Borderliner und Eltern

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Binarella

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05.05.2007
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Beispiel:
Eine 16 jährige Patientin ist in der geschlossenen Unterbringung seit Anfang September.
Sie bekommt 2 - 3 mal die Woche Besuch von den Eltern.
Ist das ausreichend? Ist das zuviel?
Die Besuche werden mit Gesprächen und spielen (Skrabbel, Kartenspiele) verbracht.
Wieviel Besuch ist angebracht, um das Kind zu unterstützen und wie sollen sich die Eltern verhalten?
Wie können sie das Pflegepersonal unterstützen?
 
Hallo Binarella,

die junge Patientin ist wohl in der Kinder- Und Jugendpsychiatrie untergebracht?

Du beschreibst sehr wenig von der Patientin. Ist diese Diagnose bei einer 16jährigen schon gesichert? Könnte es sich auch um eine Adoleszenten-Krise handeln? Mit 16 Jahren schon von Borderline zu sprechen ist mir persönlich ein wenig vorschnell.

Zudem sind hier nicht viel Informationen über diesen Jugendlichen, sodass man auch nicht darauf schließen kann in welchem Ausmass Besuche der Eltern gut für sie wären.

Liebe Grüße Brady
 
Die Diagnose steht fest. Sie zerschneidet sich bis zu 2 x die Woche Hände, Arme bis zu den Schultern, Beine...
Sie verweigert die Nahrung oder erbricht sie wieder.
Außerdem ist sie akut Suizidgefährdet.
Die Eltern machen ihr niemals Vorwürfe und suchen Informationen über diese Erkrankungen, überall.
Sie gehen das Mädchen 2 bis 3 x die Woche besuchen und machen Zeitgleich eine Elterntherapie. Die Beziehung zwischen den Eltern, und mit dem Bruder ist sehr innig.
Auffällig ist sie seit ca 2 Jahren. Sie wurde mite August vergewaltigt und seit dem will sie nur noch sterben.
Da sie untergebracht ist auf der geschlossenen Kinder und Jugendpsychiatrie, versuchte sie ihr Leben mit hungern zu beenden. Seit 5 Tagen gibt es eine Entspannung. Sie erbricht nicht mehr, ißt krümelweise und geritzt hat sie sich auch nicht mehr. Sie nimmt jetzt die Therapie stunden an und rennt erst nach 15 Minuten raus. Wie kann die Familie sie Unterstützen?
 
Hallo Binarella,

es irritiert mich trotzdem. Was war auffällig vor 2 Jahren? Wieso machen die Eltern eine Therapie, wenn doch alles so in Ordnung war? Was benennst du als innig? Zu innig?

Wie ist es zum Missbrauch gekommen? Von wem? Wie sah ihr Leben vorher aus? Schule? Noten? Freunde? Vorlieben, Hobbys?

Wie sieht ihre Grundstruktur aus? Spaltet sie das Team? Vor 2 Jahren war sie 14 Jahre alt, welche 14 jährige macht keinen Ärger in dem Alter? Ist doch normal....mehr oder weniger....

Sie ist mir einfach zu jung, um diese Diagnose so anzunehmen. Sorry, aber wir in der Erwachsenen-Psychiatrie geben Jugendlichen bis 21 Jahren und manchmal noch älter sehr ungern diese Diagnose.

Sie ist noch in der Reife, zeigt dadurch auch instabile Züge einer strukturellen Störung, die oft gleich kommt einer Borderline Erkrankung. Wie hoch oder niedrig dieses Niveau ist bei ihr, könnt ihr nur am besten
entscheiden.

Trotzdem kommen mir da Fragen. Warum rennt sie aus den Therapien? Wie weit kann sie dem kognitiv folgen? Aus welchem Grund will sie sterben?

Sollte ausgerechnet die Familie ihr helfen? Nicht böse sein Binarella, dass ich auch so keine Antworten weiß. Aber bei dem allen, weiß ich nicht, ob man die Eltern unterstützen oder sogar besser fernhalten sollte.

Auf jeden Fall bin ich sehr interessiert daran....versuche bitte mehr raus zubekommen.

Liebe Grüße Brady
 
@Brady mich erschrecken deine Aussagen. Kann eine Diagnose nur altersabhängig gestellt werden?

Symptome ABC werden bis zum 18.LJ der Diagnose Z zugeordnet und mit dem 18. Geburtstag darf dann die "böse" Diagnose Y genannt werden.

Gerade beim Borderline scheints mir, als wenn es so abläuft wie oben. Seit wann hat ein kalendarsiches Alter Einfluss auf eine Diagnose? Müßte man nicht das biologische Alter nehmen bzw. hier den Grad der Reifung?

