Borderline in der Pflege

Touhy

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Ich möchte den anderen Thread nicht zuspammen, aber ich will noch mal meine Meinung dazu sagen. Ich finde, unter Ausbildungsvoraussetzungen ist der gar nicht mal so falsch.

Diskussionsgrundlage ist dieser Thread: klick mich

@ Brady
(du hast geschrieben)
wenn du eine Borderline-Erkrankung hast, hätte Dir auch jeder Arzt davon abgeraten, ausgerechnet im Pflegebereich eine Ausbildung zu machen.

Das schreibe ich jetzt nicht um Dich zu ärgern.
Jede andere Ausbildung solltest Du in Betracht ziehen, nur nicht in dem Bereich. [...]

nur ich weiß soviel, dass wir keinem mit diesem Krankheitsbild zu so einem Beruf raten.
[...]

Du wirst selber genau wissen, was Dir gut tut oder auch nicht und auch wissen, dass man sich nicht über die Pflege von Menschen stabilisieren sollte.
Dann ist ein Helfersyndrom nicht weit.
[...]

Man sollte sich eben nicht über den Beruf stabilisieren, da dies auch in eine Sackgasse führt. Die Arbeit ist keine Basis um gesund zu werden, sondern verlangt von jedem viel ab. Heutzutage mehr als früher.
[...]
Es gefällt mir nicht, dass du BPS als absolutes Ausschlusskriterium siehst.
Nicht jeder Borderliner benötigt ein stationäres Setting um sich zu stabilisieren.
Warum haben Menschen mit so einer Störung keine Chance verdient?
Ich habe das Gefühl, dass du alle Borderliner in einen Topf wirfst. Nicht alle
entsprechen dem Klischee "ritzen, toben, um sich beißen, hassen und
lieben" . Ich habe die Erfahrung gemacht, dass bei Pflegekräften besonders
viele Vorurteile geschürt werden. In der Ausbildung habe ich mal kurz etwas
vom Borderline Syndrom gehört: Borderliner spalten jedes Team. Das war die
Kernaussage, die ich mir lange gemerkt hatte. Man hört nur von Leuten, die
ihre Krankheit ausagieren, , im schlimmsten Fall irgendwelche Verbrechen
begehen und zufällig eben auch eine BPS haben. In den Psychiatrien hat
man es mit den Betroffenen zu tun, die gerade in einer Krise stecken. Aber
das ist bei den meisten nicht ständig der Fall. Natürlich gibt es Leute, die
kein Bein auf die Erde kriegen. Aber was sollten die anderen für Jobs
machen? Irgendwo muss die soziale Kompetenz immer wieder trainiert
werden. Das funktioniert nicht durch zu Hause hocken oder arbeitslos in der
Gegend rumgammeln. Und ich meine Training hier nicht im Sinne von
ausagieren und dann kompetent reagieren. Das Leben ist ein ewiges Lernen
und immer wieder Herausforderung. Wenn jemand mit einer BPS sich dem
Pflegeberuf gewachsen fühlt... kommunikative Defizite sind nur im Kontakt
mit Menschen zu beseitigen... warum soll er das dann nicht tun?

Alternativfrage: Was sind denn für Borderline geeignete Tätigkeiten? An der
Kasse bei Aldi mit 100 Kunden pro Stunde? Putzfrau?
Man spricht immer von ressourcenfördernder /-erhaltender Pflege. Trifft das
auf Borderliner im übertragenen Sinne nicht zu? Soll man als Putzfrau oder
Hausmeister unterfordert vergammeln? Viele Borderliner haben
anspruchsvolle und verantwortungsvolle Tätigkeiten und sind verdammt
erfolgreich. Nicht jeder lebt ein exzessives Leben wie Madonna, Britney
oder das restliche Hollywood.

Entscheidend ist m.E., dass der Betroffene sich in schwierigen Zeiten weiß,
Hilfe zu holen und die eigenen Grenzen einzuschätzen. Generell die
Berufswahl einzuschränken finde ich gemessen an den Fähigkeiten von
Borderlinern völlig übers Ziel hinaus geschossen.

PS: Ich habe versucht, meine Meinung sachlich dazustellen. Sollte sich trotzdem jemand angegriffen fühlen,
bitte ich um Nachricht per PN zur Klärung.
 
