Jammerdepression in der Pflege

Moin, moin!

Interessanter Tread, bin erst jetzt darauf gestossen...
Ein möglicher Faktor, der zum "jammern" beiträgt ist möglicherweise die schwammige Definition des Begriffs "Pflege" und der mangelnden gesetzlichen Verankerung der Pflegetätigkeiten. Es fehlt in Deutschland ein geregelter Katalog der pflegerischen Aufgaben. Hier in Frankreich ist per Gesetz genau geregelt, welche Aufgaben die Pflegehelfer übernehmen und was in den Bereich des dreijährig (in Frankreich 3 1/2 Jahre) ausgebildeten Personals gehört. Damit wird Pflege transparenter und lässt sich leichter in der Offentlichkeit abbilden. Dies ist hier ein wichtiger Faktor, der das berufliche Selbstbewusstsein der Pflegenden stärkt - ein zusätzlicher positiver Effekt ist, dass es hier keine leidige Diskussion zum Thema ärztliche Aufgaben gibt, da per Gesetz definiert ist, wer was tut.

Darum, wir müssen initiativ neue Verantwortungen einfordern, "das Ausmaß der intellektuellen Anregung beeinflußt uns" heißt es in dem Artikel; ganz klar - Überforderung ist nicht gut. Aber, das wir uns bewußt unterfordern kann nicht die Lösung sein, sondern ist der direkte Weg in die Jammerdepression.

Eine wichtige Aussage! Es muss allerdings hinterfragt werden, inwieweit dies für alle Pflegenden gefordert werden kann. Viele scheitern bereits fast an den Ausbildungsinhalten und schreien sicherlich nicht nach noch weiterer intellektueller Herausforderung. Dies führt mich zu einer weiteren These: Ich denke, ein Grund fûr das "jammern" in Deutschland ist die fast fehlende Differenzierung des fachlichen Niveaus. In der Pflege macht jeder alles, dabei wird übersehen, dass sich immer mehr Aufgaben herausbilden, die eine akademische Ausbildung verlangen. Daneben gibt es die grosse Spanne der Aufgaben, die von den mehrjährig ausgebildetem Personal übernommen werden können und schliesslich die Tätigkeiten, die von einjährig ausgebildeten durchgeführt werden. Abgesehen von den betriebswirtschaftlichen Vorteilen einer solchen Differenzierung und dem Ansteigen der Pflegequalität - da jeder mehr Zeit hat, sich auf seine eigenen Aufgaben zu konzentrieren, (Patienten müssen nicht mehr nachts um drei schnell "abgefeudelt" werden...) bin ich davon überzeugt, dass damit auch die Motivation steigt, da jeder den Platz im weiten Feld der Pflege finden kann, der ihm am meisten zusagt.

Desweiteren denke ich, dass ein Besinnen und stärken der originären Pflegeaufgaben sehr zur Motivation beitragen wird. Als originäre Pflegeaufgaben - das sind für mich Aufgaben, die in den Bereich der pflegerischen Vorbehaltsaufgaben fallen, bzw. vielleicht in Zukunft mal darunter fallen werden, verstehe ich die Pflegediagnostik, die Pflegetherapie und die Dokumentation. Leider sind das gerade die Bereiche, in denen wohl diue meisten Defizite liegen. Pflegediagnostik wird weitgehend missverstanden bzw. abgelehnt, da dies mit zusätzlicher Verantwortung verbunden ist - "was, Diagnostik, willst Du jetzt Arzt spielen?" Die Kunst der Krankenbeobachtung ist auf dem absteigenden Ast, vom differenzierten Einsatz geeigneter Assessmentinstrumente ganz zu schweigen. Unter Pflegetherapie verstehe ich die Anordnung pflegerischer Interventionen. Diese können dann je nach Schwierigkeitsniveau von Pflegekräften auf den unterschiedlichen Qualifikationsniveaus ausgeführt. Damit wäre auch ein wichtiges Merkmal eine Profession erfüllt - jedenfalls wenn man gängigen Definitionen dieses Begriffs folgt - nämlich das Anordnen und Delegieren bestimmter Tätigkeiten auf nachgeordneter Qualifikationsniveaus. Auch hier sehe ich ein gewaltigen Schulungsbedarf. Ich erwähne hier nur mal die Pneumonieprophylaxe: Wie oft wird immer noch das Einreiben mit diversen Gels als Prophylaxe betrachtet? Es gibt hier eine riesige Spanne denkbarer Interventionen, die nicht oder nur unzureichend bekannt sind und wenn sie überhaupt eingesetzt werden, lassen sich Pflegende dies vorher vom Arzt anordnen...
Ich denke, da muss sich noch einiges ändern.


Elisabeth, Du hast, wenn ich alles richtig verstanden habe, geschrieben das Du Spezialistin für Grundpflege bist. Oder Dich so verstehst. Und ich habe den Eindruck, Du bist in dem Bereich sehr engagiert und beliest Dich und bildest Dich fort.

