- Registriert
- 01.12.2009
- Beiträge
- 31
- Ort
- Südniedersachsen
- Beruf
- Altenpflegerin
- Akt. Einsatzbereich
- ambulante Pflege
Hallo zusammen,
es tut mir leid,dass dieser Beitrag so lang ist und ich im Verlauf von Hölzchen auf Stöckchen komme und alles ein bischen durcheinander erscheint, aber ich muss mir hier einfach mal was von der Seele schreiben, was mich zur Zeit arg belastet. Meine Kollegen sehe ich nur selten und ich magdas auch nicht am Telefon besprechen, und meine Familie und Freundewollen von Krankheit, Tod und Sterben am liebsten gar nichts wissen.
Ich arbeite in der ambulanten Pflege, und in den letzten zwei Monaten verstirbt im Schnitt jede Woche einer unserer Patienten, und diese Häufung von Todesfällen überfordert mich gerade total.
Viele waren „meine“ Patienten, also aus einer meiner Stammtouren, und sie waren mir offensichtlich doch mehr ans Herz gewachsen, als ich das für möglich gehalten hätte. Ich weiß, dass Nähe und Distanz immer ein schwieriger Spagat ist in unserem Beruf, aber verglichen mit der Ausbildungszeit im Pflegeheim habe ich das Gefühl, ich bin im ambulanten Bereich viel näher an den Leuten dran, kann eine Beziehung zu ihnen viel leichter aufbauen als im Heim. Bisher habe ich das nicht als Problem wahrgenommen, mir wird das nur jetzt in dieser Situation sehr bewusst, dass ich scheinbar manche doch näher an mich ran lasse, als mir womöglich gut tut.
Ich kann gar nichtmal so richtig beschreiben, was genau mir so sehr Kummer macht. Ichfinde es z.B. so erschreckend, wie rasant das alles ging bei denMeisten. Und bis auf zwei Ausnahmen spielt immer wieder der Krebseine Rolle, was ich im Heim ja so auch nicht erlebt habe. Ich weiß,ja, die Leute sind alt und oft multimorbide, und ich wünscheniemandem ein langes Leiden bzw. qualvolles Sterben, das sich langehin zieht. Aber fast jedes Mal hab ich in den letzten Wochen gedacht„Nein, das gibt es doch nicht, doch nicht der oder die?!“
Eine Dame, fast 90, Herzinsuffizienz, nicht insulinpflichtiger Diabetes, seit einem halben Jahr dialysepflichtig... klagt plötzlich öfter über Kopfschmerzen und sieht Doppelbilder. Augenarzt findet nichts,Kopfschmerzen werden auf die Dialyse zurückgeführt. Dann wird es deutlich schlimmer, Schwindel kommt dazu. Einweisung zur Abklärung ins KH. Dort wird ein Hirntumor gefunden, Therapie wird von der Patientin abgelehnt. Nach knapp zwei Wochen Verlegung in die Kurzzeitpflege, alle Medikamente sowie Dialyse werden abgesetzt, palliative Versorgung – keine 3 Tage später ist sie verstorben.
Eine weitere Patientin, 70 Jahre, hatte den Krebs scheinbar besiegt, war nach Ops,Bestrahlungen, Chemotherapien zuhause und scheinbar wohlauf, die Haare waren schon wieder zu einer netten Kurzhaarfrisur gewachsen, sie hat sogar wieder zugenommen. Plötzlich Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Einweisung ins KH mit Verdacht auf Ileus. Sie stellen fest, dass der ganze Bauchraum voller Metastasen ist, Verlegung ins Hospiz und zwei Tage später verstorben.
Ein Patient in meinem Alter, schwerst mehrfach behindert, fährt zur Reha, bekommt dort zunächst eine Bronchitis, die sich zu einer Pneumonie entwickelt. Verbringt lange Zeit auf der Intensivstation, wird mitTracheostoma entlassen und verstirbt zwei Wochen später.
Ich könnte die Liste noch weiter führen, und gleich noch ergänzen um die Patienten, bei denen in letzter Zeit Krebs diagnostiziert wurde. Sowie z.B einer, der über drei oder vier Wochen einfach nur Halsschmerzen hatte, sich aber davon und von seiner Grunderkrankung abgesehen gut fühlte, und dem der Hausarzt sagte, das wäre ein verschleppter Infekt – der hat sich jetzt rausgestellt als Lymphdrüsenkrebs, der bereits Metastasen gestreut hat. Innerhalb kürzester Zeit mehrere OP's und mittlerweile Tracheostoma und Ileostoma.
