12-Stunden-Schichten bei häuslicher Intensivpflege

Wenn man immer nur einen Patienten hat, finde ich eine mündliche Übergabe auch nicht besonders notwendig. Bei mir auf Station ist sie praktisch überlebenswichtig. Ich arbeite auf einer Inneren, unsere Zugänge bekommen eine Erstdiagnose, wir nennen die Arbeitsdiagnose. Ziemlich oft verändert sich diese Diagnose oder muß ergänzt werden, durch diverse Nebendiagnosen. Diese ergänzenden Diagnosen, finden z.T. erst kurz vor der Entlassung den Weg in die ärztliche Dokumentation. Also werden die, bei den mündlichen Übergaben weitergegeben. Genauso Untersuchungsergebnisse, die am Vortag oder am gleichen Tag ,stattgefunden haben. In unserer digitalen Akte wird sogar die Übergabezeit, bei der Pflegeplanung bei jedem Patienten gefordert. Wieder ein Häckchen dass gesetzt werden muss.

Ich finde das hochinteressant was du ausgeführt hast, gar nicht unter dem Aspekt Übergaben, sondern wie das bei euch mit Arbeitsdiagnosen funktioniert. Kannst du diesen Prozess etwas genauer schildern?
 
Hallo @Pevaueff ,
Nun ja, ich denke schon dass man mit mir vernünftig diskutieren kann, das schätze ich ja auch an Dir. Auch wenn Du mich weiter oben mehrfach ganz schön von der Seite angemacht hast, ohne zu wissen wer ich bin und wie ich arbeite.

Nun ja... also hier in dem Thread kam ja zuerst von Dir die Aussage mit den stundenlang Kaffee trinkenden Pflegekräften, was ich durchaus auch weiterhin für eine Frechheit halte (da diese Aussage bzw. Einstellung unserer Profession gegenüber durchaus weit verbreitet ist und ich sie definitiv so nicht stehen lassen werde, egal von wem sie kommt) und Du dann von mir halt auch entsprechende Antworten gekriegt hast. Wer austeilt, muß auch einstecken können, aber ich glaube, da sind wir uns auch einig (... und ich bin auch nicht aus Zucker)! ;)
Ohne zu wissen, wer Du bist und wie Du arbeitest:
Das stimmt natürlich, ich habe nur die Informationen, die ich ich hier im Forum lesen kann; da lese ich bei Dir Altenpfleger, PDL und ambulante Pflege, woraus ich schließe, daß Du mittlerweile als PDL einen ambulanten Pflegedienst leitest. Mehr weiß ich erst mal nicht und kann es auch nicht. Umgekehrt weißt Du auch nicht, wer ich bin oder wie ich arbeite.:wink1: Naja, kann man ja ggf. nachfragen.
Ich habe früher u.a. jahrelang in Pflegeheimen gearbeitet. Die mündlichen Übergaben bestanden im wesentlichen aus Wiederholungen der Dokumentation, bzw. was in der Doku hätte drin stehen müssen
Ja, und ich muß sagen, daß das durchaus sinnvoll ist: Durch die mündliche Übergabe kriege ich zu Beginn meiner Schicht zumindest einen groben Überblick über das, was wichtig ist; wenn ich natürlich gestern erst da war, sich zwischenzeitlich nicht viel getan hat und auch keine neuen Pat. kamen, dann kann man das Ganze auch sehr kurz halten und braucht z. B. zum Pat. X nicht wieder sämtliche bekannten Infos (Aufnahmediagnose, Grunderkrankungen, Einschränkungen der ATLs) runterzubeten, sondern nur die neuen Dinge (hat heute Untersuchung XY, muß nüchtern sein, wird abgerufen oder muß um Uhrzeit YZ da oder dort sein...). Das halte ich für wesentlich besser und sicherer als den Hinweis, ich solle mir doch die Doku durchlesen, denn im Zweifelsfall kann ich noch mal nachfragen, und nach der Übergabe weiß ich auf jeden Fall bescheid. Ich halte das auf jeden Fall für effizienter, als die Doku durchzulesen.
(Geschwafel a la wer hat wann wieviel geschissen... etc...)
Nun ja, auch da kommt´s drauf an: Das ist aus pflegerischer Sicht durchaus wichtig, eine Obstipation ist (je nach Pat.) nicht unbedingt harmlos. Natürlich nicht stundenlang ausgemehrt, sondern kurz und knapp "Hr. X hatte heute ausreichend Stuhlgang PUNKT." Falls nicht, muß unbedingt der Hinweis erfolgen, daß etwas zu geschehen hat (Abführmaßnahmen, Arztinfo etc.).
und das zog sich dann stundenlang hin.

