Gewalt gegenüber Pflegenden

Moni93

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22.12.2011
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Ludwigsburg
Beruf
Azubi Krankenpflege
Hallo Zusammen,

Folgendes Problem:
Ich arbeite auf einer internistischen Intensivstation, vor 3 Tagen kam ein Patient zu uns mit einer Einblutung in der Leiste nach einem Herzkatheter, wurde operativ behandelt und kam zur Überwachung zu uns.

Er selbst wirkt orientiert, keine Demenz, allerdings z.N. mehreren Schlaganfällen.
Hat sich an keine der ärztliche Anordnungen gehalten, wie z.B. die Bettruhe, Tabletten nicht eingenommen, endlose Diskussionen darüber wieso er (trotz weiterer Nachblutung) nicht nach Hause darf usw.

Heute wollte er dann unbedingt gehen (obwohl noch immer Bettruhe hat) und fing an alle Monitor Kabel zu entfernen und war gerade dabei sich seinen arteriellen Zugang zu entfernen, als ich ihn davon abhalten wollte und ihm erklären wollte das er das nicht einfach raus machen kann und es auch sehr nachbluten kann, hat er nur noch geschrien und meine rechte Hand fest zugedrückt und verdreht, sodass diese nun gebrochen ist.

Ich denke jeder kann sich vorstellen das man nicht mehr ganz geduldig mit ihm umgegangen ist, allerdings wurde keiner ihm gegenüber verbal oder körperlich ausfallend.

Nun bin ich aufgrund der Handverletzung erstmal krank geschrieben und mein Chef hat mir dazu gerraten ihn anzuzeigen. Er ist weiterhin verbal aggressiv und sieht seinen Fehler auch nicht ein.

Wie seht ihr das anzeigen oder einfach ruhen lassen?
 
Hallo,

wie würdest du denn reagieren, wenn dir jemand draußen auf der Straße, auf einer Party oder sonst wo eine Verletzung zugefügt hätte? Körperverletzung bleibt Körperverletzung, und wenn er keine Erkrankung hat, die sein Verhalten erklärt, dann sollte er dafür gerade stehen. Ob er durch die Schlaganfälle entsprechende Einschränkungen davongetragen hat, ist aus der Ferne nicht zu beurteilen. Vielleicht wird das ja noch überprüft werden.
Außerdem wird wohl dein Arbeitgeber bzw. deine Krankenkasse Interesse daran haben, Schadenersatzansprüche gegen den Herrn zu stellen. Ob das erfolgreich sein könnte? - Siehe oben.

Gruß
Die Anästhesieschwester


Edit: Gerade gesehen, dass du noch in der Ausbildung bist (noch aktuell??). Dann musst du ja auch auf deine Fehlzeiten achten bzw. darauf, zum Examen hin alle Pflichtstunden abgeleistet zu haben. Das würde mich persönlich erst recht zu einer Anzeige bewegen.
 
Erstmal danke für die schnelle Antwort, meine Überlegung war nur das ich ihkeine Schwierigkeiten einbringen möchte. Ist für ihn sicher eine genauso blöde Situation wie für mich. Aber werde dann morgen mal zur Polizei gehen.
Ne das mit der Ausbildung ist nicht mehr aktuell, arbeite mittlerweile fest auf der Station.
 
Im Zweifel, Anzeigen - aber auch im Klaren drüber sein, dass dem Beschuldigten eine Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit unterstellt werden könnte und das Ergebnis der Anzeige somit nicht deiner möglichen Erwartung entsprechen könnte.

Ohne jetzt deine Einschätzung pauschal bzw. grundsätzlich zu hinterfragen, sollte IMHO neben dem Thema der Anzeige, der Vorfall systematisch aufgearbeitet werden. Erstmal: Wurde vor dem Vorfall ein Test zur Bewertung von Delir und kognitiver Einschränkung bei dem Pat. durchgeführt (z.B. "4AT" oder "CAM-ICU")? Gibt es in deiner Einrichtung ein standardisiertes Management für Patienten mit dem Verdacht von einem Delir bzw. kognitiven Einschränkungen? Wenn nicht, und könnte dem Verhalten tatsächlich ein Delir bzw. eine kognitive Einschränkung zugrunde gelegen haben können, sollte genau an diesem Punkt angesetzt werden.

Es geht nicht darum eine Schuld oder einen Schuldigen zu bestimmen, sondern mögliche Fehler (im Sinne von "Error" und nicht im Verständnis von Schuldhaftem!) zu identifizieren um für die Zukunft neue Wege für solche Problemstellungen zu finden --> Stichworte CIRS (Critical Incident Reporting System) & CRM.

