Wach und intubiert - Weshalb tolerieren dies Patienten in anderen Ländern?

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Das Problem ist wahrscheinlich eher, daß viele Pat. erstmal tief und mit mehreren Medis in Kombi sediert sind.
Dann läßt man sie wach werden und möchte ja so schnell wie möglich spontanisieren.
Viele werden aber erstmal inadequat wach.
Sie können der Situation nicht folgen und verstehen nicht warum der Schlauch im Hals seinen Sinn hat.
Wird weniger sediert und über einen kürzeren Zeitraum, dann werden sie höchstwahrscheinlich auch adequat wach und lassen den Tubus drin, weil sie wissen, er wird eh gezogen, wenn alles stabil bleibt.

Jetzt läßt sich das aber nicht immer mit weniger und kürzer regeln und da würde es mich interessieren, was ihr in Dänemark anderst macht.

Wie kann es sein das ihr mit weniger Sedierung und ohne Fixierung auskommt?
Wobei ich sagen muß, mit Fixierungen sind wir auch eher zurückhaltend.
 
Naja,
beispielsweise werden die Patienten zweimal am Tag auf ein Intensivdelir hin untersucht. Wenn die Krankenschwester dies festgestellt hat, wird sofort eine Behandlung eingeleitet. Die Patienten bekommen eine intensive Schmerzbehandlung.
Ansonsten wird sehr viel mit den Patienten geredet. Manchmal kann man auch Angehörige miteinbeziehen. Ich habe in Deutschland häufig die Erfahrung gemacht, dass gerade die Fixierung die Patienten unruhig und aggressiv macht.
Es wird sehr intensiv und sehr früh mobilisiert. Auch mit reichlich Katecholaminen und Hämofilter.
Alles kein Hexenwerk!
 
Unsere Pat. werden ebenfalls auf Delir getestet.
Reden tun wir mit den Pat auch.
Zugegeben, mobilisieren meist eher nach Extubation oder Tracheotomie.
Auf ausreichende Schmerzbehandlung wird bei uns auch geachtet
Und ja, Fixierug macht es ehe noch schlimmer.

Was meinst Du, warum hier mehr sediert wird?

Es gibt keine Studie, die belegt, daß ein Intensivdelir mit Medikamenten beherrschbar ist.
Dagegen einen Haufen Meinungen, die besagen, man könne das haldol auch ins Bett Spritzen.
Woher eure Kenntnisse und wir findet bei euch Delirbahandlung satt?

Oder was wird bei euch zu Delirverhütung getan?
 
Naja, schwer zu sagen. Vielleicht haben wir es mit einem kulturellen Unterschied zu tun. Hier legt man gossen Wert, die Autonomie des Patienten möglichst wenig einzuschränken. In den deutschen Kliniken, in denen ich gearbeitet habe, hat man sich sehr viel auf technische Dinge konzentriert und sehr wenig darauf, wie es dem Patienten eigentlich psychisch geht. Im Norden, nicht nur in Dänemark, forscht man ganz intensiv im Bereich Intensivdelir. Und es deuten einige Forschungsergebnisse darauf hin, dass eine Sedierung das Delir fördert. Und dass Haldol eben doch was bringt. Soweit ich weiß, wird im Rahmen des „dänischen Qualitätsmodells“ jeder Intensivpatient in Dänemark CAM- ICU gescreent. So hat man dann einen großen Pool an Patientendaten.
Ich denke mal, dass es hier nicht so schwer ist, Forschungsergebnisse in die Praxis zu bringen. Man probiert mehr aus und forscht sehr intensiv. Das hat meiner Meinung nach damit zu tun, dass die Krankenpflege in Dänemark ein Hochschulstudium ist, und Pflegekräfte ganz selbstverständlich das wissenschaftliche Arbeiten erlernen.
 
sehr intressanter Thread:)

Also in der Klinik wo ich in Deutschland gearbeitet habe, haben wir auch sehr frueh und schnell die Sedierung ausgeschlichen, egal was sie alles am Laufen(Beatmungen, dialysen, ecmos...) hatten. Viele haben das sehr gut toleriert ( aber nicht alle).
Bei Pat. wo abzusehen war das sie länger wie eine Woche beatmet werden, wurde sehr schnell trachototomiert und somit wurde es besser toleriert.

