Reanimation im OP

Franziska94

Newbie
Registriert
26.06.2011
Beiträge
6
Beruf
OTA Schülerin
Hey ihr Lieben,

ich mache zur Zeit eine Ausbildung zur OTA und bin im ersten Lehrjahr.
Mit meinen 17 Jahren hatte ich noch nicht so viel gesehen, hatte auch noch keine Komplikationen einer OP mitbekommen.

Gestern hatten wir einen ca. 60 jährigen Patienten mit einem Karpaltunnelsyndrom. Der Eingriff dauert normalerweise nur 10 Minuten und wird ambulant durchgeführt.
Die OP verlief bis jetzt gut und der Operateur war schon bei der Blutstillung, als der Anästhesist aufeinmal rief: "Nulllinie".
Zuerst wusste ich überhaupt nicht was los war. Die steriele Abdeckung wurde runter gerissen. Der Anästhesiepfleger stürzte sich zum Patienten und begann mit der Herzdruckmassage. Ich war so geschockt, konnte überhaupt nichts mehr sagen und war total durcheinander. Ich fing an zu weinen. Diese Situation hat mich total überfordert und alle sagten das wäre normal, das wenn man das, dass erste mal sieht, geschockt ist.

Mir schwebt aber die ganze Zeit dieses Bild von dieser Situation im Kopf herrum. Ich denke die ganze Zeit daran. Der Patient hat es zwar überlebt aber trotzdem hat mich das sehr mitgenommen.

Mich würde interessieren wie ihr mit dieser Situation umgeht? Ob es euch genau so ergangen ist wie mir? Und ob dieser Schockzustand immer wieder sein wird, wenn ich soetwas sehen werde oder ob man sich an sowas "gewöhnen" wird.

Würde mich sehr über eure Antworten mit euren Erfahrungen freuen.
Liebe Grüße
Franziska
 
Hallo Franziska!!

So eine Situation ist nie toll und ich selber weiss nicht, ob man sich daran gewöhnen kann.
In einem Haus der Maximalversorgung wird so ein Ereignis öfter vorkommen.
In meiner Ausbildung habe ich das auch öfter erlebt (habe an einer Uniklinik gelernt). Viel schlimmer aber war für mich immer die Stille hinterher, wenn der Mensch es nicht geschafft, oder, es sich um Kinder gehandelt hat.
Bei uns kommt sowas zum Glück nicht oft vor, aber wenn doch, dann schaue ich, dass ich der Anästhesie nicht im Wege stehe.
Wir Op-ler verlassen leise und ruhig den Saal und lassen die Anästhesieabteilung ihre Arbeit machen.
Alle Mitarbeiter unseres Hauses trainieren zwar 1x/Jahr die Reamination (Pflichtschulung), aber im Ernstfall sind die einfach besser eingespielt.

Matras hat Recht: Austausch mit Kollegen hilft ungemein!!!
Aber, wenn die dich "abblitzen" lassen, vielleicht hilft es auch, dieses Thema und dein Erlebnis im Unterricht zu besprechen.

LG opjutti
 
Ob es euch genau so ergangen ist wie mir? Und ob dieser Schockzustand immer wieder sein wird, wenn ich soetwas sehen werde oder ob man sich an sowas "gewöhnen" wird.

Liebe Franziska,

es tritt eine Gewöhnung ein. Wenn man erstmal das theoretische und praktische Hintergrundwissen hat, reagieren kann und die Geschehnisse auch medizinisch einordnen kann, wird es besser.
Mit deinen 17 Jahren hast du es auf die ganz harte Tour gekriegt. Wie schon die Vorschreiber meinten, rede mit deinen Kollegen darüber.
Gewöhnung heißt aber trotzdem auch, das es dich selbst nach 25 oder mehr Berufsjahren irgendwann aus der Fassung bringt. Wenn du vielleicht den Patienten kennst und magst, auf der Station, oder in einer persönlich verletzlichen Stimmung bist. Dann erwischt es dich immer noch.
Ist mir letztens so gegangen.
Das gehört aber dazu zum Menschsein. Erhalte dir deine Sensibilität, abgezockte und abgebrühte Kollegen gibt es genug.
Ich wünsche dir ein schönes Berufsleben,

Marty
 
Hallo,
habe das auch schon erlebt...
Mir hat sehr geholfen, was mir eine erfahrene Kollegin beim 1. Mal gesagt hat: "Es ist gut, wenn Du weinen kannst. Wenn Du das nicht könntest wärst Du hier fehl am Platz!"


Gruß
Die Anästhesieschwester
 
Danke für eure liebe Antworten. Werde morgen mal mit meinen Kollegen und mit dem Anästhesiearzt darüber sprechen, vielleicht kann er mir erklären warum es zu einem Herzstillstand gekommen ist, was mich sehr interessiert.

