Mein Vater ist am Sonntag Abend im Krankenhaus verstorben. Ich habe am Bett gesessen und seine Hand gehalten - so wie ich es auch schon die Tage und Nächte davor getan habe.
Mein Papa war erst 65 Jahre alt und wollte nun eigentlich anfangen seinen verdienten Ruhestand zu geniessen, nach vielen vielen Jahren harter Arbeit.
Nachdem er vor über 40 Jahren meine Mama geheiratet hatte und mit Ihr meine beiden Brüder und mich bekommen hat, war er stets nur noch für die Familie da und hat auf vieles verzichtet um uns Kindern uns seiner Frau ein möglichst angenehmes Leben zu bereiten.
Ich mag gar nicht daran denken, dass es wahrscheinlich viele Mütter und Väter gibt, die eines Tages unheilbar krank werden und dann niemanden an ihrer Seite haben.
Für mich war es selbstverständlich und mein dringlichster Wunsch meinem Papa auf den letzten Metern seines Lebens zur Seite zu stehen. Und doch hätte ich gerne so viel mehr für ihn getan.
Als ich die Worte "Noch spüre ich den Herzens Schlag und hör' das Rasseln meines Atems." gelesen habe, musste ich weinen. Denn dieses Atemgeräusch meines Papas klingt mir noch immer so im Ohr als würde er vor mir liegen.
Nachdem meine Mama und meine beiden Brüder am Tage auch bei meinem Papa waren, habe ich für mich geplant die Nacht über auch wieder bei ihm zu bleiben, da es meine größte Angst war, dass mein Papa das Gefühl haben könnte am Ende alleine zu sein.
Meine Mama hat dann noch angerufen um zu fragen ob ich die Nacht denn nun wirklich auch wieder dort bleiben würde. Ich habe dann zu Ihr gesagt, dass ich ihr Papa noch mal gebe. Er hatte in den letzten beiden Tagen höchstens noch ein leises, kaum zu verstehendes ja oder nein heraus bekommen. Ich habe das Telefon an sein Ohr gehalten und Sie hat ihm ein letztes mal gesagt, wie sehr Sie ihn liebt und dass er schön schlafen soll und dass sie ihn morgen wieder besuchen würde. Und er sagte ein letztes mal "Ja". Nachdem ich das Telefon wieder auf die Fensterbank gelegt hatte und mich umdrehte, habe ich sofort bemerkt, dass etwas anders war als vorher. Ich habe mich an Papas Bett gesetzt und seine Hand gehalten. Und auf einmal atmete er nicht mehr.
Einen kurzen Augenblick war ich bewegungsunfähig. Mein erster Gedanke war "endlich! endlich hat er es geschafft", der jedoch gleich wieder verschwand, da ich angst bekommen habe, dass Papa vielleicht schmerzen hat oder nur einfach keine Luft bekommt. Also habe ich schnell die Schwester gerufen. Ich musste nichts sagen - sie wusste was gerade passiert. So habe ich Papas eine und sie die andere Hand gehalten.
Der Augenblick in dem Papa gegangen ist, hat mich sehr bedrückt, obwohl ich wusste dass es keine Hilfe mehr geben würde und es besser für ihn wäre, wenn er jetzt nicht mehr lange leiden muss. Aber der Moment in dem er keinen Atem mehr hatte, lässt mich einfach nicht mehr los.
Meiner Mama und den Brüdern habe ich natürlich nur berichtet, wie sanft Papa eingeschlafen ist. Dass ich seine Hand gehalten habe, er eine Minute vorher noch mit Mama telefoniert hat und ich ihm vielleicht eine halbe Stunde vorher noch gesagt habe, dass ich mich um Mama und das Haus und überhaupt um alles in seinem Sinne kümmern werde.
Aber den Zeitpunkt zu beschreiben in dem Papa gegangen ist, wäre ich gar nicht in der Lage. Er lag vor mir, sein Brustkorb bewegte sich nicht mehr und doch war er irgendwie noch da. Aus seinem Mund sind leise Geräusche gekommen. Und auf mich machte er den Eindruck als würde er gleich wieder zu atmen beginnen. Ich kann es eigentlich mit Worten gar nicht richtig beschreiben.
Ich bin auf dieses Forum gestossen, weil mich dieser Moment so sehr beschäftigt, dass ich fast wahnsinnig werde. Natürlich bin ich unendlich traurig, dass mein geliebter Papa, mit dem ich noch so vieles machen wollte nicht mehr da ist. Das er vor 3 Monaten noch Gesund war und dann so eine schwere Krankheit bekommen musste, obwohl er der liebste Mensch auf der Welt gewesen ist. Ich denke jede Sekunde an ihn und vermisse Ihn schon jetzt so schrecklich. Alles erinnert mich an ihn. Wir hatten ein so gutes Verhältnis in den letzten Jahren, auch wenn es natürlich auch mal Streit gegeben hat.
Mit dieser Trauer müssen alle Familienmitglieder leben. Doch mich belastet zusätzlich dieser schlimme Moment in dem Papa entschieden hat einfach nicht mehr zu atmen. Ich habe sein Gesicht ständig vor mir. Auch als ich später die Sachen aus dem Krankenhauszimmer räumte und er dann in diesem leeren Raum gelegen hat und einfach "anders" ausgesehen hat, haben sich Bilder in meinen Kopf gebrannt, die mir sehr schwer zu schaffen machen.
Hier gibt es offenbar viele Menschen, die (vorwiegend wohl beruflich) mit dem Sterben zu tun haben. Nachdem es mir nicht möglich ist die Bilder von Papa zu verarbeiten, frage ich mich wie es Menschen schaffen können immer und immer wieder mit dem Sterben konfrontiert zu werden.
Es mag hier das falsche Forum sein. Aber ich wusste einfach nicht wo ich das sonst los werden kann. Und ich weiss auch nicht, wen ich um Hilfe bitten könnte. Ich wäre also sehr dankbar, wenn mir jemand einen Tipp geben könnte, wie ich am besten mit dieser Situation umgehen kann