Gestern Morgen gab es so einen schönen, berührenden Moment.
Eigentlich hatte ich frei gehabt, doch fiel die zweite Kraft für den Frühdienst aus und mich traf dann das Einspringen.
Nein, das ist natürlich nicht der schöne Moment !
Am Abend zuvor war eine Bewohnerin mit ALS urplötzlich verstorben. Sie quälte sich schon die letzte Zeit mit ihren Begleitsymptomen herum, weinte fast nur noch, man konnte die Anspannung förmlich fühlen wenn man das Zimmer betrat. Eine PEG Anlage war unumgänglich, da permanentes Verschlucken und das damit auftretende Erstickungsgefühl ihr zusätzlich mental zusetzte. Obwohl sie ihr Ja dazu hatte, weil es in der Notwendigkeit war, hatte sie kein wirkliches Ja von ihrer Emotionsebene, die wollte weiter essen und trinken, wollte reisen, sich bewegen, Neues erobern....
Die PEG Anlage machte nur Probleme, so sehr war die innere Abwehr dagegen.
Knapp zwei Wochen nach Anlage verstarb sie.
Gestern morgen dann hatte ich das Glück ihr noch einmal begegnen zu können, die Stille die sie umgab fühlen zu dürfen, das entspannte Gesicht zu sehen, welches so friedlich dort lag, als ob sie jeden Moment die Augen öffnen würde und darauf dringen würde, in den Rolli gesetzt und ins Bad gebracht zu werden. Meine Kolleginnen hatte sie so geschminkt wie sie es immer gern hatte, die Haare hochgesteckt wie sie es immer trug, die Nägel lackiert, ihr gutes Glitzer T-Shirt angezogen, ihren Lieblingsduft aufgetragen. All ihre Postkarten, ihre vielen Schreibblöcke, ihre Bücher, das Glas Wasser am Nachtschrank, die Maracujafrüchte die sie so sehr mochte, ihre Augentropfen die sie überall und nirgends präsent hatte (selbst aus ihrer leggings kullerte mir meist ein Fläschchen Augentropfen entgegen, wenn ich sie zur Toilette brachte) , all das umgab sie, hatte die letzten Monate einen grossen Stellenwert eingenommen.
Nun lag sie da und ich war berührt von der Stille, die nach der Unruhe der Emotionen wie eine Wohltat wirkte, nicht nur für mich, vielleicht auch für sie, falls sie von oben den Raum betrachten konnte. Sie war zwar verstorben, aber immer noch präsent im letzten LebensRaum.
Ich freue mich in einer Institution arbeiten zu können und diesen Moment des Abschieds haben zu dürfen, der ganz wichtig ist, wenn man so ein Klientel betreut- Trauerarbeit hat ja im allgemeinen stationären Alltag wenig Bedeutung und ich denke auch das ist wichtig, damit man nicht in eine Überlastungssituation gerät.
LG
Nurse_Kali