Professionelle Pflege - Zukunft oder fehlgeschlagener Versuch

Hallo UllrichFürst,
so was haben wir seit dem neuen KPflG auch, nämlich Pflegeplanung.
Aber selbst in der Pflege ist das nur leidlich akzeptiert. Die Konzepte zur Umsetzung sind immer noch nicht stimmig.
Es wird also wegen Akzeptanzproblemen kein Gebrauch davon gemacht (14 Tage Dienst) und damit die Professionalität negiert.
Auf diese Vorbehaltstätigkeit legt bei uns kaum einer Wert, wenn der Arbeitsaufwand ein gewisses Limit überschreitet.
Als Hilfsmittel wird es sowieso von den wenigsten gesehen.
MfG
rudi09
 
Wenn der Doc an einer ganz bestimmten Stelle in der Kurve einen (eigentlich sinnlosen) Kringel will, dann hat er diesen Wunsch nich nicht mal ganz ausgesprochen und schon ist der Kringel (ev. sogar noch kreativ ausgestaltet) eingefügt.

Wenn Pflege ihre eigen Tätigkeit sichtbar machen soll, wirds nicht so einfach. Woran liegt das?

These: Pflege ist nicht in der Lage selbständig zu denken, sondern braucht genaue Vorgaben für ihr Handeln: Arztanordnung, Chcklisten, Standards.
Da wird es schwierig, wenn man den Pat. individuell sehen soll, selbst Entscheidungen treffen soll und diese dann auch noch verantworten soll. Leichter ist es nun mal einen Kringel an einer vorgegebenen Stelle zu setzen und die Verantwortung für diesen Kringel beim Arzt zu wissen.


Elisabeth
 
Ja, so sehe ich es auch. Es sitzen alle Berufsgruppen in der Teambesprechung....jemand klopft an die Türe. Wer springt wohl immer als erstes auf? Pflege.....
Patient wünscht was....und es wird ratlos in den Kreis der anwesenden Berufsgruppen geschaut, ob man den jetzt Wunsch sofort erfüllen soll, oder ob dies eventuell Zeit hat, weil es ja auch störend für die Teammitglieder ist. Aber diese Entscheidung selber zu treffen ....oho, das ist schon zuviel der Verantwortung.

Liebe Grüße Brady
 
Hallo Brady,
genauso ist es. Die Frage ist, woher kommt das?
Lernen nicht auch heute noch alle PP, dass der Arzt die Entscheidungen trifft?
Hat also nur der Arzt in letzter Instanz Entscheidungskompetenz?
Eben diese eingeimpfte Einstellung überträgt sich dann auch auf alle anderen Bereiche, die den Arzt eignentlich nichts oder nur wenig angehen.
In unserem Haus wollte gerade mal wieder ein Arzt in die Pflegeorganisation eingreifen, was nur in einer (nicht so freundlichen) Auseinandersetzung verhindert werden konnte.
MfG
rudi09
 
Lernen nicht auch heute noch alle PP, dass der Arzt die Entscheidungen trifft?
Hat also nur der Arzt in letzter Instanz Entscheidungskompetenz?

Meines Wissens ist das nach deutschem Recht tatsächlich so... wobei mir keiner die Gesetzesstelle zeigen kann.

Ich vermute aber eine andere Ursache.

These: Es mangelt an konkretem Fachwissen um Entscheidungen fällen zu können. Man kann Auswirkungen von Entscheidungen nur schwer beurteilen. Demzufolge vermeidet man diese Situation.

Wir sind in der Regel eher im medizinischen Sektor ausgebildet. Wenn wir ca. 5-10 Jahre auf einer Station arbeiten glauben wir, den Doc eigentlich ersetzen zu können. Und merken doch nach nur wenigen eigenen Schritten, wie begrenzt das Wissen doch ist- begrenzt auf das Nachahmen der ärztl. Vorgaben. Mit diesem nachahmen werden wir ungewollt/ gewollt zur Konkurenz des Doc. Dieser wehrt sich per Gesetz.
Pflege hat immer noch nicht erkannt, dass es zahlreiche Freiräume gibt in die Ärzte in der Regel nicht eingreifen: enterale Ernährung, Wundmanagement, Prophylaxen, Psyche in der Somatik usw.. Wären da nicht Möglichkeiten für eine fundierte Professionalisierung? Würde aber voraussetzen, dass man lernt... in diesme Falle nicht vom Doc sondern selbständig und eigenverantwortlich.