Zum Thema Grundpflege und Waschen habe ich eine Frage: Mir ist nicht klar, warum das Waschen oft als eine so qualifizierte Aufgabe angesehen wird? Also, ich spreche hier nicht von therapeutischen Ansätzen im Rahmen eine basalen Stimulation beispielsweise. In welchen Bereichen lässt sich ein Unterschied zwischen dem Waschen durchgeführt von einer Krankenschwester und einem angelernten Zivi messen? Solche Qualitätsunterschiede muss es ja geben, sonst wäre es meine Ansicht nach nicht gerechtfertigt, eine Krankenschwester dafür einzusetzten.Gibt es im Erleben des Patienten einen Unterschied, ob er von einer Krankenschwester oder einem Zivi gewaschen wurde? Leider gibt es zu dieser Fragen keine pflegewissenschaftlichen Studien, eine erste Suche bei Medline brachte zumindest keine Ergebnisse, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass dies ein im wesentlichen auf Deutschland reduzieretes Problem ist.
Es geht mir auch nicht darum, das Waschen als Anlass zu nehmen, gewisse Prohylaxen durchzuführen, oder den Hautzustand zu beobachten, denn was ist effektiver, eine Reihe von Prophylaxen in einer 30 minütigen Ganzkörperwaschung unterzubringen, oder diese 30 Minuten komplett für Prophylaxen zur Verfügung zu haben?
Aber ich schweife vom Thema ab...

Gruss Hartwig
 
Eine Frage: was sind für euch intellektuelle Aufgaben, die diplomiertes Pflegepersonal zusätzlich zu ihrem pflegerischen Tätigkeiten übernehmen sollen :gruebel:?

Gruß,
Lin
 
Ich bin sicher kein Experte für "persilreine" Waschorgien. *g* Unter Experte für Grundpflege verstehe ich was anderes. *fg*

Elisabeth
 
Desweiteren denke ich, dass ein Besinnen und stärken der originären Pflegeaufgaben sehr zur Motivation beitragen wird. Als originäre Pflegeaufgaben - das sind für mich Aufgaben, die in den Bereich der pflegerischen Vorbehaltsaufgaben fallen, bzw. vielleicht in Zukunft mal darunter fallen werden, verstehe ich die Pflegediagnostik, die Pflegetherapie und die Dokumentation. Leider sind das gerade die Bereiche, in denen wohl diue meisten Defizite liegen. Pflegediagnostik wird weitgehend missverstanden bzw. abgelehnt, da dies mit zusätzlicher Verantwortung verbunden ist - "was, Diagnostik, willst Du jetzt Arzt spielen?" Die Kunst der Krankenbeobachtung ist auf dem absteigenden Ast, vom differenzierten Einsatz geeigneter Assessmentinstrumente ganz zu schweigen. Unter Pflegetherapie verstehe ich die Anordnung pflegerischer Interventionen. Diese können dann je nach Schwierigkeitsniveau von Pflegekräften auf den unterschiedlichen Qualifikationsniveaus ausgeführt. Damit wäre auch ein wichtiges Merkmal eine Profession erfüllt - jedenfalls wenn man gängigen Definitionen dieses Begriffs folgt - nämlich das Anordnen und Delegieren bestimmter Tätigkeiten auf nachgeordneter Qualifikationsniveaus. Auch hier sehe ich ein gewaltigen Schulungsbedarf. Ich erwähne hier nur mal die Pneumonieprophylaxe: Wie oft wird immer noch das Einreiben mit diversen Gels als Prophylaxe betrachtet? Es gibt hier eine riesige Spanne denkbarer Interventionen, die nicht oder nur unzureichend bekannt sind und wenn sie überhaupt eingesetzt werden, lassen sich Pflegende dies vorher vom Arzt anordnen...
Ich denke, da muss sich noch einiges ändern.

Hallo Hartwig,
dass, was Du hier beschreibst, kommt ursprünglich aus den Staaten und läuft hier unter "primärer Pflege" (zumindest Ansatzweise).
In den Staaten wird nach Deinem Konzept gearbeitet, nur ist das Personal entsprechend geschult, nicht umsonst wird unser Examen dort nicht anerkannt.
Wie kann man "minderwertige Aufgaben", die ich allerdings so nicht sehe, denn Pflege gehört zu meinem Beruf, weiterreichen wenn man "nur" zwei KPH`s (soll keine Herabsetzung sein), keine Zivis, FSJ`ler oder Praktikanten auf Station hat.

Auch in unseren Krankenhäusern ist Dokumentationspflicht!
Es werden Pflegeanamnesen erhoben, wir haben 3 Bögen für Ziele usw auszufüllen, der Schreibkram nimmt einfach überhand.
Merkwürdigerweise gibt es dafür Personal, dass unsere Dokumentationen prüft, kontrolliert.
Primäre Pflege wird meines Wissens in allen Krankenhäusern durchgeführt, nur eben in anderer Form.
Ebenso ist uns bekannt, dass eine Pneumonieprophylaxe nicht mit Gels und Salben durchgeführt wird. Auch wir entwickeln uns weiter:)!
Viele Grüße
Sanne
 
@ Elisabeth

Richtig, Du bist hochqualifiziert und darum muß es uns gelingen das einfache "Waschen" von der Basalen Stimmulation und anderen Maßnahmen zu trennen. Erst dann bekommt es den Stellenwert den es verdient.

@Lin

Es geht (mir) primär nicht um zusätzliche intellektuelle Anforderungen. Sondern darum, ob die vorhandenen ausreichend sind. Junge engagierte KollegInnen können nur so im Beruf gehalten werden, und wir brauchen sie unbedingt.

@Hartwig

Wir brauchen die Pflegewissenschaft, um ein konkretes Berufsbild Pflege hier in Deutschland zu erarbeiten. Leider sind es in der Regel (bisher) die jüngeren KollegInnen die in ein Studium gehen. Ohne wirkliche praktische Erfahrung. Für die Stationen sind sie verloren, aus dem Studium heraus zu theoretisch.

@sanne

Es gibt keine minderwertigen Aufgaben, aber es muß nicht für jede Aufgabe eine examinierte Kraft sein.

