Wie richtig mit dem Tod eines Patienten umgehen?

Ich schätze, viele Kollegen haben einfach Schwierigkeiten, sich richtig auszudrücken. Sich daran "gewöhnen" zu müssen ist ein saublöder Rat. Wir müssen uns nicht an den Tod gewöhnen, aber lernen, mit unseren Gefühlen diesbezüglich umzugehen - und das ist wahrscheinlich damit gemeint.

Da sind wir wieder mal bei der Kommunikation und dem Phänomen, dass A das eine meint und B das andere versteht. Und wenn B dann möglicherweise ebenfalls Schwierigkeiten hat, nachzufragen - weil B Schüler ist und Schüler ungern Schwächen zugeben, wenn sich die auf die Note auswirken könnten - dann begreift A noch nicht mal, dass er sich gerade recht ungeschickt verhält.

Wir Examinierten unterschätzen oft unsere Vorbildfunktion. Wenn wir unsere Gefühle verbergen, entwickelt so mancher Schüler den Gedanken, er dürfe keine solchen Gefühle haben. Aber weil dies ja gar nicht menschenmöglich ist, entwickeln sich überhaupt erst ein Konflikt. Wäre von vornherein klar, dass Gefühle, auch negative Gefühle, völlig in Ordnung sind, solange man nicht komplett aus der Bahn geworfen wird, dann wäre der Umgang mit dem Tod wahrscheinlich einfacher.
 
Ich muss mir hier auch etwas von der Seele schreiben.

Ich bin Schülerin im 1. LJ und befinde mich grade in meinem ersten Einsatz. Ich liebe meine Ausbildung und bekomme oft Bestätigung , dass ich sehr gut arbeite und ich die Patiente toll behandle. Ich bin offen und bin einfach glücklich bei meinen Patienten.
Ich kann "viel ab", z.B. wenn wir Apoplex Patienten haben, die einfach nur liegen und kaum etwas von sich geben, oder andere schwerkranke Patienten. Aber nun ist etwas in mein Leben getreten, dass ich bisher einfach nicht wahrhaben wollte.
Letzte Woche, als ich Spätschicht hatte, hat meine Kollegin eine Patientin tot aufgefunden. Als ich es nur hörte, fing mein Puls an zu rasen. Ich bekam Panik.Ich dachte nur "bitte nicht jetzt, bitte nicht hier, nein...!" und verspürte nur Angst. Ich sah von weitem, wie sie sie in ein leeres Zimmer schoben. Sie haben sie auch dann versorgt.
Erst wollte ich sie nicht sehen. ich hatte so ein schreckliches Gefühl in meinem Körper, alles sträubte sich dagegen da rein zu gehen .Ich hatte vorher noch niemals mit dem Tod eines Menschen zu tun gehabt. Und irgendwie diese reale Tatsache einfach weggeschoben.
Später habe ich sie mir angesehen, auch kurz berührt. Ich war einfach nur Angsterfüllt...traurig...und sah immer wieder in meinem Kopf ein bestimmtes Bild von ihr.
Die Tage darauf waren schrecklich. Ich habe dauernd geweint...Sie war jeden Tag in meinem Kopf ich habe kaum geschlafen, hatte Alpträume. Obwohl ich sie 2 Wochen ca. nicht mehr gesehen habe, sie kam nämlich nochmal auf Station, nachdem sie schonmal da war.

