Skandal Caritas Entlohnung

Vor 3 Jahren hatte ich einen Waschmaschinenkundendienst bei mir zu Hause. War ein teuerer Spass, da ich nicht nur die Ersatzteile und die Arbeitszeit bezahlen musste, sondern selbstverständlich auch die Anfahrt!
 
Abrechnen kann ein PD sich - zumindest im Rahmen des SGB XI - eine Hausbesuchpauschale. Also warum sollte er dann nicht auch die Wegezeiten vergüten? (auch wenn man diese Pauschale nicht mit den Anfahrtskosten eines Monteurs vergleichen kann:wink:)

lg
 
Hallo Caritas-Schwester!
Ich würde Dir raten, solange Du noch in der Probezeit bist, die ganze Prozedur irgendwie auszuhalten. Denn innerhalb der Probezeit kannst Du ja noch ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.

Aber danach: Du bist natürlich nicht verpflichtet, in Deiner Freizeit irgendwelche Tätigkeiten für den Arbeitgeber unentgeltlich auszuführen. Das ergibt sich schon aus der Definition "Arbeitszeit":
In der EU Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG ist Arbeitszeit in Art. 2 Satz 1 definiert als
"Jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt."
Arbeitszeit ist also nicht nur eine bestimmte Zeit, die Du beim Patienten verbringst, sondern auch andere Zeiten, die Du für den AG unterwegs bist. Dazu gehören die tatsächlich benötigten Zeiten! Es sei denn, Du hast es in Deinem Vertrag irgenwie etwas anderes vereinbart. Aber da Du einen AVR Caritas-Vertrag hast, sind sicher die AVR als Grundlage vereinbart.
Daneben gilt aber auch das Bürgerliche Gesetzbuch. Insbesondere der § 611 zeigt deutlich, dass für alle Dienste die vereinbarte Vergütung zu bezahlen ist. Im Dienst bist Du auch, wenn Du das Auto des Arbeitgebers betankst oder von einem Patienten zum anderen fährst. 4 Minuten Pauschale erachte ich als Witz. Die tatsächlich benötigte Zeit ist alles Arbeitszeit! Selbst wenn Du im Stau steckst, muß Dein AG diese Zeit bezahlen.
Abgezogen werden dürfen nur die zuvor festgelegten Pausen, welche laut gängiger Rechtssprechung definiert werden als Zeiten, welche "frei von Arbeit und Arbeitsbereitschaft" sind. Die Pausen stehen Dir zur freien Verfügung. Du mußt weder arbeiten noch Dich zur Arbeit bereithalten und auch nicht für Deinen Arbeitgeber von einem Patienten zum nächsten kutschieren. Das ist alles Arbeitszeit und muß vergütet werden!
Im AVR-Bereich ist in jeder Diözese eine sogenannte "AVR-Schlichtungsstelle", die jeder Mitarbeiter mit bitte um Schlichtung anrufen kann. Die Adresse kannst Du in dem jeweiligen Bistum erfragen, zu welchem Dein Arbeitgeber gehört. Das kostet Dich nichts. Es wird versucht, eine Einigung mit dem AG herbeizuführen. Dabei gelten natürlich die AVR und alle Bundesgesetze. Die Schlichtungsstelle verkündet kein Urteil, sondern gibt einen Schlichtungsspruch als Empfehlung heraus. Das heißt aber nicht, dass sie nicht Deinem AG den Kopf wäscht, wenn er deutlich im Unrecht ist. Ist der Arbeitgeber stur, dann bleibt Dir nur der Weg der Klage. Du wirst mit Sicherheit in der 1. Instanz gewinnen. Ich rate Dir dringend, eine Berufsrechtsschutzversicherung abzuschließen. Oder Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder Berufsverband, da ist der Berufsrechtsschutz meist integriert.
Wünsche Dir alles Gute und starke Nerven!
Was sagen eigentlich Deine Kollegen?
 
