Ich assistiere bei Abtreibungen - und alle sind irritiert

Also so ganz steige ich hier nicht durch.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Frau, die solch einen Eingriff vornehmen lässt, die also da-wie viele Minuten dauert so ein Eingriff- auf einem Schraken liegt und die Sache über sich ergehen lässt, diese Frau, die sich in einem Dilemma befindet und der tausend Gedanken durch den Kopf gehen, dass eben diese Frau sich an eine Arzthelferin erinnert, die sie hoffentlich nur einmal in ihrem Leben für ein paar Minuten gesehen hat.
Kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Person einem so dermaßen im Gedächtnis bleibt, dass man Monate später im Supermarkt, im Club oder wo auch immer deswegen peinlich berührt sein muss, weil die Person plötzlich vor einem steht.......also irgendwas finde ich strange an der Sache, vielleicht komm' ich noch drauf. Ich geh mal in Richtung Elisabeth und ihre "Körpersprache" Interpretation. Vielleicht liegt es an dir, dass du dich den Leuten irgendwie auffällig präsentierst oder dich irgendwie aktiv daran beteiligst, dass sie sich auch ja an dich erinnern??? Du siehst so eine Abtreibung als "wertfrei" oder wie hast du dich ausgedrückt? Ich kenne keine Frau, die das "wertfrei" sieht..........
 
Also so ganz steige ich hier nicht durch.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Frau, die solch einen Eingriff vornehmen lässt, die also da-wie viele Minuten dauert so ein Eingriff- auf einem Schraken liegt und die Sache über sich ergehen lässt, diese Frau, die sich in einem Dilemma befindet und der tausend Gedanken durch den Kopf gehen, dass eben diese Frau sich an eine Arzthelferin erinnert, die sie hoffentlich nur einmal in ihrem Leben für ein paar Minuten gesehen hat.
Kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Person einem so dermaßen im Gedächtnis bleibt, dass man Monate später im Supermarkt, im Club oder wo auch immer deswegen peinlich berührt sein muss, weil die Person plötzlich vor einem.

So geht es mir auch, mir fehlt da ein wenig die Vorstelllungskraft dass man sich an jemand erinnert, den im Rahmen einer OP für wenige Miuten sieht...., ich kann mich jedenfalls an Keinen erinnern, der mich im Rahmen einer ambulanten OP betreut hat.
Umgekehrt habe ich beispielsweise auf der Intensivstation häufig wochenlang mit den gleichen Eltern von Kindern zutun gehabt. An einige erinnert man sich, aber an die Mehrzahl nicht obwohl mir ein gutes Personengedächtnis nachgesgt wird. Dass man jede Woche Leute trifft.....?

Gruß
Ludmilla
 
Wertfrei ist die TE ja auch nicht. Sie ist ein "Kind" ihrer Umgebung. Dies prägt nun mal unweigerlich- den einen mehr, den anderen weniger. Die TE trifft es offensichtlich mehr. Deswegen der Rat, sich eine andere Stelle zu suchen.

Elisabeth
 
Was erwartest du denn von den Menschen?
Hm, interpretierst du da nicht zuviel rein. Ganz typisch ist, ich setz mich hin (Bus, Bar oder was auch immer), merke, dass wer mich anschaut, guck hin, lächle freundlich (erste Reaktion meinerseits: Oh, kenn ich die von irgendwo.... von wo genau wird ja in der Regel erst später bewusst) und statt ein neutraler Blick, ein zurücklächeln oder keine Reaktion so eine Art Unsicherheit.
Hast du dir mal Gedanken darüber gemacht, dass eine Abtreibung eine sehr traumatische Aktion ist? Da steigt die Person z.B. in den Bus ein, sieht dich und wird durch deinen Anblick irritiert, weil es sie sofort an die Abtreibung erinnert, die sie vielleicht gerade mühsam verdrängt hat?

Ignoriere solche Situationen doch einfach. Du kannst von einem psychisch belasteten Menschen nicht erwarten, dass er immer adäquat reagiert. Du weckst evtl. sehr unangenehme Erinnerungen in den Menschen. Ich denke das ist dir nicht bewußt.

So geht es mir auch, mir fehlt da ein wenig die Vorstelllungskraft dass man sich an jemand erinnert, den im Rahmen einer OP für wenige Miuten sieht....,
Es handelt sich hier um ein sehr traumatisches Ereignis. Da kann ich mir gut vorstellen, dass Menschen Erinnerungen anders abspeichern. Mir fällt dazu z.B. der Begriff Flashback ein.

Ich an deiner Stelle würde einfach so tun, als würde ich die Person nicht erkennen.
 
