Jeder 5. hat Gewalt in der Pflege erlebt?

Zweifelsfrei ist eine Fixierung Zwang und Gewalt. Eine Medikamenteneinnahme, bei der die PK den Patienten vom Nutzen des Medikamentes zu überzeugen versucht, nicht. Hier kann der Patient immer noch weitgehend selbst entscheiden, ob er das Medikament nimmt oder nicht. Das ist sein gutes Recht.
Und diese beiden Sachverhalte muß man unterscheiden, man kann sie nicht in einen Topf werfen.
 
Mir war nicht klar, dass der Patient eine Wahl hat, wenn hier von Medeinnahme unter Zwang die Rede ist.

Wenn ich den Patient über Med. XY aufkläre, nenne ich das nicht zwingen, auch nicht in Anführungszeichen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Da sind wir eben genau wieder an dem Punkt: was ist Zwang? Fällt unter Zwang schon die Situation, daß der Patient ein Medikament nehmen sollte, weil es ihm hilft und man sozusagen nachdrücklich auf diesen Zusammenhang hinweist? Für mich ist das kein Zwang, für andere aber sehr wohl.
Marty, da ich ihn dazu bringen will, das Medikament zu nehmen, das er nicht nehmen will, scheint das für einige doch Zwang zu sein, wie man hier lesen kann...
 
Kommt darauf an was du mit nachdrücklich meinst.
Hat der Patient danach noch eine wirkliche Wahlfreiheit?
Hat er Repressalien danach zu befürchten?
...
 
@Eisenbarth:
"da sieht man eben nicht, wie unterschiedlich etwas definiert wird. das ist ein logischer fehlschluss."
Das ist wohl eher ein Fehlschluss Deinerseits! Natürlich sieht man da die unterschiedlichen Definitionsmöglichkeiten mit ihren jeweiligen Konsequenzen!...

http://www.dhpol.de/de/medien/downloads/hochschule/13/VIMA_Fragebogen.pdf gibt schon vor, was man sich so drunter vorstellt. Ich bezweifele auch, dass man bei der Umfrage vor allem an Psychiatriepat. gedacht hat. Wenn ich mir die Linkliste ( Pflege und Gewalt - Linksammlung - Zentrum für Qualität in der Pflege / Thema Pflege )ansehe, dann geht es wohl vornehmlich um ältere Menschen in der häuslichen Pflegesituation.

Elisabeth
 
Da muß ich sqaw zustimmen,denn im Endeffekt tun wir als Pflegepersonal dem Patienten regelmäßig "Zwang" an und sei es nur,in dem wir auf die Einhaltung seiner ärztlich verordneten Bettruhe achten und ihn so "zwingen",Steckbecken und Urinflasche zu benutzen. Wenn das dann schon zur "Gewalt" gezählt werden soll,machen wir uns an jedem Arbeitstag hunderte Male strafbar... Da dies nun doch sehr sehr aufwendig für die Staatsanwaltschaften wäre,sind solche Begriffe wie "Zwang" und "Gewalt" weit gefächert definierbar,weswegen Eisenbarths "logischer Fehlschluß" wohl doch eher ein "Fehlschuss" ist :troesten:.

nö, ich machte keinen fehlschluss.


es war von zwang die rede. zwang ist eine mittelbare oder unmittelbare anwendung von gewalt. gewalt anzuwenden bedeutet nicht automatisch, sich strafbar zu machen.

bleibt mal locker.

die frage ist eher, ob es nicht auch in vielen fällen ohne gewalt oder zwang geht.

meine erfahrung ist eigentlich, fast nie zwang/gewalt anwenden zu müssen. man braucht dann halt wesentlich mehr zeit. und wer dann gewalt und zwang anwendet, ist eher der arbeitgeber (der letzte satz ist tendenziös zu verstehen).
 
meine erfahrung ist eigentlich, fast nie zwang/gewalt anwenden zu müssen. man braucht dann halt wesentlich mehr zeit.

Das ehrt Dich und macht mich neugierig auf Deine Erscheinung! Gleichzeitig möchte ich wissen, ob Du tagtäglich am Bewohner / Patienten arbeitest, also an der Basis bist?
Außerdem weise ich noch einmal auf die derzeit üblichen Arbeitsbedingungen hin und darauf, daß es in Zeiten finanziellen Druckes und fehlenden Personals gelegentlich zu "Überreaktionen" kommen kann- siehe die Beiträge zum "multifaktoriellen Geschehen" von HHS!
 
gewalt anzuwenden bedeutet nicht automatisch, sich strafbar zu machen.
Eben! Ich hatte bereits versucht, dies klarzustellen, aber im Eifer des Gefechts wird hier wohl ab und zu was überlesen.

Eine Fixierung ist selbstverständlich eine Gewaltanwendung im Sinne eines Einschnitts in die Autonomie, aber nur in einigen Fällen eine Straftat.
 
