Sterben lassen vs. Sterbehilfe

Das ist der natürliche Weg. Die Morphin- und Midazolamgabe sorgte für eine gute Symptomkontrolle. Der Tod wurde dadurch nicht beschleunigt.

Man bezeichnet dies als passive Sterbehilfe. Mit der Entscheidung, den "natürlichen Weg zu gehen", war der Patient auf der Palliativstation vollkommen richtig. Dass er und seine Familie nicht viel Zeit hatten , um die Situation zu verarbeiten, ist tragisch, aber dafür kann niemand etwas.
 
Aber zur Symptomkontrolle würde man doch diese Medikamente über einen längeren Zeitraum verabreichen. Und nicht bei der ersten kritischen Atemnot, ohne Kontrolle der O2-Sättigung oder zumindest den Versuch der Erhöhung der Sauerstoffzufuhr, eine einmalige hohe (tödliche) Dosis verabreichen. Oder verstehe ich da irgendetwas falsch?
 
In welchem Verhältnis stehst du zu dem Verstorbenen? Handelt es sich um einen Angehörigen, einen nahem Bekannten?

Ich kann deinen bisherigen Posts entnehmen, dass du mit der Palliativmedizin nichts zu tun hast und eher im OP-Bereich aktiv bist.

Hast du das Gespräch zum behandelnden Arzt gesucht? Haben die Angehörigen dies getan? Wie wirst du/ wie werden sie begleitet in der Trauerphase?

Elisabeth
 
Ich bin Angehörige und von Beruf Fachkrankenschwester im OP. Mir fällt es halt schwer nachzuvollziehen, wie diese Entscheidung getroffen wurde. Zumal ich auch nach der Verlegung auf diese Station jegliche Form der Therapie erkämpfen musste und dabei überhaupt nicht ernst genommen wurde. Und von den Ärzten habe ich bisher auch keine vernünftige Erklärung bekommen.
 
Ich glaube, es fällt imm er schwer die Entscheidung eines lieben Angehörigen zu akzeptieren, der keinerlei kurrative Therapie mehr wünscht. Und es fällt schwer, wenn man aus dem Intensivbereich kommt den palliativen Ansatz zu verstehen.
Dein Angehöriger hat offensichtlich die Entscheidung, ohne euch zu fragen, getroffen. Das steht ihm zu. Auch wenn du es anders siehst. Leben ist endlich und dein Angehöriger hat dies angenommen für sich. Er wollte offensichtlich keine weiteren Therapien: "ich möchte mein Leben den natürlichen Weg gehen lassen". Eine Symptomlinderung schließt dieser Satz nicht aus- in Gegenteil.


Ich denke, dein Therapieansatz bei der Dyspnoe ist ein kurrativer. Hier geht es nicht um die O2-Optimierung, weil es keinen O2- mangel in dem Sinne gibt. Die Dyspnoe hat andere Gründe. Mit einer Sauerstoffzufuhr erreichst du nicht ein Besserung. O2 wird gelegentlich gegeben um das subjektive Gefühl der Atemnot zu mindern.
http://imbie.meb.uni-bonn.de/fachsc...rlesung Dyspnoe 14.06.2006_Handout_sw_end.pdf

Opioide wirken im CO2-sensitiven Atemzentrum, Morphine zudem über eine zentrale Sympathikolyse. Ferner weisen sie sedierende Wirkungen auf kognitive Funktionen auf, was die Empfindungen von Dyspnoe reduziert. Tumorpatienten, die an intermittierender Dyspnoe im Zusammenhang mit körperlicher Belastung leiden, profitieren häufig von einer prophylaktischen oder bedarfsweisen Applikation schnell wirkender Opioide. Opioide entwickeln bei der Behandlung von Dyspnoe eine rasche Tachyphylaxie, sodass ggf. Dosisanpassungen notwendig sind oder aber ergänzend Benzodiazepine eingesetzt werden sollten, um die Tachyphylaxie zu reduzieren.
20 Palliativmedizinische Aspekte: Atemnot

Du siehst, dass du auch mit deiner Vermutung, es wurden zu schnell Opioide/ Benzodiazepine in zu großer Menge verabfolgt nicht dem Therapieansatz entspricht.

Das du bis dato keinen Gesprächspartner für dich gefunden hast, ist sehr bedauerlich. Aber vielelicht können die pflegerischen Kollegen vor Ort dir auch helfen diese Situation zu verabeiten.
Du kannst davon ausgehen, dass deinem Angehörigen die bestmögliche Begleitung zuteil wurde und das er sich nicht quälen musste.

Elisabeth
 
Hallo Jule 1005

wenn du dir deiner Meinung sicher bist, dann mußt du auch den Weg der Gesetze gehen, ansonsten laß den Verstorbenen ruhen.
 