Einige Tage später ging es mir schon besser, dann kam der nächste Schlag. Da war eine Dame, die ich sehr mochte und sie mich. So schlecht es ihr auch manchmal ging, wenn ich kam, lächelte sie. Nahm meine Hand...und Streichelte einmal mein Gesicht . Und genau dieses Bild kann ich nicht vergessen. Wie sie lächelte. Wie ich mich mit ihr unterhalten habe, wenn ich bei ihr im Zimmer war. So kleine Dinge. Am tag, wo sie starb , Half ich ihr beim Waschen. Ihr ging es schlecht, sie konnte nicht viel mitmachen und wollte sich hinlegen. Verschluckte sich auch beim Mundausspülen... Wo ich mir dummerweise einmal Gedanken machte, ob ich damit nicht ihren Tod gefördert hätte, als ich ihr dann auf den Rücken geklopft habe o__o aber von dem Gedanken habe ich mich verabschiedet...Ich habe sie soweit es ging frisch gemacht und habe sie danach nicht mehr gesehen, weil ich bis nach dem Frühstück bei anderen Patienten war.
Dann klingelte es in ihrem Zimmer. Ihre Tochter rief um Hilfe. Ich rief die anderen Schwester. Danach funktionierte ich nur noch. Ich sah sie, wie ihre Tochter sie im Arm hielt. Ihr Gesicht ohne Leben, sah irgendwie blau aus, sie war schlaff. ich zog die andere Patienten mit ihrem Bett aus dem Zimmer. Ich zitterte am ganzen Körper und die Tränen drückten in meinen Augen. Die anderen Schwestern holten den Defi, die diensthabende Ärztin stürmte rein. Ich hörte nur den Defi.
Ich kümmerte mich um die andere Patientin. Sie fragte: "Wird Frau XY nun sterben?" . Ich schaute sie an, konnte nichts sagen...

Sie starb dann auch. Aber ich wollte sie dann nicht mehr sehen... Ich konnte es einfach nicht. Ich sträubte mich wieder im Inneren. Und da war wieder dieses ekelhafte, kalte Angstgefühl.

Als ich dann später, nachdem ich was geholt hatte, wieder in die Station kam, sah ich diese verhasste Blechbüchse, in der die Toten abgeholt wurden. Dieses Ding macht mir Angst. Immer wenn es mir entgegenkommt, bekomme ich Angst und Gänsehaut.

Tage nach ihrem Tod weinte ich viel. Hatte Angst vor dem Tod. Davor, dass Menschen die ich Liebe sterben, davor dass ich sterbe. Ich hasse den Tod . Aber er ist real und er umgibt mich nun tagtäglich.
Ich muss immernoch oft an sie denken, und daran wie sie mich anlächelte und meine Wange streichelte . Wie sie sprach, alles. Aber es wird mit jedem Tag einfacher.
Trotzdem habe ich Angst vor dem nächsten Toten.
Wird es für mich Routine oder werde ich immer wieder so leiden? Wann werde ich mich endlich trauen einen Verstorbenen mal zu versorgen und nicht so eine extreme Angst zu haben? Davor habe ich wirklich richtig Panik.
Der Tod ist für mich was kaltes, endgültiges und angsterregendes...ein schlimmes Schicksal. Ich kann es irgendwie nicht als Erlösung sehen für die alten Menschen...und bei den jüngeren...ohje ich will garnicht daran denken...
Zwischendurch kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht in meinem Beruf nicht richtig bin. Aber da weiss ich, dass der Gedanke falsch ist. Ich liebe diesen Beruf. Nur der Tod schränkt meine Freunde manchmal ein.
Ich rede mit meiner Mutter oft darüber...aber das reicht mir nicht...Ich muss für mich und meine innere Einstellung eine Lösung finden. Um nicht immer diese schlimmen Bilder und Gedanken zu haben...

Ich hoffe es klappt eines Tages?:weissnix::cry::cry::cry:
 
Huhu Lucian,

erst einmal finde ich es sehr mutig, dass Du hier so offen über Deine Empfindungen in Bezug auf den Tod und den Umgang mit Verstorbenen sprichst.
Das ist der richtige Weg um einen Weg zu finden, mit Deinen Ängsten fertig zu werden.

Rede Dir nicht ein, dass der Beruf nicht der Richtige für Dich sein könnte.
Unser Job besteht ja nicht nur aus Tod.
Und alles andere macht Dir ja viel Freude.

Hast Du eine Möglichkeit gehabt, mit den Kollegen auf der Station, nem PA oder einem Lehrer darüber zu sprechen?

Mit Deiner Mama zu reden war sicher der richtige Schritt, aber gerade die Gespräche mit den Kollgen (das zeigen auch die Beiträge in diesem Post) kann Dir zeigen, dass Du nicht alleine bist.

Wie vorher schon hier geschrieben, darf trotz aller Professionalität niemals das Gefühl auf der Strecke bleiben und uns zu Maschinen machen. DANN sind wir in diesem Beruf falsch!

Lass Dich nicht entmutigen, Du wirst Wege finden, mit Tod und Sterben so umzugehen, das es Dir damit "gut" gehen kann.

