Die zentrale Ethikommission hat sich da wohl auch schon den Kopf drüber zerbrochen. Es geht leider eigentlich um Patientenverfügung, aber der folgende Absatz beinhaltet trotzdem einige interessante Aspekte und ich finde es eigentlich recht eindeutig:
10.1. Entscheidungsprozess
Die Entscheidung über die Einleitung, die weitere Durchführung oder Beendigung einer ärztlichen Maßnahme wird in einem gemeinsamen Entscheidungsprozess von Arzt und Patient bzw. Patientenvertretern getroffen. Dieser dialogische Prozess ist Ausdruck der therapeutischen Arbeitsgemeinschaft zwischen Arzt und Patient bzw. Patientenvertreter. Das Behandlungsziel, die Indikation, die Frage der Einwilligungsunfähigkeit des Patienten und der maßgebliche Patientenwille müssen daher im Gespräch zwischen Arzt und Patientenvertreter erörtert werden. Sie sollen dabei Angehörige und sonstige Vertrauenspersonen des Patienten einbeziehen, sofern dies ohne Verzögerung möglich ist.
Die Indikationsstellung und die Prüfung der Einwilligungsfähigkeit ist Aufgabe des Arztes; sie ist Teil seiner Verantwortung. Er hat zum einen zu beurteilen, welche ärztlichen Maßnahmen im Hinblick auf den Zustand, die Prognose und auf das Ziel der Behandlung des Patienten indiziert sind. Zum anderen hat der Arzt zu prüfen, ob der Patient einwilligungsfähig ist (zur Einwilligungsfähigkeit, vgl. 7.). In Zweifelsfällen sollte ein psychiatrisches oder neurologisches Konsil eingeholt werden.
Hat der Patient eine Vertrauensperson bevollmächtigt oder hat das Betreuungsgericht einen Betreuer bestellt, ist die Feststellung des Patientenwillens die Aufgabe des Vertreters, denn er spricht für den Patienten. Er hat der Patientenverfügung Ausdruck und Geltung zu verschaffen oder eine eigene Entscheidung über die Einwilligung in die ärztliche Maßnahme aufgrund der Behandlungswünsche oder des mutmaßlichen Willens des Patienten zu treffen (vgl. § 1901a Abs. 1 sowie Abs. 2 BGB). Die Feststellung des Patientenwillens aufgrund einer Patientenverfügung gehört daher zu der Aufgabe des Vertreters, die er im Dialog mit dem Arzt wahrnimmt.
Das 3. Betreuungsrechtsänderungsgesetz hat die Notwendigkeit einer Genehmigung durch das Betreuungsgericht erheblich eingeschränkt. Seit dem 1. September 2009 ist eine gerichtliche Genehmigung für die Entscheidung des Vertreters nach § 1904 BGB nur erforderlich, wenn
der Arzt und der Vertreter sich nicht über den Patientenwillen einig sind und
der Patient aufgrund der geplanten ärztlichen Maßnahme oder aufgrund der Weigerung des Vertreters, der vom Arzt vorgeschlagenen Maßnahme zuzustimmen, in die Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens gerät.
Ist kein Vertreter des Patienten vorhanden, hat der Arzt im Regelfall das Betreuungsgericht zu informieren und die Bestellung eines Betreuers anzuregen, welcher dann über die Einwilligung in die anstehenden ärztlichen Maßnahmen entscheidet. Ausnahmen kommen zum einen in Notfällen (vgl. 11.) und zum anderen in Betracht, wenn eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB vorliegt. In diesem Fall hat der Arzt den Patientenwillen anhand der Patientenverfügung festzustellen. Er soll dabei Angehörige und sonstige Vertrauenspersonen des Patienten einbeziehen, sofern dies ohne Verzögerung möglich ist. Trifft die Patientenverfügung auf die aktuelle Behandlungssituation zu, hat der Arzt den Patienten entsprechend dessen Willen zu behandeln (vgl. 2 c). Die Bestellung eines Betreuers ist hierfür nicht erforderlich.
