Wie weit geht die Grundpflege?

JessesGirl

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15.09.2010
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250
Ort
Thun (Schweiz)
Beruf
Dipl. Pflegefachfrau
Akt. Einsatzbereich
Orthopädie/Wirbelsäulenchirurgie/Traumatologie
Mich würde mal eure Meinung dazu interessieren:

Wir hatten am Montag eine etwas andere Fallbesprechung auf der Neurologischen Wohngruppe.
Wir haben eine Patientin, die unter MS leidet. Sie ist komplett auf Hilfe angewiesen und kann sich nur noch mit dem Elektrorollstuhl bewegen, allerdings ist sie eine der wenigen Patienten, die klar mit uns kommunizieren kann. Dadurch kommt es, dass sie ständig mit Wünschen ankommt (häufiger Duschen, etliche Transfers am Tag, will nur von bestimmten Pflegepersonen gewaschen werden etc.).

Wir haben dann in der Fallbesprechung die Maslowpyramide angeschaut und sollten einmal selbst bestimmen, bis zu welcher Stufe die Pflege auf der Wohngruppe reichen würde. Unser Abteilungsleiter war der Meinung, dass es bei der 1. Stufe bleiben sollte. Aber sind wir nicht auf eine Art auch für die Sicherheit, die sozialen Bedürfnisse, bis hin zur Individualität mit Verantwortlich für Patienten, die kaum noch selbstständig sind?

Kann man diese ganze Situation bei den Patienten/Bewohnern überhaupt mit dieser Pyramide anschauen?
Wenn ja, wie sollte das mit den Dokumentationssystemen zusammenpassen, wo man nur Leistungen wie verabreichung von Nahrung, Transfer etc erfassen kann?

Bin gespannt auf eure Beiträge
 
Wirtschaftlich gedacht hat der Abteilungsleiter wohl recht- nur wer soll für die restlichen Steinchen der Maslowpyramide zuständig sein und wie funzt Grundpflege ohne Beziehung, soziale Kontakte u.ä.? Hat er Roboter eingestellt?

Die Maslowpyramide für die Aufgabenbeschreibung der Pflege zu verwenden find ich mehr als befremdlich. Du kannst mit Pflegetheorien kontern- z.B. ATLs, Orem, usw..

Ich denke, hier fehlt die klare Abgrenzung. Was kann, was will Pflege leisten mit dem vorhandenen Personal. Es werden wohl beide Seiten Abstriche machen müssen.


Elisabeth
 
Dein Abteilungsleiter hat da ein schöne Umschreibung für "satt und sauber" gefunden!
Die Bedürfnispyramide ist sehr anschaulich und leuchtet auch irgendwie ein. In der Psychologie ist sie aber mehr als umstritten und wird kaum noch verwendet. Interessanterweise ist diese Tatsache in der Pflegeliteratur aber noch nicht so angekommen.
Aber Du stellst die richtige Fragen: Was kann Pflege leisten? Was soll sie leisten? Und steht das, was die Pflege leistet in der Pflegedokumentation?
 
Wieso er gerade die Pflege mit der Maslowschen darstellen wollte ist mir auch ein Rätsel, ich kenne die ATL's und wir haben damit auch in der Schule immer gearbeitet...

Wenn wir uns nur um die Grundbedürfnisse kümmern würden, bräuchten wir nicht soviel Personal...zurzeit hat eine Pflegeperson (egal ob Praktikant oder Dipl. Fachkraft) an guten Tagen lediglich 2-3 Bewohner, um die sie sich kümmern muss. An der Zeit kann es also nicht mangeln, etwas mehr Zeit in Konzepte zu investieren, die "warm, satt & sauber" übersteigen.

Für mich gehört zur Pflege mehr als nur Grundpflege. Gerade wenn man als Patient von den Pflegepersonen abhängig ist, würde man sich doch wünschen, nicht als "Ware" angesehen zu werden, sondern vielleicht auch einmal den Frust von der Seele reden zu können.
Aber scheinbar lässt sich das ja nicht mit der Pflegedoku (übrigens das RAI) in Einklang bringen also ist es Zeitverschwendung für den Abteilungsleiter...
 
Naja, eine Theorie ist immer ein vereinfachtes Bild der Realität. Und jede Theorie kann nur Teilbereiche einer Situation beschreiben. Und schießt andere aus. Da treffen zwei Systeme aufeinander. Das System „Geld“. Und das System "Beziehung zwischen Menschen". Denke mal, du hast da den Kernkonflikt der Krankenpflege erwischt. Natürlich muss professionelle Krankenpflege bezahlt werden. Die Krankenpflege ist aber leider ziemlich schlecht quantifizierbar. Was ist denn gute Krankenpflege? Ist es besser, einen Patienten in die Dusche zu schleifen (1 Dusche, dauert soundsoviel, kostet x Geld) wenn ich dadurch den Schlaf eines Patienten unterbrechen muss.
Oder ist es besser, ich lasse den Menschen einfach schlafen, (0 Dusche, dauert 0 Zeit, das will man aber natürlich nicht bezahlen) und der Patient ist ausgeschlafen, zufrieden- aber nun einmal nicht sauber (sauber/ nicht sauber kann man messen, und für nicht sauber will man nicht bezahlen).
Ich habe den Eindruck, dass heute viele Menschen glauben, alles sei quantifizierbar und in Zahlen zu packen. Wie viel kostet ein gutes Gespräch? Wie lange ist es im Durchschnitt?
Und- während es für eine andere Profession völlig normal ist, Beziehungsarbeit zu leisten (Psychologie) und sie sich die Sprechleistung dicke bezahlen lässt; mangelt es vielen Pflegekräften an dem Selbstbewusstsein, zu Kenntnis zu nehmen, dass Pflege eben nicht nur aus Körperpflege besteht. Warum das so ist, wäre eine schönes Thema für die Pflegeforschung...
 

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