Patienten alleine lassen

Hugenay

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Ich habe eine rechtliche Frage. Auf unserer Station ist der Nachtdienst alleine, muss aber ab und zu einen Patienten aus dem OP abholen. In dieser Zeit muss er logischerweise die Station verlassen und lässt die Patienten unbeaufsichtigt zurück. Es ist auch keine andere Station in der Nähe, von wo eine Pflegekraft kurz aushelfen könnte. Meiner Meinung nach ist das rechtlich sehr bedenklich wenn nicht sogar verboten. Kann mir jemand entsprechende Gesetzesstellen sagen?
 
Habt ihr einen BR bzw. eine MAV?
Existiert eine Arbeitsanweisung bzw. belastbare Dienstanweisung für solche Situationen?
Es ist auch keine andere Station in der Nähe, von wo eine Pflegekraft kurz aushelfen könnte.
Wie sind denn dann eure Pausenablösungen im ND abgedeckt?
 
als erstes spricht man im normalfall ja mal die stationsleitung an. was sagt sie oder er dazu ?
wenn keine brauchbare antwort erhältlich - was sagt die pflegedienstleitung zu dieser situation ? wie wird diese situation gerechtfertigt ?
 
Schau mal hier
Station im Nachtdienst verlassen?
Wenn hier etwas passiert, handelt es sich um ein Organisationsverschulden:
"Ein Organisationsverschulden ist immer dann gegeben, wenn durch eine fehlerhafte Organisation die korrekte Betreuung der Bewohner oder Patienten nicht mehr gesichert ist und auf diese Weise ein Senior zu Schaden kommt.

Beispiel: Das Pflegeheim "zur Mühle" verfügt derzeit nicht über ausreichend examiniertes Personal. Daher wird der Nachtdienst mit Pflegehilfskräften abgedeckt. Bewohner Gustav K. liegt im Wachkoma und ist nicht in der Lage abzuhusten. Das Sekret behindert seine Atmung, er droht zu ersticken. Beim hektischen Versuch, Gustav K. abzusaugen, kommt es zu Blutungen in der Luftröhre.

Ein klarer Fall von Organisationsverschulden. Die Einrichtung muss auch den Nacht- und Wochenenddienst so organisieren, dass für Bewohner keine Gefährdung auftreten kann."
Quelle:
pqsg.de - das Altenpflegemagazin im Internet / Online-Magazin für die Altenpflege
Allerdings muß vorher die Leitung darüber informiert worden sein - am besten schriftlich, damit man belegen kann, daß auf den Mißstand hingewiesen wurde!
 
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Ich vermute, das kommt darauf an, wo du arbeitest.
Bei mir ist es auch so, dass ich nachts alleine bin, sogar im ganzen Haus.
Da wir einen Betriebsratsvorsitzenden hatten, der immer wieder behauptet hat, das
sei rechtlich nicht in Ordnung habe ich vor längerer Zeit Rechtsauskunft eingeholt.
Es ist z.B. in meinem Fall in Ordnung.
 
OffTopic: Was ist mit deinem begonnenden Pflegemanagementstudiengang geworden?
 
Ich habe eine rechtliche Frage. Auf unserer Station ist der Nachtdienst alleine, muss aber ab und zu einen Patienten aus dem OP abholen. In dieser Zeit muss er logischerweise die Station verlassen und lässt die Patienten unbeaufsichtigt zurück. Es ist auch keine andere Station in der Nähe, von wo eine Pflegekraft kurz aushelfen könnte. Meiner Meinung nach ist das rechtlich sehr bedenklich wenn nicht sogar verboten. Kann mir jemand entsprechende Gesetzesstellen sagen?
Gibt's technische Möglichkeiten, um die Überwachung der Patienten sicherzustellen? Klingeln zusammenzuschalten o.e.?
 
