicherheiten. Ich denke schon, dass es zu unserem beruflichen Selbstverständnis gehören sollte sich bei solchen Themen über seriöse Quellen zu informieren und sich dann eine Meinung zu bilden, die ja auch jedem zugestanden wird. Dann kann man auch differenziert darüber diskutieren.
Die Aussenwirkung der Pflege aber ist im Moment durch die geringe Impfbereitschaft untermauert mit Aussagen wie „Ich bin da skeptisch/unsicher/weiss noch nicht“ gerade, mal wieder, nicht besonders gut und wenig professionell.
Seriöse Fakten zur Impfung hat z.B. das RKI hier umfassend zusammengestellt:
RKI - Impfen - COVID-19 und Impfen: Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ)
Die (Un-) Logik der Massnahmen
Zu dieser Thematik gab´s auch gestern eine Kolumne im Spiegel mit der etwas polemischen Fragestellung „Warum sind Teeküchen weniger problematisch als Skilifte?“ Zusammengefasst ging´s darum, dass die Autorin die beschlossenen Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie der Politik in Teilen nicht nachvollziehen kann und/oder unlogisch findet. Das wird ja hier und anderswo auch immer wieder diskutiert.
Im Kern geht’s doch bei allen Massnahmen um die Reduzierung der Kontakte. Jeder Kontakt, der nicht stattfindet, reduziert das Risiko einer Infektion und Weiterverbreitung des Virus. Das ist doch erstmal nicht so schwer zu verstehen, oder? Da man aber nicht jeden Kontakt verhindern kann (und will), versucht man zu unterscheiden, welche Kontakte eher notwendig sind, und welche Kontakte eher Luxus.
Die Antwort auf die Frage der Autorin ist doch so simpel wie einleuchtend: Der Kontakt in der Teeküche (sinnbildlich für Arbeitsplatz) ist genauso problematisch wie der im Skilift. In Zeiten der Pandemie ist aber nunmal der Arbeitsplatzkontakt als wichtiger zu werten als der im Skilift. Ergo wird Ski-fahren für eine Weile untersagt, aber arbeiten (inklusive Weg zur Arbeit, Stichwort ÖPNV) erlaubt, weil Arbeit nunmal für ein funktionierendes öffentliches Leben essentiell ist. Das ist jetzt sehr vereinfacht und plakativ dargestellt, aber mit dem Beispiel vor Augen kann man sich doch vieles ableiten. Und natürlich wirken da manche Massnahmen willkürlich (Beispiel 15km bei Inzidenz Ü200) und im Einzelfall unlogisch. Aber man muss doch irgendwo ansetzen, wenn letztlich neue Erkenntnisse wie, wo, wann, was nur laufend wissenschaftlich evaluiert werden können. Es kann doch keiner von „ der Politik“ verlangen, dass diese in einer so noch nie dagewesenen Situation sofort und einstimmig eine immer hundertprozentig schlüssige Antwort auf jedwede Fragestellung finden. Dass da einiges schief geht, manchmal hinterfragt werden kann oder auch ärgerlich ist kann ich auch verzeihen um da mal bei Herrn Spahn zu bleiben.
Wir wollen doch alle nichts sehnlicher als dass der ganze Spuk endlich vorbei ist, oder? Und endlich wieder unbelastet Skifahren, Freunde treffen, Party machen... Wir sind in unserer Gesellschaft vielleicht ein bisschen verwöhnt das alles als selbstverständlich zu betrachten.
Es ist aber doch nicht so schwer die Massnahmen noch eine Weile mitzutragen, sich (ggf.) impfen zu lassen (ich bin dabei) und in absehbarer Zukunft wird die Welt wieder in Ordnung sein. Dann treffen wir uns wieder auf einen Kaffee und jammern, was in der Pflege sonst so alles schief geht...
Sorry für die Texttapete ohne konkrete Antworten, das waren so mehr oder weniger ungefiltert die Gedanken meines heutigen Tages, bitte nix auf die Goldwaage legen, hab ich gerade so runtergetippt. Vielleicht war für den einen oder anderen Ansätze zum Nachdenken dabei.
P.S.: Ich respektiere jedermann´s Bauchgefühle. Die habe ich auch und verlasse mich auch manchmal darauf. Das geht auch gar nicht anders, da meist nicht alle Fakten bekannt sind. Das wird jeder, der in leitender Position beschäftigt ist bestätigen, wenn er ehrlich ist. Man muss halt (im Leben, im Beruf, Impfung ja/nein etc...) häufig Entscheidungen treffen, die nur zum Teil auf Fakten basieren.
Überwiegend mit Bauchgefühlen zu argumentieren wird aber im Verlauf einer fachlichen Diskussion immer schwieriger...oder muss halt ab einem bestimmten Punkt als Meinungsäusserung einfach stehen gelassen werden.