Kommunikation mit Wachkoma-Patienten

Überlegen wir doch mal- wie funktioniert das Gehirn. Es reicht net, dass neue Nervenzellen gebildet werden. was heutzutage ja net mehr bestritten wird- sondern diese Nervenzellen müssen miteinander verbunden werden. Neuronales Netz ist das entsprechende Zauberwort. Dieses Neuronale Netz ist aber nix statisches- es wird aufgebait bei entsprechender Förderung und abgebaut, wenn die Nutzung entfällt. Und nun gehe ich mal davon aus, dass die Förderung der Bew.- wenn überhaupt- doch eher inadäquat war. Sonst hätte man wohl schon innerhalb der 10 Jahre eine Veränderung bemerkt. Ein KH- Aufenthalt dürfte kaum soviel Input gegeben haben, dass hier eine massiver Neuaufbau von Verbindungen zu erwarten wäre.


Btw. - Studien, die verallgemeinernde Aussagen zum "Erwachen" aus einem Wachkoma ergeben sollen, kann es net geben. Man ist bis dato noch nicht in der Lage eine einheitliche Population zu erstellen- man kann m.W. die Fähigkeiten das neuronale Netz nebst entsprechenden Leistungen nur sehr eingeschränkt feststellen. Das dürfte mit der Komplexität des Gehirnes zusammen hängen. Damit ist es nur möglich Einzelaussagen zu treffen.

Bei dem Fall der TE dürfte nich erschwerend hinzukommen, dass die Bew. mit 89 Jahren schon ein gesegntes Alter erreicht hat. Mit zunehmendem Alter verlaüft der Abbau immer schneller und es wird immer schwieriger verlorene Fähigkeiten wieder zu "reanimiern".

Schlussendlich hoffe ich, dass die Bew. net fehldiagnostieziert wurde, nach der Devise mit 79 Jahren ist eh alles vorbei. Das wäre das personifizierte Grauen bei vollem Bewusstsein im Locked leben zu müssen mit wenig Ansprache und einer reinen Grundversorgung.

Elisabeth
Elisabeth
 
Es geht mir nicht um die Quantität des Inputs, sondern die Qualität ist relevant. Sofern es hier zu lesen ist, handelt es sich um "Wachkoma" und nicht dem Locked in. Manche Betroffene brauchen ihre Zeit, bis sie einen (manchmal nur kleinen) Teil ihrer Fähigkeiten wieder kontrollieren/abrufen können. Wenn es nicht innerhalb von zehn Jahren "klappt", wird dem Betroffenen jegliche Chance abgesprochen??? Der Begriff "Aufwachen" ist eh mit Vorsicht zu geniessen, dahinter steht oft ein langanhaltender Prozess, "aufwachen" ist höchstens das Ergebnis. Bzgl. des Alters sei noch auf die kristalline Intelligenz hingewiesen. Das neuronale Netz wird nicht zwangsläufig abgebaut, inaktiviert trifft es vielleicht besser.
 
Ein KH- Aufenthalt dürfte kaum soviel Input gegeben haben, dass hier eine massiver Neuaufbau von Verbindungen zu erwarten wäre.


das halte ich, gelinde gesagt, für eine sehr sehr gewagte these.


hinsichtlich einer veränderung des neuronalen status geht das meiner meinung nach auch eher in die falsche richtung. ich sehe da eher eine, durch äußere reize - die ungewohnt und damit von besonderer funktionaler qualität gewesen seien konnten - verursachte, veränderung der hirnchemie mit entsprechenden sekundäreffekten, die ja durchaus auch fortdauernd sein könnten.
ein dicker grund mehr übrigens für eine adäquate förderung von wachkomapatienten. ich denke da an kontinuierliche ergotherapie, aromatherapie, musiktherapie, beste pflege, beste pflegehilfsmittel, beste medizinische versorgung, regelmäßige neurologische konsile....
 
