Versteht mich nicht falsch, aber so richtig verstehe ich diese Aufregung einfach nicht. Immer wieder liest man mal vor allem in Pflegeforen, wie sich Pflegekräfte über ihre Situation, darunter auch die mangelnde Wertschätzung, beschweren. Leider verpufft das Ganze dann wieder ziemlich schnell, warum auch immer.
Aber kaum bringt eine scheinbar sehr gedankenloses Versicherungsunternehmen eine unglückliche Werbung, wird dieses im Internet richtig angefeindet.
Bin ja gespannt ob diese Wut in etwas Konstruktives umgewandelt werden kann.
Es gibt mindestens zwei legitime Umgangsweisen mit solchen Verunglimpfungen:
- Man lässt einfach mal die Luft raus und reagiert sich z. B. in Foren ab. Dann fühlt man sich hinterher vielleicht besser, weil man seine Aggressionen abbauen konnte. Das kann richtig Spaß machen.
- Oder man sucht nach einem Weg, der nachhaltig eine Besserung bewirkt. Da bleibt allerdings die kurzfristige Befriedigung auf der Strecke. Aber die Aussicht auf wirkliche Besserung steht hier im Vordergrund.
Ich finde beides gut. Ein bisschen abreagieren und den Dampf dann in eine nachhaltige Strategie umleiten.
Nachhaltig wird sich unser Bild in der Gesellschaft nur ändern, wenn wir es selbst definieren und die Deutungshohheit übernehmen. Dafür brauchen wir mindestens 2 Faktoren:
Deutung:
Wir müssen eine Deutung haben, die über die alltagsnahen Aufgaben von Essenreichen, Waschen, bei der Ausscheidung unterstützen usw. hinausgeht. Die Versicherung spiegelt wieder, dass unseren Job im Grunde jeder machen kann. Genau darin besteht die Verunglimpfung. Wir haben etwas gelernt - in 3 Jahren - zum Teil auch noch selbst bezahlt - was jeder kann, wenn er nur will, was so gesehen auch nicht viel kosten darf.
Wenn unsere Deutung einen höheren Anspruch widerspiegeln soll, müssen wir das "Fach" im Fachkräftemangel viel deutlicher herausarbeiten. Und wir müssen nach außen hin klar machen, was den Unterschied ausmacht. Dafür müssen wir besonders die gesundheitlichen Folgen von falscher Pflege, von nicht erkannten Risiken, von besonderen Anforderungen an die Pflege aufgrund der Morbidität der Zielgruppe (z. B. Bobath bei Appoplex, Validation bei Demenz, Kinästetik bei Gangunsicherheit usw.) in die öffentliche Diskussion tragen, auch im uns wohlgesonnen Freundeskreis. Wir müssen pflegewissenschaftliche Erkenntnisse in die öffentliche Diskussion bringen und damit zeigen, wo die Grenzen der Laienpflege liegen. Es geht nicht nur um nett sein, lieb sein, da sein und auch mal in den Arm nehmen (darum natürlich auch), sondern es geht um Leben und Tod, um gefährdete Gesundheit und lebenswertes Leben - um nichts weniger, wenn Fachkräfte gefragt sind.
Hoheit:
Und um die Hoheit über die Deutung zu erlangen, sollten wir nicht warten, bis die ganze Gesellschaft Pflege versteht. Die Gesellschaft versteht auch die Medizin nur in bescheidenem Umfang. Wir brauchen ein gesellschaftlich legitimiertes Organ, dass von Rechts wegen den Status hat, zu definieren, was gute Pflege ist. Es gibt nur eine Organisationsform, die sicherstellt, dass die Deutungshoheit in den Händen der Pflegeberufe bleibt und nicht durch fachfremde Köpfe dominiert werden kann und das ist eine Pflegekammer. Durch eine Pflegekammer werden hoheitliche Aufgaben des Staates (Bundeslandes) an die Berufsgruppe übertragen. Was die Gesellschaft nicht in seiner Tiefe nachvollziehen kann, wird von der Pflegekammer definiert. Sie setzt fachliche Standards, die dann z. B. von Kostenträgern ebenso wie von Arbeitgebern akzeptiert werden müssen, weil sie sonst gegen den geltenden Standard verstoßen. Weil das so ist, wehren sich diese auch gegen die Errichtung von Pflegekammern. Sie haben Angst vor dem Einfluss der Pflege, Angst Macht abzugeben und Angst, dass die Pflege mehr Geld kostet, als sie ausgeben wollen. Das lange Hinhalten bezüglich des Pflegebedürftigkeitsbegriffs ist ein unzweifelhaftes Symptom dafür.
Da an anderer Stelle über Pflegekammern hier im Forum reichlich gestritten wurde, will ich hier nicht weiter ausholen, sonst wiederholt sich hier nur, was in anderen Threats alles schon besprochen wurde.
Aber für mich hängt unser Bild in der Gesellschaft unmittelbar an Deutung + Hoheit.
Ohne die organisierte Hoheit müssten wir unsere Deutung immer und immer wieder von Neuem erklären und immer und immer wieder würden wir unverstanden bleiben. Mit Hoheit gilt in der Öffentlichkeit erst mal das, wass unsere Berufsgruppe definiert, solange es nicht widerlegt werden kann. So bekommen wir eine nachhalige Deutungshoheit - durch gesetzliche, dauerhafte Übertragung auf unsere Berufsgruppe.