Ich glaube, wir müssen uns mehr auf die Metaebene begeben. Vielleicht hat wirklich jeder 5. Gewalt in der Pflege empfunden, ohne daß es welche war, wäre doch möglich, oder?
 
Ich fürchte, umgekehrt wird ein Schuh draus. 100% der Pflegekräfte wenden Gewalt an, sind aber sicher, sie täten es nicht.

(Okay, 95%. Weil ein kleiner Teil von uns es ja schon zugibt.)

Ich spreche nicht nur von physischer Gewalt, obwohl wir, denke ich, alle wissen, das dies leider auch schon vorgekommen ist.
 
Sorry, Claudia, aber das kann und sollte man keinesfalls so stehenlassen!!! Wenn Du das so sehen willst, dann gehören die meisten in der Medizin oder Pflege Tätigen mit zu den "Gewalttätigen". Dann wären alle diese Bereiche ja generell gewalttätig!
 
100% definiere ich nicht als "die meisten" sondern als "alle", aber nun ja.

Du scheinst immer noch von der physischen Gewalt, noch dazu der ohne Rechtfertigung, auszugehen. Gewalt ist aber viel mehr. Verbale Aggressivität ist auch schon eine Form von Gewalt.

Du hast noch nie einem Patienten gesagt: "Sie müssen noch warten, ich hab keine Zeit!"? Noch nie eine Glocke außer Reichweite gehängt, damit der Patient nicht dauernd ohne Grund klingelt? Noch nie jemandem ein Flügelhemd angezogen, weil es praktischer ist, oder eine Inkontinenzhose statt seines Schlüpfers? Du hast noch niemanden fixiert, kein einziges Bettgitter hochgezogen, nicht einmal den Arm festgehalten, damit ein anderer Blut abnehmen konnte?

Dann bist Du ein Wunderkind.
 
Das ehrt Dich und macht mich neugierig auf Deine Erscheinung! Gleichzeitig möchte ich wissen, ob Du tagtäglich am Bewohner / Patienten arbeitest, also an der Basis bist?
Außerdem weise ich noch einmal auf die derzeit üblichen Arbeitsbedingungen hin und darauf, daß es in Zeiten finanziellen Druckes und fehlenden Personals gelegentlich zu "Überreaktionen" kommen kann- siehe die Beiträge zum "multifaktoriellen Geschehen" von HHS!

langjährige erfahrung altenheim & ambulante krankenpflege
 
ich bin sicher kein Wunderkind, habe aber während meiner aktiven Zeit mein Möglichstes getan. Trotzdem gefällt mir nicht, wohin diese Diskussion hier abdriftet. Denkt man die letzte Konsequenz, sollten wir also doch wieder ausschließlich zur Naturheilkunde und alten Heilverfahren zurückkehren, oder?
Dann weg von der zu 100% gewalttätigen Medizin...
 
Muss ich verstehen, wie Du jetzt auf Naturheilverfahren kommst?

Bei alten Heilverfahren kommt's aufs Alter an. Vor Entdeckung des Äthers wurde sicher deutlich mehr physisch fixiert als heute. Dahin will bestimmt keiner zurück.

Gewalt fängt viel früher an, als allgemein vermutet wird. Und Gewalt ist seltener notwendig, als man denkt.

Ein Teil der Gewalt ist zum Schutz anderer gerechtfertigt. Ein Teil der Gewalt ist uns bewusst, aber Zeit- oder Personalmangel geschuldet. Und ein sehr großer Teil der Gewalt ist so sehr pflegerischer Alltag, dass wir ihn für völlig normal halten - obwohl es nicht so sein müsste.

Den ersten Teil können wir - unter strenger Indikationsstellung - beibehalten. Gegen die beiden anderen Teile müssen wir im Interesse der Patienten angehen. Und jeder einzelne von uns kann sehr wohl mit seinem Verhalten zur Gewaltprävention beitragen. Diese Verantwortung können wir keinen anderen in die Schuhe schieben.
 
Bevor wir jetzt wieder zu den Affen kommen: Sollten wir nicht doch wieder vernünftig mit den Begriffen Zwang und Gewalt umgehen und den ganz normalen vernünftigen Menschenverstand einschalten?
 
Eben! Ich hatte bereits versucht, dies klarzustellen, aber im Eifer des Gefechts wird hier wohl ab und zu was überlesen.

Du hast es wirklich gut versteckt....Schade! Da bin ich mal gespannt, wie lange die Presse braucht, um diesen Thread zu entdecken, und alles gegen uns Pflegekräfte zu verdrehen....

Ich fürchte, umgekehrt wird ein Schuh draus. 100% der Pflegekräfte wenden Gewalt an, sind aber sicher, sie täten es nicht.

