Professionelle Pflege - Zukunft oder fehlgeschlagener Versuch

I. R. Rigator schrieb:
Pfleger Tom!
Was ist an dem jahrelang gebrauchten Wort "füttern" plötzlich verwerflich? "Nahrung verabreichen" ist doch ein Begriff, erfunden von Leuten, die glaubten, daß man einen neuen Begriff braucht, obwohl "füttern" nicht ersetzt werden mußte.
"Meinen Vater müssen Sie füttern." ist ein von Angehörigen oft gebrauchter Hinweis.
"Meinem Vater müssen Sie die Nahrung verabreichen." habe ich noch nie gehört.
Und nur, weil ich Krankenpfleger bin, muß ich nicht mit gestelzten Phrasen rumschmeißen.
Hast Du Kinder? Wenn ja: Fütterst Du die wenigstens noch?

Die Antwort hast du dir schon selber gegeben... oder willst du als Erwachsener wie ein Kind behandelt werden???

Woher sollen sie es auch lernen wenn die "professionellen" es schon benutzen?
 
Das, was der Laie zu Hause angeblich so gut kann und auch Jahre tut, kommt häufig mit der Diagnose Dekubitus, Nahrungsverweigerung, Exsikkose, Obstipation, Koprostase, Penumonie durch Aspiration..ect. in unsere Krankenhäuser.

Berlin 2003
ausschließlich durch Angehörige zu Hause versorgte Pflegegeldempfänger: 42 392
Wieviel Prozent dieser Pflegeempfänger mögen in Krankenhäusern auftauchen mit den beschriebenen Problematiken.


Nochmal die Zitate aus dem Eingangsposting:

Müller-Kohlenberg (1988 ).
Im psychosozialen Bereich kann die Arbeit von Laien gelegentlich ähnlich erfolgreich sein wie die professioneller Helfer.
Wenn sich Anbieter sozialer
Dienstleistungen auf dem Berufsmarkt professionalisieren wollen, versuchen sie deshalb, sich möglichst schnell ein Monopol auf ihre Tätigkeit zu sichern, Konkurrenz durch andere Berufsgruppen zu vermeiden und die alleinige Kompetenz für ihr Fachgebiet zu beanspruchen.

Professionelle proklamieren damit ein exklusives Wissen für sich und schaffen bzw. beabsichtigen im Prozeß der Professionalisierung eine abnehmende Klienten- oder Laienkontrolle ihres Handelns.

Wenn insbesondere soziale Berufe ein Monopol für menschliche Beziehungen anmelden und ausschließliche Kompetenz dafür beanspruchen, ruft das bei den sich selbst für kompetent haltenden Laien die Forderung nach
Deprofessionalisierung auf den Plan, oder schärfer noch nach Entprofessionalisierung.
Dahinter steht die Angst der Klienten vor einer Ausnutzung bzw. eines Mißbrauchs ihrer Abhängigkeit durch den Professionellen, was durch die Art der Beziehung zwischen beiden prinzipiell möglich ist.

Ergo wäre unser professionelles Handeln gefragt in der achtsamen Beratung. Oder sehe ich das falsch? Und welche Ausbildung braucht es für eine achtsame Beratung? Wäre es nicht sinnvoller, die jetzige Ausbildung draufhin auszurichten? Statt den Ablauf einer GKW minutiös vorzuplanen dem Azubi Kommunikationskompetenz vermitteln... . Aber das dürfte an den Strukturen der Beruflichen Schulen scheitern.

Da fällt mir auf: ich hab an einer Fachschule "studiert" (1976-79 in der DDR) und mit einem staatlichen Examen abgeschlossen. Für den Pflegelehrerberuf war ein Studium nötig: der Medizinpädagoge. Wir haben auch nicht die GKW als Hauptteil der Pflegetätigkeit vermittelt bekommen. Uns wurde Krankenbeobachtung eingetrichtert und es wurde abverlangt in Zusammenhängen zu denken.
Heutzutage lernt man an einer Beruflichen Schule. Ein Schelm der arges dabei denkt.