Wer kontrolliert eure Dokumentation: Ärzte? Codierungsassistenten? Verwaltung?
 
@opnetz:
Ich meinte im speziellen nicht deinen Beitrag, sondern frage mich, wenn soviele vom Pflegepersonal nach intellektuelleren Herausforderungen zusätzlich zur Pflege schreit, was sie genau möchten?
Operieren?
Es werden von ärztlicher Seite nur Tätigkeiten auf die Pflege abgeschoben, für die sie sich zu intellektuell halten.

Ich denke auch, dass eine bessere Ausbildung bzw. Weiterbildungen in der Pflege notwenig ist und die Entscheidungsgewalt über pflegerische Tätigkeiten vergrößert werden soll. Ich muss beschämend zugeben, bei uns werden noch immer Öle für die Pneumonieprophylaxe verwendet. Dabei kann man sich den Mund fusslig reden (immerhin habe ich es schon geschafft, die Inhalation als Prophylaxe abzuschaffen). Was mich dabei auch stört, dass von ärztlicher Seite eben genau diese Anordnungen kommen: "Nach so einer großen OP müsst ihr ihn schon inhalieren lassen bzw. eine ASE machen."

Das lustige daran ist, dass die Pflege immer über die mangelnde Zeit jammert, wenn man aber sagt, Einreibungen bringen nichts, wird gejammert, weil man dann "nichts" mehr am Patienten macht.

Zurück zur Übernahme ärztlicher Tätigkeiten, möchte ich noch etwas erzählen: Vor ein paar Tagen kam unsere Bereichsleitung mit einem Zettel auf die Station, auf dem wir nächste Woche eintragen sollen, wieviele Infusionen die Turnusärzte täglich anhängen, wieviele Blutabnahmen, EKGs, Zuweisungen, usw. sie machen. Auf die Frage wofür wir das machen sollten, erhielten wir die Antwort, dass es wahrscheinlich das Pflegepersonal übernehmen muss.
Ich muss dazu vielleicht kurz die österreichische Ausbildung der Ärzte erklären. Wir haben auf Station ca. 4 - 5 Turnusärzte. Diese haben schon den Doktortitel, müssen aber noch 3 Jahre auf diverse Stationen Praktikum machen. Diese sind für genau diese Tätigkeiten da bzw. halten sie bei OPs die Hacken, statuieren die Erstaufnahmen und dürfen Bedarfsmedikamente verordnen.
Jetzt frage ich mich ehrlich, für was dann noch Turnusärzte möglich sind und wann wir diese Tätigkeiten noch machen sollen. Unser Tagesablauf ist sehr straff, 5 min setzen - außer natürlich der gesetzlich vorgeschriebenen Pausen - ist nicht drin. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass wir 4 -5 zusätzliches diplomiertes Personal für diese Tätigkeiten bekommen. Es ist auch unmöglich Tätigkeiten abzugeben, da meistens nur ein Pflegehelfer im Dienst ist und wir auch nicht immer Schüler (meist nur einer) oder Praktikannten da haben.

Und ich weiß, hier hilft alles Jammern nicht, die Turnusärzte haben sich beim ärztlichen Vorstand beschwert, da sie diese Tätigkeiten nicht mehr machen möchten und der Vorstand hat dies beschlossen. Das einzige was noch hilft, wird ein Streik sein und der wird kommen, da bin ich mir sicher. Eines weiß ich auch, wenn wir diese Tätigkeiten zusätzlich übernehmen müssen, arbeite ich nicht mehr länger in der Pflege.

Opnetz, du sagtest in einem Beitrag, gerade das junge Personal möchte zusätzliche Aufgaben, da sie sonst nichts hält - ich bin jung :mrgreen: und zusätzliche Aufgaben (die nichts, aber auch gar nichts mit Pflege zu tun haben) vertreiben mich aus meiner (bis jetzt gern gemachten) Arbeit.

Gruß,
Lin
 
Pflege besitzt 3 Tätigkeitsfelder:
– Primärtätigkeiten (Pflegeanamnese, Pflegeplanung, Pflegeevaluation,
Schulung, Beratung, Anleitung, Unterstützung)
– Sekundärtätigkeiten (Pflegemaßnahmen durchführen, Pflegedokumentation,...)
– Tertiärtätigkeiten (administrative Tätigkeiten, Logistik, Arztsekretariat,...)
http://www.conventus.de/nmtemp/media/641/graudenz.pdf Folie 23-26

Pflegekräfte tummeln sich liebendgerne im Sekundär- und Tertiärbereich. Primärtätigkeiten werden fast konsequent abgelehnt. Woran liegts?
These: mangelnde Kompetenz, zu wenig Fachwissen, Angst vor der Verantwortung

Elisabeth
 
@Elisabeth:
Was zu deinem Argumenten hinzukommt, ist sicher auch der Zeitfaktor.
Wenn ich von unserer Station ausgehe:
42 Pat. (ohne Notbetten, da kommen sonst schon mal 10 Pat. dazu)
x 5 min. (habe ich mal als Durschnittszeit genommen, ich glaube 5 min sind sicher nicht übertrieben für eine ordentliche Pflegeplannung + Evaluierung)
= 210 min
/ 4 diplomierte Schwestern/Pflegern
= 52,5 min.
Und wir haben keine Stunde zusätzliche Zeit pro Schwester. Das Problem ist, dass du diese Zeit in der Personalberechnung nicht einberechnet wird. Wir erstellen zwar Pflegeplanung und evaluieren diese, aber das geschieht zwischendurch und halbherzig. Es ist frustierend selbst zuwenig Zeit dafür zu haben und auf der anderen Seite sitzt aber massenweise Personal, die die Doku überprüft. Irgendwie halte ich das für Verar***ung.

