Enzymatische Wundreinigung - wann ist sie indiziert?

narde2003

Board-Moderation
Teammitglied
Registriert
27.07.2005
Beiträge
13.382
Ort
München
Beruf
FGuKP I&I, Praxisanleiterin DKG,Wundassistent WaCert DGfW, Rettungsassistentin, Diätassistentin
Akt. Einsatzbereich
HOKO
Funktion
Leitung HOKO
Hallo liebe Wundexperten,

wann ist eine enzymatische Wundreinigung angesagt und wann nicht.

Die Experten scheinen sich selbst nicht ganz einig zu sein, zumindest meint Nr. 1 - nein, blos nicht, total daneben.
Nr. 2 - unbedingt, beste Erfolge...

Wie steht ihr dazu?

Sonnigste Grüsse
Narde
 
Also bei uns ist mittlerweise "Varidase" wieder hoch im Kurs,weil in der Phase,wo die enzymatische Behandlung verpönt war,sämtliche,auf dem Markt erhältliche Wundauflagen,Gazen usw. ausprobiert wurden und alles nicht an die Erfolge in der Wundheilung mit Enzymen heranreichte.
Genauso beim enzymatischen Debridement,z.B. bei Ulcus Cruris,wo ja mal Maden der letzte Schrei waren,welche aber von den Pat. meist abgelehnt wurden.
Ich selbst bin zwar kein "ICW-Wundexperte",aber auch ohne diesen Schmuck verfüge ich über jahrzehntelange Wunderfahrung und finde,daß "Varidase" und Co. immer noch am besten geeignet sind.
 
Geht es vielleicht etwas differenzierter?

Welche Vorteile hat das Debridment mit Varidase?

Varidase hat ja auch ihren Preis, wäre ein chirurgisches D. in dem Fall nicht effektiver und preiswerter.
 
Varidase wurde,als es raus kam,vom Haus angeschafft und es wurde bei Decubiti Stad. 3 und schlecht heilenden Ulcus Cruris verwendet.
Dann stellte sich heraus,daß Wundbeläge (z.B. Eiter) oder auch kleinere Nekrosen in Decubiti davon abgetragen wurden,also wurden bei kleineren Sachen Varidase eingesetzt,bei großflächigen Sachen kam natürlich das Chir. Debridement zum Tragen.

Nach unserem Trägerwechsel vor 5 Jahren war Varidase plötzlich zu teuer,die neue Obrigkeit orientierte sich am Geld,nicht an Behandlungserfolgen,welche ja auch die Liegezeit beeinflussten.
Somit wurde alles mögliche Andere versucht,Alginat, Silberbeschichtung usw. Die Chirurgen waren fast täglich auf den Stationen und die Patienten hatten viel zu leiden,nur die Wundheilung dauerte immer länger.

Jetzt hat der CA Chirurgie durchgesetzt,daß wieder Varidas angeschafft wird und wir sowie die Patienten sind begeistert. Eitrige Beläge sind nach 2 Tagen ab,die Wunden granulieren gut und durch Weiterbehandlung mit Varidase ist so ein Ulcus Cruris recht schnell soweit verheilt,daß die Patienten beschwerdefrei entlassen werden können.
 
Mal ein bischen Wissenschaft statt nur Erfahrung: Der Meinungsstreit scheint sich aus dem pH-Wert der Wunde zu ergeben.

Die Wirksamkeit von enzymatischen Präparaten ist umstritten... . Für die Effizienz der enzymatischen Mitteln ist die Wasserstoffkonzentration innerhalb der Wunde von ausschlaggebender Bedeutung. Eine ausreichende Wirkung ist nur in einem engen pH-Bereich gegeben. Neuere Untersuchungen belegen, dass der pH-Wert chronischer Wunden innerhalb eines größeren Bereichs schwankt. Die gemessenen Werte lagen nicht im Bereich des pH-Optimums der enzymatischen Mittel.
...
Enzymatisches Debridement

Pharmakodynamische Eigenschaften
...
Die optimale Wirkung erfolgt bei einem pHWert von 6 – 8. Die Wirkungsweise ist abhängig von einer ausreichenden Menge von Plasminogen, das in den Exsudaten und in körpereigenen Flüssigkeiten in unterschiedlicherMenge
vorkommt, sowie von der Konzentration des Fibrins am Applikationsort.
Quelle Fachinforamtion

Im Rahmen der Abheilung akuter Wunden wird initial eine physiologische Azidose beobachtet, ... . Die Generierung von Milchsäure (Lactat) durch Glykolyse wird insbesondere durch eine gesteigerte Kollagensynthese bedingt, die um den 20.Tag nach Entstehung einer Wunde ihr physiologisches Maximum erreichen soll. Als ein weiterer Faktor für die Förderung eines sauren Wundmilieus wird die Bildung von Eiter beschrieben, wohingegen bei einem alkalischen Wundmillieu die Ausbildung von Nekrosen beobachtet werden konnte.
...
Es wurden 19 Wundsekrete von Patienten mit chronischen Wunden gesammelt. Die Wundsekrete hatten einen pH-wert von 7,5-8,9; etwa die Hälfte der Präparate zeigten einen pH-Wert zwischen 8,1-8,3. Das Optimum der Enzymaktivität konnte für ... Plasmin bei 8,0 ... ermittelt werden und entspricht somit den in chronischen Wunden gefundenen pH-Werten. Die Autoren zeigten, dass eine Verschiebung des pH-Wertes beispielsweise auf 6,0 eine Senkung der Enzymaktivität um 40-90% bewirken kann.
...
http://www.wundheilung.net/News/2006/Dissemond_2.pdf


Ich würde daraus schlussfolgern, dass der Einsatz bei Wunden mit Nekrosen sinnlos ist. Bei Wunden mit eitrigen Belegen- sowie ZNA-Öse es beschreibt, erscheint die Anwendung von Varidase angezeigt .

Elisabeth
 
Danke Elisabeth, für die Links, das mit dem PH-Wert fand ich recht spannend.

Varidase wird bei uns nicht nur wegen der Kosten ungern eingesetzt, sondern auch, weil die Wundtemp. dadurch sehr stark sinkt.

Varidase wird im Kühlschrank gelagert und die Wundtemp. sollte ja nicht unter 28 Grad sinken. Viele Patienten empfinden das Auftragen auch sehr schmerzhaft durch den Kältereiz.
 
Varidase gehört in den Kühlschrank,schon richtig,nur kann man sie auch 1-2 Stunden vor VW bei Zimmertemperatur stehen lassen,so entfällt der Kältereiz und die Wundtemperatur wird auch nicht unnötig gedrückt.
So machen es unsre chirurgischen und gefäßchirurgischen Stationen und die finden diese Verfahrensweise super.
 

Ähnliche Themen