Elisabeth
 
Elisabeth Dinse schrieb:
Berlin 2003
Aber das dürfte an den Strukturen der Beruflichen Schulen scheitern.

Die Unis können das...und machen es sogar.
 
Essen reichen/ eingeben oder füttern?

Wörterbuchartikel aus dem WDG
http://www.dwds.de/?woerterbuch=1&qu=füttern&last_corpus=DWDS

füttern/Vb./ einem Lebewesen Nahrung geben
a) einem Tier Futter hinschütten, vorwerfen: d. Schweine, Kühe, Hühner f.; die Raubtiere mit rohem Fleisch f.; im Winter werden die Vögel, wird das Wild gefüttert; wir müssen dreimal am Tage f.; etw. als Futter geben: Hafer, Rüben f.
b) jmdm. Essen in den Mund geben: die Mutter füttert den Säugling; der Kranke muß von der Schwester gefüttert werden; umg. jmdn. mit Essen versorgen: sie hatten ihn als armen elternlosen Jungen gefüttert und ihn lernen lassen Doderer Lederbeutelchen 89 c) umg. jmdm. etw. im Übermaß geben: man soll Kinder nicht mit Schokolade f.; /übertr./ ein Schulmeister, der eine glühende junge Seele mit Griechisch füttern ... wollte Hesse 5,36 (Narziß) zu a bei-, dick-, fett-, verfüttern zu b durchfüttern zu a u. b ab-, auf-, aus-, groß-, (he)raus-, zufüttern zu a. b. c überfüttern

Die Handlung ändert sich nicht durch die Umbenennung. Wenn Pflegekräfte alltägliche Handlungen durch eine Umbenennung aufzuwerten versuchen...
... ruft das bei den sich selbst für kompetent haltenden Laien die Forderung nach
Deprofessionalisierung auf den Plan, oder schärfer noch nach Entprofessionalisierung.
Dahinter steht die Angst der Klienten vor einer Ausnutzung bzw. eines Mißbrauchs ihrer Abhängigkeit durch den Professionellen, was durch die Art der Beziehung zwischen beiden prinzipiell möglich ist.

Pflege wird also nicht dadurch professionell, dass ich eine Fachsprache einführe die nur von wenigen verstanden wird.

Elisabeth
 
Der Bachelor-Studiengang "Gesundheits- und Pflegemanagement" löst seit dem Sommersemester 2005 den bisherigen Diplom-Studiengang "Pflege/Pflegemanagement" ab.
http://www.asfh-berlin.de/index.php?id=460

Welche beruflichen Tätigkeitsfelder gibt es?
Das Studium Pflege/Pflegemanagement qualifiziert
für Planungs- und Managementaufgaben im
Gesundheitsbereich wie Krankenhaus,
ambulante Dienste und angrenzende Bereiche, Pflegdienstleitung.
http://www.evfh-berlin.de/evfh-berlin/html/download/imma/pflege/pflegeinfo.pdf

Übergeordnetes Studiengangsziel "Berufliche Handlungskompetenz"
Die Absolvent/innen des Studiengangs Pflege/Pflegemanagement können institutionalisiertes pflegerisches
Handeln wissenschaftsorientiert und praxisbezogen planen, gestalten, begleiten, evaluieren, und ggf. weiterentwickeln. Berufliche
Handlungskompetenz beinhaltet analytisch die Komponenten Fach-, Sozial-, Methoden- und Personalkompetenz.
http://www.hfs-esslingen.de/Dateien.htm/Lehre%20und%20Studium/GPInfoForm/StudgangszielPM.pdf

Ziele des Studiums
Der Studiengang qualifiziert für eine methodengeleitete und personenorientierte allgemeine Pflege.

Studierende lernen,

Pflege wissenschaftlich fundiert zu planen und auszuführen,
pflegewissenschaftliche Fragestellungen zu bearbeiten,
im interdisziplinären Team zu arbeiten,
eine umfassende gesundheitliche Versorgung zu gestalten und
die Pflegequalität zu sichern.
http://www.fh-fulda.de/index.php?id=1802

Es gibt sie die universitäre Ausbildung... sporadisch. Wo bleiben die Absolventen? In der Praxis ist mir noch keiner begegnet. Die Kollegen gehen, wenn sie überhaupt im Pflegesektor bleiben in die Managementpositionen, wo sie nach wenigen Monaten schmerzlich feststellen müssen, dass das Geld für ausreichend Personal nicht reicht und die Ansprüche wieder bei füttern, waschen, trocken legen ... Hauptsache der Laden läuft... landen.