Elisabeth
 
Meines Wissens ist das nach deutschem Recht tatsächlich so... wobei mir keiner die Gesetzesstelle zeigen kann.

Dahinter steckt wohl die Weisungesbefugnis der Ärzte. Ärzte sind uns gegenüber befugt, Anweisungen in medizinischen Dingen zu geben.

Aber diese Entscheidung selber zu treffen ....oho, das ist schon zuviel der Verantwortung.
Erinnert mich wieder stark an das Helfersyndrom und fehlende Abgrenzung.

Das dürfte wohl auch der Grund sein, warum die Pflege in Deutschland eher belächelt wird. Dazu kommen so berufsfremde Aufgaben wie Betten machen, Essen austeilen - hat für mich persönlich nix mit Pflege zu tun.
 
Hallo UllrichFürst,
es ging um Tätigkeiten, die nur bestimmte Berufsgruppen machen dürfen/ können. In unserem Fall wäre das eben die Pflegeplanung.
MfG
rudi09
 
es ging um Tätigkeiten, die nur bestimmte Berufsgruppen machen dürfen/ können. In unserem Fall wäre das eben die Pflegeplanung.
Ah, jetzt ja. Danke.

Wobei mir das neu ist. Weißt Du wo das steht (das nur wir das dürfen)? Ich hätte da nichts in der APrV oder dem KrPflG gefunden, hab aber das SGB nicht da. Steht das in letzterem?

Ulrich
 
Zuletzt bearbeitet:
Nur ein kleiner Wermutstropfen: Hier machen sich Österreicher Gedanken. Deutschland bleibt Entwicklungsland im Bereich Pflege und Professionelle Pflege.


Elisabeth
 
Heißt das, dass Du für Dich eine Lösung gefunden hast, wie Du Laie und Profession voneinander trennst?

Ulrich
 
Hallo UlrichFürst,
ich lese das aus dem KrPflG raus. Meines Wissens ist nur dort geplante Pflege als Ausbildungsziel (und damit für die Pflege verbindlich) formuliert.
MfG
rudi09
 
Hallo Elisabeth,
da hast Du ja was los getreten! Also ich bin nur bis zur dritten Antwort mit dem Lesen gekommen und denke, jetzt muss ich mich auch mal einklinken. Grundsätzlich finde ich Deinen Erstbeitrag zu diesem Thema relativ provokativ. War das Absicht? Ich arbeite in der Neuro-Frühreha und konnte deshalb Deine Ansicht, dass un- oder angelernte Hilfskräfte für die Grundpflege besser geeignet seien und die "Professionellen" (wirkt fast wie ein Schimpfwort bei Dir) nur für die fachspezifischen Aufgaben (z.B. Bobath) einzusetzen seien. Genau da konnte ich nicht mehr still halten: Wenn ich morgens zur Grundpflege marschiere, dann habe ich das ganze Bobath-Paket im Hinterkopf und bewege, wasche, mobilisiere und rehabilitiere den Patienten nach diesem Konzept, das interdisziplinär angelegt ist und auch nur so wirklich Sinn macht. Wenn ich eine "Bobath-Therapie" mache oder FOTT anwende (haben viele Trachealkanülenpatienten), und eine grundpflegende Hilfsperson ohne dieses Hintergrundwissen und -können ihn wäscht, war meine Therapie für die Katz bzw. der Patient ist durch wechselnde Eindrücke und Informationen verunsichert - bewusst oder unbewusst. Jedenfalls kann man Therapie und Pflege m.E. nicht so trennen wie Dein Beitrag das annehmen lässt.
Weiter zum Pflegeprozess: Ich gebe zu, dass Wunsch und Wille des Patienten manchmal als ein weiteres Puzzlesteinchen, das u.U. vordergründig störend wirken kann, empfunden wird. Wenn man den Pat. jedoch fragt, beteiligt, einbezieht, signalisiert das eine Achtung vor seiner Integrität und seinen Zielen, die ungeahnte Energien freisetzen und Potentiale eröffnen kann, an die man sonst nie herankommt.
Es gibt etwas, das mich viel mehr bestürzt, wütend oder traurig macht als die Deiner Einschätzung nach vorgeschobene Professionalität als Machtfaktor: Das ist, dass viele professionelle Pflegende sehr unprofessionell mit ihren Patienten umgehen. Wenn die Arbeit so stressig ist, dass man beim besten Willen nicht mehr kann, keine Kraft für echte Empathie, keinen professionellen Abstand mehr zum Arbeitsfeld hat, dann sollte man ehrlich sein, eine Auszeit nehmen, berufliche Alternativen erwägen, aber nicht Patienten, Kollegen und Umwelt mit seinen unausgegorenen Befindlichkeiten quälen, das Team strapazieren. Gerade diejenigen Pflegenden, die kein Weiterbildungs- und qualifikationsbewusstsein an den Tag legen und alles so machen, wie es immer schon war, die nicht reflektieren wollen und damit ganze Stationsteams ausbremsen und blockieren, müssen durch unangebrachtes Machtgebaren ihre Stellung sichern, da sie durch fachliche oder menschliche Kompetenzen nicht überzeugen können.
So, jetzt gehts mir besser, mal sehen was die anderen zu schreiben haben.
MfG Berthild
 