Hallo zusammen!
Das ist sicher ein heikles Thema und ich bin aus aktuellem Anlass gerade etwas ratlos.
Kurz: es geht um einen dementen Bewohner (einen Ordensbruder), der in der letzten Zeit stark abgebaut hat und 7 Tage präfinal war, bevor er verstorben ist. Die letzten 4-5 Tage hat er nichts mehr zu sich genommen; eine Anfrage bezüglich subcutaner Flüssigkeitszufuhr wurde von dem Betreuer aus seinem Orden abgelehnt (der zuständige Hausarzt war im Urlaub und ein anderer Arzt wurde nicht hinzugezogen).
Nun ist meine Frage, die mich wirklich beschäftigt, ob das ok ist?! Darf man einem präfinalen Menschen über Tage hinweg selbst die Flüssigkeitszufuhr vorenthalten? Es geht mir dabei nicht um eine lebensverlängernde Maßnahme, aber de facto kann man doch nach einem solchen Zeitraum ohne Flüssigkeitszufuhr nicht mehr unbedingt von einem "natürlichen" Tod sprechen, oder?! Das grenzt doch schon an unterlassene Hilfeleistung / Sterbehilfe, oder?!
Mir ist klar, dass das harte Worte sind, aber das beunruhigt mich. Ich bin nur aushilfsweise dort im Dienst und bekomme viele Dinge nicht oder zu spät mit. Leider.
Es wäre nett, wenn ihr mir sagen könntet, ob ein solchen Verfahren mit Präfinalen "normal" ist? Aus dem KH kenne ich soetwas nämlich nicht.
Danke schonmal!!!

ps. soweit ich weiß hat der betreffende Bewohner in seinen gesunden Zeiten nie geäußert, dass er so ein Verfahren explizit wünschen würde!

In manchen Fällen macht es durchaus Sinn, die Flüssigkeitszufuhr einzustellen, nämlich dann, wenn die Ausscheidung nicht mehr intakt ist und sich durch Flüssigkeitsansammlungen Ödeme bilden.
Beinödeme sind weniger tragisch, Lungenödeme allerdings schon, da sie meist sehr unangenehme und belastende Symptome auslösen.

Bei Einstellung der Flüssigkeitszufuhr ist jedoch eine ausserordentlich gute Mundpflege extrem wichtig, damit der Patient kein Durstgefühl im Mund hat.
Die Luftfeuchtugkeit im Zimmer gut zu halten, ist auch wichtig, damit Schleimhäute nicht austrocknen.

Ich denke, zu verstehen, worauf du hinauswillst.
Du bist kritisch und hinterfrägst die Situation. Finde ich durchaus sinnvoll und gut. Ich denke weiters, du hattest den Eindruck, der Mann sei einfach "abgeschrieben" worden und man hätte durch den Flüssigkeitszufuhrs-Abbruch seinen frühzeitigen Tod ev. einleiten oder provozieren wollen?

Niemand kennt die Situation explizit, um die es geht, ich möchte eben nur zu Bedenken geben, dass es durchaus vorkommt und sinnvoll sein KANN, einem finalen Patienten keine Flüssigkeit mehr zuzuführen.

Allerdings - in JEDEM Falle hat dies ein Arzt zu entscheiden, idealerweise ein in Palliative care ausgebildeter, denn es ist ein heikles Thema, das viel Fachwissen erfordert.
 
Danke erstmal für eure Antworten!! :)



Nicht dass ich falsch verstanden werde, es geht mir nicht darum, ob das meine Schuld oder meine Entscheidung war. Da ich nur im Nachtdienst bin und das auch nur ab und zu kann ich an vielen Dingen die über Tag entschieden werden eh nix ändern. Mir geht es nur um die Frage der rechtlichen, wie auch ethischen Vertretbarkeit und der Grenze zu Sterbehilfe.

Nochmals, ich finde es toll, dass du Dinge hinterfrägst, bitte gewöhne dir das nicht ab.
Betriebsblind oder ein "Fachtrottel" wird man schneller, als man denkt und die Dinge und medizinischen wie pflegerischen Erkenntnisse unterliegen einem stetigen Wandel.
Wie bereits erwähnt, vielleicht hast du die Möglichkeit, deine Kenntnisse über Palliative care in Seminaren oder dergleichen etwas auszubauen? Dort kannst du auch spezifische Fragen stellen.
 
Ich bin Angehörige und von Beruf Fachkrankenschwester im OP. Mir fällt es halt schwer nachzuvollziehen, wie diese Entscheidung getroffen wurde. Zumal ich auch nach der Verlegung auf diese Station jegliche Form der Therapie erkämpfen musste und dabei überhaupt nicht ernst genommen wurde. Und von den Ärzten habe ich bisher auch keine vernünftige Erklärung bekommen.

