Demente Menschen anlügen - (K)ein Problem?

Hallo,
im Rahmen der Betreuung von meiner Mutter (Seniorenheim) habe ich mich auch um andere Bewohner gekümmert (Vorlesen, Spazierengehend usw).
Ich konnte hier, ganz speziell bei Demenzerkrankten, die Erfahrung sammeln, dass das sogenannte Lügen eigentlich kein Lügen ist. Wie schon bereits erwähnt, Demente leben in ihrer eigenen Welt. Eine ältere Dame erzählte mir im Fahrstuhl immer, dass ihre Eltern in eine andere Stadt ziehen. Leider war die Dame schon 90 Jahre und hatte keine Eltern mehr. Ein Versuch sie davon zu überzeugen, dass ihre Eltern nicht mehr umziehen würden, war für mich eine schmerzhafte Erfahrung. Denn die Dame wurde regelrecht hysterisch, fing an zu weinen und zitterte am ganzen Körper. Das passiert einem nur einmal. Wie schon gesagt, diese Menschen leben in ihrer eigenen Welt. Keiner lässt sich gerne sein Träume und Phantasien kaputt machen - auch die Dementen nicht - und sei es noch so realitätsfremd.

Liebe Grüsse
euer Spatz
 
Hi.

Man lügt doch die Dementen nicht an. Man erzählt einfach das, was sie hören möchten. Solange niemand davon Schaden nimmt.
Man lässt doch auch zB einen Dementen mit einer Puppe rumlaufen, weil sie denkt, das sei ihre 5 Monate alte Tochter. Diese Frau zB sagte immer wenn man ins Zimmer kam: " Psst, klein Lilly schläft, bitte nicht so laut" Also bin ich durchs Zimmer geschlichen und hab geflüstert. Also ich sehe das nicht so schlimm.
Und wenn jmd sagt ihre Eltern ziehen um, kann man fragen ob sie sich freut oder nicht. So würde ich das machen. Aufklärung führt nur zu Stress in beiden Seiten.
Einem kleinen Kind erzählt man doch auch dass es ein Christkind gibt.

Liebe Grüße
 
Hallo zusammen,
dies ist mein ersten Beitrag in diesem Forum. Eine Frage brennt mir seit einiger Zeit unter den "Nägeln", nachdem ich einen Artikel zum "Notlügenkonzept" gelesen habe:

Ist es eurer Meinung nach in Ordnung (aus ethischer Perspektive) demente Personen anzulügen? Natürlich sage ich nicht jedesmal: "Nein, Ihre Mutter kommt heute nicht, die ist schon Jahre tot." Aber ist es OK zu lügen? Selbst bei der Validation wird teils gelogen und Frau Feil hat sich nicht einmal darüber Gedanken gemacht (mit anderen Worten, sie hatte keine Gewissensbisse). Und Kitwood bezeichnet seine Notlügen als "Tipps". Wollt Ihr angelogen werden, bzw. dass eure Eltern/Großeltern angelogen werden, wenn auch mit guter Absicht? Ist es kein "Armutszeugnis", wenn einer professionellen Pflegekraft nichts besseres einfällt, als den Bewohner/Patienten anzulügen? Und: warum hat man dann noch ein schlechtes Gewissen, wenn es doch keinen besseren Ausweg gibt?
Sollte nicht die Wahrheit ein wesentlicher Bestandteil der pflegerischen Beziehung sein, um überhaupt Vertrauen herstellen zu können, auch zu Demenzkranken?
Bin sehr an eurer Meinung interessiert und freue mich auf einen regen Austausch.
Gruß L.


Ich denke auch nicht das dass lügen hier eine gute Lösung ist, denn ich konnte z.B. bei unseren dementen Bewohnern hin und wieder beobachten, das sie Phasen haben in denen ihr Erinenrungs- und Auffassungsvermögen im gegensastz zum üblichen Allgemeinzustand gesteigert war. Ich denke das beste ist hier nicht das Lügen, sondern das "umspielen" er eigentlichen Sache, quasi langsam vom eigentlichen Thema ablenken, in dem man das Gespräch langsam auf ein anderes Thema leitet. Ich habe damit bis jetzt nur gute Erfahrungen gemacht.
 
Wenn ein dementer alter Mensch aufgeregt und vielleicht sogar weinend nach seiner Mutter fragt, brauch man nicht zu lügen, die Fragen oder die Außerungen die der Demente stellt einfach umwandeln als Frage oder Aussage.. so kommt man zu einer kleinen Diskussion und am Ende ist der Demtente wieder (und wenn nur für einen Augenblick) in der realität und weiß selber das seine Mutter verstorben ist.