Aufs Delir hin haben wir nie untersucht, gesprochen, basale Stimulation und Kinesthetic war immer Teil unserer Pflege.
Aber ich gebe Dirk recht, bei drei oder vier beatmeten Pat. in zwei oder mehr verschiedenen Raeumen, die nicht vollsten adequat sind, habe ich auch fixiert! Ich habe einmal in meinem Leben erlebt, wie sich ein Pat eine Ecmokanuele gezogen hat. ( war zum Glueck nicht meiner) aber seit dem werden leider meine Pat. auch fixiert wenn ich nicht im Zimmer bin und nicht sicher sein kann ob er adeaquat ist...

Personal ist das Zauberwort, denn zufriedenes, nicht ueberarbeitetes Personal strahlt ja eine ganz andere Ruhe aus, wie die DurchschnittsSchwester von vier Pat. in Deutschland.

Aber wie gesagt, ich kann mir persoenlich nicht vorstellen, wie Pat. es ueber einen laengeren Zeitraum mit Tubus aushalten... ( eigene Erfahrung, und die Schwestern hatten auch zeit und sprachen mit mir, trotzdem war ich nur am wuergen... hat jemand schonmal eine Spagetti verschluckt und sie hing halb oben und unten, so und schlimmer fuehlt sich ein Tubus an:)

Ich finde das mit Daenemark hoechst intressant,... hier in der USA haben die Pat. leider auch nen Wuergereiz:( obwohl sie viele Medis bekommen)
 
Ich habe mich gerade mit einem deutschen Kollegen ueber das Thema wach und intubiert unterhalten. Er meinte, er wuerde sich auch wundern...
Mir ist dann noch ein Gedanke gekommen. Die Verweildauer auf den daenischen Intensivstationen ist sehr kurz. so um die 3,5 Tage. In Deutschland sind es so um die sechs bis sieben. Intensivplaetze sind knapp. Dann habe ich mich an meine Arbeit in D. erinnert. Man hat dort oft die Sedierung ausgeschaltet. Der Patient wurde dann unruhig. Daraufhin hat man die Sedierung wieder angeschaltet. Und das weaning auf den naechsten Tag geschoben. Da passierte dann das Gleiche..Das geht hier ueberhaupt nicht. Es warten schon Patienten auf den Platz. Man hat in Skandinavien mehr manpower. Die braucht man aber auch, will man die Ressourcen effektiv nutzen.
 
Das kann es nicht sein, denn wir hatten in Deutschland bei uns auf Station auch kurze Verweildauern, bei den nicht so kranken, und haben konsequent geweant, trotzdem haben manche gewuergt oder wurden panisch...

hier (USA) solch ein gutes Weaning wie hier habe ich noch nie erlebt, trotzdem wuergen manche der Pat. oder werden panisch...

Ich will es wissen,was es ist, waere doch gut unsern armen Kunden diesen Comfort aus Daenemark zukommen zulassen....

Bisauf ueberleg weiter was ihr anders? BITTE
 
Hier spart man an allem, besonders am Personal, außerdem werden auf Intensivstationen viele Leute eingesetzt, die gerade mal Examen haben.
Auch ist nicht jeder Arzt mit weaning vertraut, sind bestimmte Ärzte Pflegekräfte "am Patienten" klappt es meist ganz gut, aber wenn es menschelt, oder die anwesenden zu wenig Erfahrung haben oder es sehr unruhig ist, dann klappt es eben auch mal nicht, außerdem denken auch Ärzte/Pflegekräfte, bloß weil Patienten ruhig mit geschlossenen Augen im Bett liegen kriegen sie gar nichts mit und man muss ihnen auch nicht vorher sagen, dass man absaugt, oder bettet, oder sie untersucht:evil:.
 
Ein Kollege meinte, die Skandinavier sind halt nicht so heissbluetig wie die Deutschen. Olé!
 
Deutsch und heißblütig, :rocken:...
 
Oh mein Gott, gut das wir nicht in Spanien bei den heissbluetigsten Menschen arbeiten.... wie machen die das denn?
 