Ich an deiner Stelle würde einfach so tun, als würde ich die Person nicht erkennen.
Ich finde sogar, sie muss das tun. Schweigepflicht etc. Wenn ich Patienten aus der Suchtambulanz außerhalb der Ambulanzräume begegne, lächle ich die auch nicht nett an oder sage Guten Tag, sondern bin bewusst passiv. Dass wird dir jeder Patient danken, und du wirst merkwürdige Reaktionen (Anrufe, wtf!?) vermeiden.
 
Ich finde sogar, sie muss das tun. Schweigepflicht etc. Wenn ich Patienten aus der Suchtambulanz außerhalb der Ambulanzräume begegne, lächle ich die auch nicht nett an oder sage Guten Tag, sondern bin bewusst passiv. Dass wird dir jeder Patient danken, und du wirst merkwürdige Reaktionen (Anrufe, wtf!?) vermeiden.

Ja, du magst vielleicht Recht haben. Das würde aber auch bedingen, dass ich aktiv die Leute sofort erkenne und sofort mich umdrehe bzw. ein Pokerface aufsetze.

Zu den andern Fragen. Ich werde bei der Vorbereitung der Op in ein Gespräch verstrickt und danach im Ruheraum serviere ich den Tee und erkundige mich nach dem befinden. Sind also nicht nur wenige Minuten, die man die Patientinnen sieht. Wollte nicht zu sehr in die Details gehen, aber meistens sind es vier OPs am Stück, danach eine Stunde "Pause", da bin ich für die postoperative Betreuung zuständig und wechsel auch einige Worte mit den Patientinnen. Ist eben anders als im Klinikum, wo man nur im OP steht, bin da eher "Mädchen für alles". Und kein unscheinbarer Mensch.
Überrascht bin ich, wie beinahe einstimmig alle meinen, ich solle mich mehr zurüchalten. Naja, bin vielleicht auch dummerweise ein früheres Dorfkind. Aber vielleicht habt Ihr Recht und ich soll mich wirklich mehr zurückhalten. Wobei eben diese Zurückhaltung eine aktive Handlung wäre und nicht meine bisherigen Reaktionen ich gehe ja auch nicht an die Bar und schrei sie an: Hey du, du hast vorgestern bei uns ja abgetrieben. Na, wie fühlst du dich, fit? Natürlich mach ich das nicht. Ich trete den Menschen einfach offen gegenüber. Und wie Ihr beinahe einstimmig sagt, sollte ich mich wohl besser aktiv distanzieren.
 
Ist dir schon mal aufgefallen, dass du anderes reagierst, wenn du jemanden völlig fremden unvoreingenommen anlächelst? Bei deinen Ausführungen kann man sich des Gednakens net erwähren, dass du aktiv deinen Gedächtnisspeicher abrufst: kenne ich die? war die schon mal bei uns? Vielleicht solltest dies aktiv unterdrücken.

Ein "Dorfkind". Wie denken deine Eltern eigentlich über das Thema Abtreibung? Wie wird in der Gemeinde darüber gedacht? Was ist die vermittelt worden? Welche Einstellung zur Geburtenkontrolle allgemein und zum Abbruch im speziellen?

Elisabeth
 
Ein "Dorfkind". Wie denken deine Eltern eigentlich über das Thema Abtreibung? Wie wird in der Gemeinde darüber gedacht? Was ist die vermittelt worden? Welche Einstellung zur Geburtenkontrolle allgemein und zum Abbruch im speziellen?

Elisabeth

Hm, meine Eltern sind da eher offen, auch zur Geburtenkontrolle, meine Mum hat mich mit 14 zum Frauenarzt geschleift, damit ich mir die Pille verschreiben lasse.
 
Im Prinzip ist ja das was ich mache, nichts anderes als eine allgemeine Leistung im Gesundheitswesen.

Dann verhalte dich doch auch so. Ich würde da gar nicht soviel Gewese drum machen oder Blicke möglicher Patientinnen interpretieren...Du machst deinen Job, du machst ihn wahrscheinlich gut und wenn du ihn nicht machst macht ihn ein anderer. Wieso, weshalb, warum abgetrieben wird ist allein die Sache der Frauen, ebenso die evtl. Bewältigung dieses Eingriffes. Und wenn dein Umfeld nicht damit zurecht kommt, ist das auch deren Problem und nicht deins...
 
Hm, meine Eltern sind da eher offen, auch zur Geburtenkontrolle, meine Mum hat mich mit 14 zum Frauenarzt geschleift, damit ich mir die Pille verschreiben lasse.
Zwischen Pille mit 14 und einer IT dürften Welten liegen. Versuch ich es mal anders. Wann ist nach der Meinung in deinem Heimatort eine IT legitim? Wie denkt man über Frauen, wenn sie eher lebensfroh sind- um es mal vorsichtig zu umschreiben- und dann in diese Situation kommen?