Beispiel:
Demente Dame, Alter 82 Jahre, fragt weinend nach seiner Mutter: Haben sie meine Mutter gesehen? Du als PK sagts dann: Sie vermissen Ihre Mutter richtig? JA! (Und dann in der vergangenheit reden) PK: Ihre Mutter war eine sehr hübsche Frau?..... so holt man ihn entweder zurück oder der Demente erkennt selber das er selbst schon alt ist und das die Mutter nicht mehr lebt.


Mann muß also nicht lügen, es reicht die Aussagen des Dementen als Fragen zu wiederholen. Oder die Fragen des Dementen als Aussagen zu wiederholen.


LG Vanessa
 
Ein Dementer Mensch lebt in seiner Welt. Seine Wahrnehmung ist für ihn real. Es ist nicht möglich ihn in unserer Wahrnehmung zu holen.

Übrigens nimmt niemand die Welt objektiv real war. Es besteht immer ein Konsens zwischen mehrenen Individuen, was als gemeinsame Realität zu werten ist. Das setzt voraus, dass mehrere Individuen eine ähnliche Wahrnehmung haben.
Übertragen auf Demente heißt das: der Demente in seiner Gruppe bestimmt seine Realität. Wir können uns dieser Realität anpassen, weil unsere kognitiven Fähigkeiten ausreichen uns auf diese Welt einzulassen. Umgekehrt wirds schwierig.

Elisabeth
 
Mann muß also nicht lügen, es reicht die Aussagen des Dementen als Fragen zu wiederholen. Oder die Fragen des Dementen als Aussagen zu wiederholen.

Du hast Recht. Die "Methode" find ich gut. Aber ist das nicht so, dass man dazu im Altenpflegebereich keine Zeit dazu hat.
 
@ Ludwig9,

In der Philosophie gab es eine Auseinandersetzung (17??)über die Rechtfertigung der Lüge zur Rettung eines anderen Menschen.

Constant sagte dazu
Kein Mensch habe Recht auf eine Wahrheit, die anderen schadet.

Kant fühlte sich angesprochen und antwortete in einem Aufsatz über ein vermeintliches Recht aus Menschenliebe zu lügen:
Wahrhaftigkeit in Aussagen, die man nicht umgehen kann, ist formale Pflicht des Menschen gegen Jeden, es mag ihm oder einem anderen daraus auch noch so ein großer Nachteil erwachsen.

Ich halte es mit Constant und lüge zur Not gnadenlos und unverschämt, wenn es dem anderen keinen Schaden bringt. Ich habe aber trotzdem immer ein schlechtes Gewissen dabei.

Es ist auch ein wohl überlegter Seiltanz, damit nicht passiert, was ein post hier beschreibt (Post 20, habe gerade nachgeschaut)
"der Ehemann kam nachmittags nicht zu Besuch".
Auch "Lügen" kann man lernen und bewußt anwenden, Ludwig, ich weiß schon, was Du gemeint hast. Da stehst Du mit dieser Frage nicht allein. Das Problem wird schon seit den alten Griechen immer wieder diskutiert.

Grüsse,
Atalante
 
Mh' Lügen ist generell keine 2wunderbare" Lösung egal bei welchem Menschen.
Aber ich denke..das mache situationen nicht anders zu lösen sind wie die tatsachen zu verdrehen.
- Ein dementer mensch, der dringen den wunsch äußert, nach draußen zu müssen weil dort Mutter und Vater auf ihn warten - Was macht man als Pflegekraft um die person zu schützen? Man sagt die unwahrheit...man sagt das vater und mutter schon da waren und das sie ein ander mal wiederkommen...der Mensch an sich ist beruhigt, und nicht in unmittelbarer gefahr auf die straße zu laufen, überfahren zu werden oder sich zu verlaufen.
Ich denke diese ganze sache zum thema "lügen" ist ein thema über das man streiten kann bzw was ein sehr weiträumig offenses thema ist. :)
 
Die Zeit ist da, wenn man sich daran gewöhnt hat so mit Dementen zu kommunizieren, dann geht es auch nach einer Weile von ganz alleine.


Wir verstezen uns in deren Lage (versuchen es zumindest), es ist halt nicht leicht, und wenn man keine Ahnung von Validation hat ist man schon recht aufgeschmissen als PK. Jedenfalls sollte mann einen Dementen nicht stehen lassen und im vorbeilaufen sagen : "ich komme gleich Fr. XY" Mal sind demente in der Gegenwart mal in der Vergangenheit, wobei lezteres öfters vorkommt.

Natürlich hängt alles von der Schwere der Demenz ab und von der Art der Demenz, es gibt ja einige verschiede Demenzarten.



LG Vanessa
 

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