Was meinst Du denn, was Verdi machen kann, wenn die Pflege dort schwach vertreten ist? Ja, wenn die Mitgliederzahlen aus dem Pflegebereich anstiegen, dann...
Das Mindeste wäre, so ehrlich zu sein, dass mit verdi allein die Pflege zu schwach ist und eine Verstärkung durch eine Kammer, wie es uns die Ärzte vormachen, sehr sinnvoll wäre.
Wie will verdi denn mit einem reinen Inflationsausgleich mehr Mitglieder werben?
Wie will verdi denn mit einem wachsenden Abstand zwischen Profiteuren und Geringverdienern überzeugen?
Wie will verdi denn mit seiner dünnen Mitgliederstruktur in der Pflege überhaupt irgendetwas erreichen?
Hätten die nicht lieber auf einen Tarifvertrag verzichten sollen? Hätte es in der Diakonie in Niedersachsen durch den Marburger Bund nicht trotzdem einen Ausstieg aus dem Dritten Weg gegeben? Wäre es nicht ein besseres Signal gewesen, für potentielle Mitglieder als die bessere Alternative gegenüber dem Dritten Weg dazustehen, als zu zeigen, dass man es auch nicht besser kann? Hätte verdi die Ungleichheit nicht medienwirksam anprangern können und damit Mitgliederwerbung betreiben können.
Wovor hat verdi denn Angst. Der Fachkräftemangel spielt ihnen doch geradezu in die Hände.
Mir ist schon klar, dass verdi erst einmal einfach nur den Fuß in der Tür der kirchlichen Träger haben will. Das finde ich im Grundsatz auch richtig! Aber dieser Inflationsausgleich ist eindeutig zu wenig, um sich als alleiniger Kämpfer für Pflegeinteressen zu präsentieren. Gegenüber dem Marburger Bund offenbart verdi hier doch nur ein Schattendasein. Eine Gewerkschaft, die fatalistisch ökonomische Argumente gegen die Arbeitnehmerschaft hinnimmt, ist keinen Deut besser, als der Dritte Weg. Die MAV-Vertreter haben vielerorts deutlich mehr Widerstand aufgebracht.
Wenn die Ärzte mehr Geld aushandeln, steht die Gesundheitsversorgung und ganz selbstverständlich der Anspruch der Ärzte auf "auskömmliche" Bezahlung im Vordergrund - "Leistung muss sich lohnen". Verdi hingegen gibt den ökonomischen Begründungen der AG einfach nach.
Wo ist der öffentliche Aufschrei, dass die mangelnde pflegerische Versorgung die größte Bedrohung für die geringverdienende alternde Bevölkerung ist? Wo bleibt der Aufschrei, dass die Pflegenden für ihre eigene Zukunft als irgendwann selbst Pflegebedürftige keine Reserverven aufbauen können? Die werden nämlich in Zukunft die Mieten in den Häusern bezahlen müssen, die Ärzte von ihrem auskömmlich bezahlten Geld bauen.
Verdi sollte nicht so sehr mit dem bpa kuscheln, sondern lieber Solidarität mit der Pflege zeigen und den Einfluss der Pflege mittels Pflegekammer unterstützen. Die Pflegekammer hat das Potential, über Fortbildungspflichten mehr berufliches Bewusstsein in der Breite zu fördern und damit auch das berufspolitische Bewusstsein. Eine Pflegekammer ist auch eine Lobby nach innen, ohne die wir unseren Organisationsgrad niemals verbessern werden.
Wenn wir aber warten, bis der Anteil der gering Qualifizierten und schlecht Bezahlten eine kritische Masse übersteigt - denn das ist der Plan der Regierung, der Kostenträger und AG-Verbände -, ist der Zug abgefahren. Schlecht bezahlte Altenpflegehilfskräfte ohne längere berufliche Bildungswege werden sich auch für verdi kaum mobilisieren lassen.
Verdi kann sehr viel tun, um mehr Mitglieder zu mobilisieren. Pflegende sind grundsätzlich eher auf Harmonie und Solidarität bedacht. Aber verdi konzentriert sich lieber auf vermeintlich schwache Gegner in der Pflege selbst, um Pseudoerfolge einzufahren, anstatt sich mit der Pflege auf ganzer Breite zu solidarisieren, wie es fast alle Pflegeverbände tun. Hiermit sollte sich der FB 03 mal ernsthaft auseinandersetzen.
So wie jetzt, wird verdi seine Schwäche nur verwalten können, denn mehr Mitglieder bekommen sie auf diese Weise nicht.