Sorry, aber wenn du Angehörige bist, warum hattest du denn keine Aufklärung über die Gründe des ärztlichen Handelns? Hattest du nie Gespräche mit den behandelnden Ärzten? Was sagte dein verstorbener Angehörige selbst zu seiner Situation, konnte er sich noch artikulieren?

Ich glaube, deinen Zeilen eine gewisse Unzufriedenheit/Misstrauen zu entnehmen, du bist mit dem Procedere nicht ganz einverstanden bzw. kannst die Entscheidungen nicht nachvollziehen.
ich würde dir wirklich raten, dem nachzugehen, damit du deine Trauer ausleben kannst und einen Weg finden kannst, dich mit der Situation auszusöhnen.
Sonst macht es dich vielleicht noch bitter und belastet dich unnütz auf lange Sicht.
Hast du die Möglichkeit, im Nachhinein noch zu Infos zu kommen, warum wie was abgelaufen ist bei deinem Angehörigen?
Wie stehst du zu professioneller Aufarbeitung dieses Themas?
 
Hallo Jule 1005

wenn du dir deiner Meinung sicher bist, dann mußt du auch den Weg der Gesetze gehen, ansonsten laß den Verstorbenen ruhen.

Naja, ganz so ist es nun auch wieder nicht.

Ich denke, sie hat ebenso das Recht als Angehörige, in ihrem Schmerz und ihrem Misstrauen ernst genommen zu werden und Aufklärung zu erhalten.

Transparenz über die Hintergründe einzelner Behandlungsschritte ist in solchen Situationen das A und O, um auch die Angehörigen bestmöglich mit einzubinden und ihnen die Möglichkeit zu geben, diesen Weg auch mitzugehen und zu verstehen.

Trotz Aufklärung fällt es manchen Menschen zwar schwer, gewisse palliative Gedanken zu verinnerlichen und zu verstehen, vor allem, wenn sie aus rein kurativen Fachbereichen kommen oder von haus aus Menschen sind, für die das Thema sterben bisher keinen Platz in ihren Gedanken hatte.
Bei näherer Betrachtung und längerem ehrlichen Auseinandersetzen mit dem Thema ist aber dennoch wohl jedem klar, dass palliative Betreuung und Behandlung das Beste ist, was einem unheilbar kranken Menschen passieren kann.
 
Naja, ganz so ist es nun auch wieder nicht.

Ich denke, sie hat ebenso das Recht als Angehörige, in ihrem Schmerz und ihrem Misstrauen ernst genommen zu werden und Aufklärung zu erhalten.

Transparenz über die Hintergründe einzelner Behandlungsschritte ist in solchen Situationen das A und O, um auch die Angehörigen bestmöglich mit einzubinden und ihnen die Möglichkeit zu geben, diesen Weg auch mitzugehen und zu verstehen.

Trotz Aufklärung fällt es manchen Menschen zwar schwer, gewisse palliative Gedanken zu verinnerlichen und zu verstehen, vor allem, wenn sie aus rein kurativen Fachbereichen kommen oder von haus aus Menschen sind, für die das Thema sterben bisher keinen Platz in ihren Gedanken hatte.
Bei näherer Betrachtung und längerem ehrlichen Auseinandersetzen mit dem Thema ist aber dennoch wohl jedem klar, dass palliative Betreuung und Behandlung das Beste ist, was einem unheilbar kranken Menschen passieren kann.

Ich denke, hier kam erschwerend dazu, dass das Ganze sehr schnell ging und niemand von der Familie Zeit hatte, sich mit der Diagnose und der palliativen Situation auseinanderzusetzen.
 
Ich denke, hier kam erschwerend dazu, dass das Ganze sehr schnell ging und niemand von der Familie Zeit hatte, sich mit der Diagnose und der palliativen Situation auseinanderzusetzen.

Ja, das vermute ich auch. Zeit für eine ordentliche Aufklärung sollte aber immer sein.

Trotz Aufklärung reicht die Zeit aber manchmal trotzdem nicht, die Situation wirklich zu begreifen, zu verinnerlichen, quasi die 5 Phasen von Dr. Kübler-Ross annähernd durchlaufen zu können, die aber notwendig sind, um loslassen zu können.
 