Mir persönlich hilft es immer, mir nette Anekdoten mit dem Verstorbenen in Erinnerung zu rufen, die es ja oft gibt. Mir hilft das meistens.

Gruß Azubi
 
Wie man sieht ist es sehr unterschiedlich, wie wir mit dem Tod umgehen.
Ich habe in meinen vielen Jahren in diesem Beruf Gottseidank nur alte Menschen Ü70 sterben sehen und es ist mir mal mehr mal weniger ans Herz gegangen, manchmal hat es mich auch sehr mitgenommen und manche sehe ich heute noch, 20 Jahre später, vor mir und erinnere mich, was ich mit ihnen geredet habe.

Wir müssen einen Weg finden, wie wir mit dem Tod umgehen, so dass es uns weder kalt lässt, noch so sehr beeinträchtigt, dass wir unsere Arbeit nicht mehr machen können oder tagelang weinend durch die Gegend laufen.

Mich würde interessieren, wie Krankenpflegeschulen heute mit diesem Thema umgehen und wie Schüler/innen darauf vorbereitet werden.
 
Huhu BettyBoo,

bei uns an der Schule gibt es im Mittelkurs ein Seminar " Tod und Sterben".
Das geht über zwei Tage und beinhaltet z.B. einen Besuch auf der Palliativstation. Außerdem viele Gesprächsrunden über persönliche Erfahrungen und Empfindungen.

Außerdem sind die PA´s auf den Stationen sensibilisiert, und nehmen Schüler, vor allem nach dem ersten Kontakt mit dem Tod, auf die Seite und besprechen die Situation.

Alles in allem wird, zumindest bei uns im Haus, kein Schüler im Regen stehen gelassen. Außerdem gibt es für alle Schüler die das möchten ein Praxiseinsatz im Hospiz, das unserem Krankenhaus angeschlossen ist.
 
Das freut mich zu lesen, dass es bei dir so läuft.
So sollte es sein!
 
Danke für deine Antwort!

Ich hatte bisher immer Gelegenheit, mit meinen Kollegen zu sprechen. Sie waren immer da, wenn ich danach geweint habe und erstmal nichts mit mir anzufangen war. Das fand ich sehr gut, so war ich mit der Situation nicht alleine.
Ich habe nun festgestellt, dass es mir sehr gut tat, meinen Beitrag hier gestern zu schreiben. So konnte ich alles nochmal irgendwie "ausspucken" was mir auf der Seele lag.

Ich finde auch, dass die Professionalität darin auch liegt, ein Mensch zu sein mit Gefühlen und diese auch zuzulassen. Die Patienten sollen ja nicht von Robotern behandelt werden. Ich nutze meine Sensibilität und Empathie gegenüber meinen Patienten gut aus...Muss sie nur gut steuern lernen in traurigen Situationen.

LG
 
Mich würde interessieren, wie Krankenpflegeschulen heute mit diesem Thema umgehen und wie Schüler/innen darauf vorbereitet werden.


Es hätte mir viel gebracht, und ich denke anderen auch, wenn die uns vor dem ersten Praxiseinsatz vorbereitet hätten:(
 
Leider ist das oft so. Erst die Praxis, dann die Theorie.:|
 
Wie hättest du dir ganz konkret die Vorbereitung vorgestellt?

Elisabeth
 
Wie hättest du dir ganz konkret die Vorbereitung vorgestellt?

Elisabeth


Wenigstens einen Tag auf dieses Thema aufmerksam gemacht...Möglichkeiten aufgezeigt bekommen, wie man damit umgehen könnte und zu wem man gehen kann... Auf welchen Stationen einem der Tod eher öfter begegnen kann, was mit ihnen passiert und wie man reagieren sollte, wenn jemand stirbt oder man jemanden tot auffindet...so wäre dann der Schock in der Praxis meiner Meinung nicht so groß.

Eine meiner Klassenkameradinnen findet es wohl garnicht schlimm...bringt die Toten seelenruhig auch in die Pathologie und schiebt sie in den Kühlschrank... ich wäre fertig mit den Nerven... Sie bräuchte sowas eventuell nicht. Weil sie da schon ein Schutzschild um sich hat...
 