Wünsche euch ein schönen Sonntag.
Liebe Grüße.
Franziska
 
Meine erste Reanimation hat mich anfangs ähnlich mitgenommen.
Das ganze ist während meiner Zivi Zeit beim DRK passiert. Es war mein
erster Monat auf der Wache und wir lagen samstags abends auf der couch.
Dann kam die Einsatzmeldung "bewusstlose Person". Bisher waren das immer volltrunkene Jugendliche am WE. Als wir ankamen und ins Schlafzimmer gingen, fanden wir einen leblosen Patienten, komplett blau angelaufen.
Mit einem Mal war alles gelernte dahin und ich war wie paralysiert.
Zum Glück hatte ich einen guten 1. Mann bei mir, der mir alle Anweisungen gab und mich nicht unnötig durch lautes Schreien verunsicherte.
Der Patient hatte es nicht geschafft. Sodass wir nach 1 Stunde die Rea abbrachen. Diese Nacht habe ich kein Auge mehr zugedrückt und die ganze Zeit darüber nachgedacht wie ich damit umgehen soll. Es dauerte allerdings kaum 2 Tage bis die nächste Rea ins Haus fiel. In den nächsten 4 Wochen musste ich 7 weitere Menschen reanimieren. So gut wie alle haben es nicht geschafft. Das hat mich sehr geschlaucht und nachdenklich gemacht.
Mittlerweile seh ich es professioneller: Ich kann nichts dafür dass dieser jemand einen Herzstillstand hat, ich kann mich in dem moment auch nicht mit der schreienden Ehefrau beschäftigen und ich möchte in dem Moment in dem mein Herz unerwartet aufhört zu schlagen auch nicht dass meine Rea durch sowas beeinflusst wird ;). Das einzige was ich in dem Moment machen kann, ist versuchen das bestmögliche für den Patienten rauszuholen. Das braucht natürlich die ein oder andere Rea bzw. Toten um sich das klarzumachen. Rede mit deinen Kollegen darüber, versuch rauszufinden warum es passiert ist, und wie es nun weitergeht mit dem Patienten.
 
Hallo,
habe das auch schon erlebt...
Mir hat sehr geholfen, was mir eine erfahrene Kollegin beim 1. Mal gesagt hat: "Es ist gut, wenn Du weinen kannst. Wenn Du das nicht könntest wärst Du hier fehl am Platz!"


Gruß
Die Anästhesieschwester

War dass generell auf die Fähigkeit, seine Gefühle zeigen zu können bezogen oder speziell auf die die Reanimationssituation? Sprich wenn du bei einer Reanimation nicht weinen kannst, dann bist du hier falsch?
 
Ich denke, das bezieht sich allgemein auf die Fähigkeit, Gefühle zuzulassen und auch zu zeigen. Die Situation, bei der das passiert, wird bei jedem eine individuelle sein.
Gruß, Marty
 
Falls es so gemeint war, vollste Zustimmung meinerseits!:daumen:

@Franziska, dass du dich mit 17 und am Anfang deiner Ausbildung in einer plötzlich und unerwarteten Reanimationssituation überfordert fühlst, finde ich völlig normal.
Das du da am nächsten Tag immer noch an den Patienten denken musst, ist auch nichts Ungewöhnliches.

Eine gewisse Art der Gewöhung tritt schon irgendwann ein, gleichfalls finde ich, je besser man weiß wie man dem Patienten helfen kann umso einfacher wirds. Völlig kalt wird sowas aber die wenigsten lassen.
Hast du inzwischen den Fall mal nachbesprochen? Geht´s dir danach besser?

Vor meiner ersten Reanimation hatte ich anfangs ehrlich gesagt schon ein wenig ******. Immer wenn wir zu bewusstlosen Personen gerufen worden sind, war ich auf der Anfahrt mächtig aufgerecht, bin den Ablauf einer Reanimation noch mal im Kopf durchgegangen und hab gehofft Alles richtig zu machen. Allerdings waren es dann immer andere Ursachen für die Bewusstlosigkeit und ich hatte mir umsonst in´s Hemd gemacht.

Irgendwann war´s dann soweit. Ein herrlicher Sommertag, kurz vor Feierabend auf der Landrettungswache, noch nen Einsatz bekommen "RTW normale Fahrt, Synkope". Auf der Anfahrt das übliche Gemaule, "Kann doch auch der Nachtdienst machen, wird eh nichts Dolles sein, soll zum Hausarzt gehen..."
An der Adresse angekommen, die Treppe hoch, meint mein Ausbilder nur "Oh, sch....." und ich war plötzlich mittendrin statt nur dabei. Und komischerweise kein bisschen aufgeregt.
Da hatte ich aber schon gut die Hälfte meines Anerkennungsjahres für den Rettass absolviert.

Viele Grüße
Blinki
 
Ja, es bezog sich ganz allgemein darauf, Gefühle zulassen zu können. Gerade auch im OP, wo es ja manchmal doch eher etwas "ruppig" zugeht.
Ich erkläre meinen Schülern und neuen jüngeren Kollegen auch immer, dass sie sich diese Fähigkeit erhalten sollen und nicht denken dürfen, wenn sie mal weinen wären sie für den OP "zu weich".


Gruß
Die Anästhesieschwester
 
Hey ihr Lieben,

Ja habe mit meinen Kollegen darüber gesprochen. Der Patient war heute nochmal bei uns im OP und hat einen Schrittmacher bekommen. :)

Vielen Dank für eure lieben Antworten. :)
 
Somit weißt Du ja jetzt auch die Ursache für den Herzstillstand.
Wünsche Dir weiterhin alles Gute!


Gruß
Die Anästhesieschwester
 

Ähnliche Themen