Hier treffen auch - um noch einmal das Thema kurz aufzugreifen - kulturelle Gegensätze aufeinander. Im südöstlichen Raum ist es Usus, seinen Schmerz (körperlich und seelisch) laut wehklagend darzustellen, es gehört zum guten Ton und ist Teil des Selbstverständnisses dieses Kreises von Menschen. Schmerz und Leid werden von den Betroffenen und den Angehörigen mit jammern, weinen und schreien geäußert. In den Herkunftsländern stört sich daran wahrscheinlich niemand.
Deswegen ist es durchaus verständlich, wenn wir, denen so eine Schmerz- und Leidenskultur völlig fremd ist, darauf mit Verstörung, Ablehnung, Abwendung und hernach auch mit Agression reagieren.
Zugegeben tue auch ich mich schwer mit einem Zimmer, in dem zwei frisch per Sectio entbundene Mittzwanzigermädels liegen, die schon beim Entfernen eines Pflasters schreien, als würden sie lebendig gehäutet. Man fragt sich, wie diese Frauen ein Kind auf normalem Wege zur Welt gebracht hätten. Sind südländische Kreißsäle eigentlich schallisoliert?
Und auch wenn Oma und Opa, Ehemann und Schwiegermutter, Tante 1-2-3 und 4, jeweils 1. bis 3. Grades, sowie die 5 Geschwister und 7 Cousins und Cousinen zeitgleich zu Besuch kommen und das Zimmer einem Bahnhof gleicht und wohl auch einer Mülldeponie, und abends der Wachdienst kommen muss, um die Nachtruhe zu gewährleisten und den Besuch zur Türe zu befördern (ein Beispiel, das ich nahezu 1 zu 1 so erlebt habe): Es ist mir fremd - es macht mir Angst - ich bin unsicher, wie ich reagieren soll. Ich behelfe mir damit mir zu sagen, dass sich die Patienten wohl ebenso fremd fühlen, eine ähnliche Angst empfinden wie ich. Läge ich in einem ihrer heimischen Krankenhäuser, in ähnlicher Lage, was würde ich mir wünschen, was man mir tut und sagt?
Vielleicht ist mein kleiner Exkurs auch am Thema vorbei, soll aber etwas sensibilisieren für die Unterschied zwischen bewusster Provokation und kulturell bedingtem Verhalten. Stichwort - und damit schließt sich der Kreis - Morbus Mediteranné.