Bleibt die Frage: was ist professionelle Pflege und wie kann sie in Deutschland endlich ankommen?

Elisabeth
 
Ja, das ist die vielzitierte Akademisierung von oben. Darum geht es aber nicht, es geht um die Akademisierung von unten.
Durch die angegebenen Bachelor Studiengänge wird es keine Krankenschwester mit Uniabschluss geben. Das ist Fakt.

Das viele der angehenden Manager mit der falschen Einstellung alles schlechte zu verändern ins Studium gehen sehe ich auch. Es geht m.E. darum aus den vorhandenen Mitteln und Ressourcen das Optimum herauszuholen im Rahmen des Pflegemanagements. Da können pflegerische Theorien hilfreich sein.
Betriebswirtschaftliche Theorien und Kenntnisse sind aber wichtiger.

Scheint so als wenn du das Argument der akademisierten KRANKENSCHWESTER!!!!!!!!!! gar nicht in Betracht ziehst, sondern nur auf die bestehenden Strukturen schimpfen kannst. Willkommen im Jammertal Pflege.
 
Elisabeth Dinse schrieb:
Essen reichen/ eingeben oder füttern?

Wörterbuchartikel aus dem WDG
http://www.dwds.de/?woerterbuch=1&qu=f%C3%BCttern&last_corpus=DWDS

füttern/Vb./ einem Lebewesen Nahrung geben
a) einem Tier Futter hinschütten, vorwerfen: d. Schweine, Kühe, Hühner f.; die Raubtiere mit rohem Fleisch f.; im Winter werden die Vögel, wird das Wild gefüttert; wir müssen dreimal am Tage f.; etw. als Futter geben: Hafer, Rüben f.
b) jmdm. Essen in den Mund geben: die Mutter füttert den Säugling; der Kranke muß von der Schwester gefüttert werden; umg. jmdn. mit Essen versorgen: sie hatten ihn als armen elternlosen Jungen gefüttert und ihn lernen lassen Doderer Lederbeutelchen 89 c) umg. jmdm. etw. im Übermaß geben: man soll Kinder nicht mit Schokolade f.; /übertr./ ein Schulmeister, der eine glühende junge Seele mit Griechisch füttern ... wollte Hesse 5,36 (Narziß) zu a bei-, dick-, fett-, verfüttern zu b durchfüttern zu a u. b ab-, auf-, aus-, groß-, (he)raus-, zufüttern zu a. b. c überfüttern

Die Handlung ändert sich nicht durch die Umbenennung. Wenn Pflegekräfte alltägliche Handlungen durch eine Umbenennung aufzuwerten versuchen...


Pflege wird also nicht dadurch professionell, dass ich eine Fachsprache einführe die nur von wenigen verstanden wird.

Elisabeth

Nur weil's im Wörterbuch steht muss es nicht richtig sein.
Ich werte die Tätigkeit dadurch nicht auf, noch veränder ich die Handlung.

Ich werte den Menschen auf indem ich ihn nicht mit irgendeinem Lebewesen vergleiche. Ich schütte die Nahrung ja auch nicht dem Patienten einfach hin.

Es ist in meinen Augen eine Frage des Respekts gegenüber dem Patienten, kann natürlich jeder sehen wie er will...
 
