hartwig
Stammgast
- Registriert
- 02.04.2006
- Beiträge
- 338
- Beruf
- Krankenpfleger
- Akt. Einsatzbereich
- Dozent, Stationäre Pflege
Moin, moin!
Interessanter Tread, bin erst jetzt darauf gestossen...
Ein möglicher Faktor, der zum "jammern" beiträgt ist möglicherweise die schwammige Definition des Begriffs "Pflege" und der mangelnden gesetzlichen Verankerung der Pflegetätigkeiten. Es fehlt in Deutschland ein geregelter Katalog der pflegerischen Aufgaben. Hier in Frankreich ist per Gesetz genau geregelt, welche Aufgaben die Pflegehelfer übernehmen und was in den Bereich des dreijährig (in Frankreich 3 1/2 Jahre) ausgebildeten Personals gehört. Damit wird Pflege transparenter und lässt sich leichter in der Offentlichkeit abbilden. Dies ist hier ein wichtiger Faktor, der das berufliche Selbstbewusstsein der Pflegenden stärkt - ein zusätzlicher positiver Effekt ist, dass es hier keine leidige Diskussion zum Thema ärztliche Aufgaben gibt, da per Gesetz definiert ist, wer was tut.
Eine wichtige Aussage! Es muss allerdings hinterfragt werden, inwieweit dies für alle Pflegenden gefordert werden kann. Viele scheitern bereits fast an den Ausbildungsinhalten und schreien sicherlich nicht nach noch weiterer intellektueller Herausforderung. Dies führt mich zu einer weiteren These: Ich denke, ein Grund fûr das "jammern" in Deutschland ist die fast fehlende Differenzierung des fachlichen Niveaus. In der Pflege macht jeder alles, dabei wird übersehen, dass sich immer mehr Aufgaben herausbilden, die eine akademische Ausbildung verlangen. Daneben gibt es die grosse Spanne der Aufgaben, die von den mehrjährig ausgebildetem Personal übernommen werden können und schliesslich die Tätigkeiten, die von einjährig ausgebildeten durchgeführt werden. Abgesehen von den betriebswirtschaftlichen Vorteilen einer solchen Differenzierung und dem Ansteigen der Pflegequalität - da jeder mehr Zeit hat, sich auf seine eigenen Aufgaben zu konzentrieren, (Patienten müssen nicht mehr nachts um drei schnell "abgefeudelt" werden...) bin ich davon überzeugt, dass damit auch die Motivation steigt, da jeder den Platz im weiten Feld der Pflege finden kann, der ihm am meisten zusagt.
Desweiteren denke ich, dass ein Besinnen und stärken der originären Pflegeaufgaben sehr zur Motivation beitragen wird. Als originäre Pflegeaufgaben - das sind für mich Aufgaben, die in den Bereich der pflegerischen Vorbehaltsaufgaben fallen, bzw. vielleicht in Zukunft mal darunter fallen werden, verstehe ich die Pflegediagnostik, die Pflegetherapie und die Dokumentation. Leider sind das gerade die Bereiche, in denen wohl diue meisten Defizite liegen. Pflegediagnostik wird weitgehend missverstanden bzw. abgelehnt, da dies mit zusätzlicher Verantwortung verbunden ist - "was, Diagnostik, willst Du jetzt Arzt spielen?" Die Kunst der Krankenbeobachtung ist auf dem absteigenden Ast, vom differenzierten Einsatz geeigneter Assessmentinstrumente ganz zu schweigen. Unter Pflegetherapie verstehe ich die Anordnung pflegerischer Interventionen. Diese können dann je nach Schwierigkeitsniveau von Pflegekräften auf den unterschiedlichen Qualifikationsniveaus ausgeführt. Damit wäre auch ein wichtiges Merkmal eine Profession erfüllt - jedenfalls wenn man gängigen Definitionen dieses Begriffs folgt - nämlich das Anordnen und Delegieren bestimmter Tätigkeiten auf nachgeordneter Qualifikationsniveaus. Auch hier sehe ich ein gewaltigen Schulungsbedarf. Ich erwähne hier nur mal die Pneumonieprophylaxe: Wie oft wird immer noch das Einreiben mit diversen Gels als Prophylaxe betrachtet? Es gibt hier eine riesige Spanne denkbarer Interventionen, die nicht oder nur unzureichend bekannt sind und wenn sie überhaupt eingesetzt werden, lassen sich Pflegende dies vorher vom Arzt anordnen...