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Reaktionen: UlrichFürst
Hallo Berthild

vielen Dank für deinen Beitrag.

War mein Erstbeitrag provokant gemeint? Jein könnte man sagen.

Ich komme aus einem Akutkrankenhaus. Ich würde sagen, meine Ansichten sidn dadurch geprägt. Das, was du beschreibst an Pflegetherapie (denn nichts anders ist es), gehört auf meiner ehemaligen Station (Intensivüberwachung) schon lange der Vergangenheit an. Der Personalmangel hat längst alle Reserven aufgefressen.

Auf den peripheren Stationen sieht es nicht besser aus. Pflegeprozess? Wird gemacht... der Mensch wird in ein Standardkorsett gepresst und schnell durchgeschleust. Individualität bleibt da auf der Stecke.

Vor zwei Jahren habe ich das erste mal von einem Betriebswirtschaftler gehört, dass die Zukunft der Pflege sich gravierend ändern wird- aus Kostengründen. Und ich werd den Gdanken nicht los, dass die Zukunft uns schon längst einholt... nur keiner will es wahr haben. Die Gelder werden knapper werden und der Pflegbedarf wird steigen. Wie soll man das anders regulieren, als mit Hilfskräften? Nicht überall ist es sinnvoll eine Hilfskraft einzusetzen- keine Frage. Aber schon heute funktioniert das Gesundheitswesen vielerorts nur durch den Einsatz von Hilfskräften: Zivi, FSJler, Pflegehelfer usw.. Ein Azubi dürfte auch kaum als vollwertige Kraft angesehen werden.

Ein Erlebnis vor wenigen Tagen läßt mich auch zweifeln, ob wir wirklich immer das Richtige anbieten: Pat. mit Zustand nach Apoplex wird in der Häuslichkeit von ambulanten Pflegedienst versorgt. Lagerung auf WDM, Mobi mit diversen Liftern. Erst habe ich mich geärgert- die Ressourcen des Pat. hätten mehr zugelassen. Aber dann fiel mir ein, wie es in der Häuslichkeit sein mag: Pflegezeit ist vorgeschrieben- für die eigenen Möglichkeiten des Pat. keine Zeit, Pflegekraft ist ev. klein und zierlich (Pat. war groß und schwer), Angehörige gehen arbeiten - stehen als Hilfe für die Pflegekraft nicht zur Verfügung, und Pat. ist untertags viel alleine zu Hause. Ob ich den Zustand als erstrebenswer ansehe steht hier gar nicht zur Debatte: der Kunde hat gewählt und ist zufrieden.

Eine bittere Erkenntnis, dass meine fördernde Pflege eventuell gar nicht gewollt ist. Diesen Veränderungen muss man sich stellen.

Übrigens stammten die Erkenntnisse ehedem nicht primär meinem Kopf sondern sind Ergebnis einer Studie. Ich kann diese Aussage aber voll mittragen- sie ist nicht gelogen. Es gibt nicht nur die Rehapflege- sie ist nur ein kleiner Baustein in der Pflegelandschaft.