Hallo Touhy,

ein Borderliner kann studieren, kann vieles machen. Da gibt es keine Frage.
Aber in einem Pflegeberuf halte ich es eben sehr für bedenklich.

Diese Diskussion bringt auch nichts, wie schwer erkrankt.
Überlassen wir es doch den Ärzten ob jemand dafür geeignet ist, oder nicht.

Wenn jemand sich ehrlich bei der Einstellungsuntersuchung dazu äussert, oder von seinem Arzt eine Unbedenklichkeitssbescheinigung erhält, sollte es nicht unsere Sorge sein.

Nur es zu verschweigen, dass kann unter Umständen ein Problem werden, denn das hat keinen guten Anfang und bedeutet immer nicht hingucken zu wollen.

Liebe Grüße Brady
 
Hallo,

es ist wohl ein schwieriges Thema... vielleicht macht es ja auch einen Unterschied, ob jemand, der an einer BPS leidet in der Somatik oder in der Psychiatrie arbeiten möchte.

BPS gehört zu den "emotional instabilen" Persönlichkeitsstörungen. Der überwiegende Teil der Menschen, die daran leiden, haben Schwierigkeiten im Umgang mit Beziehungen. Nun ist es so, dass zumindest in der psychiatrischen Pflege die Beziehungsgestaltung eines der wichtigsten Handwerkzeuge ist. Entsprechend kompliziert ist es dann, eine tragfähige therapeutische Beziehung zum Patienten herstellen zu können, wenn ich selbst nicht genügend gefestigt bin.
Es mag sicher auch hier Ausnahmen geben, aber es geht hier doch auch nur um den Hinweis, die Berufswahl entsprechend gründlich zu überdenken. Wenn ich Probleme mit meinem Rücken habe, überlege ich doch auch, ob es sinnvoll ist, einen Beruf zu wählen bei dem ich ggf. viel tragen und heben muss.

Und die pflegerische Arbeit als Übungsfeld für meine eigenen Schwierigkeiten im Umgang mit Beziehungen und als Training meiner sozialen Kompetenz zu sehen, finde ich persönlich schlicht verantwortungslos. Schließlich bin ich in der Pflege dazu da, den Patienten zu unterstützen und nicht, um mich selbst zu stabilisieren.

Es geht sicher nicht darum, Menschen mit BPS zu diskriminieren, oder ihnen Jobs wie: Reinigungskraft oder Kassiererin anzuraten.
Natürlich kennt man aus der Praxis nur die Menschen, die gerade in einer Krise stecken, aber das ändert nichts an dem Wissen um die grundsätzlichen Schwierigkeiten. Und das sind sicher nicht immer vorwiegend Ritzen, Toben und Schwarz - Weiß - Denken.
Die "Borderliner" die ich - sei es beruflich oder privat - kennen gelernt habe, waren meist sehr kreative, empfindsame Menschen. Ich denke man sollte seinen Beruf anhand seiner Fähigkeiten wählen und nicht anhand seiner Defizite, die es zu stabilisieren gilt.


Liebe Grüße
 
Hallo Touhy,

Ich kann MiChung nur zustimmen.

Ich werfe nicht alle Borderliner in einen Topf, jeder Borderliner hat für mich "seine Geschichte" und ich arbeite schon sehr lange mit diesen Menschen.

Egal ob er kratzt, beißt, ritzt oder sonstwas. Für mich sind auch diese Menschen nicht schlechter oder besser. Da geht es gar nicht drum.

Ich arbeite aber nicht mehr auf der geschlossenen, sondern in einer
psychiatrischen/psychotherapeutischen Tagesklinik und diese Patienten sind gefestigter, einige davon auch noch nie auf einer Station gewesen. Sondern kommen auch aus ambulanten Psychotherapien.

Sie kommen morgens und gehen nachmittags nach Hause.
Einige sind im Studium, andere wiederum noch Schüler.

Deshalb ist mir es mir auch so wichtig. Es bedeutet größtmögliche Unabhängigkeit, sich seinen Defiziten zu stellen und damit zu leben. Die auch jeder Mensch hat.

Liebe Grüße Brady
 
Vortrag-Clip: Wie bekomme ich eine Macke? anschauen bei Aktuelles und Links (im unteren Bereich der Seite zu finden). Alternativ ist auch der Clip: Anders Sein !? geeignet.

Elisabeth
 

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