Nachdem hier die talk-talk-talk-Phase abgeklungen ist
ein neues Beispiel aus der aktuellen Politik:
Ehrenamtliche für die Pflege
Auf solche Ideen kommt ein "Pflegebeauftragter" der Bundesregierung:
Vorstoß von Laumann: Ehrenamtliche für die Pflege. Da macht die Rente mit 63 doch erst richtig Sinn, oder? Freue mich schon darauf, was als Nächstes kommt!
Nach den Strafgefangenen und Schleckerfrauen (sie mögen mir die Bezeichnung verzeihen) nun die aufwandsentschädigten Ehrenamtlichen mit Übungsleiterpauschale.
Möchte ich, wenn ich alt und pflegebedürftig bin, ehrenamtliche Rentner an meinem Bett sitzen haben? Kann ich mich dann dagegen wehren oder muss ich ungefragt akzeptieren, dass jemand seine immer bescheidener werdende Rente damit aufbessert, mit mir eine ungewünschte Konversation zu betreiben, der ich mich nicht entziehen kann?
Grundsätzlich klingt die Idee ja erst mal nach Nachbarschaftshilfe, was grundsätzlich in Ergänzung zu professioneller Pflege helfen kann. Die sozialen Bindungen im betagten Alter zu fördern, ist sicher auch nicht schlecht.
Aber bitte nicht in der Pflege,
- wo Menschen beim Essen Reichen durch Aspirationspneumonie sterben oder gar gleich ersticken,
- wo es Kraft und Technik braucht, damit der Pflegebedürftige nicht stürzt oder überhaupt mobilisiert wird, und die Pflegekraft selbst nicht zum Bandscheibenvor-Pflege-fall wird,
- wo die Intimpflege immer noch eine intime Angelegenheit ist, die auschließlich in einer familiären oder professionellen Beziehung keine Grenzüberschreitung darstellt,
- wo Gewalt ein sehr verbreitetes Phänomen ist, sobald Überforderungssituationen auftreten, die eines professionellen Berufsverständnisses bedürfen, um trotzdem die richtigen Schlüsse zu ziehen oder um überhaupt die rechtlichen Grenzen zu kennen.
Aber das ist alles kein Problem, denn was die jungen Schwestern in drei Jahren lernen, das lässt der Herr Laumann bei den alten erfahrenen Menschen mal eben schulen, und fertig ist die ehrenamtliche Untersützungskraft.
Je mehr ich darüber nachdenke, umso größer wird meine Angst, dass mir dann Total-Laien die Ernährungslösung in die Venen pumpen, was jetzt schon gering qualifzierten Hilfskräften unterläuft.
Dieses Beispiel zeigt wie eh und jeh, dass die Pflege eine starke Lobby auf politischer Ebene braucht.
Warum nicht ehrenamtliche Tapezierer, Fliesenleger, Tischler, Mauer, Gärtner, Reiningungskräfte, Steuerberater, Ärzte, Juristen, Pflasterer, Gas- Wasser- und Heizungsinstallateure, die ihre Rente/Pension aufbessern wollen oder einfach nur ein Betätigungsfeld suchen, in dem sie sich auch wirklich auskennen? Warum sollen sie nicht - steuerfrei und ohne Preisbindung - tun dürfen, was sie beherrschen, um damit die Pflegebedürftigen finanziell zu entlasten?
Gibt es hier eine Lobby, die sich vor einer Konkurrenz im Ruhestand fürchtet? Was müssen professionelle Pflegende erst fürchten, wenn nicht mehr nur die Rund-um-die-Uhr-Konkurrenz aus Polen, sondern aufwandsentschädigte Laien die Preise machen?
Ich möchte wetten, dass ein bestimmter Arbeitgeberverband für soziale Leistungen schon ein Schulungskonzept in der Schublade hat, mit dem er seine neuen Unterstützungskräfte auf Kosten der Sozialkassen schult und dann mit Gewinn in der Pflege zur "Unterstützung" der Pflegekräfte einsetzt, für dessen Sprachrohr er sich hält.
Denn so läuft das mit der Lobby: Die Lobbyisten reichen die Vorschläge ein, die die fachfremden Politiker gar nicht so schnell und ausgefeilt ersinnen können. Was würde sich erst ein "Bundesminister für Pflege" einfallen lassen, den sich die privaten Arbeitgeberverbände der Pflege so gewünscht haben? Die Betonung liegt auf "lassen".
Auch der SoVD sieht den Vorstoß Laumanns äußerst kritisch:
Kritik an Vorschlag zum Einsatz von Ehrenamtlichen in der Pflege | kobinet-nachrichten
Viel wichtiger sei laut Bauer in diesem Zusammenhang, Angehörige zu unterstützen, indem beispielsweise die Politik dafür sorgt, dass Beruf und Pflege besser miteinander vereinbar sind. "Außerdem schafft Herr Laumanns Vorschlag beim drohenden Fachkräftemangel keine Abhilfe"
Wir brauchen ein pflegeberufliche Autorität, die die politischen Angelegenheiten der Pflege mit fachlichen Argumenten vertreten kann - Landes-Pflegekammern und eine Bundes-Pflegekammer. Was dabei herauskommt, wenn fachfremde Instanzen ohne pflegepolitisches Korrektiv politisch herumwurschteln, zeigt das hier beschriebene Beispiel.
Wäre schön, wenn hier jetzt keine neue talk-talk-talk-Phase einsetzt.