Zweitens frage ich mich teilweise nach der Sinnhaftigkeit. Dokumentation schön und gut, aber muss man wirklich bei jeder Tagesaufnahme, die nicht mal ein Bett bekommt eine Anamnese machen??? Da kann ich gleich das Entlassungsgepräch mitmachen und der Pat. und ich kommen uns veräppelt vor.
Wir wurden zwar in der Erstellung der Pflegeplanung und Evaluierung (ausreichend?) geschult, aber das Warum wurde überhaupt nicht erklärt. Es war eher eine "schnell, schnell" Schulung, so auf die Art: das ist jetzt neu, das müsst ihr jetzt machen, damit wir sagen können, wir machen das auch (so ist es mir zumindest vorgekommen).

Zu den Beratungsgesprächen kann ich auch aus Erfahrung sagen: wir haben z.B. viele Kontinenzberatungsgespräche in der Woche, aber auch in dieser Zeit (dauert ungefähr 20 - 30 min/Pat.) und auch in dieser Zeit fehlt die Schwester/der Pfleger der das Gespräch führt, weil er eben nicht schnell zur Glocke gehen kann (ist natürlich verständlich). Gottseidank führt eine länger dauernde Schulung (z.B. Stomaversorgung) eine Pflegeexpertin durch.

Ich sage ehrlich, dass ich liebend gerne den primären Bereich kompetent und ausreichend erledigen möchte. Aber es fehlt einfach die Zeit und das Personal. Irgendwo muss dann auch an der Arbeit gekürzt werden, und bevor ich die Zeit bei den Pat. kürze, mache ich lieber das nicht so ausführlich. Und ich möchte damit nicht jammern (ich weiß, es ist fast überall so)und Jammerei hilft uns dabei auch nicht, aber es ist Tatsache.

Gruß, eine auf diesem Gebiet sehr frustrierte
Lin
 
Fassen wir zusammen: wir können keine Primäraufgaben übernehmen, weil wir zuviel mit Sekundär- und Tertiäraufgaben beschäftigt sind.

Übertragen wir das mal auf den Arzt: ihm fehlt die Zeit für seine Primäraufgabe. Was macht er? Er delegiert seine Sekundär- und Tertiäraufgaben an ??? *grübel* an eine Berufsgruppe, die sich eh schon wohl fühlt mit Sekundär- und Tertiäraufgaben. Und ein großer Teil dieser Berufsgruppe fühlt sich dann auch noch *gebauchpinselt*.

Wer hierin seine Erfüllung sieht- nur zu. Ich gebe zu bedenken, dass bereits eine weitere (billigere) Berufsgruppe ins KH drängt: Arzthelferinnen. Die sind topausgebildet für diese ärztlichen Sekundär- und Tertiäraufgaben.

Elisabeth
 
Pflegekräfte tummeln sich liebendgerne im Sekundär- und Tertiärbereich. Primärtätigkeiten werden fast konsequent abgelehnt. Woran liegts?
These: mangelnde Kompetenz, zu wenig Fachwissen, Angst vor der Verantwortung

Elisabeth

Diese These kann ich nur unterstützen! Zum Thema "Pflegeanamnese": In dem Krankenhaus, in dem ich meine Ausbildung machte (also, als ich noch in Deutschland war), war die Anamnese zwar Pficht, wurde aber nur selten von examinierten Kräften übernommen. Die in der Anamnese zu erfassenden Parameter war oft unzureichend und konnten nur bedingt für eine Planung verwendet werden, und das erschreckenste: Die gewonnenen Informationen haben niemanden interessiert!!! Das einzige, was noch von Bedeutung war, war die Information, ob es denn Allergien gibt oder nicht. Einmal kann eine Qualitätssicherung auf die Stationen und überall brach die Panik aus und es wurden noch schnell die Anamesebögen ausgefüllt - natürlich ohne Patientengespräch - viele Angaben wurden einfach erfunden...
Ein professionelles Assessment gab es - bie auf die berümten wenigen Ausnahmen kaum. Die einzige Risikoskala, die bekannt war, war die auf den Stationen übliche Dekubitusskala. Während meines Examen benutzte ich eine Mini Mental Skala und eine Pneumonieskala. Auf den zwei Stationen, auf denen ich dann noch gearbeitet habe gab es keine einzige Schwester, die diese Skalen kannte!

Zum Thema der sogenannten ärztlichen Tätigkeiten: Das ist ein sehr schwammiger Begriff... Was macht die Anlage eines DK zu einer pflegerischen Tätigkeit im Gegensatz zu einer Blutentnahme?
Ich denke, Pflege muss selbstbewusst fragen, welche ürspünglichen ärztlichen Tätigkeiten könnten eventuell für die Pflege sinnvoll sein. Die ergibt einen völlig anderen Blickwinkel. Die übernahme eine ärztlichen Tätigkeit kann durchaus sinnvoll sein, wenn sie in einen pflegerischen Kontext gebracht wird und ihre Existensberechtigung nicht nur daraus resultiert, den Ärzten eine oft unbeliebte Arbeit abzunehmen. Unter diesem Blickwinkel - so wird dies beispielsweise in Frankreich betrachtet - macht die Anlage eines venösen Zugangs durch das Pflegepersonal Sinn um z.B. in Falle einer Schmerztherapie unnötige Wartezeiten zu vermeiden, damit ist dem Patient geholfen. Ein zweites Beipiel wäre das Auskultieren der Lungen. Ein Mittel der Krankenbeobchtung, das in vielen Ländern einen sinnvollen und berechtigten Platz in der Pflege hat und darüber hinaus noch ein pflegerische Massnahme im Rahmen der NANDA Pflegediagnose "Gefahr einer Pneumonie" als Mittel zur Evaluation der pflegerischen Intervention gefordert wird!