Ich versuche, sofern mir die Zeit noch bleibt, jeden Patienten in der jeweiligen Einrichtung zu besuchen, um ihnen zu zeigen, dass sie nicht aus den Augen, aus dem Sinn sind, um ein wenig beizustehen, um mich zu verabschieden. Und sie freuen sich auch offensichtlich darüber. Dann bin ich dort und ringe um Worte, wenn ich gehe, weil ich unsicher bin– was sagt man denn bloß einem Sterbenden zum Abschied? Ich kann doch nicht auf Wiedersehen sagen, weiß ja nicht, ob wir uns wirklich nochmal sehen können. Meist sage ich dann, dass ich sie vielleicht noch einmal besuche und wünsche alles Gute, aber das klingt doch irgendwie auch fast wie Hohn? Aber irgendwas muss ich doch sagen? Oder einfach ein Händedruck oder eine Umarmung und ganz ohne Worte? Ich weiß es einfach nicht!
Ich versuche es auch einzurichten (wenn von den Angehörigen gewünscht), zur Beerdigung mitzugehen. Ich rede mir ein, dass ich das für ihn/sie tue, aber wenn ich genauer darüber nachdenke, bin ich nicht sicher, ob ich das nicht mehr für mich tue, damit ICH einen „Abschluss“ habe? Das würde vielleicht erklären, warum es für mich doppelt so schwer ist, wenn ich die Möglichkeit dazu nicht habe.
Wenn man im Krankenhaus arbeitet und vielleicht auch mehr Berufserfahrung hat als ich, dann erscheint das alles vielleicht gar nicht so ungewöhnlich und erschreckend, aber für mich persönlich ist das doch alles ein bisschen viel auf einmal, und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen kann. Normalerweise kann ich nach der Arbeit ganz gut abschalten (wenn ich nicht gerade Rufbereitschaft habe), aber im Moment hängt mir das alles sehr nach und ich werde nach Feierabend die Gedanken nicht los. Ich erinnere mich an die Patienten und weine viel und denke darüber nach, wie schnell alles vorbei sein kann und habe Angst, dass es auch mir oder meinen Lieben so ergehen könnte. Ich kenne mich so nicht und muss da ganz dringend wieder raus finden, nur wie?
Meine Chefin sagt,es gibt oft gerade im Herbst und im Frühjahr Phasen, in denen gehäuft Todesfälle auftreten, aber das hilft mir auch nicht weiter.
Gibt es unter Euch jemanden, der ähnliche Probleme hat/hatte? Wenn ja, wie seid Ihr da wieder raus gekommen? Und wenn nein, wie schafft Ihr es, nicht in solch ein Loch zu rutschen?
Falls Ihr Euch diesen ellenlangen Post wirklich angetan habt, danke ich Euch dafür!
Einen schönen Abend noch!
Miffy
es tut mir leid,dass dieser Beitrag so lang ist und ich im Verlauf von Hölzchen auf Stöckchen komme und alles ein bischen durcheinander erscheint, aber ich muss mir hier einfach mal was von der Seele schreiben, was mich zur Zeit arg belastet. Meine Kollegen sehe ich nur selten und ich magdas auch nicht am Telefon besprechen, und meine Familie und Freundewollen von Krankheit, Tod und Sterben am liebsten gar nichts wissen.

Ich arbeite in der ambulanten Pflege, und in den letzten zwei Monaten verstirbt im Schnitt jede Woche einer unserer Patienten, und diese Häufung von Todesfällen überfordert mich gerade total.
Viele waren „meine“ Patienten, also aus einer meiner Stammtouren, und sie waren mir offensichtlich doch mehr ans Herz gewachsen, als ich das für möglich gehalten hätte. Ich weiß, dass Nähe und Distanz immer ein schwieriger Spagat ist in unserem Beruf, aber verglichen mit der Ausbildungszeit im Pflegeheim habe ich das Gefühl, ich bin im ambulanten Bereich viel näher an den Leuten dran, kann eine Beziehung zu ihnen viel leichter aufbauen als im Heim. Bisher habe ich das nicht als Problem wahrgenommen, mir wird das nur jetzt in dieser Situation sehr bewusst, dass ich scheinbar manche doch näher an mich ran lasse, als mir womöglich gut tut.
Ich kann gar nichtmal so richtig beschreiben, was genau mir so sehr Kummer macht. Ichfinde es z.B. so erschreckend, wie rasant das alles ging bei denMeisten. Und bis auf zwei Ausnahmen spielt immer wieder der Krebseine Rolle, was ich im Heim ja so auch nicht erlebt habe. Ich weiß,ja, die Leute sind alt und oft multimorbide, und ich wünscheniemandem ein langes Leiden bzw. qualvolles Sterben, das sich langehin zieht. Aber fast jedes Mal hab ich in den letzten Wochen gedacht„Nein, das gibt es doch nicht, doch nicht der oder die?!“
Eine Dame, fast 90, Herzinsuffizienz, nicht insulinpflichtiger Diabetes, seit einem halben Jahr dialysepflichtig... klagt plötzlich öfter über Kopfschmerzen und sieht Doppelbilder. Augenarzt findet nichts,Kopfschmerzen werden auf die Dialyse zurückgeführt. Dann wird es deutlich schlimmer, Schwindel kommt dazu. Einweisung zur Abklärung ins KH. Dort wird ein Hirntumor gefunden, Therapie wird von der Patientin abgelehnt. Nach knapp zwei Wochen Verlegung in die Kurzzeitpflege, alle Medikamente sowie Dialyse werden abgesetzt, palliative Versorgung – keine 3 Tage später ist sie verstorben.