Der Arzt hat die Entscheidung zur Durchführung oder Unterlassung einer medizinischen Maßnahme (z. B. Beatmung, Sondenernährung, Reanimation) im weiteren Verlauf der Behandlung kontinuierlich zu überprüfen. Dafür gelten die oben dargestellten Grundsätze entsprechend.
10.2. Konfliktsituationen
In der Praxis lässt sich nicht immer ein Konsens erreichen. Konflikte können im Wesentlichen in zwei Konstellationen auftreten:
a) Aus ärztlicher Sicht besteht eine medizinische Indikation zur Behandlung, d. h., es gibt eine ärztliche und/oder pflegerische Maßnahme, bei der ein Therapieziel (Heilung, Lebensverlängerung, Rehabilitation oder Erhaltung der Lebensqualität) und eine realistische Wahrscheinlichkeit gegeben sind, dass durch diese Maßnahme das Ziel erreicht werden kann. Der Patientenvertreter (Bevollmächtigter, Betreuer) lehnt die Behandlung jedoch ab. Besteht Einigkeit darüber, dass der Patient auch ablehnen würde, so muss die medizinische Maßnahme im Einklang mit dem Willen des Patienten unterlassen werden. Bestehen Zweifel über den Willen des Patienten, kann das Betreuungsgericht angerufen werden. Im Übrigen ist das Betreuungsgericht anzurufen, wenn ein Dissens über den Patientenwillen besteht und der Patient aufgrund der Weigerung des Vertreters, der vom Arzt vorgeschlagenen Maßnahme zuzustimmen, in die Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens gerät (vgl. 10.1).
b) Der Patientenvertreter oder die Angehörigen des Patienten verlangen die Durchführung oder Weiterführung einer medizinisch nicht (mehr) indizierten Maßnahme. Besteht keine medizinische Indikation zur Einleitung oder Weiterführung einer Maßnahme, so darf diese nicht (mehr) durchgeführt werden. Die Übermittlung der Information über eine fehlende medizinische Indikation für lebensverlängernde Maßnahmen und die damit verbundene Therapiezieländerung hin zu palliativen Zielen stellt für Patienten und deren Angehörige meist eine extrem belastende Situation dar, die vom aufklärenden Arzt hohe kommunikative Kompetenzen verlangt. Es kann gerechtfertigt sein, eine Maßnahme, wie die künstliche Beatmung oder Ernährung begrenzt weiterzuführen, um den Angehörigen Zeit für den Verarbeitungs- und Verabschiedungsprozess zu geben, solange die Fortführung der Maßnahme für den Patienten keine unzumutbare Belastung darstellt. Weder der Patient noch sein Vertreter oder seine Angehörigen können verlangen, dass der Arzt eine medizinisch nicht indizierte Maßnahme durchführt. Ein Gesprächsangebot sollte immer bestehen bleiben. Auch in solchen Fällen wird das Betreuungsgericht gelegentlich durch Angehörige angerufen, wenn die Kommunikation scheitert. Das Betreuungsgericht hat jedoch nicht die Frage der medizinischen Indikation zu entscheiden, sondern zu prüfen, ob eine indizierte Maßnahme dem Willen des Patienten entspricht.
10.3. Ethikberatung
In Situationen, in denen schwierige Entscheidungen zu treffen oder Konflikte zu lösen sind, hat es sich häufig als hilfreich erwiesen, eine Ethikberatung in Anspruch zu nehmen (z. B. Ethikkonsil, klinisches Ethikkomitee). Zur Vermeidung von Konflikten, ggf. sogar zur Vermeidung von gerichtlichen Auseinandersetzungen, kann eine solche Beratung beitragen 6.
Hier gibt's den ganzen Text:
Zentrale Ethikkommission - Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung