Was haltet ihr vom FSJ?

marl

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Hallo liebe Leute, ich habe seit einigen Wochen immer mehr Zweifel an dem, was ich tue, und würde gerne mal eure ehrliche Meinung dazu hören. Seit drei Monaten mache ich ein FSJ auf einer geriatrischen Station im Krankenhaus. Nach dem Abitur war ich mir nicht sicher, ob ich ins Medizinstudium kommen würde, also habe ich mich zunächst auf der Geriatrie beworben. Als ich dann tatsächlich im letzten Moment noch einen Studienplatz bekommen habe, hatte ich mich bereits zu einem FSJ verpflichtet, außerdem war ich mir nicht mehr sicher, ob ich überhaupt noch in die Medizin gehen wollte. Durch die Arbeit im Krankenhaus wollte ich es herausfinden. Ich gehe also mit der Einstellung auf die Station, etwas lernen zu wollen. Da ich erst seit kurzer Zeit hier arbeite, macht es mir großen Spaß und entsprechend ist auch meine Motivation. Das alles heißt nun aber, dass ich zum größten Teil Arbeiten erledige, für die ich nicht qualifiziert bin. Ich wasche schwer kranke Patienten, spritze Insulin, stöpsle Infusionen ab, wechsle Dekubitusverbände (auch von Grad II oder III), ziehe Katheter, teile manchmal (gestellte) Tabletten aus. Vor ein paar Tagen habe ich sogar ein Patienten-Assessment bei einer Aufnahme gemacht. In letzter Zeit habe ich angefangen, immer mehr auch Wunddokumentationen (von Wunden, die ich eigentlich noch nicht mal versorgen dürfte) zu machen und generell an die Akten zu gehen. Auch Bedarfsmedikationen (Hustensaft oder so, aber auch mal Blutdrucksenker) bringe ich den Patienten manchmal selbstständig, ich lasse das dann alles die zuständigen Examinierten abzeichnen. Man muss dazu sagen, dass ich das alles absolut freiwillig mache, ich würde niemals etwas tun, was ich mir nicht zutraue, und fühle mich auch generell nie dazu genötigt, nicht einmal zum Blutzuckermessen. Ich werde also nicht ausgenutzt, sondern nutze die Gelegenheit, etwas zu lernen. Das Problematische an der ganzen Sache ist nun, dass ich eine Pflegehilfskraft komplett ersetze, also auch einen Arbeitsplatz besetze, für ein symbolisches Gehalt. Von den Zuständen in der Pflege habe ich bereits gewusst, als ich mich für das FSJ beworben habe, ich habe mich ganz absichtlich als billige Arbeitskraft einsetzen lassen und unterstütze damit die Tatsache, dass das Personal nicht richtig bezahlt wird und die Stationen ständig unterbesetzt sind. Ich sehe diese Arbeit ja eher als Erfahrung und kann deswegen mit einer Energie arbeiten, die die meisten Pfleger, die seit Jahren in diesem Knochenjob arbeiten (und für die er schon Routine ist) gar nicht aufbringen können. Mit mir wird Geld gespart, es wird von den großen Geld- und Personalproblemen abgelenkt, die die Pflege hat - ich unterstütze die teilweise nicht mehr tragbaren Zustände in Krankenhäusern und Altenheimen, und das aus reinem Egoismus. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass ich als ungelernte Kraft Tätigkeiten ausführe, die ich selbst als Patientin nur von qualifiziertem Personal an mir erledigt haben wollte. Ich bilde mir zwar ein, gut zu wissen, was ich sicher kann- aber letztendlich ist es ja irgendwie trotzdem daneben. Ich hätte gerne eure Meinung dazu. Könnt ihr meine Situation verstehen?
 
Deine Zweifel in Ehren, sie sind absolut gerechtfertigt! Zudem ist Dir wohl nicht bewußt, dass Du für alles was Du tust auch im rechtlichen Sinn verantwortlich bist? Das heist eben, wenn aus Gründen die Du nicht wissen kannst etwas schief geht, hälst Du den Kopf hin.
Du gehst damit ein sehr hohes Risiko für einen FSJ-Lohn.....
 
Ist doch wieder mal ein schönes Beispiel dafür, dass eine Pflegeausbildung absolut über bewertet wird. Pflegen kann jeder, der willig ist. Und dressieren kann man jeden, der einen bestimmten IQ mitbringt. Abitur ist da nicht notwendig.

Schlimm finde ich, dass man glaubt, was gelernt zu haben, wenn man das Handwerk beherrscht. Dem ist mitnichten so. Und es braucht eine Ausbildung für die Vermittlung des Fachwissens, welches eigentlich dahinter stehen sollte.
In dem Zusammenhang- vielleicht sollte mann bei zukünftigen Ausbildungen die Praxisstunden reduzieren zugunsten der Theorie. Man sieht ja, dass man die notwendigen Handgriffe sehr schnell erlernen kann. Dafür reichen wenige Wochen.

