Auf den Zug sollte man erstmal nicht aufspringen und lieber noch belastbare Zahlen sowie transparente Stichproben abwarten. Das dauert noch.
Das ist richtig. Aber wenn das sich bestätigt?
"Wir haben keine ausreichende Schutzausstattung (d.h. Mundschutz, Schutzkittel, Desinfektionsmittel). Muss ich trotzdem ohne Schutzausstattung arbeiten?
Grundsätzlich nein. Gleichzeitig geraten in der gegenwärtigen Ausnahmesituation sowohl die*der einzelne Beschäftigte als auch der Arbeitgeber in die Lage, zwischen zwei Übeln/Risiken abwägen zu müssen: Eigenschutz auf der einen Seite, Versorgung von Patient*innen/Bewohner*innen/Klient*innen auf der anderen Seite. Die eigene Gesundheit ist das Wertvollste, was wir haben. Einem Menschen in großer Not zu helfen, gebietet die Menschlichkeit.
Die Entscheidung können wir euch nicht abnehmen. Wir nennen euch die juristischen Grundlagen, damit ihr auf sicherem rechtlichen Boden abwägen könnt.
In vielen Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, ambulanten Pflegediensten, Behindertenhilfe und im Rettungsdienst fehlen derzeit Teile der Schutzausrüstung, um den ausreichenden Schutz der Beschäftigten gewährleisten zu können. Auch kommt es vor, dass mit Schutzausrüstung unangemessen umgegangen werden soll (z.B. länger als empfohlen zu tragen).
Darüber hinaus wurden bereits behördliche Sondergenehmigungen erteilt, die Ausnahmen von den Schutzmaßnahmen der Biostoffverordnung vorsehen.
Nichts desto trotz gelten die Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten weiter und der Arbeitgeber hat alles zu tun, um eine Gefährdung der Beschäftigten durch eine mögliche Ansteckung mit dem Corona Virus zu verhindern.
Erfüllt der Arbeitgeber, diese ihm u.a. aus § 618 BGB obliegenden Fürsorge- und Schutzpflichten nicht, kann der*dem betroffenen Beschäftigten nach überwiegender Meinung ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen (BAG vom 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16). Dieses bezieht sich immer nur auf die konkreten Tätigkeiten, bei denen die notwendigen Schutzmaßnahmen fehlen. Für andere Tätigkeiten besteht kein Leistungsverweigerungsrecht.
Die aktuelle Unterversorgung mit Schutzmitteln wirft ethische und moralische Fragen auf, die aus der Ferne nicht beantwortet werden können.
Im Fall mangelnder oder fehlender Schutzausrüstung
- ist es essentiell, damit gemeinsam umzugehen. Sucht in den Teams gemeinsame Lösungen, die für alle tragbar sind. So könnt ihr ein gemeinsames Verhalten überlegen und abstimmen, wenn der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nicht nachkommt/nachkommen kann.
- stellt Gefährdungsanzeigen, um euch vom Haftungsrisiko zu entlasten. Zeigt dem Arbeitgeber an, dass die Arbeit nicht nach den Vorschriften und den beruflich erforderlichen Standards geleistet werden konnte. Auch zur Dokumentation einer möglichen Berufserkrankung ist die Gefährdungsanzeige sehr wichtig. Gefährdungsanzeigen sollen auch können und sollen auch mehrfach gestellt werden. Mehr bei der Frage "Ich habe mich auf der Arbeit angesteckt. Ist das ein Arbeitsunfall und kommt die gesetzliche Unfallversicherung dafür auf?“
- Möglich ist auch eine Beschwerde beim Betriebsrat/Personalrat/Mitarbeitervertretung nach Betriebsverfassungsgesetz/Personalvertretungsgesetz/Mitarbeitervertretungsrecht. Die betriebliche Interessenvertretung muss darauf hinarbeiten, der Beschwerde abzuhelfen.. Dies dient dem Selbstschutz der Beschäftigten ebenso dem Schutz anderer Patient*innen, Kolleg*innen und des Umfelds der Beschäftigten vor Übertragung, sowie der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Einrichtung.
- Wer keinen anderen Weg sieht, als ihr*sein Leistungsverweigerungsrecht auszuüben, sollte sich vorher bei ihrer*seiner Gewerkschaftssekretär*in Rat einholen, um das arbeitsrechtliche Risiko einschätzen zu können."
Ausnahmesituation Corona-Pandemie: Antworten auf individuelle arbeitsrechtliche Fragen zu COVID-19, speziell für Beschäftigte in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens
gesundheit-soziales.verdi.de