Hallo
Ständig lese ich von professioneller Pflege. Akademische "Schwestern" werden gewünscht. Die wenigsten werden ein Studium auf sich nehmen wenn es sich später finanziell nicht auszahlt. Und wenn ich mir unser Gesundheitssystem so anschaue, wird die G`studierten keiner bezahlen.
Die Ausbildung der jetzigen "Schwestern" finde ich schon äußerst dürftig.
In der Theorie sind sie wahrscheinlich besser ausgebildet als ich damals vor gut 25 Jahren, aber die Praxis. Ein GRAUEN !
Vielleicht bin ich momentan nur frustriert von der Station auf der ich zur Zeit arbeite, aber was da an Fehlern und Nachlässigkeiten laufen verursacht mir graue Haare. Unser Krankenhaus hat Standards, Qualitätsmanager, Zertifizierung etc. Bloß ist das auf unserer Station mit merkbar.
Die drei "S" sind bei allen Patienten erfüllt - Satt - Sauber - Schnaufend. Krankenbeobachtung jedoch ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln, das wurde nicht gelehrt. Dem Patienten ein Umfeld schaffen in dem er sich wohlfühlen kann - kein Schulfach. Sensibilität und Geduld - Fremdwörter.
Ordnung und Sauberkeit- was ist das ?
Kein Studium der Welt kann einem so etwas beibringen. Das lernt man in der Praxis mit examiniertem Personal das Zeit und Geduld hat einem etwas beizubringen und einer Menge eigenem Engagement.
Ich hatte das Glück vor 25 Jahren so eine Ausbildung zu bekommen und habe im laufe der Jahre durch Fortbildungen Wissen dann erworben wenn ich dazu bereit war. Die Hälfte der "jungen Schwestern" stecke ich heute noch mit links in die Tasche. Vielleicht bin ich auch zu kritisch und zu perfektionistisch, aber wenn ich in grauer Vorzeit nur halb so nachlässig gearbeitet hätte wie der große Teil bei uns auf Station dann wäre ich nach 6 Monaten arbeitslos. Ein Studium würde daran auch nichts ändern.
Alesig
P.S. Reden hilft nichts, ich komme mir schon seit Jahren wie die Kassandra aus der griechischen Mythologie vor.
 
Scheint so als wenn du das Argument der akademisierten KRANKENSCHWESTER!!!!!!!!!! gar nicht in Betracht ziehst...

Das würde ich so als richtig unterschreiben. *fg* Ein akademischer Abschluss ist m.E. nicht gleichbedeutend mit bessere Pflege. Die Inhalte der verschiedenen Studiengänge sind mehr als unterschiedlich... selbst wenn dasselbe Ziel erreicht werden soll.

Alles läuft immer wieder auf die Frage zusammen: Was ist Pflege? Was ist professionelle Pflege? Wodurch unterscheidet sich das eine vom anderen? Nur wenn der Inhalt klar abgegrenzt ist, kann man doch überlegen: wie soll zukünftig was vermittelt werden. Das Studium um des Studiums willen ist es ja nicht. An welchen Schnittpunkten brauchen wir welche Pflegekräfte?

sondern nur auf die bestehenden Strukturen schimpfen kannst. Willkommen im Jammertal Pflege.
An den bestehenden Strukturen versuche ich zu arbeiten. Ich gebe Seminare um Grundwissen zu vermitteln- weg von standardsierten Handlungen hin zum individuellen Handeln auf der Grundlage von Wissen. Ich versuche die Kollegen mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass der Patient ein denkendes Wesen ist, dass selbst entscheiden kann. Und das alles nur mit autodidaktisch erworbenen Wissen. Wissen kann man auch außerhalb einer Uni erwerben - man muss es nur wollen.


Nur weil's im Wörterbuch steht muss es nicht richtig sein.
umg. jmdn. mit Essen versorgen: umgangssprachlich jemanden mit essen versorgen
Wenn wir etwas bewegen wollen in der Pflege müssen wir das Augenmerk auf die Bedürfnisse der zukünftigen Klientel legen. Wir versuchen durch umbennen von Handlungen eine pseudowissenschaftliche Begründung zu schaffen um somit einfache Alltagstätigkeiten in den Bereich der professionellen Pflege zu bringen. Der Laie sieht keinen Unterschied - zumal es keinen gibt. Welches Interesse hat dann der Bürger eine Professionalisierung der Pflege zu unterstützen?

Wenn ich einem Patienten mit Schluckstörungen das Essen reiche, hat das nichts mit dem umgangssprachlichen Füttern zu tun. das erkennt auch der Laie an.