Und hat Therapieflucht etwas mit den kognitiven Problemen zu tun?

Ich denke, gerade Unwissende sollten sich fernhalten bei Borderline. Den Eltern ist sehr zu empfehlen sich diverse Infos einzuholen. Das geht sehr gut übers Internet. Es gibt eine Vielzahl an Büchern zu diesem Thema. Ein Besuchsverbot- was soll das bringen? Wenn die Bindung stark ist zu den Eltern- soll diese Bindung per Gewalt zerstört werden? Wurde nicht gerade Gewalt erlebt?

Ergo: binerella- klink dich eventuell in ein Selbsthilfeforum für Borderline ein und frage dort nach. Ich denke, da sitzen die Fachleute.

Elisabeth
 
Hallo Elisabeth,

das Alter hat schon viel damit zu tun, auch die Reifung eines Menschen. Ich stelle nun mal diese Fragen, weil ich sie auch wichtig finde. Bei uns sind das ganz normale Überlegungen und es reicht eben nicht Symptom A + B zusammen zuzählen und dann hat man die Diagnose. Nicht mit 18 Jahren endet dies, dass wir danach schauen, sondern wir schauen auch bei Patienten die älter sind. Bis 21 Jahren können Jugendliche in die Kinder- und Jugendpsychiatrie, was eben den Reifegrad berücksichtigt, auch ambulante Kinder- und Jugendtherapeuten nehmen bis zu dem Alter.

Ich will wissen warum sie die Therapiegruppe verlässt, auch eine ganz normale Frage. Wie weit sie kognitiv auch in der Lage ist alles dies zu erfassen auch wichtig.

Es kann natürlich sein, dass man an der Diagnose nicht vorbei kommt, aber entschuldige bitte, ich frage immer nach. Was kann an Fragen falsch sein? Diese Fragen sind ganz normal und bevor ich jemanden in die Familie schicke, will ich auch mehr darüber wissen.

Natürlich wird Binarella, mehr wissen und dies möchte ich gerne erfahren. Eine 16 Jährige mit Borderline Diagnose ist ungewöhnlich. Ich arbeite seit mehr als 25 Jahren in der Psychiatrie und werde weiterhin nachfragen.

Gruss Brady
 
Ist die soziale Reifung eines Menschen abhängig von der biologischen Reifung der Organe? Ich denke, Erfahrungen führen zu einer Reifung- wer kennt nicht den Begriff: frühreif.

Nachfragen ist schon in Ordnung. Aber für mich kam das so rüber wie: Fehldiagnose, da Alter noch nicht erreicht.

Elisabeth
 
Hallo Elisabeth,

es hampeln alle Psychiatrien bei dem Alter rum, einem Kind diese Diagnose schon zu verpassen. Auch bei der Diagnose: Schizophrenie tut man sich sehr schwer.

Die Ich-Struktur eines Menschen ist noch nicht so gefestigt in dem Alter der Adoleszenz.

Gruß Brady
 
Ist die Festlegung nicht willkürlich und anmaßend? Kann man die festigung der Ich- Strukturen eindeutig messen?

Elisabeth
 
Hallo Elisabeth,

das erfordert eine Beobachtung im Verlauf und der genauen Diagnostik. So wie es oft ist in der psychiatrischen Diagnoseerstellung gehst von einem Krankenhaus zum anderen, hast du plötzlich eine andere Diagnose.

Es kann bedingt durch eine Festigung der Struktur sein, aber auch an der "Schule" oder Sichtweise des jeweiligen Psychiaters liegen.

Deshalb ist auch die Festlegung einer Diagnose so wichtig, denn das bedeutet eben auch immer noch Stigmata. Das schöne auch wiederum ist, es ist veränderlich. Die Strukturen können sich festigen.

Deshalb einerseits wichtig die Festlegung der Diagnose, andererseits auch Schubladendenken.

Gruß Brady
 
Aber ist es nicht Schubladendenken, wenn man eine Diagnose erst aussprechen darf, wenn der Pat. das 18. LJ. vollendet hat?

Borderline- die Diagnsoe scheint immer noch ein ganz besonderes Stigma zu sein, was um jeden Preis vermieden werden muss. Wer setzt Stigmatas und für wen werden diese Stigmatas wichtig?

Hier erfahren Eltern die Diagnose und schon kommt Pflege mit Vorurteilen. Ist es nicht so, dass man ein Diagnose auch annehmen kann/ sollte und dafür die Unterstützung von Pflegekräften braucht?

