Was ich sehr schade finde ist, dass ich mich immer noch ständig beweisen muss und alle meinen mich kontrollieren zu müssen. Ich fühle mich wie eine Schülerin der man nichts zutraut. Ich war in der Zeit meiner Ausbildung selbstständiger.
Es gibt auch die andere Sichtweise. Nämlich, dass man erst nach Jahren eine erfahrene Pflegekraft ist, und tendenziell erst nach weit über einem Jahrzehnt ein Pflegeexperte (siehe Kompetenzstufenmodell von Benner). Natürlich kann man übliche Situationen bei ITS-Patienten nach paar Monaten schon beherrschen, aber ITS bedeutet auch, dass alle paar Jubeljahre mal Situationen vorkommen, die man vorher niemals gesehen hat, aber die erfahrene Kollegen kennen.
Man kann auch nach Jahren noch Fehler machen, weil man eben auch nach Jahren noch nicht erfahren ist, im Sinne von Benner. Es geht nunmal um Menschenleben. Ich hab in letzter Zeit wieder ein paar Mal erlebt, dass Fehler passieren, bei Kollegen die schon deutlich länger als ein Jahr dabei waren. Selbst jemand mit Fachweiterbildung hab ich schon gravierende Fehler machen sehen, wesentlich schlimmer als die meisten Neulinge. Man kann niemanden 100% vertrauen, auch sich selbst nicht!
Das Problem ist doch wenn man die "Angst" verliert, wenn man nicht mehr das Gespür dafür hat, wie schnell man jemanden umbringen kann. Das ist wie beim Klettern, da sagt man: "Routine ist der Killer". Vielleicht haben Kollegen einfach schon zu oft beobachtet, dass vermeintlich erfahrene Kollegen sich nach einer Eingewöhnung so über die Routine freuten, dass sie die Angst verloren. Und dann passieren wieder Fehler, andere Fehler als zu Beginn, und in anderen Situationen, aber das machts nicht besser.
Ich schau auf die Patienten der jungen Kollegen drauf, weil ich mehr als einmal erlebt habe wie jemand psychisch völlig fertig und weinend eine Pause nehmen musste und über Versetzung nachdachte. Ich möchte mich nicht als toller Pfleger aufspielen, sondern die Kollegen schützen. Ich ändere auch nicht einfach was am Patienten, oder mache was an deren Patienten, aber ich mische mich schon ein, sage den Kollegen was ich persönlich jetzt machen würde und warum. Unerfahrene Kollegen können unerfahrenen Assistenzärzten nicht so helfen, wie es ein erfahrener Kollege kann, und der junge Kollege lernt in dem Augenblick doch auch dazu, wenn ich mit dem Doc über dessen Patienten diskutiere.
Wie gesagt, es geht am Ende immer noch um Menschenleben, und keiner ist perfekt, und wenn ich auf irgendwas nicht komme, dann bin ich doch froh wenn sich ein Kollege einmischt und sagt: macht mal das und das. Meiner Meinung nach ist praktisch immer noch viel Spielraum nach oben, in der Verbesserung des Outcome durch pflegerische Handlungen. Natürlich auch bei mir, weswegen ich ja auch weiterhin ständig hinzulerne und froh bin, wenn mir Kollegen auf die Finger schauen. Persönliche Animositäten sollte man da zurückstellen, das eigene Ego nutzt dem Patienten nichts.
Und ehrlich, wer nach einem halben Jahr schon glaubt, man müsse ihm vertrauen, den verdächtige ich, dass er das Gefühl verloren hat, was so alles passieren kann, bzw. dass auch nach Jahren noch unbekannte Situationen vorkommen können, die im ersten Augenblick bekannt aussehen, wenn man nicht das entscheidende Detail mitbekommt.
Anfänger die die Angst verlieren, machen mir persönlich Angst.