Da bin ich, wie ich weiter oben auch schon andeutete, 100% bei Dir; leider können kommunikative Kompetenzen bei heutigen Pflegekräften absolut nicht mehr vorausgesetzt werden - egal ob mündlich oder schriftlich.
Ein Beispiel aus meinem alten Team in der amb. Intensivpflege: Da hatten wir eine ausländische Kollegin. Sonst nicht schlecht, aber das war z. T. eine echte Katastrophe. Wo einer von uns einen Sachverhalt in zwei Sätzen verständlich rübergebracht hätte, wurde eine halbe Stunde lang rumgeschwafelt und gelabert (lässt sich nicht anders ausdrücken, sorry). Auch die ausdrückliche Aufforderung vom Rest des Teams, sich doch bitte kurz zu fassen (unsereins wollte nämlich auch irgendwann heim), brachte null und wurde mit dem empörten Hinweis "Ich bin doch Ausländerin!" abgeschmettert. :roll: Tja, was willste da machen??
Ich ärgere mich regelmäßig schwarz wenn ich mir als Gutachter die Mühe mache Pflegedokus anzufordern und dann steht da nur Nonsense drin.
Ok, siehst Du: Daß Du auch gutachterlich tätig bist, wußte ich z. B. nicht.
Gutachter bin ich zwar nicht (nie gewesen), aber ich behaupte mal, durch meine lange Berufserfahrung in verschiedenen Settings (jahrelang Klinik, als Lehrer auch in verschiedenen Pflegeheimen und ein wenig in amb. Pflegediensten, zuletzt amb. Intensivpflege) habe ich auch so einiges gelesen. Viel Unfug (Unwichtiges aufgebläht, dafür wesentliche Infos unterschlagen), aber auch sehr gute Dokus. So habe ich z. B. gesehen, daß gerade im Bereich der Altenpflege oft hervorragende Pflegeplanungen geschrieben werden, während man selbige im Bereich von Kliniken oft als schlechten Witz bezeichnen muß.
Ich habe in jahrelangen Schulungen und zahllosen Dokuvisiten meine MA darauf geschult die wesentlichen und für die Versorgung wichtigen Aspekte in die Doku pflegefachlich aufzunehmen und damit zu arbeiten. Auch das Krankenbeobachtung mehr ist als die Größe des Haufens den jemand gelegt hat.
:daumen: Finde ich super von Dir/euch.
Auch wenn das grundsätzliche Dinge sind, die JEDER in seiner Ausbildung mal gelernt hatte, egal ob mündl. Übergabe oder Doku. Aber ist trotzdem gut, das noch mal zu wiederholen und den Leuten klar zu machen, daß sowas wichtig ist.
(Off-Topic: Zum Thema was so alles "illegal" ist hatte ich mich doch schon entsprechend positioniert!? Verwechselst du mich da gerade mit jemandem?)
Nö, da beziehst Du eine Aussage auf Dich, die auf jemand anders gemünzt war. :wink:
Nichtsdestotrotz stelle ich einfach mal die Behauptung auf, dass möglicherweise auch im Krankenhaus viel zu viel übergeben und zu wenig dokumentiert wird. Beispiel: Die Pflegeüberleitungen von den Krankenhäusern ins ambulante Setting, die ich bekomme, sind tatsächlich ausnahmslos gruselig. Im besten Fall nichtssagend, im schlimmsten Fall schlicht pflegefachlicher Unfug. Das mag nicht überall so sein, ist hier aber so.
Glaub ich Dir.
