Hallo zusammen!
Ich betreue als Fachkrankenpfleger schwerpunktmäßig Menschen ab 16 mit Borderlinestörungen.
Die Borderlinestörung gehört zu den Persönlichkeitststörungen und soll somit - wie alle Persönlichkeitsstörungen - nicht vor dem 16. Lebensjahr diagnostiziert werden.
Wir arbeiten mit der Dialektisch - behavioralen - Therapie (kurz DBT), die Folgende Kernsymptome kennt:
Affektive Dysregulation, also die Unfähigkeit, Gefühle angemessen handhaben zu können. Diese Eigenschaft ist vermutlich teilweise genetisch bedingt.
Innere Anspannung: Einschießende starke aversive Spannung ohne handlungsweisende Intention
Affektregulation: Niedrige Reizschwelle, intensive Emotionen, langsame Rückbildung, langsame Habituation (Gewöhnung)
Grundgefühle: tief greifende Einsamkeit, Zweifel an der eigenen Identität, tiefes Insuffizienzgefühl, Gefühl, hohl und leer zu sein, negatives Körperbild, große Angst vor dem Allein sein
Ferner leiden Menschen mit einer Borderlinestörung deutlich stärker unter Suizidalität als die "Normalbevölkerung"
Selbstverletzendes Verhalten (z. B. Schneiden) berifft ca. 85%
Zum Stichwort "Modediagnose": Der begriff Borderline im Zusammenhang mit dieser Störung ist älter als der der Schiophrenie, wurde erstmalig 1884 (damals noch "borderland") von einem gewissen Hughes genannt (Eugen Bleuler führt erst 1907 den Begriff Schizophrenie ein)
Nun zurück zur Ausgangsfrage:
Besuch der Eltern 2 - 3mal die Woche - richtig, zuwenig - zu viel?
kann ich nur mit einer Standardantwort beantworten: Das kommt darauf an!
Vermutlich haben ca. 75% der Menschen mit Borderlinestörungen Missbrauchserfahrungen hinter sich, davon die überwiegende Zahl innerhalb der Familie, viele von Kind an. Sollten die Eltern zu den Tätern gehören, wäre eine absolute Kontaktsperre sinnvoll.
Als eine von mehreren Ursachen, die zur Entstehung der Borderlinestörung beitragen, wird ein besonderer Kommunikationsstil innerhalb der Familie angesehen, so dass ein so gennanntes "Nicht validierendes Umfeld" entsteht.
Ausführungen würden zu lange dauern, es geht darum, dass die Kinder / Jugendliche in ihren Selbstwahrnehmungen und konzepten von der Umwelt ständig verunsichert werden, bis sie sich selbst nicht mehr trauen und sich für alles schuldig fühlen.
Sollte es einen solchen Kommunikationsstil geben, wäre vermutlich ein eingeschränkter (alle 14 Tage / einmal im Monat) Kontakt sinnvoll.
Grundsätzlich ist es Thema jedes Jugendlichen, sich mit den Eltern zu streiten und Individualität auszubilden.
Bei aller Wissenschaft kann man aber in der Regel am Befinden der Patientin sehr schnell herausfinden, ob die kontakte zu den Eltern eher hilfreich oder eher schädlich sind.
Zum Schluss noch was:
laut Prof. M. Linehan und Dr. M. Bohus, beides "Borderline - Koriphäen", spalten Borderliner überhaupt nicht, schon gar nicht Teams. - Denkt mal drüber nach.
Lieben Gruß
Friedrich