Elisabeth
 
Ich finde es ziemlich unverantwortlich (von dir und dem examinierten Personal), dass du Tätigkeiten ausführst, für die man eindeutig Fachwissen benötigt. Das ist dir ja offensichtlich bewusst, aber ich frage mich, warum du das dann trotzdem machst? Weil du das Pflegepersonal entlasten möchtest? Oder weil du es einfach lernen möchtest (dann rate ich dir aber die Krankepflege-Ausbildung zu beginnen)?

Ich muss sagen, als Schülerin im 1. Lehrjahr würde ich zum Beispiel nie auf die Idee kommen, Insulin zu spritzen, ohne das mich eine Fachkraft kontrolliert, weil ich einfach nicht die Gefahr einer Hypoglykämie eingehen will. Oder ich stöpsle auch nicht die Infusion ab, weil ich nicht weiß, wie ich das hygienisch zu tun habe. Wenn ich einen Patienten ein frisches Hemd anziehen möchte, muss ich wohl oder übel eine Schwester holen, oder halt die Flasche durch den Ärmel fädeln. :D Ich darf nicht mal Tropfen stellen ... usw.

Denke auch an dich selber, du hast die Durchführungsverantwortung. Geht was schief, wirst du zur Rechenschaft gezogen! :/
 
Immerhin weiß marl, welche Medikamente sie (oder er?) verteilt und kennt offensichtlich die Einteilung der Dekubitus-Grade. Ich erlebe es (wie Elisabeth scheinbar auch) leider immer wieder, dass manche Pflege"fach"kraft gar nicht weiß (und sich auch nicht dafür interessiert), was sie da aus dem Blister oder Dosette verabreicht.

Abgesehen davon ist das FSJ - zumindest offiziell - nicht so gedacht. Wie bei so vielem - es ist allgemein bekannt, dass das nicht in Ordnung ist, aber alle machen mit.
 
Ist doch wieder mal ein schönes Beispiel dafür, dass eine Pflegeausbildung absolut über bewertet wird.

Problematischer ist doch, was man damit in der Praxis anrichtet.
Man kann auch nicht alles irgendwelchen übergeordneten Kräften in die Schuhe schieben. Ich sehe in der Praxis auch oft die Grenzen zwischen sogenannten Pflegeexperten und ungelernten Kräften verschwimmen. Das liegt doch aber daran, daß die Experten nicht wissen, was sie zum Experten machen würde. Damit liegt es also leider bei uns in der Pflege selbst.

Könnt ihr meine Situation verstehen?
Zuerst nehme ich einen Bericht wahr, den ich mancher erfahren Pflegekraft nicht zutrauen würde (leider) und könnte mir vorstellen, daß es auf der Abteilungen keinen großen Unterschied hinsichtlich der Patienten(un)sicherheit macht, ob Du oder eine Fachkraft die Tätigkeiten durchführst (auch leider).
Aus Sicht der Organisation sähe ich da sicherlich Möglichkeiten die Aufgabenverteilung anders zu gestalten. Als FSJ hat man schon immer auch gearbeitet und eine entlastende Funktion für die Kollegen gehabt. Dies alleine fördert nicht die Ausbeute oder die Verschlechterung der personellen Situation. Problematisch ist der Rechtsraum in den ihr alle Euch begebt, wenn sogar ärztliche Tätigkeiten, die an die Pflege delegiert werden können, am Ende von einem Praktikanten ausgeübt werden. Nun, und abgesehen vom rechtlichen Aspekt, wie kann man das am Ende mit seinem Gewissen vereinbaren, wenn etwas "schief" geht und ein Patient deshalb zu schaden kommt?
 
In der Ausbildung fehlt einfach die Vermittlung, welche Tätigkeiten delegiert werden können, welche nicht. Kein Wunder wenn man den Schwerpunkt auf solche Sachen wie die Handgriffe bei der Grundpflege legt, sich in der Dressur derselben gefällt.

Das Ziel der Ausbildung wird doch weit verfehlt. Die meisten GuKs beherrschen zwar die Grundpflegemaßnahmen und die eigenständige Durchführung ärztlich veranlasster Maßnahmen, die Maßnahmen der medizinischen Diagnostik, Therapie oder Rehabilitation und die Maßnahmen in Krisen- und Katastrophensituationen. Beim Rest des Ausbildungszieles sieht es mehr als mau aus.

Man schafft es ja nicht mal, den Azubis zu vermitteln, dass die Planung nach Fiechter net für den Alltag sondern nur für die Ausbildung gedacht ist. Aber da befindet man sich bekanntlich in guter Gesellschaft mit so mancher MDK- "Fachkraft".

Elisabeth
 
Hi,

Das Problematische an der ganzen Sache ist nun, dass ich eine Pflegehilfskraft komplett ersetze, also auch einen Arbeitsplatz besetze, für ein symbolisches Gehalt.