Im somatischen Bereich betonen wir, dass die Diagnosefindung eine rein ärztl. Sache ist. Ist das im psychiatrischen Bereich anders?

Die Frage war:
Eine 16 jährige Patientin ist in der geschlossenen Unterbringung seit Anfang September.
Sie bekommt 2 - 3 mal die Woche Besuch von den Eltern.
Ist das ausreichend? Ist das zuviel?
Die Besuche werden mit Gesprächen und spielen (Skrabbel, Kartenspiele) verbracht.
Wieviel Besuch ist angebracht, um das Kind zu unterstützen und wie sollen sich die Eltern verhalten?
Wie können sie das Pflegepersonal unterstützen?

Und hier hätte ich mir Antworten erhofft- keine (Be)-wertung der Diagnose.

Elisabeth
 
Hallo Elisabeth,

so weit bin ich doch noch gar nicht in meinen Überlegungen. Will mehr zu der Patientin wissen.

Ok, hier steht die Diagnose auch anscheinend fest, wichtig auch hier schnell eine Diagnose zu treffen um geeignete Schritte einleiten zu können.

Alles ist individuell zu sehen und das macht es eben auch nicht leicht.
Die Diagnosefindung ist im gesamten Team eine Herausforderung. Natürlich legt der Arzt sie fest. Die Diagnose ist ganz bestimmt keine Bewertung, aber hat Einfluss auf alles was danach geschehen wird oder auch passieren soll.
Was ist, wenn jemand eine Diagnose bekommt, die ihn über- bzw. unterfordert? Aber das führt auch zu weit.

Wertfreiheit ist auch für mich oberstes Ziel, überhaupt funktioniert Psychiatrie nur wertfrei. Nur kann ich auch nicht die Augen verschließen, was es für denjenigen bedeutet. Viele unsere Patienten haben Angst vor Bewertung, das ist aber eben genau das, was dort nicht geschieht oder geschehen soll. Alleine ein Bild in der Gestaltung zu zeichnen macht dem einen Patienten schon Angst, weil er Angst vor Bewertung hat.


Gruß Brady
 
Hallo Zusammen,

also ich kann Bradys Einwände gut verstehen. Ich habe einige Jahre auf einer Station gearbeitet, auf der vorwiegend PatientInnen mit einer Borderline-Störung behandelt wurden.
Auch wir haben uns gesträubt gerade bei jungen Patienten (unter 21 Jahren) diese Diagnose auszusprechen, eben aus den bereits geschilderten Gründen. Eine Borderline - Störung zeigt sich meist erst im Verlauf einiger Jahre. Es gibt leider immer noch genügend Ärzte/ Therapeuten, die eine BPS diagnostizieren, wenn es irgendwie passt. Eine Zeit lang schien es gar eine "Mode - Diagnose" zu sein.
Die Recherchen im I Net sind auch nicht immer zu empfehlen. Kann auch sehr verunsichern.
Ich persönlich würde mich an einen Therapeuten wenden, der sich mit psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter gut auskennt und am sinnvollsten auch Erfahrung mit Familientherapie hat. Hier ist am ehesten guter Rat zu erwarten, wie die Eltern sich verhalten sollen, wie sie helfen können.

Auch im psychiatrisch- psychotherapeutischen Bereich ist natürlich die Dokumentation der Diagnose Arzt-/ Therapeutensache. Aber die passende Diagnose wird anhand gemeinsamer Beobachtungen und gegenseitigem Austausch aller an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen gestellt.

Ich finde es schwierig, bzw. unmöglich von hier aus einen Rat zu geben, ohne verschiedene Sichtweisen gehört zu haben und vergleichen zu können und ohne den Kontakt zwischen Eltern und Kind wahrnehmen zu können.

LG MC
 
Ich wollte ganz still und leise nach Informationen suchen.
Anstatt Schwester Sabine, bin ich jetzt "Angehörige"
und völlig hilflos, weil ich nicht weiß, was ich darf, soll, muss.
Ich bin die Mama.
Ich bin leide noch nicht bereit, darüber zu sprechen...
tut mir leid. Es ist nicht einfach und ich habe solche Angst, Fehler zu machen, die sich auf das Kind nachteilig auswirken. Ich ahnte nicht, das ich so eine große Diskussion auslöse.
Ich verspreche euch, wenn ich etwas Zeit habe, erzähle ich euch Josies Geschichte.
Aber jetzt noch nicht.
Dake. Sabine
 
Hallo Sabine,

wie du gelesen hast, löst es sehr viel aus. Was muss es erst bei Dir auslösen als Mutter? ..................................