Ich denke, da muss sich noch einiges ändern.
Zum Thema Grundpflege und Waschen habe ich eine Frage: Mir ist nicht klar, warum das Waschen oft als eine so qualifizierte Aufgabe angesehen wird? Also, ich spreche hier nicht von therapeutischen Ansätzen im Rahmen eine basalen Stimulation beispielsweise. In welchen Bereichen lässt sich ein Unterschied zwischen dem Waschen durchgeführt von einer Krankenschwester und einem angelernten Zivi messen? Solche Qualitätsunterschiede muss es ja geben, sonst wäre es meine Ansicht nach nicht gerechtfertigt, eine Krankenschwester dafür einzusetzten.Gibt es im Erleben des Patienten einen Unterschied, ob er von einer Krankenschwester oder einem Zivi gewaschen wurde? Leider gibt es zu dieser Fragen keine pflegewissenschaftlichen Studien, eine erste Suche bei Medline brachte zumindest keine Ergebnisse, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass dies ein im wesentlichen auf Deutschland reduzieretes Problem ist.
Es geht mir auch nicht darum, das Waschen als Anlass zu nehmen, gewisse Prohylaxen durchzuführen, oder den Hautzustand zu beobachten, denn was ist effektiver, eine Reihe von Prophylaxen in einer 30 minütigen Ganzkörperwaschung unterzubringen, oder diese 30 Minuten komplett für Prophylaxen zur Verfügung zu haben?
Aber ich schweife vom Thema ab...
Gruss Hartwig
Interessanter Tread, bin erst jetzt darauf gestossen...
Ein möglicher Faktor, der zum "jammern" beiträgt ist möglicherweise die schwammige Definition des Begriffs "Pflege" und der mangelnden gesetzlichen Verankerung der Pflegetätigkeiten. Es fehlt in Deutschland ein geregelter Katalog der pflegerischen Aufgaben. Hier in Frankreich ist per Gesetz genau geregelt, welche Aufgaben die Pflegehelfer übernehmen und was in den Bereich des dreijährig (in Frankreich 3 1/2 Jahre) ausgebildeten Personals gehört. Damit wird Pflege transparenter und lässt sich leichter in der Offentlichkeit abbilden. Dies ist hier ein wichtiger Faktor, der das berufliche Selbstbewusstsein der Pflegenden stärkt - ein zusätzlicher positiver Effekt ist, dass es hier keine leidige Diskussion zum Thema ärztliche Aufgaben gibt, da per Gesetz definiert ist, wer was tut.
Darum, wir müssen initiativ neue Verantwortungen einfordern, "das Ausmaß der intellektuellen Anregung beeinflußt uns" heißt es in dem Artikel; ganz klar - Überforderung ist nicht gut. Aber, das wir uns bewußt unterfordern kann nicht die Lösung sein, sondern ist der direkte Weg in die Jammerdepression.
Eine wichtige Aussage! Es muss allerdings hinterfragt werden, inwieweit dies für alle Pflegenden gefordert werden kann. Viele scheitern bereits fast an den Ausbildungsinhalten und schreien sicherlich nicht nach noch weiterer intellektueller Herausforderung. Dies führt mich zu einer weiteren These: Ich denke, ein Grund fûr das "jammern" in Deutschland ist die fast fehlende Differenzierung des fachlichen Niveaus. In der Pflege macht jeder alles, dabei wird übersehen, dass sich immer mehr Aufgaben herausbilden, die eine akademische Ausbildung verlangen. Daneben gibt es die grosse Spanne der Aufgaben, die von den mehrjährig ausgebildetem Personal übernommen werden können und schliesslich die Tätigkeiten, die von einjährig ausgebildeten durchgeführt werden. Abgesehen von den betriebswirtschaftlichen Vorteilen einer solchen Differenzierung und dem Ansteigen der Pflegequalität - da jeder mehr Zeit hat, sich auf seine eigenen Aufgaben zu konzentrieren, (Patienten müssen nicht mehr nachts um drei schnell "abgefeudelt" werden...) bin ich davon überzeugt, dass damit auch die Motivation steigt, da jeder den Platz im weiten Feld der Pflege finden kann, der ihm am meisten zusagt.