@ opnetz

Ja, wir brauchen unbedingt mehr klinische Pflegeforschung! Ein Schwerpunkt sehe ich insbesondere im Bereich der Beratung. Es gibt fûr den deutschprachigen Raum kaum Studien, die die Effizienz der Pflegerischen Beratung durch randominisierte, experimentelle Studien belegen. Ohne eine solche wissenschaftliche Untermauerung wird es aber schwerfallen, Ärzte und Krankenkassen davon zu überzeugen, dass Pflegepersonal geeignet ist, die Aufgabe zu übernehme!

Gruss Hartwig
 
@Lin
Es freut mich, dass Du eigentlich in dem Beruf bleiben möchtest. Wie Du feststellst verändert sich der Beruf. Dieses ist die Chance für uns Felder zu besetzen, die wir nicht inne haben. Dadurch haben wir die Möglichkeit mit zuentscheiden und Zeitmanagement in unserem (Patientenorientierten) Sinn einführen zu können.

@Elisabeth

Arzthelferinnen, die Du erwähnst sind von den Ärzten vorgesehen nun wirklich die ungeliebten Arbeiten machen sollen. Mit einer unglaublichen Verantwortung. Wenn sich das etabliert verlieren wir jeden Einfluß, egal ob primär,sekundär oder tertiär

Lest mal diesen Link und schreibt eure Meinung dazu
Gefäßassistentin
 
Arzthelferinnen, die Du erwähnst sind von den Ärzten vorgesehen nun wirklich die ungeliebten Arbeiten machen sollen. Mit einer unglaublichen Verantwortung. Wenn sich das etabliert verlieren wir jeden Einfluß, egal ob primär,sekundär oder tertiär

Genau. In deinem Artikel ist dies bereits ablesbar.

Voraussetzungen: Examen/anerkannter Abschluss als Krankenschwester, Arzthelferin, OTA, MTA u.a. med. Berufe
Praktische ganztägige Tätigkeit in stationärer gefäßchirurgischer Einrichtung über 3 Jahre (intern)
anrechenbar sind ganztägige Tätigkeiten in gefäßchirurgischer Praxis als Arzthelferin für 1 Jahr oder in angiologischer Einrichtung für 1 Jahr oder als Op-Schwester für 1 Jahr

Elisabeth
 
Fassen wir zusammen: wir können keine Primäraufgaben übernehmen, weil wir zuviel mit Sekundär- und Tertiäraufgaben beschäftigt sind.

Übertragen wir das mal auf den Arzt: ihm fehlt die Zeit für seine Primäraufgabe. Was macht er? Er delegiert seine Sekundär- und Tertiäraufgaben an ??? *grübel* an eine Berufsgruppe, die sich eh schon wohl fühlt mit Sekundär- und Tertiäraufgaben. Und ein großer Teil dieser Berufsgruppe fühlt sich dann auch noch *gebauchpinselt*.

Wer hierin seine Erfüllung sieht- nur zu. Ich gebe zu bedenken, dass bereits eine weitere (billigere) Berufsgruppe ins KH drängt: Arzthelferinnen. Die sind topausgebildet für diese ärztlichen Sekundär- und Tertiäraufgaben.

Elisabeth

Falls du meinen Beitrag damit meintest, hast du es missverstanden.Ich will auf keinen Fall irgendeine ärztliche Aufgabe übernehmen, da es schon an Zeit und Personal für die pflegerischen Tätigkeiten mangelt und mir bei weitem eine optimale Pflegeplanung lieber wäre als "sinnloses" Blutabzapfen.

Was machen Arzthelferinnen in einem KH? Ich kenne das nur im Zusammenhang mit einer Ordi eines Arztes. Im KH (zumindest in Ö) habe ich noch nie davon gehört :gruebel:.

@hartwig:
Ihr kompensiert die Organisationsverschulden von Ärzten? Macht ihr das bei anderen Berufsgruppen auch?
Oder anders gefragt: Hilft ein Arzt einem Pat. bei der Körperpflege, weil er sowieso gerade im Zimmer ist und damit der Pat. nicht so lange auf die Schwester warten muss (im Sinne einer besseren Pat.orientierung) oder holt er ihm ein Glas Tee, weil er beim Statuieren gesehen hat, dass der Pat. nichts mehr zu trinken hat und sonst sich Schwester bemühen muss?

Gruß,
Lin
 
Falls du meinen Beitrag damit meintest, hast du es missverstanden.Ich will auf keinen Fall irgendeine ärztliche Aufgabe übernehmen, da es schon an Zeit und Personal für die pflegerischen Tätigkeiten mangelt und mir bei weitem eine optimale Pflegeplanung lieber wäre als "sinnloses" Blutabzapfen.

Du hast mich genau richtig verstanden. Wir haben eh schon keine Zeit für unsere Primärtätigkeiten und sollen zusätzlich noch die Sekundär- und Tertiärtätigkeiten der Ärzte übernehmen- da stimmt doch was nicht.
Selbst wenn wir unsere eigenen Sekundär- und Tertiärtätigkeiten abgeben werden wir nie eigenständig arbeiten- werden stets nur für andere Berufsgruppen tätig werden.