OT
Die Frage nach den Studien bezog sich nicht auf
verallgmeinernde Aussagen zum "Erwachen" aus einem Wachkoma.
Es wurde nach wissenschaftlichen Studien gefragt, die den, nach 10 Jahren in Kombination mit dem hohen Lebensalter,
persistierenden Zustand
untermauern könnten. Das ist mM nach ein Unterschied.

Mir ist ein Rätsel, warum immer wieder auf das Locked in Syndrom hingewiesen wird.....
Darum ging es der TE nicht.

Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, gab es hier schon diverse Threads, in denen der eine oder andere User die Diagnosen aus dem persönlichen Arbeitsbereich in Frage stellte. Meistens wurde diesen Kritkern (ganz besonders, wenn es sich um Schüler, Angehörige, oder unerfahrene PK handelte) sehr deutlich empfohlen, die dortige fachliche Kompetenz zu respektieren und den erfahrenen Kräften zu vertrauen.
Mit welchem Recht wird nun hier die fachliche Kompetenz in Frage gestellt und immer wieder der Verdacht einer Fehldiagnose in den Raum gestellt?
Ebensowenig kann ich nachvollziehen, warum hartnäckig eine inadäquate Förderung der Patientin unterstellt wird.
Ein Urteil würde ich mir da nicht anmassen und auch keine Vermutung in diese Richtung äussern, denn ich spreche den entsprechenden PK nicht ihre Kompetenz ab, ohne dabeigewesen zu sein.
Ich gehe davon aus, dass die PK mit dieser Frau in jeder Hinsicht fachlich kompetent umgegangen sind.

VG lusche
 
dein vertrauen in allen ehren; aber wenn die pat. durch einen pflegefehler (ich denke mal, da kommen nur fortwährend wiederholte fehlerhafte handlungen in frage, denn ein einmaliges fehlverhalten kann das nicht erklären) mit einer eingewachsenen peG ins KH kommt, dann sehe ich keinen grund mehr, von "in jeder hinsicht fachlich kompetentem umgang" ausgehen zu müssen.


p.s.:

wachkoma-diagnosen zugunsten eines locked-in in frage zu stellen, kann, wie ich mir vorstellen möchte, für die wachkoma-fehldiagnostizierten, die tatsächlich locked-in sind, einen ... sagen wir ... mächtig großen vorteil darstellen, oder? und der aufwand der infrage-stellung kostet nicht eben viel. so what..?
 
@leyv-Körperchen- mir ist schon klar, dass das keine schöne Aussage ist... nur die Förderung dieser Klientel braucht sehr viel zeit- Zeit, die es in den allerwenigsten Einrichtungen geben wird. Und so schlimm sich das auch anhören mag: wenn du entscheiden sollst, wer die Zeit für Zuwendung bekommt, dann wird nach Alter entschieden. Kann ich sogar nachvollziehen- die Chancen sind bei einem jungen Menschen einfach günstiger.

Zur These: ich habe jahrelang mit solchen Pat. gearbeitet und diese auch über entsprechende Zeiträume immer wieder gesehen. Pat., die in Pflegeheimen betreut wurden haben mehr als selten Fortschritte gemacht. Dasiegt sicher net zuletzt am mangelnden fachpersonal in den Einrichtungen. Das übrige tut das gesundheistwesen, dass die entsprechenden zusätzlichen Therapien nach 2 Jahren in der Regel asl abgeschlossen ansehen und nur weiter gewähren, wenn entsprechend Druck gemacht wird. Das beste Outcome habe ich in der Regel bei Pat. erlebt, die in der Häuslichkeit betreut wurden und hier spilete das Alter keine Rolle... vorausgesetzt, derjenige war vorher auch geistig sehr aktiv.

@lusche- du wirst keine Studie finden anhand derer du auf die Möglichkeiten und Grenzen dieser Bew. schließen kannst. Jeder bringt eine individuelle Vorauissetzung mit, was die Möglichkeiten und Grenzen der lernfähigkeit anbetrifft.