Hallo
Diese Situation hatte ich vor Jahren auch. Wollte mich rechtlich kundig machen und habe herausgefunden, dass nur eines sicher ist,"Ironie an" auf See und vor Gericht bist du in Gottes Hand."Ironie aus". Habe das Problem dann auf sehr strikte Weise geregelt. Ein Brief an die PDL, daß ich Nachts meine Station nicht verlassen werden und der Tranport von Patienten von ihm anders geregelt werden muss. Eine Dienstanweisung zu diesem Thema fände ich irrelevant, da er Nachts nicht vor Ort sei und es Nächte gibt in denen das Verlassen der Station fahrlässig wäre. In diesem Zusammenhang könnte er sich auch Gedanken zu meiner Pausenablösung machen, die mir laut Gesetz zusteht. Das Ende vom Lied, meine PDL hatte mich nicht mehr lieb, und die OP - Bereitschaft durfte den Patienten auf Station fahren. Da Nachts in der Regel nicht am Fließband operiert wird war dies auch kein Problem. Inzwischen haben wir einen Nachtdiensspringer der den GKP die Pause ablöst. Selbst nach all den Jahren nimmt mir meine PDL das immer noch übel. Mir ist das wurscht, aber es gibt sicher Kolleginnen die das nicht abkönne.
Alesig
 

:up::up::up::deal::deal::deal:

Am 12.11.2007 hat flexi - Administrator - folgenden Gesetzestext § 221 StGB in seinem Beitrag aufgeschrieben.

Strafgesetzbuch
Besonderer Teil (§§ 80 - 358)
16. Abschnitt - Straftaten gegen das Leben (§§ 211 - 222)

§ 221
Aussetzung

(1) Wer einen Menschen

1. in eine hilflose Lage versetzt oder
2. in einer hilflosen Lage im Stich läßt, obwohl er ihn in seiner Obhut hat oder ihm sonst beizustehen verpflichtet ist,
und ihn dadurch der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1. die Tat gegen sein Kind oder eine Person begeht, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, oder
2. durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.
(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Am besten, ausdrucken und verteilen (an die Bereichsleitung, Schichtleitung, Stationsleitung, PDL, Betriebsrat und Kollegen)
 
§221 (Aussetzung) erfordert einen Vorsatz gem. §StGB. Dieser ist nicht gegeben, wenn man die Station kurz verlassen muss. Zudem betreffen Straftatbestände immer die Person selbst, keine Organisation (und damit auch keine PDL o.ä.).
 
Hier ist die Grenze zwischen "bewusstem Vorsatz" und "Fahrlässigkeit" fliessend.

"Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt ein Täter nicht vorsätzlich, sondern lediglich bewusst fahrlässig, wenn dieser ernsthaft auf den Nichteintritt eines tatbestandlichen Erfolgs vertraut."
GH, Urteil vom 18. Oktober 2007, Az. 3 StR 226/07, Volltext, Rn. 11.

Eine schöne Formulierung für "Ach, stell dich nicht so dran! Das ist noch nie 'was passiert, das machen wir schon immer...hoppala...ja...das ist jetzt aber...dumm gelaufen...(Pfeift ein Lied)!"
 
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erfordert einen Vorsatz

Aus meinen eigenen Empfinden ist der Vorsatz gegeben, da ich weiß, das sobald ich die Station verlasse, für Patienten
(für die ich verantwortlich bin), die gesundheitlich in Not geraten und die auf Hilfe angewiesen sind, das niemand (keine andere Pflegefachkraft) und somit auch ich nicht, dem Patienten helfen kann.
Gesundheitliche Schäden und der Tod, können dann nicht verhindert werden, sondern sie werden billigend in Kauf genommen.
Da würde ich mich vor vehement wehren.
Als erstes geht es um die Gesundheit und das Leben des mir anvertrauten Patienten.
Als zweites um meine Zulassung für den Beruf, die ich nicht verlieren will.