@narde- das wird z.T. tatsächlich so begründet. Und da es offensichtlich keine eindeutige gesetzliche Vorgabe zu diesem Kasus gibt, scheint manch AG auf die Idee zu verfallen, dies im kleingedruckten seines Arbeitsvertrages unter zu bringen. Der AG sieht die Fahrtzeiten zwischen den "Arbeiststellen" als Pause an.
ich möchte nochmal eindeutig zum Ausdruck bringen, dass ich diese Praxis net gut heiße- im Gegenteil. Nur nutzt das dem TE eher wenig, wenn diese Vorgehensweise so per Arbeitsvertrag vereinbart wurde.

@ycassyy- das ist die Frage: wie ist diese Pauschale genau definiert? Ist es explizit als Wegegeld ausgewiesen?

@Pepamel- was der Monteur bezahlt bekommt ist noch net identisch mit dem,
was du für die Reparatur bezahlst. Der Vergleich ist in diesem Falle wenig hilfreich.

@Caritas-Schwester. bevor du dich irgendwo bindest- Rechtsschutzversicherung, Gewerkschaft, Berufsverband- solltest du dich erst kundig machen, ob diese dir überhaupt helfen können... und vor allem wollen.

Elisabeth
 
@Caritas-Schwester. bevor du dich irgendwo bindest- Rechtsschutzversicherung, Gewerkschaft, Berufsverband- solltest du dich erst kundig machen, ob diese dir überhaupt helfen können... und vor allem wollen.

Elisabeth

Wollen sicherlich. Wenn die Sozialstation zu den Caritas-Einrichtungen zählt, dann ist so eine Abrechnung eigentlich nicht zulässig. Selbst wenn da Klauseln kleingedruckt im Vertrag stehen. Denn die AVR-Eingruppierungen sind verbindlich, Caritas zugehörige Betriebe sind AVR-gebunden. Aber das könnte nur eine Mitarbeitervertretung einklagen vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht...
 
Vielleicht hilft dieses Urtei weiter:

BAG, Urteil vom 22. 4. 2009 - 5 AZR 292/ 08

Ich halte das Vorgehen des AG unter keinem Gesichtspunkt für gerechtfertigt. Nur: Wo kein Kläger, da kein Richter. Deshalb braucht man in diesem Beruf eine Rechtsschutzversicherung.
 
Hallo,

da es hier scheinbar viele Rechtsunsicherheiten gibt, will ich mal versuchen, etwas Klarheit zu schaffen, denn es gibt bei diesem Thema eigentlich keine Gesetzeslücken oder fehlende Urteile:

1.) Arbeitsort
- der Arbeitsort, wo meine Arbeitszeit beginnt, ist, wenn nicht ausdrücklich anders vereinbart, immer der Sitz meiner Betriebsstätte, wo ich beschäftigt bin. In der ambulanten Pflege ist dies in der Regel meine Station, die ich üblicherweise bei Dienstbeginn anfahre, dort meine Unterlagen (Tourenplan, ...) hole und auf Tour gehe.

2.) Wegezeiten
- die Fahrzeiten zwischen Wohnung und Arbeitstätte sind bekanntermaßen "Privatvergnügen".
- wenn vereinbart ist, daß man bei Dienstbeginn direkt den Patienten anfährt (also nicht die Station), dann kann es zulässig sein, daß die Arbeitszeit erst beim ersten Patienten beginnt, analog dazu natürlich auch, beim letzten Patienten bei Dienstende endet.
- Fahrtwege zwischen den Patienten sind immer Arbeitszeiten!!!
dies ergibt sich schon aus dem Arbeitszeitgesetz, denn entweder redet man von Arbeitszeit oder von Pausen/Ruhezeiten. Das Fahrzeiten innerhalb des Dienstes keine Pausenzeiten sein können, kann schon damit begründet werden, daß man hier auf Weisung des Arbeitgebers unterwegs ist, und es daher an der vorgeschriebenen "Freizügigkeit der Pause" fehlt.

Es wird leider immer wieder die Argumentation versucht, in anderen Branchen, die viele Außendienstmitarbeiter beschäftigen, wäre es auch so, aber es wird leider verkannt, daß es sich dort auch deutlich im Gehalt ausdrückt im Gegensatz zu uns, wo tariflich kein Unterschied gemacht wird zwischen stationärer und ambulanter Pflege.