Zur Fehldiagnose:
Childs und Mitarbeiter haben 1993 eine Studie veröffentlicht nach der 37% von insgesamt 49 Patienten, die mit der Diagnose Koma oder Apallisches Syndrom in eine Rehabilitationseinrichtung eingewiesen worden waren, gemäß der Kriterien der American Medical Association falsch diagnostiziert worden waren. Eine in Großbritannien durchgeführte Studie von Andrews und Mitarbeitern (1996) ergab, dass von 40 Patienten, die in London in eine Rehabilitationseinrichtung überwiesen wurden, 43% unkorrekt diagnostiziert waren. Die Autoren vermuten, dass auf Grund schwerer sensorischer und motorischer Defizite behaviorale Indikatoren für Bewusstsein übersehen werden und weisen darauf hin, dass meist nur relativ lange Beobachtungszeiträume und der Einsatz von Kommunikationshilfen eine genauere Diagnose möglich machen.
...
Aus: DAS LOCKED-IN SYNDROM
SCHWIERIGKEITEN UND CHANCEN EINER INTERDISZIPLINÄREN
BEHANDLUNG
UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG PSYCHOLOGISCHER
INTERVENTIONSMÖGLICHKEITEN

Frage an die TE: Was wurde bisher an Förderangeboten gemacht und wie oft erfolgen die? Wird die Frau regelmäßig mobilisiert? Welche Formen der nonverbalen Kommunikation wurden beobachtet? Siehe hierzu auch: Skala Expressive Kommunikation und Selbstaktualisierung (SEKS). Welche Biographie bringt die Bew. mit?

Elisabeth

Elisabeth
 
@ Elisabeth Die Aussagen müssen nicht "schön" sein. Würde dies ein Kriterium sein, so dürften wir nicht in der Pflege arbeiten, zuviel Wahrheit und harte Fakten kann manch ein Berufsethos nicht verkraften.

Aber davon abgesehen, natürlich gestaltet sich die adäquate Therapie und Pflege in einer Einrichtung schwierig und ist der Rehabilitationsgrad eher tendenziell abnehmend. Das liegt primär aber an der Nichteinhaltung der Rehaphasen. Viele "landen" schnell in einer Phase F-Einrichtung, obwohl ihre Fähigkeiten weit darüber hinausgehen.

Mich stört aber die vermeintliche Prognose älterer Menschen, viel wichtiger ist die Ursache für den Zustand Wachkoma. So zeigt die Erfahrung, dass Betroffene mit einem hypoxischen Hirnschaden weitaus mehr beeinträchtigt sind als z.B. nach einem Apoplex.
 
Wie war das Umfeld der alten Dame bisher im Heim - Einzelzimmer?
Kam sie überhaupt raus aus dem Zimmer?
Im Heim gab es eine (neutral zu verstehende) Routine, Verlässlichkeit, eine gefestigte Tagesstruktur.
Werden jetzt, weil Veränderungen feststellbar sind (..) mehr Anreize geschaffen durch vermehrte Maßnahmen wie der Basalen Stimulation?
Ich möcht ausdrücklich nicht das was bisher gemacht wurde kritisieren - weil mir das nicht zusteht.
Finde es aber auch spannend und würd gern mehr erfahren.

An sich ist es ein unangenehmer Anreiz von außen, das legen einer transnasalen Ernährungssonde.
Nix positives. Nicht dazu geeignet sich der "Umwelt" zu öffnen.*
Aber vielleicht war es doch das "Umfeld" in der Klinik, vielleicht, vielleicht.
Bisher - kein anderer Anhaltspunkt da, der die Veränderungen erklärt...außer es fehlen doch noch Informationen?

