Das mögen sich bitte noch einmal alle durchlesen, die mit den gesetzlichen Regelungen der ambulanten Pflege nicht vertraut sind.
Auch im Weiteren kann mich stormrider nur anschließen:
Eine Notfalltasche für die ambulante Pflege muß nicht für ALLE Notfälle gerüstet sein. In einem "echten" Notfall rufen wir die 112. Wir können nach den üblichen Regeln reanimieren. Ich habe z.B. auch immer eine entsprechende Maske dabei. Es gibt sogar die Pflicht, alle 2 Jahre den erste Hilfe Kurs wieder aufzufrischen. Allerdings handelt es sich hier um einen simplen Ersthelferkurs, mehr nicht. Ich habe mir schon immer gewünscht, dass man für unseren Berufszweig mal einen gescheiten Kurs zusammenstellt, denn es ist schon wirklich öde, wenn man sich zwischen die Laien setzen muß und sich das immer wieder anhören muß und genau weiß, dass das, was uns vermittelt werden müßte, überhaupt nicht Thema des Kursus ist. Verbockt hat diesen Unsinn vermutlich der Gesetzgeber der zwar eine regelmäßige Schulung vorgibt, aber deren Inhalte nicht wirklich unter Nutzung des Hirns festgelegt hat. Ihr die in den Krankenhäusern arbeitet, habt es da viel einfacher. Euch werden mit Sicherheit regelmässige Kurse zu dem Thema Notfall angeboten und vermutlich gibt es auch Pflichtkurse die über den normalen Ersthelferkurs hinausgehen. Diese Möglichkeiten gibt es in der ambulanten Pflege nicht. Eigentlich müßten für uns Kurse angeboten werden, die vom Niveau her in Richtung Rettungssanitäter gehen. Die gibts aber leider nicht.
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Notfälle in der ambulanten Pflege sind - über das bereits in den anderen Berichten erörterte hinaus- auch noch sehr abhängig vom Schwerpunkt des Pflegedienstes. In der psychiatrischen Pflege lesen wir von schwereren Selbstverletzungen bei (transportableren) Patienten. Bei einem Pflegedienst mit palliativem Schwerpunkt dürfte das anders aussehen.
Beim akuten, lebensbedrohlichen Notfall: Leitstelle bzw. 112 informieren - unverzüglich! Danach kann man immer noch abwägen, ob man z.B. versucht, schneller an einen Arzt zu kommen. Ich lebe und arbeite auf dem platten Land; der RTW wie auch der NEF haben mind. 15 km Anfahrtsweg zu bewältigen; die (zahlreichen) Hausärzte vor Ort brauchen keine 5 Min.,um zu den meisten Pat. zu gelangen. Für diesen Anruf kann ich auch einen Angehörigen ans Telefon schicken, um mich in der Zeit um den Pat. zu kümmern. Ansonsten finde ich es in der Regel sinnvoller, den RettAss Tür und Tor zu öffnen (Helfer anweisen), Licht draußen anschalten zu lassen,ggf. neugierige Nachbarn zum Wegweisen abzustellen, als dem Pat. die Venen zu zerstechen (ich punktiere viel zu selten noch venös, als dass ich beim kreislaufinstabilen Pat. eine großlumige Braunüle sicher gelegt bekomme) -aber das mag, denke ich, wirklich jeder nach seinem individuellen Können (!) zu entscheiden. Ansonsten erwarte ich von exam. Kräften schon adäquates Handeln, z.B. Lagerung, Erfassen von Vitalzeichen, Kleidung öffnen/entfernen, Sauerstoff geben, was-auch-immer im jeweiligen sinnvoll ist.
Handelt es sich um einen Hausarzt-genügt-Notfall (z.B. Exsikkose, permanentes Erbrechen,usw.), kann es ja auch mal sinnvoll sein, eine Infusion dabeizuhaben und die schonmal fertigzumachen. Da muß ich sagen, dass ich das Glück habe, sowas am Telefon mit unseren HÄ abklären zu können, z.B. wer hat was gerade griffbereit und bringts mit.
Der allerhäufigste Fall bei uns ist (das mag anderswo wieder ganz anders anders sein),dass Angehörige oder eine Hausnotrufzentrale anrufen und einen "Notfall" melden: Sturz, "Unwohlsein", Erbrechen, "Wunde" - das dürften die häufigsten Fälle sein. Dazu brauche ich in der Regel das, was für die Notfalltaschen schon beschrieben wurde (BZ-Meßgerät, RR-Gerät mit losem Stethoskop, Fieberthermometer in jedem Fall!). Einzig den Verbandskasten brauche ich nicht - für Wunden habe ich dabei:
- Schere/Pinzette (Einweg-Sterilgut)
- Octenidin-Lsg (vorzugsweise kleine Sprühflasche) und NaCl 0.9% in
Plasco-Ampulle und Spritzen
- sterile Kompressen/Tupfer
- Wunddistanzgitter (m.E. wichtigster Bestandteil bei allen
Schürfwunden/Ablederungen)
- elastische Mullbinden, Pflaster, Folien/Klebevliesverband
- Wundlineal
Wer mag:Spritzen, Kanülen, Alkoholtupfer, Taschenmaske oder Beatmungstuch (Firma sage ich jetzt nicht), Guedel/Wendltuben, Mundspatel, usw.