Eine weitere Patientin, 70 Jahre, hatte den Krebs scheinbar besiegt, war nach Ops,Bestrahlungen, Chemotherapien zuhause und scheinbar wohlauf, die Haare waren schon wieder zu einer netten Kurzhaarfrisur gewachsen, sie hat sogar wieder zugenommen. Plötzlich Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Einweisung ins KH mit Verdacht auf Ileus. Sie stellen fest, dass der ganze Bauchraum voller Metastasen ist, Verlegung ins Hospiz und zwei Tage später verstorben.
Ein Patient in meinem Alter, schwerst mehrfach behindert, fährt zur Reha, bekommt dort zunächst eine Bronchitis, die sich zu einer Pneumonie entwickelt. Verbringt lange Zeit auf der Intensivstation, wird mitTracheostoma entlassen und verstirbt zwei Wochen später.
Ich könnte die Liste noch weiter führen, und gleich noch ergänzen um die Patienten, bei denen in letzter Zeit Krebs diagnostiziert wurde. Sowie z.B einer, der über drei oder vier Wochen einfach nur Halsschmerzen hatte, sich aber davon und von seiner Grunderkrankung abgesehen gut fühlte, und dem der Hausarzt sagte, das wäre ein verschleppter Infekt – der hat sich jetzt rausgestellt als Lymphdrüsenkrebs, der bereits Metastasen gestreut hat. Innerhalb kürzester Zeit mehrere OP's und mittlerweile Tracheostoma und Ileostoma.
Ich versuche, sofern mir die Zeit noch bleibt, jeden Patienten in der jeweiligen Einrichtung zu besuchen, um ihnen zu zeigen, dass sie nicht aus den Augen, aus dem Sinn sind, um ein wenig beizustehen, um mich zu verabschieden. Und sie freuen sich auch offensichtlich darüber. Dann bin ich dort und ringe um Worte, wenn ich gehe, weil ich unsicher bin– was sagt man denn bloß einem Sterbenden zum Abschied? Ich kann doch nicht auf Wiedersehen sagen, weiß ja nicht, ob wir uns wirklich nochmal sehen können. Meist sage ich dann, dass ich sie vielleicht noch einmal besuche und wünsche alles Gute, aber das klingt doch irgendwie auch fast wie Hohn? Aber irgendwas muss ich doch sagen? Oder einfach ein Händedruck oder eine Umarmung und ganz ohne Worte? Ich weiß es einfach nicht!
Ich versuche es auch einzurichten (wenn von den Angehörigen gewünscht), zur Beerdigung mitzugehen. Ich rede mir ein, dass ich das für ihn/sie tue, aber wenn ich genauer darüber nachdenke, bin ich nicht sicher, ob ich das nicht mehr für mich tue, damit ICH einen „Abschluss“ habe? Das würde vielleicht erklären, warum es für mich doppelt so schwer ist, wenn ich die Möglichkeit dazu nicht habe.
Wenn man im Krankenhaus arbeitet und vielleicht auch mehr Berufserfahrung hat als ich, dann erscheint das alles vielleicht gar nicht so ungewöhnlich und erschreckend, aber für mich persönlich ist das doch alles ein bisschen viel auf einmal, und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen kann. Normalerweise kann ich nach der Arbeit ganz gut abschalten (wenn ich nicht gerade Rufbereitschaft habe), aber im Moment hängt mir das alles sehr nach und ich werde nach Feierabend die Gedanken nicht los. Ich erinnere mich an die Patienten und weine viel und denke darüber nach, wie schnell alles vorbei sein kann und habe Angst, dass es auch mir oder meinen Lieben so ergehen könnte. Ich kenne mich so nicht und muss da ganz dringend wieder raus finden, nur wie?
Meine Chefin sagt,es gibt oft gerade im Herbst und im Frühjahr Phasen, in denen gehäuft Todesfälle auftreten, aber das hilft mir auch nicht weiter.
Gibt es unter Euch jemanden, der ähnliche Probleme hat/hatte? Wenn ja, wie seid Ihr da wieder raus gekommen? Und wenn nein, wie schafft Ihr es, nicht in solch ein Loch zu rutschen?
Falls Ihr Euch diesen ellenlangen Post wirklich angetan habt, danke ich Euch dafür!
Einen schönen Abend noch!
Miffy