Elisabeth
 
Hallo Elisabeth,
ich muss Dir in den meisten Punkten recht geben, vor allem, nach dem ich die restlichen Antworten zu dem Erstbeitrag gelesen habe. Vielleicht träume ich ja auch noch, zumindest manchmal. Aber eigentlich arbeiten wir tatsächlich täglich am Limit und müssen uns die meisten guten Ideen abschminken, weil sie zeitlich nicht umsetzbar sind. Es gibt immer noch einige wenige Kollegen, die trotz allem an ihren guten Vorsätzen festhalten, sich nicht beirren lassen und jeden Morgen bzw. Dienstbeginn den Patienten an erste Stelle stellen. Das führt jedoch meist dazu, dass sie von den anderen Kollegen schlecht beleumundet und hinterrücks oder offen angegriffen werden. Wo sortiert man sich da ein? Ich merke, dass Du da wesentlich weiter bist an (bitterer) Erfahrung und in Deinen Schlussfolgerungen. Ist ein echt schwieriger Prozess, weil man sich täglich neu wappnen und in diesem System einsortieren muss. Auf die Dauer greift ein gewisser Fatalismus (schaffe ich noch nicht). Ich persönlich doktere zur Zeit noch an folgendem Problem rum: Wir arbeiten mit dem Bezugspflegesystem, haben etliche verbindliche Standards, die wir in der Planung mittels Pflegediagnosen ein- und in der praktischen Pflege umsetzen sollen. Nun ist im Kollegenkreis einhellig festgestellt worden, dass man die Standards mit ihren zeitraubenden Details gar nicht umsetzen kann, will man in einer Schicht die Arbeit bewältigen. Gleichzeitig wird gerade projekthalber eine Erfassung therapeutischer Pflegehandlungen erfasst, denen ebenfalls Zeitwerte (in unseren Augen eher großzügig bemessen) hinterlegt sind. Anfangs haben wir enthusiastisch unsere "Therapien" als umgesetzt bestätigt. Führte aber zur irrigen Meinung von oben, dass es ja doch geht, allen Unkenrufen und Überlastungsanzeigen zum Trotz. Wahrscheinlich sind das für Dich alte Kamellen. Mich beschäftigt es noch sehr. Nach einem Fast-Burn-Out vor wenigen Wochen jedoch ist mir klar, dass ich meine Einstellung zu all dem ändern muss. Sehe nur keinerlei halbwegs akzeptablen Angriffspunkt. Der Arbeitgeber sponsert zwar großzügig Fortbildungen, setzt die Umsetzung in allen Konsequenzen allein kraft des Wissens voraus, gibt mir aber keine Zeit dafür.
Ich bin nach der Umschulung zur Krankenschwester mit 40 in der Erstanstellung zur Neuroreha gekommen, habe das erste Arbeitsjahr als viertes Ausbildungsjahr empfunden, finde den Job immer noch inhaltlich rasend interessant, bin aber an der Grenze des Umsetzbaren von alldem, was mir wesentlich erscheint, angekommen.
Die Kernfrage ist ja leider nicht die, was kann ich heute machen, sondern was lasse ich heute bleiben?!
Also ist wieder mal das Private (hier: das Dienstliche) politisch. Meine Spontanreaktion auf diese Erkenntnis jedoch diese: Dafür habe ich - vor allem aufgrund der anstrengenden Schichtarbeit - keine Kraft mehr. Geschickt. Wie in jeder anderen Monarchie auch.

Wie auch immer, ich danke Dir für Deine Antwort und wünsche Dir trotz allem eine gute Zeit,
Gruß Berthild
 
ich lese das aus dem KrPflG raus. Meines Wissens ist nur dort geplante Pflege als Ausbildungsziel (und damit für die Pflege verbindlich) formuliert.
Ach so. Das Ausbildungsziel war m. E. auch schon in der alten Fassung.
Nur: Die Aussage das wir es tun müssen ist nicht die gleiche wie die, das es andere nicht dürfen... und genau darum ging es doch in der ersten Aussage?

Ulrich
 
Hallo Brady,

melde mich nach langer Pause mal wieder hier im Forum, da es genau das Thema ist, das mich hier rausgeholt hat. Dein Link ist interessant, auch wenn ich zugebe, ihn noch nicht gelesen zu haben. Die über hundert Seiten haben mich doch etwas abgeschreckt. Werde ich aber nachholen. Ich freue mich, dass dieses Thema noch "lebt" und - ja, ich war schon bei DBfK/ver.di und habe unterschrieben und auch ein Dutzend Kollegen angemailt deswegen.

Liebe Grüße von Berthild
 
Hallo Berthild,

das freut mich. Ich beschäftige mich auch gerade sehr damit. Es ist wirklich eine gewaltige Arbeit, dieser Link.

Ich werde ihn mir auch ausdrucken, weil ich es nochmal in der Hand haben muss zum nachlesen.

Aber vielleicht interessiert dich auch dieser Link?
Es stellt mich auch vor viele Fragen. (Nicht ganz so umfangreich)

http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/516/pdf/1_Hauptband_HW.pdf

Liebe Grüße Brady
 

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