In jedem Dienstwagen finden sich bei uns außerdem: Handschuhe, Händedesinfektionsmittel, Krankenunterlagen, Schutzkittel/Schürzen, Windelhosen/Vorlagen, Erstset für Noro/MRSA-Pat.versorgung, Nierenschalen, Saugkompressen, Mullbinden und derlei Zeug. Wie man es braucht und wie es sinnvoll ist. Das ganze passt staubdicht in zwei Plastikboxen mit Deckel, Inhaltsverzeichnis klebt obendrauf. Regel: wer was rausnimmt, muß auch auffüllen, 1 x vierteljährlich muß durchgesehen werden (Verfall, Defekt, etc.). Leider geht das nicht für Dinge, die nicht frostbeständig sind
Bewährt haben sich bei uns auch noch: Stirnlampe, Einmalkatheter, Spritzen, Kanülen, Katheterset, Katheter, Urinbeutel, Peanklemme, Infusionsbesteck nebst RiLa oder NaCl, Butterfly/Braunüle, Fixiermaterial, Mundschutz, diverse Spritzen/Kanülen/Stopfen, Nacl in Plasco-Ampullen, Wasser/Glycerin-Lösung in Plasco-Ampullen, Darmrohr und Fertigklistier. Das ganze Zeug (nebst Wundversorgung, RR/BZ-Gerät usw.) wiederum macht dann doch (mit Ambubeutel) einen ganzen Koffer voll, der griffbereit im Büro steht; daneben der Kasten mit dem Absauggerät (startbereit, d.h. Katheter, Handschuhe, Spüllösung an Bord). Dies kommt zum Einsatz, wenn z.B. eine Pflegekraft vor Ort ist und bei uns Hilfe anfordert, z.B. "Notfall" am WE und der Hausarzt oder KV-Notdienst kommt .. irgendwann oder hat telefonische Vorab-Anweisungen erteilt.
Unser Fazit: eine Tasche, die alle Anforderungen erfüllt und alle häufigeren Fälle abdeckt, gibt es nicht. Dass ich vor Ort etwas vorfinde, was ich nicht selbst dort deponiert habe, darauf verlasse ich mich nicht (Erfahrungswert - vor allem Fieberthermometer und Pflaster scheinen nicht mehr zum Standardhaushalt zu gehören).
Bei uns hat sich (in 16 Jahren ambulanter Pflege) eben das oben Beschriebene bewährt (Tasche und Autokiste) und den Spezialkram sortiert im Büro in Griffweite. Neben dem (beschriebenen, erweiterten) Koffer und dem startklaren Absauggerät haben wir auch einen Kasten mit allem, was man bei Exsikkose gebrauchen kann und einen, mit dem ich zu Wundversorgungen gehe. Ich muß zwar erst ins Büro (oder durch jemanden den Kram bringen lassen), aber jedwedes Rumsuchen nach Einzelteilen nebst Überlegungen/Erklärungen entfällt damit.
Meines Erachtens auch nützlich:
Alle wichtigen Nummern sind im Handy gespeichert!
Ein Verlegungsbericht in blanko findet sich in jeder Doku vor Ort, daneben haben wir ein spezielles Sturzprotokoll (auch blanko in jeder Doku), dass wir bei Bedarf mitgeben, z.B. mitunter sehr dankbar von den Jungs und Mädels auf dem RTW und den KH-Ambulanzen angenommen. (Denn wen interessiert dort beim somnolentem Pat. mit V.a. SHT denn wirklich der letzte Stuhlgang und dessen gewohnte Kostform... ). Das Medikamentenblatt gebe ich in größter Eile auch mit, ansonsten kommen die Infos auch auf den Verlegungsbericht.
Aber, wie bereits erwähnt: wir sind auf dem Land, haben aber *intern* sehr kurze Wege und sind oft eben die Ersten vor Ort. Das mag in städtischen Gebieten mit < 8 Min. bis zum Eintreffen eines NA und Klinik an Klinik oder auch in dünn besiedelten, weitläufigen Gebieten ganz, ganz anders sein.
Desweiteren hängt es doch auch von der Art und Erfahrung des eingesetzten Personals ab, was man einpackt, was man erwartet. Wir haben überwiegend erfahrene KS im Einsatz, zum Teil mit A/I-Erfahrung usw. Desweiteren klappt das Zusammenspiel mit den meisten HÄ dbzgl. sehr gut - ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist.
Lange Rede, kurzer Sinn: Notfalltasche ? Es kommt darauf an...