Kolleg*innen,
Was geht eigentlich bei euch ab?
Die Frage kann man in alle Richtungen stellen.
Ich hab in letzter Zeit häufiger mal wieder in dieses Forum geschaut um mir die Langeweile im social distanceing, wischen den Diensten zu vertreiben und vielleicht so manches Interessantes zu finden. Aber leider finde ich nur das Gegenteil: Meckern. Versteht mich nicht falsch, ich finde Meckern OK, natürlich müssen wir meckern um auf unsere, nach wie vor beschissene, Situation aufmerksam zu machen. Aber ich finde hier so einiges, worüber ich jetzt mal Luft ablassen möchte...
Du kannst es "meckern" nennen oder "kritisieren". Du kritisierst ja auch vieles, was hier geschrieben wurde bzw. "meckerst". Aber du bist jetzt auch nicht wirklich die Opposition im Thread, wonach du klingen willst. Man kann dir ja zustimmen und hat man in diesem Thread bereits vorher.
Also jetzt mal abgesehen davon, dass Ihr Erfolg eh nur begrenzt war, bzw. sie nicht weitreichend genug waren. Was denkt ihr eigentlich, was die Kolleg*innen in Italien und co sagen, wenn Ihr fordert, dass wir auch während der Krise "nur" 2,5 ITS Patienten pro PK behandeln wollen.
Italien & Co sind ein Strohmann-Argument, es geht um Deutschland (by the way: Unsere Intensiv hat Patienten aus Italien übernommen). Durch die Forderungen kritisieren wir das Versagen im Umgang mit der Pflege allgemein und dass diese jetzt nicht durchgesetzt werden können ist doch klar?
Sollen wir die Anderen sterben lassen, weil wir diese Grenzen haben? oder sollen sie erst sterben, wenn wir wirklich am Limit (Personell, Material, alles...) sind und es einfach nicht mehr geht?
Mir scheint eher, dass das personelle Limit gerne in Kauf genommen wird. So war es seit ich in dem Beruf bin, gerade auf ITS, wo ja großes Geld gemacht wird.
Natürlich, die Untergrenzen wurden in Notfallsituationen eh nie eingehalten, bzw. nimmt dann das KH die finanziellen Sanktionen halt in Kauf. Darüber kannn man viel diskutieren, aber Fakt ist, dass im Ernstfall geholfen werden muss. Wenn ich jetzt vielleicht in den kommenden Wochen froh sein muss, solange ich "nur" 3 ITS Patienten betreuen muss, muss ich auch irgendwie Lösungen finden, wie ich auch mehr schaffe, mit folgender Gewichtung: 1. Vom Sterben abhalten, 2. Komplikationsvermeidung, 3. erst dann sonstige (gute) Pflege.
Ich würde vor deiner Gewichtung noch den wichtigen Punkt "Pflegekräfte arbeitsfähig halten" setzen. Die Tendenz zum Verheizen ist schon in Normalzeiten gegeben, zu Krisenzeiten erst recht. Bei uns auf Noch-nicht-Coronastation wurde behauptet, man würde Dienstpläne so stellen, dass eine höhere Wahrscheinlichkeit des Gesundbleibens gegeben wäre. Realität? Spät-Früh-Nacht-Wechsel in einem Block, Spät-Früh-Wechsel auch in kurzen Blöcken und weiterhin 10-12 Tage im Block (sogar gerne mal komplett Früh, wo man ja durch Grundpflege nochmal extra gefährdet ist)
Wir arbeiten jetzt im Covid-Bereich in 12 Stundenschichten. Hintergrund: So wird quantitativ weniger Personal im Risikobereich eingesetzt. Für mich eine sinnvolle Maßnahme. 12 Stunden sind lang und hart, Nettofreizeit zwischen den Diensten, ist für das Nötigste (Essen, Körperpflege ausreichend, genug Schlaf habe ich momentan nicht). Aber beschwere ich mich jetzt darüber, dass das Hart ist, oder mache ich es einfach, weil ich es für Sinnvoll erachte. Ich muss euch sagen, letzteres ist der Fall.