Frage in der Klinik nach, was sie dort für richtig halten. Scheue Dich auch nicht zu sagen, welche Gefühle du hast, wovor du Angst hast. Frage alles nach, was dir nicht begreiflich ist...

Lese auch mal diesen Thread; MiChung hat dort auch gute Bücher zu dem Thema reingestellt.

Zusammenarbeit mit Angehörigen psychisch kranker Menschen



Alles Gute für Dich und dein Kind Brady
 
Als ebenfalls betroffene Mutter muss ich sagen: die passende Hilfe für Angehörige ist oft sehr dürftig. Nicht selten erlebt man Schuldzuweisungen. In Krisen steht man der Situation völlig alleine gegenüber.

Trotzdem würde ich/ nutze ich jede Informationsquelle: Therapeuten, Bücher, Internet, Selbsthilfegruppen.

Elisabeth
 
Hallo zusammen!

Ich betreue als Fachkrankenpfleger schwerpunktmäßig Menschen ab 16 mit Borderlinestörungen.

Die Borderlinestörung gehört zu den Persönlichkeitststörungen und soll somit - wie alle Persönlichkeitsstörungen - nicht vor dem 16. Lebensjahr diagnostiziert werden.

Wir arbeiten mit der Dialektisch - behavioralen - Therapie (kurz DBT), die Folgende Kernsymptome kennt:

Affektive Dysregulation, also die Unfähigkeit, Gefühle angemessen handhaben zu können. Diese Eigenschaft ist vermutlich teilweise genetisch bedingt.
Innere Anspannung: Einschießende starke aversive Spannung ohne handlungsweisende Intention
Affektregulation: Niedrige Reizschwelle, intensive Emotionen, langsame Rückbildung, langsame Habituation (Gewöhnung)
Grundgefühle: tief greifende Einsamkeit, Zweifel an der eigenen Identität, tiefes Insuffizienzgefühl, Gefühl, hohl und leer zu sein, negatives Körperbild, große Angst vor dem Allein sein

Ferner leiden Menschen mit einer Borderlinestörung deutlich stärker unter Suizidalität als die "Normalbevölkerung"

Selbstverletzendes Verhalten (z. B. Schneiden) berifft ca. 85%

Zum Stichwort "Modediagnose": Der begriff Borderline im Zusammenhang mit dieser Störung ist älter als der der Schiophrenie, wurde erstmalig 1884 (damals noch "borderland") von einem gewissen Hughes genannt (Eugen Bleuler führt erst 1907 den Begriff Schizophrenie ein)

Nun zurück zur Ausgangsfrage:

Besuch der Eltern 2 - 3mal die Woche - richtig, zuwenig - zu viel?

kann ich nur mit einer Standardantwort beantworten: Das kommt darauf an!

Vermutlich haben ca. 75% der Menschen mit Borderlinestörungen Missbrauchserfahrungen hinter sich, davon die überwiegende Zahl innerhalb der Familie, viele von Kind an. Sollten die Eltern zu den Tätern gehören, wäre eine absolute Kontaktsperre sinnvoll.

Als eine von mehreren Ursachen, die zur Entstehung der Borderlinestörung beitragen, wird ein besonderer Kommunikationsstil innerhalb der Familie angesehen, so dass ein so gennanntes "Nicht validierendes Umfeld" entsteht.
Ausführungen würden zu lange dauern, es geht darum, dass die Kinder / Jugendliche in ihren Selbstwahrnehmungen und konzepten von der Umwelt ständig verunsichert werden, bis sie sich selbst nicht mehr trauen und sich für alles schuldig fühlen.
Sollte es einen solchen Kommunikationsstil geben, wäre vermutlich ein eingeschränkter (alle 14 Tage / einmal im Monat) Kontakt sinnvoll.

Grundsätzlich ist es Thema jedes Jugendlichen, sich mit den Eltern zu streiten und Individualität auszubilden.

Bei aller Wissenschaft kann man aber in der Regel am Befinden der Patientin sehr schnell herausfinden, ob die kontakte zu den Eltern eher hilfreich oder eher schädlich sind.

Zum Schluss noch was:

laut Prof. M. Linehan und Dr. M. Bohus, beides "Borderline - Koriphäen", spalten Borderliner überhaupt nicht, schon gar nicht Teams. - Denkt mal drüber nach.

Lieben Gruß

Friedrich
 
Ich werde jetzt aber diesen Thread schließen, da die Threaderöffnerin sich nicht weiter oder besser gesagt durch ihre emotionale Beteilung nicht weiter dazu äußern möchte, bzw. zu diesem jetzigem Zeitpunkunkt. Dies sollten wir akzeptieren.

Liebe Grüße Brady
 
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