Jeder 5. hat Gewalt in der Pflege erlebt?

Hi,
ich habe folgendes in meinem Nachtdienst erlebt: Beim 1. Kontrollgang wollte ich mit meiner Kollegin eine Bew. versorgen, meine Kollegin ist an die Bew. sehr zügig ohne ein Wort zu sprechen herangetreten und hat die Bettdecke weggezogen, die Bew. hat (verständlicherweise) ungehalten reagiert und hielt die PK fest, die PK reagierte gestreßt, laut und haute der Bew. mehrfach auf die Hände, damit die Bew. sie wieder los lässt, ich bin dazwischen gegangen und habe mit meiner Kollegin gesprochen, dass ihr Verhalten so nicht tragbar ist. Meine Kollegin hat gesagt, dass so etwas nicht nochmal vorkommt, nun habe ich aber miterlebt, dass sie "wieder" herrisch und unkontolliert mit dementen Bew. umgeht, sollte ich den Vorfall melden? Die Kollegin wird im Team sehr geschätzt und ich möchte hinterher nicht wie ein "Unruhestifter" da stehen.
Viele Grüße
Nachteule 2010
 
Sehr richtig, Schwester Rabiata, das fiel mir auch spontan dazu sein.
Gewalt gibt es auf beiden Seiten, auf beiden Seiten sind Opfer und Täter zu finden.
Und dann natürlich die Definition von Gewalt, wo beginnt Gewalt?
Indem ich einen Patienten "zwinge", die verordneten Medikamente einzunehmen?
Beispielsweise?

wenn das eine ernst gemeinte frage ist, dann ist bei diesem beispiel die grenze zur gewaltanwendung ja doch schon deutlich überschritten.
 
Hi,
ich habe folgendes in meinem Nachtdienst erlebt: Beim 1. Kontrollgang wollte ich mit meiner Kollegin eine Bew. versorgen, meine Kollegin ist an die Bew. sehr zügig ohne ein Wort zu sprechen herangetreten und hat die Bettdecke weggezogen, die Bew. hat (verständlicherweise) ungehalten reagiert und hielt die PK fest, die PK reagierte gestreßt, laut und haute der Bew. mehrfach auf die Hände, damit die Bew. sie wieder los lässt, ich bin dazwischen gegangen und habe mit meiner Kollegin gesprochen, dass ihr Verhalten so nicht tragbar ist. Meine Kollegin hat gesagt, dass so etwas nicht nochmal vorkommt, nun habe ich aber miterlebt, dass sie "wieder" herrisch und unkontolliert mit dementen Bew. umgeht, sollte ich den Vorfall melden? Die Kollegin wird im Team sehr geschätzt und ich möchte hinterher nicht wie ein "Unruhestifter" da stehen.
Viele Grüße
Nachteule 2010

ich denke, da ist maximal noch eine weitere ansage angebracht, danach dann weitere schritte.

weitere schritte können auch ein anonymisiertes ansprechen solcherlei verhaltens z.b. während einer teamsitzung sein.



wieso genau schätzt man eigentlich kollegen, die so mit patienten oder bewohnern umgehen?
 
Sehr richtig, was Du schreibst, Schwester Rabiata! Man muß sich in diesen Zusammenhängen auch gelegentlich mal klarmachen, daß auch wir ein Recht auf die Unversehrtheit unserers Körpers haben! ich muß mich durchaus nicht in jedes Kampfgetümmel stürzen, wenn ich selbst dabei Schaden davontragen könnte! Und ich muß mir auch nicht jeden Angriff gefallen lassen! Sollte ich eine Verletzung davontragen, steht es mir durchaus frei, eine Anzeige wegen Körperverletzung zu stellen. Ist der Patient Herr seiner Sinne, wird er genauso bestraft wie es sich gehören würde, wenn ein Bewohner von einer Pflegekraft geschlagen wird!
 
Sehr richtig, Schwester Rabiata, das fiel mir auch spontan dazu sein.
Gewalt gibt es auf beiden Seiten, auf beiden Seiten sind Opfer und Täter zu finden.
Und dann natürlich die Definition von Gewalt, wo beginnt Gewalt?
Indem ich einen Patienten "zwinge", die verordneten Medikamente einzunehmen?
Beispielsweise?

Nur weil es auch Gewalt auf der anderen Seite gibt, heißt dies doch nicht dass man nicht über dieses Thema diskutieren darf bzw. über Umfrageergebnisse zu diesem Thema.
Versteh mich bitte nicht falsch, aber wenn du so argumentierst hat das doch Tendenzen einer Rechtfertigung.

Zwang hat immer etwas mit Gewalt bzw. Macht zu tun und auch wenn man es nur "gut meint", bleibt es trotzdem Gewalt.
Das sollte man sich immer bewusst machen.
 