Noch schlimmer, ich habe oft genug erlebt, daß es GAR KEINE Pflegeüberleitung gab. :wut: Arztbrief ist fast immer schön brav dabei, aber Pflegeüberleitung...? Braucht´s ja nicht. :roll: Bei aller Kritik an meiner alten Klinik, aber darauf wurde wirklich wert gelegt, ebenso darauf, daß dann nicht die Verlegung Freitag Nachmittag erfolgte und das Pflegeheim/der amb. Pflegedienst die undankbare Aufgabe hatte, das exotische Medikament X oder die spezielle Wundauflage Y im Eilverfahren vor dem WE noch herzukriegen. Auf sowas achteten wir!
Fakt ist doch - unterm Strich - das die Dokumentation in der Pflege sowieso in allen Bereichen zwingend ist. Das hat u.a.- nebenbei bemerkt - auch was mit Haftung zu tun. Warum werden dann trotzdem die Übergaben so hart verteidigt, aber die Dokumentationen in vielen Fällen so vernachlässigt? Wenn das eine zwingend und das andere (in vielen Fällen) optional ist, warum entscheidet man sich dann lieber für das optionale?
Das ist ein Irrtum, ebenso wie die in der Pflege immer noch verbreitete (falsche) Meinung "Was nicht dokumentiert ist, ist nicht gemacht."
Ich persönlich halte beides (sowohl schriftliche Doku als auch mündliche Übergabe an die nächste Schicht) für unabdingbar und verstehe nicht, warum man eins gegen das andere ausspielen will? Aus meiner Sicht hängt das hauptsächlich damit zusammen, daß Übergaben (erst mal) nur die Pflegekräfte untereinander betreffen, die Doku hingegen im Prinzip für jedermann, auch völlig Pflegefremde (die das Geschriebene teilweise gar nicht verstehen können) einsehbar ist. Daher versuchen Pflegefremde uns nun zu erzählen, was wir zu tun haben und was für uns (angeblich) wichtig sei und was nicht.
Hier sollten aber nur pflegerische Gesichtspunkte zählen und nicht das, was sich Pflegefremde einbilden. Für unsere Arbeit ausschlaggebend ist eine fachlich korrekte, adäquate Informationsweitergabe, um eine Gefährdung des Pat. weitestgehend ausschließen zu können. Und nicht das, was sich Juristen, Ärzte, Politiker etc. einbilden.
Übrigens gibt es bei mir - statt Übergaben - unregelmäßige Fallbesprechungen im Team und zwar immer dann, wenn der Bezugsmitarbeiter mit einer Problemkonstellation alleine nicht mehr weiter kommt. Das ist mir die Zeit dann wert.
:up: Das finde ich gut; erinnert mich ein Stück weit an die großen Übergaben, die wir früher in der Neurologie hatten.
Diese sahen so aus, daß einmal in der Woche alle Pat. der Station im kompletten therapeutischen Team besprochen wurden. Dieses bestand aus Pflege, Ärzten, KG, Ergo, Logo, Sozialdienst und Psychologie.
Es kostet halt jede Arbeitsstunde Geld, Geld ist in der Pflege knapp, insbesondere in der ambulanten.
In der ambulanten Pflege kenne ich mich am schlechtesten aus; wie sind (bzw. waren) denn da die Übergaben gestaltet? Stelle mir das schwierig vor, da ja nachts eh niemand da ist und die Infos eh aus der Doku gezogen werden müssen.
 
