Ein weiteres Beispiel, diesmal aus "hart aber (un-) fair":
DasErste.de - hart aber fair - Die teure Reform - macht mehr Geld die Pflege besser?
Es geht um die Pflegereform mit einer Beitragserhöhung von 0,5 % für die Pflegeversicherung und was mit der Reform erreicht werden soll. Am Tisch sitzen
- Hermann Gröhe (Gesundheitsminister),
- Bernd Meurer (bpa, Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste = privater Arbeitgeberverband),
- Heike Nordmann (Diplom-Ökotrophologin, Geschäftsführerin des KDA, Kuratorium Deutsche Altershilfe, zuvor wissenschaftliche Referentin bei der Verbraucherzentrale Nordhrein-Westfalen)
- Martina Rosenberg (Buchautorin "Mutter, wann stirbst Du endlich?", hat ihre Eltern über Jahre gepflegt)
- Gerd Müller-Gerbes (77 Jahre alt, Jornalist, seit einigen Jahren an Krebs erkrankt, will Suizid begehen, bevor er zum Pflegefall wird und seinen Kindern zu Last fällt)
Wir kommen auf einen Politiker, einen Arbeigebervertreter und 3 Vertretern der Pflegebedürftigen bzw. ihrer Angehörigen.
Das Ergebnis ist, dass am Ende der Sendung die Versorgung durch Angehörige als "der größte Pflegedienst der Nation" aufgefasst wird, die im Vergleich zu professioneller Pflege viel zu schlecht bezahlt werden würden. Es ist sicher richtig, dass viele Angehörige durch die Versorgung ihrer Lieben in eine präkäre wirtschaftliche Lage geraten. Aber das professionelle Pflege auch finanziell mit Laienpflege gleichzusetzen sei, ist eine absolute Missachtung professioneller Qualifikation im Pflegeberuf. Wozu soll ich einen solch verantwortungsvollen Beruf auf wissenschaftlicher Grundlage erlernen, wenn nicht auch, um meinen Lebenserwerb damit zu verbessern, der ja in der Pflege sowieso nicht überragend ist? Und was sollte mich veranlassen, mich um fremde Menschen mit einem hohen Anspruch an Qualität und Ethik zu kümmern, wenn mir dies nicht ermöglicht, davon meinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Warum wurde gegen dieses Zerbild pflegeberuflicher Wirklichkeit nicht protestiert? Nur der Arbeigebervertreter Herrn Meurer, hat das so nicht gelten lassen, aber nur Dienstwagen, Büro und zusätzliche Fixkosten argumentiert, die im privaten Umfeld nicht anfallen.
Die Antwort ist: Weil die professionelle Pflege nicht am Tisch stand. Kein Vertreter der pflegeberuflichen Verbände wurde eingeladen, obwohl sich diese nachdrücklich angeboten haben, wie z. B. der Präsident des Deutschen Pflegerates.
Statt dessen wurde eine frisch ausgebildete Altenpflegerin befragt, um aus der pflegerischen Wirklichkeit zu berichten. Was erwartet ein Herr Plasberg von einer seit einem Jahr frisch gebackenen Altenpflegerin, die seit kurzem eigenständig arbeiten darf? Nichts gegen die Altenpflegerin, die durchaus sympatisch war. Aber diese Wahl einer Person aus dem Lebensalltag der Altenpflege kann nur planmäßig darauf angelegt gewesen sein, die Herren am Tisch nicht in Verlegenheit zu bringen.
Welche Schieflage in der Außenwirkung der Profession Pflege wird hier befördert, wenn die Erlebnisse einer jungen Altenpflegerin das Einzige sind, das den Schwergewichten aus Politik, Verbänden und Jornalismus mit ihren Zahlen und komplexen Betrachtungen gegenübergestellt werden? Nicht zugleich auch Pflegewissenschaft und Pflegeberufsverbände zu Wort kommen zu lassen, kann nicht ohne Absicht geschehen sein, zumal die Betroffenen Alten und Angehörigen 3-fach und damit mehr als genug vertreten wurden.
Man könnte jetzt noch ins Detail der Sendung gehen und aufdecken, dass bisher kein Cent zur Entlastung der professionellen Pflege durch mehr professionelle Pflegende und auch kein Cent zur Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufes eingeplant ist, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Professionelle Pflege bleibt der Esel der Nation.
Ohne Pflegekammer werden wir in 1000 Jahren noch keinen Einfluss aufgebaut haben, um uns gegen eine derart harte aber unfaire Missachtung unserer Professionalität zu wehren.