Ja, Bettyboo, Dein Beispiel wäre unter Umständen auch schon Gewaltanwendung. In diesem Zusammenhang kommt es allerdings auch wieder auf den Zustand des Patienten an.
 
Es kommt eben nicht auf den Zustand des Patienten an. Eine Gewaltanwendung ist eine Gewaltanwendung - sie mag manchmal moralisch, manchmal sogar juristisch gerechtfertigt sein - aber Gewalt bleibt es dennoch. Wenn zehn Pflegekräfte einen Patienten im Durchgangssyndrom festhalten, ist das selbstverständlich eine Gewaltanwendung (was denn sonst?), nur wird hier das Rechtsgut der Pflegekräfte auf Unversehrtheit des eigenen Körpers höher bewertet als der Freiheitsdrang des Patienten.

Solchermaßen rechtfertigte Gewalt wird auch von niemanden (oder nur sehr fragwürdigen Quellen) kritisiert. Ab wann Gewalt gerechtfertigt ist, ist aber kritisch zu hinterfragen. Besteht wirklich Gefahr für andere wird kein Mensch ein ernsthaftes Problem damit haben. Aber wenn Du z.B. einen Dementen zur Einnahme seiner Medikamente zwingst, oder ihn daran hinderst, sein Zimmer oder die Station zu verlassen, sieht die Sache schon anders aus.
 
Überzeugen nicht unbedingt, überreden auf jeden Fall. Ich hab schon genug Patienten gesehen, die sich zu Untersuchungen oder Therapien haben breitschlagen lassen - mit freiwilligen Entscheidungen hatte das nicht mehr viel zu tun.

Gewalt fängt schon lange vor der physischen Gewaltanwendung an, die ist lediglich die Spitze des Eisbergs. Ich hab eine schöne Seite dazu gefunden: Gewalt in der Pflege - Gewaltprävention | Pflege-SHV Vor allem das Zitat von Erich Fried erscheint mir sehr passend.
 
Sie hatte das "zwinge" in Anführungsstrichen geschrieben, da ist für mich nicht zu erkennen, ob es sich um echten Zwang handelt...
Was den Link anbetrifft, so kann ich die Meinung im Zitat nicht mittragen. Danach würde ja fast jeder Arzt Gewalt gegenüber seinen Patienten anwenden. Ein bißchen zu einfach, oder? Wieviele sagen genau das: "Da müssen wir jetzt..." Da gehören ja immer zweie dazu. Zitat:
Die Gewalt fängt nicht da an, wenn Kranke getötet werden.
Sie fängt an, wenn einer sagt: "Du bist krank. Du musst tun, was ich sage"
Erich Fried


 
Wie würdest du denn unechten Zwang definieren?
 
Indem ich jemanden versuche, zu überzeugen, daß es evtl. besser für ihn sein könnte, die Medikamente zu nehmen.
 
Vor allem das Zitat von Erich Fried erscheint mir sehr passend.

Ja, sehr treffend!
Wenn ich dieses Zitat aber als Definition für Gewalt nehme, dann ging Medizin und Pflege praktisch bisher gar nicht ohne Gewalt. Ein mündiger Mensch kann sich vielleicht noch wehren, indem er einfach "Nein" sagt.
Aber was macht ein dementer Mensch? Entscheidet nicht der Betreuer über diesen Menschen, wenn auch möglichst in dessen Sinne? Vorallem wendet er dabei nicht sogar damit auch Gewalt an?

Mir scheint die Definition von Gewalt in der Pflege im Ursprungsmaterial http://www.zqp.de/upload/content.000/id00148/attachment00.pdf daher wesentlich realistischer und genauer.
Wenn man aber die möglichen Ursachen anschaut, angefangen von fehlender Ausbildung, persönlichen Konflikten bishin zu fehlenden finanziellen Ressourcen und personellen Ressourcen, zeigt sich mir das sich da in naher Zukunft nicht viel ändern wird. Außer die grundlegenden Ursachen ändern sich in Deutschland plötzlich- und das scheint momentan ja ein Wunschtraum zu bleiben.
 
Wenn ich dieses Zitat aber als Definition für Gewalt nehme, dann ging Medizin und Pflege praktisch bisher gar nicht ohne Gewalt. Ein mündiger Mensch kann sich vielleicht noch wehren, indem er einfach "Nein" sagt.
Ich hatte gehofft, wir wären inzwischen zumindest in einigen Bereichen vom paternalistischen "man hat zu tun, was der Doktor sagt" übergegangen zu einem mündigen Patienten oder, noch besser, zu gemeinsamen Entscheidungen. Bedauerlich, wenn ihr das immer noch anders seht.