Das ist doch nicht nur mit FSJlern das "Problem". Auch Schüler und BFDler werden häufig analog zu KPHlern eingesetzt. Als Bufdi habe ich ähnliche Tätigkeiten wie du machen "dürfen", bei einigen habe ich mich allerdings auch geweigert und gesagt, dass ich dazu keine Fachkompetenz habe, dass mir dazu das Wissen und die Praxis fehlt, und dass etwaige Fehler auf die Kappe der verantwortlichen Schwester gehen, ob sie sich dessen bewusst ist? Ich wurde dennoch als vollwertige KPH-Stelle eingeplant und eingesetzt, ein Ding, das mir bis jetzt noch nicht in den Schädel rein will. Im Nachhinein ist man immer schlauer, warum war ich nur so brav? Ich hätte viel öfter widersprechen sollen. Naja. Vorbei.

Ich darf jetzt als GuK-Schülerin noch nicht mal im 2.Lj Dinge tun, die ich als Bufdi schon fast eigenverantwortlich gemacht habe. Das muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen.
 
Hey marl,

du hast die Situation erkannt. Du hast anscheinend mittlerweile viele Dinge durch deine kurze, aber sehr intensive "Erfahrung" gewonnen. Du wirst dich bald ( in einem oder in zwei Monaten) in einer absoluten "Komfortzone" befinden. Du wirst dir deiner Sache recht sicher auf der Station sein, das ist auch rein garnicht schlimm. Sei dir allerdings bewusst, dass Du lediglich einen ganz ganz ganz kleinen Bereich der Pflege und der Medizin überhaupt gesehen hast. Über den Tellerrand zu blicken und deine Wohlfühlzone zu verlassen wird dich vor komplett neue Aufgaben stellen.

Deshalb: Denk nicht, dass alles so einfach ist, wie es derzeit ist. Ganz im Gegenteil. Und: Beschränke dich wirklich eher auf die Aufgaben, du du wirklich im FSJ zu erledigen hast. Du kannst natürlich dennoch mitdenken und die Pfleger/Schwestern/Ärzte an das ein oder andere Medikament erinnern, wenn sie nicht weiterwissen ;)

Ich darf jetzt als GuK-Schülerin noch nicht mal im 2.Lj Dinge tun, die ich als Bufdi schon fast eigenverantwortlich gemacht habe. Das muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen.

Deine Schule scheint dich sehr effektiv vor den Dingen zu schützen, vor denen dich keiner anscheinend im BUFDI bewahrt zu haben. Was durftest du denn als BUFDI machen, was du als Schüler nicht machen durftest?
 
Hallo und Guten Morgen, der Einsatz und ist schön und gut. Wir brauchen junge motivierte Praktikanten um unsere Zukunft zu sichern. Dennoch gehst Du ein Risiko ein wenn Du Tätigkeiten erledigst, die Du nicht gelernt bzw. für die Du nicht ausgebildet wurdest. Du hast Abitur. Ein Reifezeugnis wurde Dir ausgestellt. Also auch Reife beweisen und nur die Tätigkeiten ausführen die für eine Praktikantin vorgesehen sind. Mithelfen, einfache Tätigkeiten ausführen und Neugierig sein. Es ist zum Selbstschutz und zum Schutz der Patienten. LG Hackie
 
Deine Schule scheint dich sehr effektiv vor den Dingen zu schützen, vor denen dich keiner anscheinend im BUFDI bewahrt zu haben. Was durftest du denn als BUFDI machen, was du als Schüler nicht machen durftest?

Hi Toolkit,

Zu meinen täglichen Aufgaben als Bufdi gehörten neben der GKP ebenso Wundpflege (bis hin zu Dekubitus Grad 2/3), Verbandswechsel, Infusionen anlegen/abhängen, Tabletten austeilen, Vitalzeichenkontrolle, Messung von Blutzucker sowie Spritzen von Clexane und Insulin. (Einige meiner Bufdi-KollegInnen wurden sogar aufgefordert, Blut zu entnehmen. Sie haben sich geweigert. Ging hoch bis zur PDL, die uns Recht gegeben hat. Gab einen tüchtigen Einlauf für die verantwortlichen Schwestern.) Alles Sachen, die ich, bis auf die GKP, jetzt als 1.Lj. nach 7 Wochen Schule noch nicht selbstständig machen darf und auch in der Praxis nicht mache.
 
Ich sag doch, die Praxis wird überbewertet. Die Dressurleistung bekommst in der Regel in wenigen Tagen hin sofern der Bufdi interessiert ist. Von daher halte ich dieses: das darfst du erst machen, wenn du es in der Schule gelernt hast, mehr als lächerlich.

Es steht ja eine Ausbildungsreform ins Haus. Aber die bisherigen Veräffentlichungen zeigen, dass man nicht davon abgehen will, die aufgeblasene Praxiszeit zu verlassen. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt. Der Azubi wird ebenso wie der FSJler und der Bufdi dringend gebraucht, um das Personalproblem net ausufern zu lassen.

Elisabeth
 

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