Aus gegebenem Anlass möchte ich einmal auf ein merkwürdiges interkulturelles Phänomen hinweisen. Schreibe ich hier im Forum etwas darüber, dass in Dänemark Patienten nicht fixiert sind und auch meist nicht sediert(auch nicht, wenn sie oral intubiert sind) bekomme ich sofort eine sonderbare Antwort, die ein bisschen in der Richtung geht: „ Was für eine Barbarei, die würgen sich doch zu Tode und bringen sich in Gefahr!“
Wenn ich hingegen hier in Dänemark erzähle, dass in Deutschland die Patienten bis zur Bewusstlosigkeit hin betäubt werden und man sie festbindet, dann kommt stets etwas wie: „Festgezurrt- und das im Lande Goethes....und auch noch betäubt..... barbarisch, das glauben wir nicht!“

Sonderbar...

ärgere dich nicht. diese zeitgenossen gibt es immer.
ich glaube dir aufs wort. es muss meiner ansicht nach tatsächlich etwas mit der medikation zu tun haben. es scheint hier in deutschland der glaube vorherschen das nur ein sedierter pat. ein guter patient ist. die sedierung hat oft die folge, dass die patienten eher durchgängiger sind und ebendrum nicht gut zu händeln sind. auch scheint es was mit den beatmungsmodi zutun haben. soll heißen: der in deutschland sedierte pat. wird kontrolliert beatmet. wird er wacher, macht die maschiene nicht das was für den patienten respiratorisch am sinvollsten ist. was wird gemacht? die "milch" kommt in den perfusor ;-) kollegen aus der intensiv meinen leider immer noch, daß ein patient machen muss was wir wollen. es soll dazu aber bereits untersuchungen geben.

MfG, Krankenbruder77
 
ärgere dich nicht. diese zeitgenossen gibt es immer.
ich glaube dir aufs wort. es muss meiner ansicht nach tatsächlich etwas mit der medikation zu tun haben. es scheint hier in deutschland der glaube vorherschen das nur ein sedierter pat. ein guter patient ist. die sedierung hat oft die folge, dass die patienten eher durchgängiger sind und ebendrum nicht gut zu händeln sind. auch scheint es was mit den beatmungsmodi zutun haben. soll heißen: der in deutschland sedierte pat. wird kontrolliert beatmet. wird er wacher, macht die maschiene nicht das was für den patienten respiratorisch am sinvollsten ist. was wird gemacht? die "milch" kommt in den perfusor ;-) kollegen aus der intensiv meinen leider immer noch, daß ein patient machen muss was wir wollen. es soll dazu aber bereits untersuchungen geben.

MfG, Krankenbruder77

das ist es nicht.., und gerade hier in der USA sind die echt fit, deine Kollegen da ist man echt erstaunt wer alles so extubiert wird, aber die haben trotzdem den Wuergereiz...
 
Ich denke, es steht und fällt alles mit dem Personal. Und in D sieht man es offensichtlich als preiswerter an, einen Pat. zu sedieren und zu fixieren.

Die Sichtweise, dass der Mensch lediglich aus Organen besteht, die man nur entsprechend beeinflussen muss, scheint nach wie vor weitverbreitet. Eine Organansammlung kann keine Angst haben bzw. desorientiert sein.

Leider ist diese Ansicht net nur bei Ärzten sondern auch bei vielen Pflegekräften zu finden. Hier denke ich, liegt die Ursache auch beim Ausüben von Macht.

Elisabeth
 
Deutsch und heißblütig, :rocken:...


Einfach großartig, aquarius! :D

Ich denke auch, alles steht und fällt mit dem Personal - sowohl in der Anzahl als auch in der Qualität. Ich kann nicht einen intubierten Pat. ohne Fixierung allein lassen, weil ich im Nebenzimmer noch zwei andere zu versorgen habe.
 
Moin,Moin

Habe mal versucht einen Ländervergleich der Personalschlüssel im Intensivbereich zu finden.Hatte keinen Erfolg. Bin lediglich über z.B. unbesetzte Stellen gestolpert. Angaben einer internistischen Intensivstation an einer Uniklinik mit 22 Betten : 9,84 VK Stellen nicht besetzt.(Jahr 2009):angryfire:

Auf vielen Intensivstationen wird sehr differenziert analgosediert. Scoring Systeme in Sachen Sedierungstiefe und daily awaking werden flächendeckend eingesetzt. Spontanatmung in jeder Phase der Beatmungstherapie wird gefordert und Dank heutiger Technik/Beatmungsmodi auch erreicht (übrigens geht das auch unter tiefer Sedierung!)