@Martin

Ich überspringe mal alles wo wir uns weitestgehend einig sind und ein paar Kleinigkeiten in denen wir uns nicht einig werden, was aber nicht so entscheidend ist.

Aber in einem Punkt irrst Du. Die Pflicht zur Dokumentation lässt sich aus zahllosen Gesetzen und Rechtsnormen ableiten. Angefangen mit den Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen, SGB V/SGBXI Stichwort Qualität, den Rahmenverträgen, den Versorgungsverträgen. Ich hab jetzt keine Lust die einzelnen Rechtsquellen mit Paragrafen rauszusuchen. Grundsatz aber: Ohne eine sach- und fachgerechte Dokumentation darf ich gar keinen Pflegedienst betreiben, darf keiner eine Pflegeeinrichtung betreiben. Dokumentation und Haftung sind eng miteinander verbunden. Wichtiges Stichwort auch Beweislastumkehr!

Extrembeispiel aus meiner Praxis, lässt sich beliebig erweitern:

- Ein Patient zuhause wurde mehrmals hintereinander nicht angetroffen. Pfleger A dokumentiert sinngemäß: "Nicht angetroffen", Pfleger B und C dokumentieren nichts, Pfleger D ruft die Feuerwehr, lässt die Tür aufbrechen, Patient wird tot in der Wohnung aufgefunden. Pfleger B+C wurden von Angehörigen wegen unterlassener Hilfeleistung angezeigt. Sie konnten schlussendlich aufgrund mangelnder Dokumentation nicht darlegen, dass sie ihrer Sorgfalts- und Fürsorgepflicht nachgekommen waren. Zu einem Prozess kam es zwar nicht, aber ihnen wurde die Berufserlaubnis entzogen. Dass hier in diesem Beispiel mehrfach mündlich übergeben wurde, dass Patient häufig nicht angetroffen wurde, wurde lediglich zugunsten Pfleger A ausgelegt.

Glaube, wir haben uns vom Threadthema vollkommen verabschiedet:mryellow:
 
Da haben wir uns wohl mißverstanden; ohne jetzt noch mal auf alles im Detail eingehen zu wollen, halte ich Dokumentation ja grundsätzlich für nötig (auch aus rechtlichen Gründen), es ist aber mitnichten so, wie es gerne immer wieder behauptet wird „Was nicht dokumentiert ist, ist nicht gemacht.“


(obwohl ich die künstliche Trennung in „Grundpflege“ und „Behandlungspflege“ aus pflegewissenschaftlicher Sicht für komplett blödsinnig halte, so zeigt dieses Beispiel doch grundsätzlich auf, daß nicht sklavisch alle immer wieder kehrenden Abläufe aufs Neue dokumentiert werden müssen).
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich finde das hochinteressant was du ausgeführt hast, gar nicht unter dem Aspekt Übergaben, sondern wie das bei euch mit Arbeitsdiagnosen funktioniert. Kannst du diesen Prozess etwas genauer schildern?
Ein Pat. Kommt in die Notaufnahme, verdacht auch Herzinfarkt. Nach Untersuchung und Blutentnahmen kommt er auf Normasstation, sein zustand ist stabil, das EKG nicht eindeutig. Einige Tage und Untersuchungen später,wird festgestellt er hat eine Gastritis. Arbeitsdiagnose ist Verdacht auf Herzinfarkt, Enddiagnose ist Gastritis. Pat kommt mit Obstipation, es werden Abführmaßnahme eingeleitet, Tage später stellt sich raus, Pat hat Tumor im Darm,Diagnose Darmkrebs.
 
Da haben wir uns wohl mißverstanden; ohne jetzt noch mal auf alles im Detail eingehen zu wollen, halte ich Dokumentation ja grundsätzlich für nötig (auch aus rechtlichen Gründen), es ist aber mitnichten so, wie es gerne immer wieder behauptet wird „Was nicht dokumentiert ist, ist nicht gemacht.“
Ja, da haben wir uns tatsächlich offenbar missverstanden. Ich habe aber auch zu sehr später Stunde nicht ausreichend differenziert und Aspekte zum besseren Verständnis was ich meine nicht ausgeführt. Zum Beispiel dass ich, wenn ich von Dokumentation oder dokumentieren rede, nicht primär den Verlaufsbericht meine, sondern die Dokumentation als Ganzes. Das entbürokratisierte Strukturmodell ist mir nicht nur bekannt, sondern ich lebe und feier das, weil es tatsächlich in Teilen den Dokumentationsaufwand deutlich reduziert hat. In den Verlaufsberichten kann bei adäquater Maßnahmenplanung auch mal tagelang nichts stehen, in Haftungsfragen gilt im Zweifel der Immer-so-Beweis. Dokumentiert im Verlaufsbericht werden letztlich nur noch Abweichungen oder akute Besonderheiten.

Eine Besonderheit in der ambulanten Pflege ist es, dass jede Einzelmaßnahme aus Abrechnungszwecken nochmal gesondert abgezeichnet werden muss. Letztlich bestätigt damit aber die Pflegekraft auch noch einmal persönlich, dass die Maßnahme wie geplant durchgeführt wurde und muss auch aus diesem Grund die Durchführung nicht noch einmal im Verlauf dokumentieren.
Thema durch? Danke für die Diskussion :hicks:
 
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@alesig: Danke für die Erläuterung. Es ging zwar in eine andere Richtung, als ich erwartet hatte, war für mich aber aufschlussreich:-)
 

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