Erinnere mich grad nicht, ob wir im Thread viel über 12-Stunden-Schichten gesprochen haben und ich habe nur in der Psychiatrie noch 12-Stunden-Schichten mitgenommen. Ich fand gut, dass ich länger frei hatte, aber wenn es stressiger wurde, war nach 8 Stunden einfach der Kopf nicht mehr dran, bei mir. Gute Pflegekräfte können das ab. Auf meiner aktuellen Station würde ich da eher sich potenzierenden Stress sehen. Es geht auf Normalstation aufgrund sich ständig ändernder Anforderungen und immer mehr Covid19-Fällen schon in den 8 Stunden genügend schief, was sich von Schicht zu Schicht weiterzieht.
Du schreibst selbst, dass du momentan nicht genug Schlaf bekommst. Und da setzt es schon an. Wenig Schlaf bedeutet für viele eben auch eine geringere Belastbarkeit (physisch wie psychisch) und höhere Fehleranfälligkeit. Wenn ich überlege, wie oft ich mit schweren Augen nach Hause fahre, müsste ich mich eigentlich selbst ohrfeigen.
Im Fall meiner Station habe ich übrigens im Kopf noch nicht geraderücken können, inwiefern durch 12-Stunden-Schichten bei uns weniger Personal im Risikobereich eingesetzt wird. Würde da weniger Personal eingesetzt werden, gäbe es eher zu den +4 Stunden noch einen erheblich größeren Arbeitsdruck für die Anwesenden. Hoffe mal, dass mir da die Praxiserfahrung erspart bleibt.
Also meckert nicht über die Mehrfachanwendung, sondern darüber, dass nicht schnellstmöglich die Produktion von FFP Masken angekurbelt wird, solange Internationale Lieferungen abgefangen, geklaut, etc. werden.
Bin mir sicher, dass wir darüber auch meckern.
Als Laie mit Zahlen verstehe ich auch nicht, warum manche Häuser/Heime Bürger dazu aufrufen, ihnen selbstgemachte Masken zu schicken, statt mal eine interne Produktion unter halbwegs hygienischen Bedingungen aufzufahren. Desinfektionsmittel produzieren viele ja auch schon selbst.
Handschuhe zu desinfizieren ist sicherlich auch ziemlich falsch, aber wenn in einer Risiko-Nutzen-Abwägung dem mehr Personal-/Ausbreitungsschutz zugerechnet wird, als ein häufigerer Wechsel, dann sei es drum.
Die Handschuhe werden dadurch halt nicht weniger porös und widerstandsfähig. Ich würde das lassen.
Hey, ich bin immer für Mehr für Alle! Klassischer Arbeitskampf ist momentan wohl nicht denkbar.
Dass er momentan denkbar ist, behauptet so glaube ich auch keiner.
Aber hey, denkt mal nach: Die Coronakrise ist nicht nur eine menschliche, sondern auch eine Wirtschaftliche. Ich denke wir haben aktuell ganz gute Karten mit sicherem Einkommen durch diese Zeit zu kommen. Wer kann das schon von sich behaupten?
Ich für mich werte Geld geringer ein als zuhause Angehörige zu gefährden, aber da kann ich nur für mich sprechen. Andere haben den Luxus nicht, im extremen Notfall auszusteigen (wenn es denn gesetztlich dann noch möglich ist).
Und für die Zeit nach der Krise sollten sich diejenigen mal warm anziehen, die für unsere bisherige Situation verantwortlich sind.
Ich hoffe wirklich, dass das so sein wird.
Hey leute, ich hasse Kriegsrethorik, bin mir aber bewusst, dass ich dass hier -in abstrakter Form- durchaus umsetze, aber haben wir echt eine andere Wahl? Diese Scheiße ist Real, also lasst uns das einsetzen was wir können (und genau das können wir) um einen Beitrag zu leisten.
So egoistisch das klingt: Ich kann pflegen, aber es ist ein Beruf für mich. Ich bin mir selbst und meinen Angehörigen der Nächste. Wenn ich krank bin oder mich um Angehörige kümmern muss, ist keiner da, der arbeitet. Dass jeder, der so denkt, das System weiter gefährdet, ist klar. Spreche da nur für mich.
Ich will und werde nicht für die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte büßen.