Jedoch führt gerade dieses angepasste Analgosedierungsregime zu einem höheren Bedarf an Fixierung. der Patient der alleine "wach" wird ist logischerweise zu Ort,Situation und Zeit desorientiert. Er Bedarf auch ohne Delir der Führung. Er muss mit Informationen gefüttert werden um entsprechend ruhig mit der Situation umgehen zu können. Dies ist mit dem heutigen Stellenschlüssel nicht zu leisten. Der Wechsel von einem zum anderen Patienten bedarf ja schon aufgrund der Hygiene 30 Sekunden. In 30 Sekunden kann viel passieren. Geräte geben Alarm, Hände wandern wenn auch nur aus Unwissenheit an Zu/Ableitungen ...

Was mir etwas bitter aufstößt ist das Intensivpflegenden in diesem Thread teils der Vorwurf gemacht wird wir wollen es nur einfach haben.

In Deutschland wird es immer enger. Die Patienten werden älter und sind immer schwerer erkrankt. Intensivmedizin wird invasiver/aufwendiger. Ob dabei ethische Gesichtspunkte auf der Strecke bleiben lasse ich dabei mal offen.
Stellen können immer schwerer besetzt werden und dabei ist der Stellenplan ohnehin schon unter Bedarf. Pflegepatienten können schwer verlegt werden, da der Personalschlüssel auf der allgemeinen Pflegestation noch schlechter ist bzw. sowieso keine Betten frei sind.

Ich arbeite gerne mit wachen, kooperativen, beatmeten Patienten zusammen. Nur muss man leider sehr häufig in der heutigen Zeit pragmadisch sein. Und im Zweifel muss halt aufgrund der Arbeitsverdichtung alles kalkulierbar sein , und ja Sedierung macht die Arbeit planbar. Das ist zwar ein Teufelskreislauf gerade wegen längerer Beatmung und höherer Komplikationsrate aber leider im Krisengebiet Deutschland sonst nicht leistbar.

Und das schlimme ist das die jungen Kollegen mit geringer Erfahrung es nicht anders kennenlernen und alles ganz normal finden :angryfire:
 
Niemand weiß genau, wie sich die Sedierung auswirkt, manche Patienten wirkten auf mich entspannt und ruhig und haben mir hinterher die tollsten Stories erzählt, was die so alles wahrgenommen haben, die waren da alles andere als entspannt, andere wirken unruhig und die wissen hinterher von gar nichts....
 
Wie steht es eigentlich bei euch mit Clonidin?

Um die Pat. nicht ganz so hart und rasant in der Gegenwart ankommen zu lassen, lassen wir auch gerne mal nen Clonidinperfusor laufen.

Sedierung wird bei uns ebenfalls so schnell wie möglich ausgeschlichen.
Manchmal geht es eben nicht so schnell wie gewünscht und das hat dann wenig mit Bequemlichkeit zu zun.
Die Pat werden oft in mehreren Sitzungen operiert und die Zeit dazwischen ist so kurz, daß ein wach werden lassen und reintubieren für den Pat. eher Quälerei wäre.

Das man die Pat. auch wenn es vielleicht irgendwann mal Nerven aufreibend ist, immer wieder in die Realität zurückholen muß, erklären muß, finde ich extrem wichtig, denn auch hier zeigt sich, wenn ich den Pat. immer wieder abschieße, daß er ja nie zu sich kommen kann.

Dumm nur, wenn man Kollegen hat, die lieber ne ruhige Nacht mit Diso schieben wollen, anstatt sich mit dem Pat. auseinander zu setzten.

Dann fängt der Tagdienst nämlich wieder hei null an.
 
Also, was man man, glaube ich, schon feststellen kann ist, dass Sedierung in den seltensten Fällen Therapie ist. Gesund wird man durch Narkose meistens nicht.
Noch ein Punkt ist, dass in Dänemark sehr viel weniger Medikamente verabreicht werden. Ich bin gerade dabei, mal herauszufinden, was ein Intensivdelir auslösen kann. Ganz oben in der Liste der Verdächtigen steht da: Ketamin Benzos, Propofol, dann kommen etwa bestimmte Antibiosen. Vielleicht schafft man sich da erst ein Problem, dass man dann mit den Verursachern zu lösen versucht.
Wie sieht es eigentlich bei Euch mit der frühen Mobilisation aus? Wir schmeißen eigentlich fast alles aus den Betten.