Umgangssprachlich wird Füttern auch mit Empathie und Nähe zusammengebracht: die Mutter füttert ihr Kind. http://www.babynet.at/hurra/docus/images/flasche.jpg
Nahrung reichen hat umgangssprachlich eher was mit Servieren zu tun. Es ist schon klar, dass die Autonomie des Betroffenen deutlich gemacht werden soll. Der Laie sieht dort aber den Menschen nicht als Kalorienempfänger. Eine Mahzeit hat für ihn intuitiv viele soziale Bezüge.

Elisabeth
 
Elisabeth Dinse schrieb:
Bleibt die Frage: was ist professionelle Pflege und wie kann sie in Deutschland endlich ankommen?
Ich finde es gut, dass Du die Diskussion angeregt hast, Fragen stellst und hinterfragst. Mich würde jetzt aber mal interessieren wo Du stehst?
Ich würde mir wünschen, dass Du mal ein wenig von Deiner Position als "Moderator" hier abweichst und Stellung beziehst.
Deine Zahlen bzgl. der zu Hause durch Laien Versorgter mag durchaus stimmen, hast Du auch Zahlen der in Pflegeheimen Versorgter, oder derer, die mit von mir genannten Diagnosen im Krankenhaus landen? Deine Zahl alleine hat für mich keine Aussagekraft, erst im Vergleich wird sie interessant und erst wenn auch Zahlen vorliegen wie diese Leute versorgt sind kann ich etwas damit anfangen.
Ich stimme Dir zu, dass ein Begriff die Handlung nicht besser macht, aber es ist EINE Möglichkeit das Bewusstsein für die Handlung zu verändern.

Elisabeth Dinse schrieb:
Es gibt sie die universitäre Ausbildung... sporadisch. Wo bleiben die Absolventen? In der Praxis ist mir noch keiner begegnet. Die Kollegen gehen, wenn sie überhaupt im Pflegesektor bleiben in die Managmentpositionen, wo sie nach wenigen Monaten schmerzlich feststellen müssen, dass das Geld für ausreichend Personal nicht reicht und die Ansprüche wieder bei füttern, waschen, trocken legen ... Hauptsache der Laden läuft... landen.

Es gibt eine Studie über Studienabgänger, wo der größte Teil der Absolventen auf der Ebene der Stationsleitung meist weiter arbeitet.
Wenn ich feststelle, dass es nicht genug Geld gibt, dann überlege ich wie ich mit vorhandenen Mitteln etwas erreiche. Das sind keine Inhalte, die in der Ausbildung vermittelt werden. Sehr hilfreich finde ich überhaupt schon mal eine Ahnung davon zu haben wie sich ein Krankenhaus beispielsweise finanziert. Mich hat das einiges verstehen lassen und manche Rufe nach mehr (was auch immer) verstummen lassen.
Elisabeth, ich erlebe Dich als engagiert, interessiert und informiert in den Foren. Und ich behaupte, dass Du die Ausnahme bist und das erlebe ich auch tagtäglich.
Natürlich macht mich ein Studium nicht allwissend, aber es vermittelt mir mehr Hintergründe, Theorien und Handwerkszeug...ect, als eine 3jährige Ausbildung. Selbstverständlich kann ich mir das auch vielfach in Weiterbildung/Fortbildung aneignen. Ich möchte nicht die Zahl derer wissen, die das dann auch wirklich tun. Ich schätze sie als verschwindend gering ein. Ein Merkmal von Profession ist u.a. nunmal auch in Deutschland die Akademisierung, also warum fangen wir damit nicht an?
Wenn wir wollen, dass Pflege als Profession anerkannt wird, warum fangen wir nicht bei der Ausbildung an?
 
hast Du auch Zahlen der in Pflegeheimen Versorgter?