(Okay, 95%. Weil ein kleiner Teil von uns es ja schon zugibt.)

Ich spreche nicht nur von physischer Gewalt, obwohl wir, denke ich, alle wissen, das dies leider auch schon vorgekommen ist.

Wie squaw schrieb: "empfinden"

Wie wir hier bereits festgestellt haben, gibt es unterschiedliche Definitionen sowie Verständnis des Begriffes "Gewalt". Die allermeisten Menschen, wie auch viele Pflegekräfte verstanden Gewalt bisher nur als physisch. Zwang wird bei den meisten bisher auch nie wirklich als Gewalt, sondern als etwas eigenständiges gesehen, auch wenn die offizielle Definition was anderes sagt.

Ein Kumpel hörte vor kurzem die Situation auf meiner Pflegestation an, und meinte zu mir "Du musst aufpassen, Du bekommst sonst noch einen Burn-Out".
Der Definition nach Fried wäre das bereits Gewalt. Empfunden habe ich es nicht als Gewalt, auch nicht als Zwang. Auch jetzt, in dieser Diskussion empfinde ich es nicht als solche.

meine erfahrung ist eigentlich, fast nie zwang/gewalt anwenden zu müssen. man braucht dann halt wesentlich mehr zeit. und wer dann gewalt und zwang anwendet, ist eher der arbeitgeber (der letzte satz ist tendenziös zu verstehen).

Ich denke, das ist die Erfahrung von jedem hier. Sei es mittels Kinästhetik, Kommunikationstechniken etc...
Aber auch jeder hat die Erfahrung gemacht, das "Arbeitgeber" aber auch Angehörige (!) dem ganzen schnell ein Ende setzen. Und ich will den Arbeitgebern auch nicht die Schuld in die Schuhe stecken. Auch diese müssen sich finanzieren- in unserem Gesundheitssystem ist für wirklich 100% gewaltfreie Pflege leider kaum Platz gelassen worden.
Ich versuche, so gewaltfrei wie möglich zu arbeiten- und mir bin mir seit dieser Diskussion noch mehr bewusst, wie "gewalttätig" ich teilweise umgehe.
Es klappt leider nicht 100% gewaltfrei, aus uns bekannten Gründen! :-(

Den ersten Teil können wir - unter strenger Indikationsstellung - beibehalten. Gegen die beiden anderen Teile müssen wir im Interesse der Patienten angehen. Und jeder einzelne von uns kann sehr wohl mit seinem Verhalten zur Gewaltprävention beitragen. Diese Verantwortung können wir keinen anderen in die Schuhe schieben.

Ich gebe Dir indem Punkt recht, das wir eine Verantwortung dafür haben.
Aber die Intention darin, der muss ich widersprechen:

Gewaltfreie Pflege geht nicht nur die professionellen Pflegekräfte an!
Gewaltfreie Pflege geht die ganze Gesellschaft was an!

Ich sehe es langsam nicht mehr ein, das wir uns jeden Schuh anziehen müssen und uns für alles verantwortlich fühlen müssen!
Wir haben schon ne ganze Latte an Problemen, schaffen es nicht uns effektiv zu organisieren (Stichwort Pflegekammer).

Jeder einzelne kann natürlich und sollte auch dazu beitragen- und das ist auch immer der erste Schritt zu einer Verbesserung! Aber ändern wird sich wirklich erst was, wenn die gesamte Gesellschaft mal aufwacht und den Wert der Pflege sieht und erkennt, was es dafür alles braucht!
 
Gewaltfreie Pflege geht nicht nur die professionellen Pflegekräfte an!
Gewaltfreie Pflege geht die ganze Gesellschaft was an!

Ich sehe es langsam nicht mehr ein, das wir uns jeden Schuh anziehen müssen und uns für alles verantwortlich fühlen müssen!
...
Aber ändern wird sich wirklich erst was, wenn die gesamte Gesellschaft mal aufwacht und den Wert der Pflege sieht und erkennt, was es dafür alles braucht!

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Absolut richtig!!! :klatschspring::klatschspring:
 
Gewaltfreie Pflege geht nicht nur die professionellen Pflegekräfte an!
Gewaltfreie Pflege geht die ganze Gesellschaft was an!
Mehr wollte ich auch nicht ausdrücken.

Jeder von uns hat seinen Teil der Verantwortung. Den muss er auch selbst wahrnehmen. Diesen Schuh hast Du Dir angezogen, als Du Deinen Beruf gewählt hast: Verantwortung für den Mist, den Du selber verbockst.

Darüber hinaus hat die Gesellschaft, die Politik, die Kostenträger selbstverständlich ihren Teil der Verantwortung zu tragen. Das entbindet unsereins aber nicht davon, selbst darauf zu achten, sich seiner Macht über die Patienten bewusst zu sein und entsprechend damit umzugehen.
 

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