Auch wenn man jahrelang/ meinetwegen auch jahrzehnte lange Facherfahrung hat, hat man noch niemals nicht alles erfasst was möglich ist,
wenn sich nur ganz selten nach langer Zeit noch etwas zum positiven verändert, heißt das doch, dass es vereinzelt auftritt.
Auszuschließen ist es nicht.
@kleinesWombat: warum traust denn dem nicht, was Du wahrnimmst?

*da fällt mir doch was dazu ein: Das bestreben, dieses "Ding" da wieder loszuwerden. Weil es stört, nervt, unangenehm ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also.

1. Ja es ist WACHKOMA - KEIN LOCKED IN !
2. Ich arbeite erst seit 3 Jahren dort also weiß ich nicht was davor für Pflegefehler begangen wurden.
3. Ja die Bewohnerin bekommt seit ca einem Jahr Basale Stimmulation und Olfaktorische Reize durch Beschäftigungskräfte.
4. In den 3 Jahren in denen ich oder andere Schwestern bei ihr waren war sie nicht so "Rege" wie nach dem KH aufenthalt
5. In den Jahren zuvor war sie genauso, nur am Anfang, als sie zu uns im Wachkoma kam zeigte sie die gleichen Verhaltensweisen wie jetzt nach dem KH aufenthalt (Laut Aussagen von verschiedenen Schwestern)
6. Ich denke die Bewohnerin hat durch den KH aufenthalt und durch die OP Schmerzen und deswegen murmelt sie...Sie bekommt zwar 3*40gtt Novaminsulfon aber ich möchte lieber auf nummer sicher gehen :)
7. Danke schonmal für die fachlich und sachlich sehr guten Antworten LG
 
Woran macht man fest, dass diese Reaktion Schmerzen zuzuordnen sind?

Elisabeth
 
kleine zwischenfrage:

was bedeutet: 40gtt?
 
Ich könnt mir vorstellen das die nasensonde der Grund für das Murmeln ist.
 
Du hast am Anfang geschrieben, dass sie eine veränderte Kommunikation zeigt. Viele hier sind davon ausgegangen, dass dies ein Schub sein kann, in dem die Brw. anfängt, wieder Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen.
Frage: welche nonverbale Kommunikation hat die Bew. sonst gezeigt? Wie habt ihr sonst bemerkt, ob etwas gut odern nicht so gut war? Kann es net sein, dass sie das Repertoire erweitert hat? Wann murmelt sie denn? Wenn jemand im Zimmer ist? Oder auch, wenn sie alleine ist?

Zur Basalen Stimulation. Wie muss ich mir das vorstellen. Was macht ihr da? Wer macht was?

Elisabeth
 
@Fea: thx, hatte ich noch nie gehört.

@elisabeth: das würde mich auch sehr interessieren - v.a. art/umsetzung der basalen stimulation
 
Achja vor 10 Jahren litt sie außerdem schon an einer senilen Demenz, sollte man vllt. noch dazuschreiben hab ich vergessen :)
 
das ist nur dann wirklich relevant - behaupte ich - wenn es sich um eine demenz von alzheimertypus handelt (unwahrscheinlich, denn > 10 jahre = selten). wahrscheinlicher dürfte ja bei gleichzeitig vorliegendem wachkoma wohl ein insult sein, und der erhöht vermutlich die wahrscheinlichkeit, dass die grunderkrankung und damit auch die demenz vaskulär sind/waren.
ok, lewy-körperchen-demenz käme noch in frage - progredienz ist mir in jahren nicht wirklich bekannt, aber selbst unabhängig von m. parkinson auftretend, hielte ich 10 jahre für recht lang - v.a. bei gleichzeitig vorliegendem wachkoma.
wenn die "senile" demenz also hinsichtlich ihrer grunderkrankung von den ärzten lege artis behandelt wird und ihr das pflegerische ergänzt - die progredienz der vaskulären (das wäre dann jetzt die annahme: vaskuläre genese) demenz also anders ist, als bei einer degenerativen demenz, dann bleibt elisabeths frage, für mich zumindest, doppelt interessant.
 

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