2003 gab es in Deutschland 2 076 935 Pflegebedürftige. Davon lebten 640 289 (ca.31%) in Pflegeheimen. Zu Hause mit Hilfe eines ambulaten Pflegedienstes wurden 450 126 (ca. 21%) betreut . Und bei immerhin 986 520 (ca. 48%) wurde die Pflege nur durch Angehörige geleistet.

http://www.destatis.de/download/d/solei/bericht02pflege.pdf

Mit Zahlen zum Einweisungsgrund ins Krankenhaus wirds schwierig. Da muss ich mich auf meine eigene Wahrnehmung verlassen. Aufnahmen von zu Hause waren definitiv weniger als Aufnahmen aus Pflegeeinrichtungen.

Aber wir kommen hier vom Thema ab.

*grübel* Warum kann ich derzeit mit dem Studium so wenig anfangen? Vielleicht weil ich ein Autodidakt bin - ähnlich wie alesig. Und ich muss immer wieder mal erfahren, dass mir mein Fachwissen abgesprochen wird, da ich es nicht mit Hilfe eines Papieres beweisen kann. Dies geschieht übrigens eigenartigerweise nur auf der Pflegeebene - selten auf der Ärzteebene - nie auf der Angehörigenebene. Gerade letztere verblüffen mich oft mit der Frage: sind sie hier die Stationsschwester? Fachwissen wird vom Laien offensichtlich in Leitungspositionen angesiedelt. *g* (Auch ein interessanter Aspekt, der zum Primary nurse system führen könnte).

Was macht Pflege professionell? Und wo wären die Ansatzpunkte etwas zu verändern? Bringt die Pflegekammer da eventuell neue Aspekte? Wenn ja, wie sollte das konkret angegangen werden: es geht um die "Akademisierung" von unten? Wie bekommen wir die Politik dazu, sich dieses Problems anzunehmen?

Elisabeth
 
Die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis gibt es in jedem Studium, kein Student ist befähigt die an gestellten Anforderungen in der Praxis zu erfüllen. Das ist nicht das Problem der Pflege allein.
Man sollte sich hier auch mal die ärztlichen Frischlinge anschauen.

Diese Diskussionen sind mir auch aus Australien bekannt. Sie sind ja auch berechtigt.

Nur ist das Verständnis für den Beruf und die Akzeptanz in der Öffentlichkeit wesentlich höher als hierzulande. Wir werden das in den jetzigen Strukturen auch nicht ändern können.

Wer liefert denn die Daten die die Pflege so dringend braucht um ihr Dasein zu legitimieren? Die Praktiker waren es bislang nicht, wie auch, wo sie die Vorgehensweise der Wissenschaft nicht versteht.

Durch eine universitäre Ausbildung wird zudem der Fortbildungsgedanke gestärkt. Weil wissenschaftliches Arbeiten auch immer heißt das eigene Tun zu reflektieren. Die sich daraus ergebenen Fragen wollen dann beantwortet werden. Dieses Verlangen hatte ich vor meinem Studium nicht.

Zusätzlich weiß ich durch das Studium wo ich überhaupt nachschauen muss, um an entsprechende Daten zu kommen.

Durch das Studium ist die Chance höher mehr Pflegende zu gewinnen die über den Tellerrand schauen und sich mit den anfallenden Problemen beschäftigen.
Zur Zeit findet das ja, wie hier schon festgestellt wurde, nur vereinzelnd statt.

Die Akademisierung verspricht bessere Chancen der Professionalisierung als das derzeitige Vorgehen.
Eine Pflegekammer oder ähnliches ist auch ein guter Weg dies voranzutreiben. Aber dazu muss man erst einmal über den Tellerrand schauen, und das fängt an wenn man aufhört nur sein direktes persönliches Umfeld (Station, Kollegen, etc.) zu betrachten.
Deshalb finde ich es auch müsig ständig über einzelne Tätigkeiten zu diskutieren.