Das Umfeld prägt leider unsere Gedankenwelt. Ich kann mich davon nur distanzieren, wenn es mir bewusst ist und ich aktiv meine Einstellung verändere. Das scheint hier nich nicht erfolgt zu sein.

Elisabeth
 
hi,
wieso sollte billygirl sich von irgendwas distanzieren oder ihren Job an den Nagel hängen?? Sie ist unsicher und wollte einfach mal ihr Herz ausschütten und schon wird wieder analysiert was das Zeug hält. Das allgemeine Anlächeln ist doch einfach nur Höflichkeit. Ein aktives Vergessen (wie soll das eigentlich gehn? Ich muss da an den rosanen Elefanten denken, an den man nicht denken darf....) bringt doch nichts, wenn sie aus Reflex einem bekannten Gesicht zulächelt. Ich finde sie hat eine sehr sachliche Meinung, die muss doch nicht gespielt sein. Ja, vielleicht sollte sie nicht gleich alle Leute anlächeln und daran denken, dass die Patientinnen sie mit etwas unangenehmen verbinden und deswegen zurückhaltend sind- klar. Aber deswegen muss sie sich nicht gleich einen andern Job suchen.
Billygirl, du solltest nicht mehr so nett sein und alle leute anlächeln^^
alles gute dir
 
Dann verhalte dich doch auch so. Ich würde da gar nicht soviel Gewese drum machen oder Blicke möglicher Patientinnen interpretieren...Du machst deinen Job, du machst ihn wahrscheinlich gut und wenn du ihn nicht machst macht ihn ein anderer. Wieso, weshalb, warum abgetrieben wird ist allein die Sache der Frauen, ebenso die evtl. Bewältigung dieses Eingriffes. Und wenn dein Umfeld nicht damit zurecht kommt, ist das auch deren Problem und nicht deins...

Dem kann ich nur zustimmen.
Und ebenso yoyoyoyoyoyo, die Frauen WOLLEN bestimmt gar nicht erkannt oder gegrüßt werden außerhalb dieser Abtreibungsklinik!
 
Es hat etwas mit Professionalität zu tun, wenn man auch in der Freizeit diesen Frauen nicht zeigt, dass man sie kennt. Wie Bettyboo schon geschrieben hat, die Frauen WOLLen nicht erkannt werden.

Ich persönlich empfinde es äußerst unprofessionell, wenn man erwartet, dass die Frauen, denen man begegnet, sich freundlich verhalten. Ich erkenne "meine Psychiatriepatienten" auch nicht, es sei denn, sie kommen auf mich zu und erwarten eine Reaktion von mir.
Es gibt einige Personen, die mich sehr merkwürdig anschauen, wenn wir uns auf der Straße begegnen. Dieses Verhalten signalisiert mir, dass sie nicht von mir erkannt werden wollen und das AKZEPTIERE ich.
 
Ich möchte hier kurz meine Gedanken zu deinem Eingangspost schreiben, liebe TE, ohne die anderen Antworten gelesen zu haben (dazu fehlt mir gerade die Muße).

Ich glaube, dass die Reaktionen deines Umfeldes und auch der Patientinnen daher rühren, dass Schwangerschaftsabbrüche in der Mehrheit der Bevölkerung immer noch schambehaftet sind. Viele Patientinnen verheimlichen den Eingriff vor Kollegen, Freunden und Familie, weil auch sie abwertende Reaktionen und Diskussionen fürchten. Auch wenn ich selbst Pro Choice bin, würde ich mich damit schwer tun. Selbst bei theoretischen Diskussionen zu dem Thema begegnen mir oft Argumente wie "Abtreibung ist Mord", "Dann soll man halt keinen Sex haben, wenn man kein Kind möchte", "Man kann ja auch vernünftig verhüten", und so weiter und so fort. Möchte ich damit konfrontiert werden, wenn ich gerade einen Abbruch hinter mir habe? Eher nicht. Eine ungewollte Schwangerschaft und auch ein Abbruch bleiben für Frauen Ausnahmesituationen (meiner Meinung nach), da reagiert man schon mal über.

Ich glaube, was dir in deinem Umfeld hilft, ist ein professioneller und sachlicher Umgang mit dem Thema. Auch wenn du um Diskussionen nicht herum kommen wirst, kannst du dadurch vielleicht dabei helfen, die Emotionen in dieser Diskussion möglichst niedrig zu halten und vielleicht kannst du dem einen oder anderen auch eine andere Sichtweise zu diesem Thema darstellen.

Den Patientinnen könntest du, wenn die Möglichkeit besteht, vor oder nach dem Eingriff darüber aufklären, dass auch das Pflegepersonal der Schweigepflicht unterliegt und sie sich keine Sorgen machen muss, dass du oder eine Kollegin/ ein Kollege tratscht.

Ich hoffe, ich habe mich verständlich ausgedrückt ;-). Wünsche dir viel Geduld.
 

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