Und squaw hat Recht mit ihrer Beobachtung: Auch Ärzte wenden in der Aufklärung oftmals eine Form von Gewalt an, indem sie den Willen des Patienten nicht akzeptieren bzw. nicht mal erfragen. Pflegekräfte genauso. Und zwar längst nicht nur bei nicht entscheidungsfähigen Patienten.
 
Was ist denn nun die Konsequenz aus dem bisher Gesagten? Sind wir fast alle gewalttätig, wenn die Patienten in eine bestimmte Richtung geschoben, gedrängt, "überzeugt" werden (müssen), weil eine bestimmte Krankheit eben nach Stand der Schulmedizin heute eine bestimmte Therapie erforderlich macht?
ich glaube, der mündige Patient ist die (zumindest theoretische) Lösung des Problems, nur gibt es davon leider gar nicht so viele, wie von Sonntagsrednern immer wieder beschworen werden. Und: sie sind im Umgang wesentlich schwieriger als jemand, der sagt: "Sie machen das schon, Sie werden es schon wissen!"
 
Ich hatte gehofft, wir wären inzwischen zumindest in einigen Bereichen vom paternalistischen "man hat zu tun, was der Doktor sagt" übergegangen zu einem mündigen Patienten oder, noch besser, zu gemeinsamen Entscheidungen. Bedauerlich, wenn ihr das immer noch anders seht.

Nein, wir sehen es nicht anders. Deshalb schrieb ich auch von "...bisher ging...". Vergangenheit, aber auch Gegenwart. Wäre dies nicht der Fall, gäbe es diese Studie nicht.
Aber als Definition ist mir das Zitat von Hr. Fried zu schwach. Demnach wird mir tagtäglich Gewalt angetan. Von Behörden, Ämter, Politiker, Chefs, Eltern....

Außerdem gehst Du nicht wirklich auf das Problem ein, was ich versucht habe darzustellen: zum einen der Umgang mit Menschen, die eben nicht mündig sind!
Beispiel: Dementer, sturzgefährdeter Patient. Bereits mehrmals gestürzt. Nun auf Wunsch der Angehörigen Antrag auf Freiheitsentziehende Maßnahmen. Ab nun dürfen beim Patient die Bettgitter hoch, ein Sitzgurt im RS benutzt werden. Die Angehörigen zum Patienten " Das muss sein, das musst Du akzpetieren, Du verletzt dich sonst..."

Zum anderen, das die momentane Situation nur sehr schwer einen 100% gewaltfreie Pflege zulässt. Die Gewalt in der Pflege entsteht ja allermeistens nicht vorsätzlich!
 
Zuletzt bearbeitet:
HHS, Deinen Beiträgen ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Die letzten beiden Sätze finde ich in diesen Zusammenhängen sehr wichtig! Die Pflegenden sind oftmals das letzte Glied in der Kette und müssen die Probleme des Systems dann letztendlich ausbaden. Auch sie sind nur Menschen und auch sie haben nur Nerven und können nicht alles kompensieren, was da so schiefläuft.
Das Ganze scheint ein gordischer Knoten zu sein...
 
ich glaube, der mündige Patient ist die (zumindest theoretische) Lösung des Problems, nur gibt es davon leider gar nicht so viele, wie von Sonntagsrednern immer wieder beschworen werden. Und: sie sind im Umgang wesentlich schwieriger als jemand, der sagt: "Sie machen das schon, Sie werden es schon wissen!"

Es wird auch nie wirklich den 100% mündigen Patienten geben. Er müsste damit theoretisch das gleiche Wissen wir der Arzt und die Pflege haben, um am Ende wirklich selber entscheiden zu können, was für ihn korrekt und richtig sein wird. Das kann selbst die beste Aufklärung nicht wirklich leisten.
Aber wir nähern uns dem momentan immer mehr und mehr an- dank Internet und entsprechender Berichte in den Medien, die sich mehr und mehr den Gesundheitsthemen annehmen.

Ich behaupte jetzt mal provokativ: Ohne Gewalt wird es nie wirklich gehen- aber damit muss sich die Frage stellen wann die Anwendung solcher legitim ist.

Bin gespannt ob ich jetzt hier damit als Gewalttäter gelten werde! ;-)
 
ich denke, daß man klar sagen muß, welche gewaltdefinition wirklich tragbar ist. was ich da manchmal so lese, ist irrsinn und hat mit machbarem und gesundem menschenverstand nicht mehr das geringste zu tun.
ach so, ganz wichtig für mich: man soll doch endlich nicht nur solche negativuntersuchungen machen, sondern endlich mal welche, die der pflege im alltag helfen können, adäquat mit gewalt und aggression umzugehen!
 

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