Gruß
 
Elisabeth Dinse schrieb:
Mit Zahlen zum Einweisungsgrund ins Krankenhaus wirds schwierig. Da muss ich mich auf meine eigene Wahrnehmung verlassen. Aufnahmen von zu Hause waren definitiv weniger als Aufnahmen aus Pflegeeinrichtungen.
Au weia, wenn dem so ist, dann macht mich das richtiggehend hoffnungslos bzgl. irgendeiner Professionalisierung, unterstellt man mal, dass mehr EInweisungen aus Heimen als von zu Hause bedeutet, dass Angehörige besser pflegen.
Elisabeth Dinse schrieb:
*grübel* Warum kann ich derzeit mit dem Studium so wenig anfangen? Vielleicht weil ich ein Autodidakt bin- ähnlich wie alesig. Und ich muss immer wieder mal erfahren, dass mir mein Fachwissen abgesprochen wird, da ich es nicht mit Hilfe eines Papieres beweisen kann.
Das ist ein Problem, was die Akademisierung eher noch verschärfen wird denke ich. In Deuschland brauchst Du ein Papier wo Dein Wissen bescheinigt wird um Arbeitsstellen zu erhalten. Bist Du in einem Betrieb angestellt, dann kann es sein, das Dein Wissen auch ohne Papier anerkannt wird.

Elisabeth Dinse schrieb:
Was macht Pflege professionell?
In diesem Zusammenhang beschäftigt mich auch noch die Frage für WEN wollen wir professionell sein? Und da fallen mir einige Gruppen ein: zuerst unsere eigene Berufsgruppe, die der Ärzte, die Gruppe der Angehörigen und/oder Laienpfleger, die Gruppe der Patienten, die Gesellschaft ganz allgemein, ich ganz persönlich...ect.
Je nach Auswahl da gebe gestaltet sich der Weg zur Professionalisierung evtl. völlig anders.
Wie Du schon schreibst kann ich bei Angehörigen mit Beratung, Anleitung, Erklärungen und ähnlichem sicher davon überzeugen, dass ich professionell pflege.
Ärzte haben u.U. schon eher einen Standesdünkel und halten sich alleine für allwissend was die Bedürfnisse der Patienten angeht, weil sie ja lange studiert haben
Der Patient hat wieder andere Bedürfnisse an professionell Pflegende, die nicht zuletzt mit der Situation zusammenhängen, in der er sich gerade empfindet.
...usw.
Vielleicht aber würden mich alle Gruppen inclusive mir selbst als professionell ansehen wenn ich Wissen inclusive der theoretischen Hintergründe habe, in der Lage bin es anzuwenden, umzusetzen, zu transferieren, zu begründen und weiter zu vermitteln?
Elisabeth Dinse schrieb:
Und wo wären die Ansatzpunkte etwas zu verändern? Bringt die Pflegekammer da eventuell neue Aspekte? Wenn ja, wie sollte das konkret angegangen werden: es geht um die "Akademisierung" von unten? Wie bekommen wir die Politik dazu, sich dieses Problems anzunehmen?
Elisabeth
Die Ansätze liegen für mich nach wie vor in der Ausbildung, und ein Studium halte ich nach wie vor als die beste Lösung nicht zuletzt weil es die Anerkennung in unserer Gesellschaft verändert, sondern weil es mir auch andere Dinge vermittelt. Die Pflegekammern würden helfen uns selbst zu bestimmen, die Kriterien zu bestimmen wer sich überhaupt professionell nennen darf..usw.
Was die Politik betrifft wäre zu überlegen was bringt grundsätzlich jemand dazu sich eines Problems anzunehmen?
 
Professionelle Pflege

Um die Pflege aus der Semiprofession in die Profession zu heben muss eine Anpassung an den internationalen Stand der Pflege erfolgen, die gesellschaftliche Anerkennung der Pflege muss gefördert werden! Das geht unter anderem nur durch eine universitäre Ausbildung und dadurch, dass alle "Pflegeberufe" (z.B. Hebammen, Kinderkrankenpflege) ähnlich wie in den Niederlanden die gleiche Grundausbildung machen. Erstmal muss eine einheitliche Wissensbasis geschaffen werden (natürlich auf universitärer Ebene) und dann kann eine Spezialisierung angestrebt werden (z.B. in Richtung Kinderkrankenpflege).