Desweiteren denke ich, dass ein Besinnen und stärken der originären Pflegeaufgaben sehr zur Motivation beitragen wird. Als originäre Pflegeaufgaben - das sind für mich Aufgaben, die in den Bereich der pflegerischen Vorbehaltsaufgaben fallen, bzw. vielleicht in Zukunft mal darunter fallen werden, verstehe ich die Pflegediagnostik, die Pflegetherapie und die Dokumentation. Leider sind das gerade die Bereiche, in denen wohl diue meisten Defizite liegen. Pflegediagnostik wird weitgehend missverstanden bzw. abgelehnt, da dies mit zusätzlicher Verantwortung verbunden ist - "was, Diagnostik, willst Du jetzt Arzt spielen?" Die Kunst der Krankenbeobachtung ist auf dem absteigenden Ast, vom differenzierten Einsatz geeigneter Assessmentinstrumente ganz zu schweigen. Unter Pflegetherapie verstehe ich die Anordnung pflegerischer Interventionen. Diese können dann je nach Schwierigkeitsniveau von Pflegekräften auf den unterschiedlichen Qualifikationsniveaus ausgeführt. Damit wäre auch ein wichtiges Merkmal eine Profession erfüllt - jedenfalls wenn man gängigen Definitionen dieses Begriffs folgt - nämlich das Anordnen und Delegieren bestimmter Tätigkeiten auf nachgeordneter Qualifikationsniveaus. Auch hier sehe ich ein gewaltigen Schulungsbedarf. Ich erwähne hier nur mal die Pneumonieprophylaxe: Wie oft wird immer noch das Einreiben mit diversen Gels als Prophylaxe betrachtet? Es gibt hier eine riesige Spanne denkbarer Interventionen, die nicht oder nur unzureichend bekannt sind und wenn sie überhaupt eingesetzt werden, lassen sich Pflegende dies vorher vom Arzt anordnen...
Ich denke, da muss sich noch einiges ändern.
Elisabeth, Du hast, wenn ich alles richtig verstanden habe, geschrieben das Du Spezialistin für Grundpflege bist. Oder Dich so verstehst. Und ich habe den Eindruck, Du bist in dem Bereich sehr engagiert und beliest Dich und bildest Dich fort.
Zum Thema Grundpflege und Waschen habe ich eine Frage: Mir ist nicht klar, warum das Waschen oft als eine so qualifizierte Aufgabe angesehen wird? Also, ich spreche hier nicht von therapeutischen Ansätzen im Rahmen eine basalen Stimulation beispielsweise. In welchen Bereichen lässt sich ein Unterschied zwischen dem Waschen durchgeführt von einer Krankenschwester und einem angelernten Zivi messen? Solche Qualitätsunterschiede muss es ja geben, sonst wäre es meine Ansicht nach nicht gerechtfertigt, eine Krankenschwester dafür einzusetzten.Gibt es im Erleben des Patienten einen Unterschied, ob er von einer Krankenschwester oder einem Zivi gewaschen wurde? Leider gibt es zu dieser Fragen keine pflegewissenschaftlichen Studien, eine erste Suche bei Medline brachte zumindest keine Ergebnisse, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass dies ein im wesentlichen auf Deutschland reduzieretes Problem ist.
Es geht mir auch nicht darum, das Waschen als Anlass zu nehmen, gewisse Prohylaxen durchzuführen, oder den Hautzustand zu beobachten, denn was ist effektiver, eine Reihe von Prophylaxen in einer 30 minütigen Ganzkörperwaschung unterzubringen, oder diese 30 Minuten komplett für Prophylaxen zur Verfügung zu haben?
Aber ich schweife vom Thema ab...
Gruss Hartwig