Dieser ist nicht gegeben, wenn man die Station kurz verlassen muss

Das hieße ja, das ich einen Patienten, dessen Allgemeinzustand sich akut verschlechtert, sich selbst überlasse, während ich auf einer anderen Station helfe.
Dann kann also der Patient, der meine Hilfe braucht, so lange warten, bis ich zurück bin und ihm helfen kann?

Das hieße also zum Beispiel:
ein Patient der einen Sturz erleidet
oder einen Herzinfarkt erleidet
oder einen epileptischen Anfall erleidet
oder einen Schlaganfall erleidet
oder andere gesundheitsbedrohliche Vorkommnisse erleidet,
dass er bitte 15 - 30 Minuten oder auch länger auf adäquate Hilfe wartet.

Zudem betreffen Straftatbestände immer die Person selbst

Stimmt.

keine Organisation (und damit auch keine PDL o.ä.).

Den Gesetzestext würde ich an die betreffenden Personen verteilen, um sie zu informieren, aus welchen Grund ich die Station in der Nacht nicht verlassen würde, um auf einer anderen Station auszuhelfen.
 
Aus meinen eigenen Empfinden ist der Vorsatz gegeben, da ich weiß, das sobald ich die Station verlasse, für Patienten (für die ich verantwortlich bin), die gesundheitlich in Not geraten und die auf Hilfe angewiesen sind, das niemand (keine andere Pflegefachkraft) und somit auch ich nicht, dem Patienten helfen kann.

Hier muss man allerdings abwägen - wäre die fehlende Hilfleistung auch Zustande gekommen, wenn die bedingende Handlung unterblieben wäre?
So können nahezu alle der von dir benannten Zustände auch unbemerkt eintreten, während du auf Station bist (z.B. "zwischen den Runden") - es sei denn es liegt eine Form der kontinuierlichen Übewachung (Monitor, Kamera, Wachstation mit Blickkontakt, Sitzwache, Mehrbettzimmer, etc.) vor.
Man ist recht schnell bei der "Einzelfallentscheidung" - aber du hast natürlich recht, dass das Risiko bei längerer Abwesenheit einer betreuende Kraft immer ansteigt und mehr Personal im ND dies Sicherheit für alle erhöht. Manche AG's reizen das Ganze bewusst bis an die Grenzen des Möglichen aus.

Am Ende bleibt dann das übliche Spiel zwischen Moral, Ressourcen und Gesetz...
 
Das hat mit Vorsatz nichts zu tun, sondern betrifft - wenn überhaupt - die grobe Fahrlässigkeit. Man kann ja auch keinen Menschen versehentlich ermorden, sondern muss dies beabsichtigen. Das trifft auch auf unterlassene Hilfeleistung zu: Ich muss Kenntnis über den Umstand haben, dass sich eine Person in akuter Not befindet. Die alleinige Tatsache, dass ich auf einer Station X hilfsbedürftige Menschen betreue und möglicherweise ein Notfall eintreten könnte, während ich kurz abwesend bin, erfüllt natürlich nicht den Vorsatz, einen Menschen dadurch vorsätzlich schädigen zu wollen. Etwas anderes wäre es, wenn ich davon ausgehen muss, dass sich der Zustand eines Menschen akut verschlechtern wird, während ich abwesend bin. Dann sollte der Notarzt allerdings längst verständigt sein. Dennoch wird bei grober Fahrlässigkeit niemand anderes haften als die Person, die sich entschieden hat, so zu handeln. Das ist dann kein Organisationsverschulden mehr.
 
Hallo Ben,

dass sollte kein Angriff gegen Dich sein.

Ich finde es einfach unnötig, Pflegefachkräfte solchen Bedingungen auszusetzen.

Es grüßt Dich

pepita - sheep
 
Habe ich nicht als solchen verstanden. Habe es nur sachlich aus juristischer Sicht aufgegriffen, bevor Leute anfangen, das Strafgesetzbuch an ihre AG zu verteilen ;-)
Wir sind einer Meinung was die menschliche Betrachtungsweise angeht.
 

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