Borderliner - Belohnung nach dem Ritzen/Kokeln?

*Tigerente*

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21.11.2006
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27
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Lüneburg
Beruf
Krankenschwester
Hallo zusammen,

ich hab heute eine Riesenwut in mir, eine Pat. kokelte Gestern hinter ihrem Bett rum - die Bettnachbarin kam dazu und holte mich sofort....

Davon abgesehen, dass ich weiß, wie vielschichtig dieses Krankheitsbild ist, mache ich mir vermehhrt Gedanken, wie man verhindern kann, dass eine Belohnung (positive Verstärkung?) stehenden Fußes folgt.

Langes Gespräch mit mir, Medis, langes Gespräch mit dem AvD, geschützer Bereich für eine Nacht - und dann auch noch die Bettnachbarin (dadurch nahezu aus der Bahn geworfen....) sie ging auf Wunsch kurz in den geschützten Bereich und bekniete die Borderline-Pat, bitte, bitte nicht böse zu sein, weil sie das PP informiert hatte....

Ist diese Kette der Belohnung tatsächlich nicht zu verhindern?

Wie kann man hier eine positive Verstärkung vermeiden??


Die betroffene Pat. agiert über Zeichnen und Vorgabe anderer Befindlichkeit - an ihre Gefühle kommt sie derzeit überhaupt nicht ran.....eine Verlegung in eine andere Klinik zwecks Traumatherapie ist geplant.

Mein Eindruck ist, dass sie sich nicht gesehen fühlt...die Bezugspflege gestaltet sich zwar recht intensiv - aber es gelingt ihr nicht, über das zu sprechen, was sie wirklich momentan bewegt....

Dies drückt sie dann - wenn es ihr schlecht geht - in eindrucksvollen Bildern aus - auch Gestern, nachdem sie im Bett ein Taschentuch in Brand gesteckt hatte, reichte sie mir ein Heft mit
Zeichnungen...eindrucksvoller gehts nicht....da schafft sie es, alle Gefühle reinzupacken.... (*Zu viele Medis....* oder *mir ist nach Kokeln...* )

Wie sind Eure Erfahrungen?

LG

von der Tigerente

Marlies
 
Hi Marlies!

Arbeite auf einer offenen allgemeinpsychiatrischen Station mit dem Schwerpunkt Borderline-Störung und DBT - Programm.

Das von Dir angesprochene Problem ist ein sehr häufiges im alltäglichen Umgang mit Borderline - Patienten.

Die Haltung innerhalb der DBT (Dialektisch-behaviorale-Therapie, speziell für "Borderliner") ist eben genau, dass die notwendigen Maßnahmen nach selbstschädigendem Verhalten so neutral und kurz wie möglich gehalten werden.
Das bedeutet, dass die notwendige Wundversorgung erfolgt, bei uns in der Regel so weit wie möglich durch die Patientin selbst unter unserer Aufsicht.
Desweiteren gehen wir in der Regel davon aus, dass eine Selbstschädigung eine Entlastung (kurzfristig) bringt, also normalerweise dann keine Bedarfsmedikation nötig ist.
Wir versuchen dabei, uns so neutral wie möglich zu verhalten, also weder vorwurfsvoll noch genervt oder entäuscht. Verhaltenstherapeuten nennen das "Löschen ungewünschten Verhaltens"
Wenn die Patientin aber sinnvolles und erwünschtes Verhalten zeigt (z. B. den Tag ganz normal bewältigt), erhält sie eher Zuwendung, indem wir nachfragen und rückmelden, dass sie es heute geschafft hat, ohne sich zu verletzen o. ä. Verhaltenstherapeutisch ist das ein C+, also eine positive Verstärkung erwünschten Verhaltens.

Wenn jedoch eine Patientin Feuer auf Station legt, und sei es "nur" ein Taschentuch, so ist das eine aggressive Fremdgefährdung und würde in der Regel zum Ausschluss von der Therapie auf unserer Station führen, ggf. sogar zur Anzeige wg. Brandstiftung.

Die Station ist keine rechtsfreie Zone und wir halten es für sehr wichtig, sie gewaltfrei zu halten.

Auch das AvD - Gespräch kann kurz gehalten werden, indem die Eigen- oder Fremdgefährdung abgecheckt wird und entsprechend verlegt wird oder nicht. Eben auch möglichst neutral.

LG

Friedrich
 
Hallo Friedrich,

ich danke Dir für Deine Ausführungen - ganz genauso soll es sein - nur hatte ich Gestern halt nicht das Gefühl, dass es so gelaufen ist.

Als Newbie in der Psychiatrie mach ich mir natürlich noch unentwegt Gedanken und reflektiere mein Verhalten auch immer wieder...

Nein, nein - verrückt mache ich mich nun nicht - ist eben alles sehr interessant und noch relativ neu für mich:!:

Hoffe, ich habe demnächst endlich die Möglichkeit, an einer Fortbildung - speziell zu diesem Krankheitsbild - teilzunehmen.

Ich wünsche Dir noch einen schönen Abend!


LG
von der Tigerente :wavey:
 
schließe mich "friedrich" an, kenne dies auch nur so...dies ist der korrekte ablauf, weiteres Mittel ist das schreiben einer "VA" (Verhaltensanalyse) um zu sehen, wie ist es dazu gekommen, wer war beteiligt u.s.w. !
Dies allein finden manche Pat. bereits als Strafe, dem ist aber nicht so !
Gute Möglichkeiten in der Bezugspflege nochmal Stellung zu beziehen und daran zu arbeiten !
Natürlich hindert dies niemenden sich zu verletzen, aber die Arbeit erleichtert es gewiß !

Flitze
 

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