Wenigstens einen Tag auf dieses Thema aufmerksam gemacht...Möglichkeiten aufgezeigt bekommen, wie man damit umgehen könnte und zu wem man gehen kann... Auf welchen Stationen einem der Tod eher öfter begegnen kann, was mit ihnen passiert und wie man reagieren sollte, wenn jemand stirbt oder man jemanden tot auffindet...so wäre dann der Schock in der Praxis meiner Meinung nicht so groß.
Dieses Vorgehen empfehlen die Rahmenlehrpläne zumindest einiger Bundesländer. Es existieren sogar fertige Unterrichtskonzepte für die Behandlung im Einführungsblock. (Ich hab mich gerade im Studium mit diesem Thema befasst.)

Ich glaube, die theoretische Vorbereitung könnte verbessert werden, aber die ersten Erlebnisse mit dem Tod - und die finden heutzutage eher in unserem Beruf denn zu Hause statt - werden dennoch für viele eine belastende Erfahrung sein.

@Lucian: Du hast Leute, mit denen Du reden kannst - das ist schon einmal eine wichtige Ressource. Was tut Dir denn sonst noch gut, wenn Dich etwas belastet? Hast Du einen Ausgleich, der Dir sonst hilft?
 
@Lucian: Du hast Leute, mit denen Du reden kannst - das ist schon einmal eine wichtige Ressource. Was tut Dir denn sonst noch gut, wenn Dich etwas belastet? Hast Du einen Ausgleich, der Dir sonst hilft?

Ich muss ehrlich sagen, dass ich noch auf der Suche nach einem Ausgleich bin...nach einer schnell ergreifbaren Möglichkeit, um die Gedanken an den Tod einfach mal abzuwerfen....Einfach mal Ablenkung... Bisher sind es nur Gespräche oder in die Stadt spazieren gehen...wo man von Menschen umgeben ist und man sich mehr mit Preisen von Artikeln beschäftigt statt mit toten Menschen... aber ich muss aufpassen , dass es nicht in Kaufsucht ausartet^^ Hast du einen Tipp für mich, was man noch so machen könnte? ich Brauche auf jeden fall etwas, dass sehr gut ablenkt...
Danke!
 
Was hilft Dir denn, wenn es Dir sonst dreckig geht oder Du aus einem anderen Grund den Kopf freikriegen willst? Sport? Entspannungsübungen? Musizieren? Gartenarbeit? Gebete? Unternehmungen mit Freunden?

Es gibt keine Patentrezepte für die Work-Life-Balance. Du musst ausprobieren, was Dir nützt. (Meine Freundin und ich haben uns immer dann, wenn uns das Studium besonders nach unten zog, ein Mahl in einem bestimmten Schnellrestaurant mit goldenem Doppelbögen gegönnt...)
 
Genau, und auf den ersten Blick war das eher ungesund, aber es half uns, runterzukommen. Und das wiederum war unserer geistigen Gesundheit eher zuträglich...:wink:

Und selbige Freundin weiß heute noch, was los ist, wenn ich "Ich muss unbedingt sofort zu M...." auf ihrem Anrufbeantworter hinterlasse.

Um wieder auf das Thema zurückzukommen: Die persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema "Sterben" ist notwendig. Alle Menschen sterben eines Tages. Und in Deutschland tun das 80% in Krankenhäusern oder Altenpflegeheimen. In unserem Beruf kann man sich dem unmöglich entgehen. Wer die Auseinandersetzung damit immer verdrängt, dem fliegt das eines schönen Tages um die Ohren.

Negative Emotionen sind völlig in Ordnung. Wichtig ist, eine Entlastungsmöglichkeit zu finden.
 
Tatsächlich muss ich erstmal eine Methode finden um den Kopf wirklich freizupusten....weil auch in Momenten, in denen die Arbeit eigentlich weit weg ist, diese Menschen in meinem Kopf sind. Und irgendwie um mich herumgeistern.
Meine Klassenkameradin meint, ich solle evtl. einmal eine Totenversorgung mitmachen um meiner Angst mal ins Gesicht zu sehen ... Ich hoffe das könnte etwas bringen.
Mein Ziel ist es, den Tod und das Sterben nicht mehr mit etwas schrecklichem und angsterregendem gleichzusetzen... :(
 

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