Wir wissen ja auch nicht, wie nah verwandt die beiden waren. Ich (oder der Arzt) kann ein gutes Aufklärungsgespräch mit Frau und Tochter führen, wenn die beiden auf Station sind, den Zustand des Patienten sehen und sich persönlich einen Eindruck machen können. Dasselbe Verständnis kann ich nur sehr schwer, wenn überhaupt, dem Sohn begreiflich machen, der zwar genauso verwandt ist, aber hunderte von Kilometern entfernt lebt, seinen Vater vor Monaten zum letzten Mal gesehen hat und unmöglich begreifen kann, wie schlecht es ihm geht.

Und das beste Aufklärungsgespräch garantiert nicht, dass die Familie tatsächlich begreift, was da passiert, und dass wir eben nicht "gar nichts tun". Sondern im Gegensatz alles, was in unserer sehr begrenzten Macht steht.
 
Wir wissen ja auch nicht, wie nah verwandt die beiden waren. Ich (oder der Arzt) kann ein gutes Aufklärungsgespräch mit Frau und Tochter führen, wenn die beiden auf Station sind, den Zustand des Patienten sehen und sich persönlich einen Eindruck machen können. Dasselbe Verständnis kann ich nur sehr schwer, wenn überhaupt, dem Sohn begreiflich machen, der zwar genauso verwandt ist, aber hunderte von Kilometern entfernt lebt, seinen Vater vor Monaten zum letzten Mal gesehen hat und unmöglich begreifen kann, wie schlecht es ihm geht.

Und das beste Aufklärungsgespräch garantiert nicht, dass die Familie tatsächlich begreift, was da passiert, und dass wir eben nicht "gar nichts tun". Sondern im Gegensatz alles, was in unserer sehr begrenzten Macht steht.

Ja, auch da gebe ich dir zu 100 % recht.

Aufklärung ist nicht gleich Aufklärung bzw. kommt sie manchmal trotz intensiver Bestrebungen nicht wirklich an, aus den von dir genannten Gründen.

Etwas offtopic zwar, aber ich finde es auch ehrlich gesagt erschreckend, wie viele Kollegen aus den eigenen Reihen ein völlig verzerrtes Bild von Palliative care haben. Kann jetzt nur von meinem derzeitigen Arbeitsplatz sprechen, und muss auch dazu erwähnen, dass diese Thematik in unserem Haus "brandneu" ist und sich erst ca. 1 Jahr lang langsam und zögerlich etwas "tut", sprich, Fortbildungen angeboten werden, sich eine kleine hausinterne Arbeitsgruppe gebildet hat, von der aber auch bei Weitem nicht alle Mitarbeiter überhaupt Bescheid wissen.

Vielleicht hinken wir "Ösis" da einfach hinterher.
 
Vielleicht hinken wir "Ösis" da einfach hinterher.

Hinter den Deutschen mit Sicherheit nicht! Die wenigsten Kollegen wissen, worum es bei Palliative Care wirklich geht. (Und wenn ihr nicht viiiiel besser als wir seid, wird sich das verzerrte Bild der Kollegen auch in den nächsten Jahren kaum ändern, Fortbildung hin oder her. Die, die in der FB waren, mögen daraus gelernt haben - aber in der Peripherie kommt das nur sehr zögerlich an.)
 
Hinter den Deutschen mit Sicherheit nicht! Die wenigsten Kollegen wissen, worum es bei Palliative Care wirklich geht. (Und wenn ihr nicht viiiiel besser als wir seid, wird sich das verzerrte Bild der Kollegen auch in den nächsten Jahren kaum ändern, Fortbildung hin oder her. Die, die in der FB waren, mögen daraus gelernt haben - aber in der Peripherie kommt das nur sehr zögerlich an.)

Ja, leider.

Der palliative Gedanke passt halt so ganz und gar nicht in den allgemeinen Trend von immer schneller, immer mehr, immer unpersönlicher.

Gut, Spitäler haben keinen "Profit" von Palliativpatienten, nur immense fianzielle Defizite.

Eine fesche Chemo lässt den Spitals-Geldbeutel natürlich erheblich besser klingeln.

So hart das klingen mag: Palliative Care ist nicht rentabel, wird wohl auch aus diesem Grund zögerlich, wenn überhaupt, gefördert.
 
Ne Förderung gibt's hierzulande schon, aber das ändert nichts daran, dass völlig falsche Vorstellungen des Themas kursieren. Leider auch in den Köpfen der Ärzte und Kollegen. Vielleicht haben wir mit der neuen Generation mehr Glück, die haben das Thema immerhin schon in Ausbildung und Studium.
 
So hart das klingen mag: Palliative Care ist nicht rentabel, wird wohl auch aus diesem Grund zögerlich, wenn überhaupt, gefördert.
Das mag in Österreich sein, in Deutschland werden Palliativ Station ordentlich unterstützt.
 
Ein "Zuschussbetrieb" sind wir auch in Deutschland!
 

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