Kann ich mir gut vorstellen.
Allerdings bezweifle ich ebenso, dass alle heutigen Azubis die damalige Prüfung bestehen würden. Der Bereich Anatomie und Physiologie sind bei vielen Schülern nur noch rudimentär vorhanden.
Ich weiß, so eine Aussage lässt sich nicht verallgemeinern. Aber in den letzten 10 Jahren habe ich bei fast allen Oberkurs-Schülerinnen und -Schülern bei Erklärungen im OP ganz von vorne anfangen müssen.
Das kann ich unterschreiben ...wir erleben es genau so in der Theorie. Wenn wir nach einem Jahr auf Grundlagen aufbauen wollen, dann fehlen diese häufig. Aus der Praxis erhalten wir ähnliche Rückmeldungen...Woran das genau liegt lässt sich wahrscheinlich nicht genau festmachen.
Sicher hat sich die Haltung vieler Schüler verändert: die Mehrheit (nicht alle!) hat eine hohe Erwartungs- und Anspruchshaltung an das Umfeld (Lehrer, PAs, Stationen) bei zunehmend geringerer Anstrengungsbereitschaft.
Natürlich hat auch die Masse an Inhalten zugenommen ....vor allem die in den Pflege- und Bezugswissenschaften.
Die Einsätze sind durch die gesetzlichen Auflagen deutlich kürzer geworden ...4 Wochen gelten heute als langer Einsatz! Die Schüler wechseln also deutlich häufiger die Einsatzgebiete.
Im 85 er Examen gingen die Fragen mehr in die Tiefe als heute ...die Anforderung bestand darin, in einem "Fach" detailliertes Faktenwissen zu einem breiten Spektrum abrufen zu können.
Seit 2004 liegt der Schwerpunkt eher auf dem Pflegeprozess und dem komplexen Fallverstehen. Diese Prüfungen orientieren sich als mehr am tatsächlichen "Stationsgeschehen" ...die Herausforderung liegt aber eben darin, anhand DIESES Falls die Prioritäten zu erkennen, Probleme genau zu identifizieren und Massnahmen abzuleiten.
Es ist also deutlich komplexer geworden ...vertieftes Faktenwissen alleine reicht tatsächlich nicht.
Es ist wie immer: wenn ich mehr Stoff in einem Bereich in eine Ausbildung hineinbringe muss ich andere Bereiche kürzen. Und die 500 Stunden mehr an Theorie fehlen dann im praktischen, was das Verknüpften der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten erschwert.
Ja und nein ...rein quantitativ haben die Schüler faktisch immer noch rund 3000 Stunden praktische Ausbildung, was ja eigentlich ausreichend sein sollte.
Wichtig ist die Qualität der praktischen Ausbildung ...den Theorie Praxis Transfer fördern wir mit Praxisaufträgen, dazu gibt es Anleitungen von PAs.
Leider ist es aber auch so, dass Schüler (bedingt durch den Personalmangel) eben auch oftmals voll funktionieren müssen.
Meine favorisieret Lösung wäre wirklich, die bisherigen Strukturen dahin gehend zu verändern, dass Schüler eben kein Ausbildungsentgelt mehr bekommen (dafür eben BAföG), nicht auf dem Stellenplan auftauchen und vom "gesparten" Ausbildungsentgelt eben freigestellte PAs bezahlt werden. Der Schüler wäre dann tatsächlich nur Lernender und könnte gezielt in einzelnen Lernsituationen (unter Anleitung) sein Wissen umsetzen und vertiefen.