Elisabeth
 
Hallo,
da haben wir ja richtig Glück!
Für die Tertiärtätigkeiten haben wir unsere Stationssekretärin, die vor langer Zeit mal im Labor tätig war. Sie darf aber nur eingeschränkte Tätigkeiten durchführen, da sie ein "Problem" hat.
Primär, sowie Sekundärtätigkeiten obliegen uns.
Auch wenn das Thema nicht gerade hierher gehört, so habe ich meinen Kollegen von diesem Thread berichtet, über das Thema Arzt- Pflegetätigkeiten. Die Diskussion über Blutabnahmen und Verbandswechsel, was ja wir, als Pflegekräfte so nebenbei machen. Eigentlich haben wir selten darüber nachgedacht, dass es "Arzttätigkeiten" sind.
Ich kenne es auch von anderen Stationen nicht anders.
Wenn wir keine Zeit haben Blut abzunehmen, geben wir es mündlich an die Ärzte weiter und dann wird es anstandslos von ihnen übernommen.
Zum Thema Wundversorgung kann ich nur sagen, dass wir ALLE darin geschult wurden in Form von Fortbildungen.
Dokumentation wurde auch in Form einer Fortbildung mit uns durchgeführt.
Die Dokumentation nehmen wir sehr ernst, schon alleine um uns abzusichern. Vor Jahren klagte ein ehemaliger Patient gegen unsere Station, um Schmerzensgeld einzufordern. Anhand unserer Dokumentation konnte nachgewiesen werden, dass der Patient im Unrecht war und nur versuchte, Geld herauszuschinden. Klage abgewiesen!
Bei uns werden Fortbildungen ganz groß geschrieben.
Auch unsere Ärzte führen manchmal kleine, interne Fortbildungen mit uns durch.
Was ich eigentlich damit ausdrücken wollte!
Ich benötige tatsächlich keine dreijährige Ausbildung, nur für pflegerische Tätigkeiten. Aber dafür müsste definitiv mehr Personal eingestellt werden, egal welche Qualifikationen sie vorweisen können, wenn es rein um die Pflege geht.
So, nun bin ich schon wieder vom eigentlichen Thema abgewichen:cry:.
Viele Grüße
Sanne
 
Tätigkeitsmerkmale
Praktische Durchführung nicht-invasiver Untersuchungsverfahren unter vorläufiger Wertung der Ergebnisse
Organisation von Gefäßsprechstunde und Gefäßstation
Erhebung einer Basisanamnese und eines Basisbefundes einschl. vorläufiger Symptomenzuordnung und Stadieneinteilung
Kodierung von Erkrankungen und gefäßchirurgischen Eingriffen
Vorbereitende Information des Patienten (Stufenaufklärung)
Blutabnahme und Legen von Verweilkanülen
Wundmanagement nach ärztlicher Anordnung
Vorbereitung des Patienten im Operationssaal
Aktive Assistenz im Operationssaal
Assistenz bei Qualitätssicherungsmaßnahmen
Überwachung ärztlich eingeleiteter Therapien
Quelle: DGG - Deutsche Gesellschaft für vaskuläre und endovaskuläre Chirurgie
Dieses sind die Tätigkeiten einer fortgebildeten Arzthelferin, es sind ärztliche Tätigkeiten für die keine hohe Qualifikation notwendig ist schreibt die DGG

Dazu zählen z.B:

Spez. Tätigkeiten Venenentnahme und -präparation
Wunde und Wundheilung Hautschnitt (Spaltlinien, sensible Nerven)
Blutstillung-Koagulation-Drainage
Subkutannaht
Haut-, Klammernaht
Während wir hier die seit 30 Jahren dauernde Diskussion führen, ob BE´s und Verbände pflegerische Tätigkeiten sind oder nicht, werden woanders ganz andere Realitäten geschaffen.

Wer die Möglichkeit hat, sollte die Zeitschrift "Krankenhausumschau" von August 2008 lesen. Der Artikel -"Wasserdichte Delegation"- beschreibt, wie in Zukunft nicht nur einzelne Tätigkeiten von Pflege übernommen werden sollen, sondern das ganze Prozesse "optimiert" werden sollen.
Pflegefremde Aufgaben (hier genannt: Essenbestellung und -ausgabe) werden an (outgesourcte) Servicekräfte abgegeben.

Links innerhalb des Artikels z.B.

"Klick" Ärzte geben an Pflege - Pflege an KPH / Servicekräfte ab (Kaskadeneffekt)

"Klick" Die PDL´s legen Leitfaden zur Übernahmen ärztl. Tätigkeiten vor


Andere Artikel der Zeitschrift: "Personal in der Metamorphose" ; "Mix versus Volumen" ;
"Delegation ja oder nein" ; "Ein neuer Job im Krankenhaus"

Alle mit der klaren Aussage: Pflege muß abgeben (Essenausgabe/bestellung, Bettenbeziehen von Aufstehern, Waschen unproblematischer Patienten etc.)
Pflege muß übernehmen: Be´s , Verbände etc. etc. Organisationsverantwortung

Wie ihr, an dem Beispiel der Arzthelferinnen sehen könnt werden diese Aufgaben an uns vorbei verteilt, wenn wir nicht aufpassen!!!

Wenn wir uns gegen diese Entwicklung wehren, werden diese billigen Arzthelferinnen diese Schnittstellen übernehmen. Uns bleibt die Pflege. Darüber freuen sich im ersten Augenblick viele, aber wir werden zu keinem einzigen Prozess mehr gefragt.
Ein Akutkrankenhaus kann (entschuldige Elisabeth) ohne Basale Stimmulation auskommen heißt es plötzlich. "Wellnessbehandlung" heißt es plötzlich. Kann man alles in der Reha machen heißt es plötzlich. Da strampeln wir, haben aber alle wichtigen Schnittstellen abgegeben. Haben selbst eine zusätzliche Berufsgruppe als Puffer und Informationsverlustzone zwischen uns und die Ärzte gestellt. Können keinen Einfluß mehr nehmen.