Ähnlich wie die benachbarten Professionen - z.B. Ärzte oder Psychologen- muss die Pflege unbedingt ihr Aufgabengebiet erweitern, über die grundpflegerische Versorgung und ärztliche Übernahmetätigkeiten hinauswachsen! Mit der Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes zum Beispiel werden den Pflegefachkräften Beratunsgkompetenzen und ein eigenständiger Beratungsauftrag zugeschrieben. Das ist doch eine Chance für die Pflege ein eigenes Arbeitsfeld zu erschließen, sich von anderen Berufsgruppen abzugrenzen und sich zu professionalisieren oder?

LG Anna
 
Das geht unter anderem nur durch eine universitäre Ausbildung und dadurch, dass alle "Pflegeberufe" (z.B. Hebammen, Kinderkrankenpflege) ähnlich wie in den Niederlanden die gleiche Grundausbildung machen.
Verstehe ich das richtig, das alle Pflegefachkräfte die professionell arbeiten wollen studieren sollen?
 
Die Richtlinien für den EU-Beitritt sehen unter anderem vor, dass Pflege schon als grundhafte Ausbildung auf akademischer Ebene stattfindet (in Ländern wie Tschechien und Polen z.B. bereits erfüllt - da sehen wir ganz schön alt aus daneben), da wird wohl kein Weg dran vorbei gehen. Was ist eigentlich so gruselig an akademischer Ausbildung? Schließlich gab es auch in Deutschland schon mal Pflege als Fachschulstudium??? Wie viele von Euch lesen aufmerksam Veröffentlichungen von Studien? Ich jedenfalls musste erst lernen, Solche nicht nur zu lesen, sondern auch interpretieren zu können (reichen die Zahlen zur Verallgemeinerung aus, wie ist die Fehlerquote, lassen sich Ergebnisse auf ein anderes Fachgebiet übertragen etc.pp). Wenn ich dann Veröffentlichungen an meine MA weiter gebe, höre ich (gott sei Dank nicht von allen!), das ist langweilig, dafür hab ich keine Zeit o.ä. Aber wer soll denn Wissen für die Pflege schaffen, wenn nicht Pflegende selber? Uns allen sind schon Situationen begegnet, in denen uns andere Berufsgruppen sagen, was gut für uns ist, oder? Mich jedenfalls regt das furchtbar auf, wenn Ärzte (oder oder oder) mir erklären wollen, wie ich meine Arbeit tun soll, schließlich würde sich das umgekehrt auch keiner gefallen lassen.
So long, Verena
 
stormrider schrieb:
Verstehe ich das richtig, das alle Pflegefachkräfte die professionell arbeiten wollen studieren sollen?

In Zukunft schon. Natürlich bedarf es da einen geregelten Übergang, aber vom derzeitigen Ausbildungssystem MÜSSEN wir uns verabschieden.
Es behauptet ja keiner das derzeitig schlecht oder unprofessionell arbeitet.

Es geht hier aber erstmal nicht um die direkte Arbeit am Bett, sondern vielmehr um den Beruf Pflege an sich. Dieser hat sich über das letzte Jahrhundert in Deutschland nicht selber definieren können, in Ländern wo der Beruf an Universitäten ausgebildet werden ist dies nicht so.

Gruß
 
stormrider schrieb:
Verstehe ich das richtig, das alle Pflegefachkräfte die professionell arbeiten wollen studieren sollen?

Ich meine nicht, dass alle Pflegefachkräfte die nicht studiert haben unprofessionell arbeiten. Professionelle Pflege heisst für mich jedoch auch, wissenschaftliche neue Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen und dafür bedarf es des Lesens, Verstehens und kritischen Hinterfragens pflegewissenschaftlicher Literatur. Und dieses wissenschaftliche arbeiten wird nur in der akademischen Ausbildung vermittelt.
Um den Anschluss an den internationalen Stand der Pflege nicht zu verlieren muss die Ausbildung universitär laufen.
Gruß Anna
 
anna79 schrieb:
Um den Anschluss an den internationalen Stand der Pflege nicht zu verlieren muss die Ausbildung universitär laufen.
Gruß Anna

Den Anschluss haben wir schon vor langer Zeit verschlafen.

Pflegerisch ist Deutschland ein Entwicklungsland.

Weswegen lassen Pflegende denn alles mit sich machen???
 

Ähnliche Themen