Gruß

medsonet.1
 
@Pepamel- was der Monteur bezahlt bekommt ist noch net identisch mit dem,
was du für die Reparatur bezahlst. Der Vergleich ist in diesem Falle wenig hilfreich.

Wenn sich die Firma bei der der Monteur beschäftigt ist, von mir die Anfahrt desselben bezahlen lässt, dann ist dies logischerweise Arbeitszeit für den Monteur.

Klar bekommt der Monteur sein Gehalt von der Firma und nicht eins zu eins das was ich per Rechnung bezahlen muss. (Bin ja nicht doof....:knockin:) Eine Pflegekraft bekommt ja auch nicht direkt von der Kasse ihr Gehalt sondern vom Pflegedienst/Arbeitgeben.

Mel
 
Ich stelle mal den vielleicht entscheidenden Abschnitt aus obigem Urtei ein weil erfahrungsgemäss dann doch keiner nachliest. Ich kann mir nicht vorstellen, das bei ambulanten Diensten eine andere Argumentation greift.

Arbeit ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG 8. März 1961 - 4 AZR 71/ 59 - BAGE 11, 23, 26; 11. Oktober 2000 - 5 AZR 122/ 99 - BAGE 96, 45, 51; 16. Januar 2002 - 5 AZR 303/ 00 - zu I 1 a der Gründe, AP EntgeltFG § 2 Nr. 7 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 2; 14. November 2006 - 1 ABR 5/ 06 - BAGE 120, 162, 169). Keine Arbeit wird für den Arbeitgeber durch den Weg zur Arbeit erbracht (BAG 21. Dezember 2006 - 6 AZR 341/ 06 - BAGE 120, 361, 365). Dagegen gehört die Reisetätigkeit bei Außendienstmitarbeitern zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten (§ 611 Abs. 2 BGB). Mangels festen Arbeitsorts können sie ihre vertraglich geschuldete Arbeit ohne dauernde Reisetätigkeit nicht erfüllen. Das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit ist darauf gerichtet, verschiedene Kunden zu besuchen, wozu die jeweilige Anreise zwingend gehört (BAG 28. März 1963 - 5 AZR 209/ 62 - zu II 2 b der Gründe, AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 3; 3. September 1997 - 5 AZR 428/ 96 - BAGE 86, 261, 265; 14. November 2006 - 1 ABR 5/ 06 - aaO).
 
Hallo

Zu dem Thema, dass Fahrzeit keine Arbeitszeit ist: Bibliomed - News

Ja, Arbeitgeber probieren viel, aber deswegen ist es noch lange nicht rechtsmäßig!
Fahrtzeiten zwischen Patienten ist Arbeitszeit, da gibt es keine Diskussion. Nur rechnen die Arbeitgeber damit, dass Mitarbeiter sich aus Angst nicht trauen, gerichtliche Schritte einzuleiten. Befristete Arbeitsverträge sind das wirkungsvollste Druckmittel, einen Arbeitnehmer gefügig zu halten.
 
Die Tricks sind möglich, weil es hier einen nicht eindeutig geklärten Raum gibt. Verdi ist dies seit Jahren bekannt. ich kann leider kein Urteil finden, in dem dies auf den ambulanten Pflegedienst bezogen, die Fahrtzeiten als Arbeitszeit deklariert.

Wenn es ein unlauterer Versuch wäre, hätte verdi längst entsprechende Tipps gegeben. Die kann ich net finden. Vielleicht suche ich aber auch falsch.

Unser Gerechtigkeitsempfinden ist leider net immer identisch mit dem, was der Gesetzgeber so meint.