Und die Gehälter? Guckt mal was die KPH heute verdienen, dort landen wir dann.

Pflege ist ein sich wandelnder Beruf.

Und wie heißt es:

"Wer sich nicht selbst bewegt - wird bewegt"
 
Hurra- wir geben unsere Sekundär- und Tertiäraufgaben ab ... aber nicht um unsere Primäraufgaben erfüllen zu können. Nein, wir wollen lieber die Sekundär- und Tertiäraufgaben der Ärzte erfüllen... auch wenn diese von anderen billigeren Berufsgruppen erfüllt werden können.

Na dann- Gute Nacht Pflege.

Elisabeth
 
heute hat mir mal wieder ein Arzt gesagt.
Arzt: "Wieso muss ich einen kleinen Einlauf verordnen, ich dachte Pflege ist eine eigene Säule und trägt Verantwortung?"
Ich: "Ja sie müssen dies verordnen."
Arzt: "Alles muss ich verordnen, letztendlich sind sie in der Pflege auch nur teuer bezahlte Putzfrauen."
Ich: "Vielen Dank für diese professionelle Begutachtung. Sie können es ja mal einen Tag ohne uns ausprobieren. Wann passt es Ihnen?"

Arzt ging kommentarlos.
 
Zu den Arzthelferinnen: Wenn sie schlau sind und sich entsprechend fortbilden, können sie sogar anfangen, selbst über ihr Gehalt zu verhandeln. Dann verdienen sie sogar vielleicht irgendwann besser als wir.

Ich weiß gar nicht, ob man dem Blutabnehmen so einen hohen Stellenwert geben muss. Ich finde es gut, wenn man es kann und in Ordnung, es zu machen, wenn es in den Stationsablauf passt. Dort, wo genug Assistenzärzte und PJler herumlaufen, muss es ja nicht wirklich von der Pflege gemacht werden.
Das hindert die Pflege doch nicht daran, sich in ihren originären Aufgaben weiterzuentwickeln, wenn sie es denn wollte.

Verbände - auch so ein Ding. Es gibt Stationen, wo sie alltäglich sind, andere haben sehr wenig damit zu tun.

Im Prinzip bräuchte jede Station ein eigenes Pflegekonzept, so ähnlich wie eine kleine Firma.
 
@hartwig:
Ihr kompensiert die Organisationsverschulden von Ärzten? Macht ihr das bei anderen Berufsgruppen auch?
Oder anders gefragt: Hilft ein Arzt einem Pat. bei der Körperpflege, weil er sowieso gerade im Zimmer ist und damit der Pat. nicht so lange auf die Schwester warten muss (im Sinne einer besseren Pat.orientierung) oder holt er ihm ein Glas Tee, weil er beim Statuieren gesehen hat, dass der Pat. nichts mehr zu trinken hat und sonst sich Schwester bemühen muss?

Gruß,
Lin

Eine solche Sichtweise mag den Verhältnissen in Deutschland entsprechen ist aber auf andere Länder nicht übertragbar. Hier in Frankreich hat jeder Berufsgruppe ihre klar umrissenen Aufgaben, es ist gesetzlich festgelegt wer was macht: Die Ärzte übernehmen nicht die Aufgaben der Stationssekretärin, Pflege nimmt den Ärzten nicht die Arbeit weg usw.
Das Gesetz schreibt bei uns vor, was Pflege zu tun hat und wo insbesondere die Unterschiede zwischen den Pflegehelfern und den Krankenschwestern ist. Aufgaben wie z.B. Blutabnahmen, Legen venöser Zugänge, Gaben von Blutprodukten inkl Bedside Test, Beratung, Verbandswechsel/Wundmanagement und arterielle Punktionen sind bei uns per Gesetz pflegerische Aufgaben. Die meisten Ärzte bei und können überhaupt gar kein Blut abnehmen, vom Legen eines Zugangs will ich mal gar nicht reden, wir können also hier überhaupt nicht von einer ärztlichen Tätigkeit sprechen. Wir kompensieren also kein Organisationsverschulden der Ärzte - was für ein schlimmer Ausdruck - da es überhaupt nicht deren Aufgabe ist...!!!

Die Diskussion um sogenannte "ärztliche" Tätigkeiten ist so typisch deutsch wie Weizenbier und Bratwurst :mrgreen:, irgendwann wir irgendjemand mal einer Dissertation zu dem Thema: "Die Angst der deutschen Krankenpflege vor der Blutabnahme" schreiben...:mrgreen:


Die oben zitierten Aussage:"Ihr kompensiert die Organisationsverschulden von Ärzten? Macht ihr das bei anderen Berufsgruppen auch?"
wird leider oft im Zusammenhang mit den sogenannten "ärztlichen" Tätigkeiten genannt. Diese Aussage ist allerdings sachlich falsch und darüberhinaus aus pflegewissenschaflticher Sicht sehr bedenktlich. Leider werden solche Aussagen oft unreflektiert übernommen.
Zur Begründung:

Die Aussage ist sachlich falsch da

1. sie impliziert, dass es um die Übernahme eine bestimmten Tätigkeit geht, da eine andere Berufsgruppe nicht die Zeit dafûr hat. Dies ist nicht der Grund für die Pflege, solche Aufgaben zu übernehmen!
Es wäre ein Armutszeugnis für die Pflege, wenn sie im mittelalterlicher Demut die Aufgaben einer anderen Berufsgruppe übernehme, nur weil die zeitlich überlastet ist! Eine selbstbewusste Pflege fragt vielmehr nach, welche Aufgaben sind für den Pflegeprozess sinnvoll?
Ein Beipiel: Wie viele Patienten konsultieren ihren Hausarzt nur deswegen weil sie beispielsweise eine Frage zu ihren Diabetes haben, sei es bezügliche der Medikamenteneinahme, der Erhährung oder der Lebensführung im allgemeinen. Ich bin der Ansicht, das Pflege diese ärztliche Beratungstätigkeit übernehmen sollte - nicht um den Hausarzt in seinem Arbeit zu entlasten, sondern, weil ich der Ansicht bin, dass diese Beratung sinnvoll in die Plfege integriert werden kann. Würde ich dagegen obiger Ansicht folgen, würde ich z.B. als ambulante Plfegekraft dies Aufgabe mit der Begündung: Warum soll ich den Hausarzt entlasten, der kommt ja auch nicht vorbei, um mit beim Lagern zu helfen! ablehnen. Ein slche Standpunkt erscheint mir daher im Sinne eine professionellen Entwicklung der Pflege nicht sinnvoll.
Mit der gleichen Begründung vertrete ich auch die Ansicht, dass das Legen venöser Zugänge oder auch das Auskultieren der Atemgeräusche den Pflegeprozess sinnvoll ergänzen da:
a) das Legen von Zugängen im Sinne von Schmerzmanagement oder der Regulations des Flüssigkeitshaushaltes seinen Platz in der Pflege hat. Die Begündung ist hier nicht, den Arzt in seinem Arbeit zu entlasten. Man bemerke hier die unterschiedlichen Stellenwerte der Pflege, je nach dem, welche Sichtweise man einnimmt!
b) das Auskultieren der Atemgeräusche ein Mittel der Krankenbeobachtung ist und im Rahmen der Pflegediagnostik einen grossen Nutzen hat. Ich folge hier insbesondere der Sichtweise der NANDA Kommission.

2) Die Aussage ist sachlich falsch, weil sie den Gedanken: "Ich übernehme eine von deinen Aufgaben, wenn du eine von meinen Aufgaben übernimmst" impliziert. Dies ist aus zwei Gründen nicht vertretbar.
a)Grundpflege -z.B. Prophylaxen und sogenannte "ärztliche" Tätigkeiten -z.B. die Blutabnahme haben nicht den gleichen Stellenwert. Prophylaktische Massnamen fallen nicht in den Tätigkeitskatalog des Arztes, noch hat er dies im Rahmen seiner Ausbildung gelernt. Darüberhinaus sind Prophylaxen keine einfache Handwerkliche Tätigkeit, die alleinen mit etwas Übung zu erlernen ist. Dies also auf eine Stufe mit einer einfachen Blutentnahme zu stellen ist nicht zulässig. Ich kann nicht einfach vom Arzt fordern, dies zu übernehmen, da es ihm aufgrund seiner Ausbildung nicht möglich ist, daher kann ich so einen Vergleich nicht nutzen.
b)Die Aussage geht von der Ansicht aus, das die Blutabnahme (um im Beispiel zu bleiben) mit der Grundplfege in dem Sinne vergleichbar sein, dass die Blutabnahme eine originäre ärztliche Tätigkeit sei, so wie die Grundpflege (Prophylaxen, um im Beispiel zu bleiben) eine originäre Pflegeausgaben sind. Diese Ansicht ist falsch, da die Blutabnahme in der Regel während der Ausbildung unterrichtet wird, damit also prinzipiell der Pflege zugeordnet werden kann, die Prophylaxen aber nicht im Rahmen des Medizinstudiums gelehrt werden, damit also nicht der Medizin zugeordnet werden darf. Ich kann also als Pflegekraft nicht den Standpunkt vertreten: Ich nehme Blut ab, wenn du Prophylaxen machst.

Die Aussage ist aus pflegewissenschaftlicher Sicht gefährlich, da sie zu einer Zergliederung der Pflege und zu einer Zerstörung von für die Pflege wichtigen Prozesse führt.
Die OP-Pflegekraft ist in der Gefahr von den OTA's abgelöst zu werden. Vergleichbares zeichnet sich für die Anästhesiepflegekräfte ab. Fûr die Endoskopie sind ähnlich Alternativen denkbar. Pflege verliert hier also schon an Einfluss. Bedenklicher ist hier aber meiner Ansicht nach noch das Pflegeprozesse (Beziehung, Beratung, Pflegediagnostik, Entlassungsmanagement usw.) zerstört werden, da an wichtigen Positionen nun nicht mehr Pflegekräfte sitzten sondern andere Berufsgruppen. Opnetz hat dies in ihren Beuträgen bereits angedeutet. Wenn Pflege weiterhin tatenlos zu sieht, werden Arzthelferinnen wichtige Positionen diese Prozesses besetzen und der Pflege wertvolle Möglichkeiten de Steuerung und Einflussnahme nehmen. Dies kann ich nicht unterstützen.

Nur am Rande:

Ich frage mich schon seit Jahren, warum eigentlich gerade die Blutabnahme so heftig disskutiert wird. Warum nicht z.B. das Legen eines DK, das ist doch auch eine sogenannte "ärztliche" Tätigkeit und darüberhinaus noch wesentliche anspruchvoller....?

@Lin: Was bedeutet das Wort "Statuieren"?

Gruss Hartwig
 

Ähnliche Themen