Elisabeth
 
Ich sehe durchaus einen eindeutlichen rechtlichen Raum. Es könnte u.U. sein, wenn man gleich von zu Hause aus zum Patienten fährt, also nicht erst an den Stützpunkt kommt, dass diese erste Zeit noch Wegezeit ist, die nicht vergütet wird. Aber die Fahrtzeiten von einem Klienten zum anderen sind mit Sicherheit als Arbeitszeit zu vergüten, es sei denn, man hat einzelvertraglich eine andere Vereinbarung geschlossen. Das ergibt sich schon aus der Definition von Arbeitszeit. Das Kriterium der Fremdnützigkeit ist entscheidend. Du fährst im Auftrag des Arbeitgebers von einem Patienten zum anderen. Du tankst im Auftrag des Arbeitgebers den Dienstwagen. All das ist Arbeitszeit. Wäre es keine, dann könntest Du tun und lassen was Du möchtest in dieser Zeit. Das Kriterium der Fremdnützigkeit ist ein wichtiges Kriterium, das die Gerichte oft verwendet haben, um abzuklären, ob eine bestimmte Tätigkeit Arbeitszeit ist oder nicht. Da würde sich die Rechtssprechung selber total widersprechen, wollte sie in der ambulanten Pflege anders entscheiden.
 
Es gibt m.E. keine Definition, die vorschreibt, dass Fahrtzeiten miteinzuberechnen sind. Die "Sparsamen" gehen davon aus, dass der Arbeitsplatz ausschließlich beim Pat. in der Wohnung zu sehen ist. Die Fahrt zum Arbeitsplatz in einer Klinik wird auch net finanziert.
Die Fahrzeit zur Klinik ist dasselbe, wie die Fahrzeit zum Dienstantritt in die Sozialstation der Caritas. Die meisten Arbeitnehmer fahren zum Arbeitsplatz und dann auch wieder nach Hause. Arbeitsplatz ist in der mambulanten pflege die Sozialstation wo man seine täglichen Aufgaben sozusagen abholt. Wenn mich mein AG beauftragt zu Pat. Y zu fahren, so ist das eine klare Anweisung die ich abarbeiten muß und fällt in meine Arbeitszeit. Wenn der AG will das das Personal die Autos betankt, ist das Arbeitszeit. Er gibt eine Anweisung und Anweisungen des AG werden nunmal in der Arbeitszeit ausgeführt. Ich verstehe nicht das da immer noch darum diskutiert wird. Wenn TE zu einem Anwalt geht, wird sie ihr Recht bekommen. Ob sie dann aber aiuch die Stelle behält steht auf einem anderen Blatt.
 
Wenn du einen Patienten aus dem OP oder einer Funktion abholst, ist der Weg dorthin oder zurück auch Arbeitszeit. Wenn man deine Argumente zu Grunde legt kann man das auch als Pause oder "Freizeitvergnügen" sehen.
 
@Sittichfreundin und Co. Eure Aussage: eindeutige Regelung- muss rechtlich belegbar sein. Bei verdi finde ich nix dazu. Bitte stellt einen eindeutigen- ausschließlich auf die ambulante Pflege bezogenen- Link ein. Nur damit kann man den betroffenen Kollegen helfen.
Gerechtigkeitsempfinden und "bei uns wird das so gemacht" helfen hier nicht.

Die entsprechenden AG ziehen sich darauf zurück, dass der Arbeitsplatz ausschließlich beim Pat. zu sehen ist. Du hast in ihren Augen sozusagen viele kleine Arbeitsstellen an die er dich sozusagen vermittelt hat. Das können wir unverfroren finden. Es scheint aber ebenso möglich zus ein, wie die 19 Tage arbeiten.

Gesetze haben Lücken, die nur geschlossen werden können, wenn man dies entsprechend verfolgt: Klage. Wobei dies noch nicht mal reicht... es sei den es ist eine höchstrichterliche Instanz.

@silverlady- danke für den Link.

Elisabeth
 
Na dann bleibt zu hoffen, dass die AG sich nicht deine Aussage als Beispiel nehmen und nur noch die Zeiten beim Patienten auch im KH als Arbeitszeit sehen, somit wären dann sehr schnell sehr viele Ü-Stunden abgebaut.
 
Dein Weg zum OP und zurück läuft an ein und derselben Arbeitsstelle ab. Du wechselst net die Einrichtung.

Ich verstehe, dass diese Aussage Unmut hervorruft. Ich möchte nochmal deutlich machen, dass ich diese Vorgehensweise net gut heiße. Aber es war zu erwarten, dass so etwas kommt. Im KH geht es uns net anders: Erhöhung der Lohnkosten = Reduzierung der Pflegepersonalstellen.

Elisabeth
 

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