Der Vorfall ist schlimm genug ausgegangen - man sollte hier aber auch nicht stehen bleiben, sondern unbedingt Wege und Möglichkeiten für die Vermeidung bzw. Verhütung solcher Vorfälle in Zukunft finden. Mit den Ansätzen der oben genannten Systeme (CIRS, CRM) kann diesem Vorfall noch etwas Gutes für die Zukunft entnommen werden. Aber, wie gesagt... nicht mit der Idee deine Verletzung irgendwie zu bagatellisieren oder Schuldzuweisungen zu tätigen! Nur, dass ich da jetzt nicht falsch verstanden werde und deswegen zum Buhmann abgestempelt werde :|
 
Zuletzt bearbeitet:
Anzeigen, das ist ja denke ich auch ein Arbeitsunfall.
Du weisst ja auch nie, welche Einschränkungen für die Zukunft oder in der Zukunft noch daraus resultieren...

Es ist zwar rühmlich für dich (und entspricht auch wieder -leider- dem Nightingale-Komplex), dass du für ihn keine Schwierigkeiten möchtest, aber denk bitte zuerst an deine eigene Zukunft.
Wenn du aufgrund einer zurückbleibenden oder noch entstehenden Schädigung (vorzeitige Arthrose im HG o.ä.) beruflich später Probleme bekommst, wird dir keiner dafür danken, dass du dem Patienten 2018 keine Probleme gemacht hast...
 
Sie meinte wohl den Helferkomplex bzw. Helfersyndrom.
Es geht nicht darum eine Schuld oder einen Schuldigen zu bestimmen
Doch, auf jeden Fall auch!
Denn Moni93 ist auf jeden Fall ein Schaden entstanden, und für den muß irgendwer gradestehen. Und wenn das nicht der Pat. selber ist, weil der nicht schuldfähig ist, dann trifft es den AG:
"Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet jeden Arbeitgeber, die Arbeit so zu gestalten, “daß eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird”. Hierfür hat der Arbeitgeber die möglichen Risiken zu erfassen, zu dokumentieren und “an ihrer Quelle zu bekämpfen”. (...)
Jede Verletzung, die sichtbar, sehr schmerzhaft oder behindernd ist, sollte umgehend, spätestens nach Feierabend oder am nächsten Tag, einem D-Arzt, notfalls auch dem Hausarzt, gezeigt werden. D-Ärzte haben eine besondere Berechtigung, Arbeitsunfälle zu behandeln, und melden jeden Arbeitsunfall der zuständigen Berufsgenossenschaft. D-Ärzte sind in der Regel niedergelassene Unfallchirurgen und chirurgische Ambulanzen an Krankenhäusern.
Sachschäden (zerbrochene Brille, zerrissene Kleidung) sollten dem Arbeitgeber gemeldet und in Rechnung gestellt werden.
Der bei manchen Arbeitgebern zwangsläufig erfolgende Hinweis, daß für Verletzungen und Schäden der Patient/Bewohner bzw. dessen Haftpflichtversicherung zuständig sei, ist falsch und zurückzuweisen!"

Gewalt gegen Pflegekräfte » Fachpflegewissen.de
Wir müssen uns nicht kaputtmachen lassen aus falsch verstandener Hilfsbereitschaft heraus. Auch Pflegekräfte müssen keineswegs größere Risiken eingehen als "normale" Bürger, z.B. auch nicht bei Verkehrsunfällen etc., auch wenn derlei immer wieder behauptet wird! An allererster Stelle steht immer Eigenschutz, Du mußt nicht eigenes Leben oder eigene Gesundheit riskieren.
Ganz konkret:
Im vorliegenden Fall hätte sie (m. M. n.) sofort Alarm schellen sollen, wenn im Vorfeld bekannt war, daß der Pat. vollkommen uneinsichtig und möglicherweise aggressiv-ablehnend ist. Damit einfach mehrere Leute zur Stelle sind.
Ich weiß, sagt sich so leicht, und ich weiß auch nicht, wie ich in der Situation reagiert hätte; soll auch keineswegs ein Vorwurf sein, nur eine Überlegung, wie es evtl. besser hätte laufen können.
 
@Martin H. - Dein Zitat von mir [Es ginge nicht um die Schuld] ist von dir seinem Zusammenhang beraubt worden. Im Weitergehen, im Aufarbeiten geht es eben nicht um die Schuldfrage sondern auf die Fehlerfrage. Die Schuldfrage soll nicht die Fehleraufarbeitung blockieren. Viel zu schnell wird menschliches Versagen bzw. Missverhalten in den Mittelpunkt der Betrachtung geführt - Das entspricht aber keiner systematischen, zielgeführten Aufarbeitung des Fehlers selbst.

Überall wo Menschen arbeiten bzw. Verantwortung übernehmen muss das System in welchem er sich bewegt so gestaltet sein, dass Fehler (welche mit dem Menschen unvermeidlich sind) passieren könnten/dürfen ohne, dass es zu einem Schaden für irgendeinen Beteiligten kommt. Das ist sind die Ziele von CRM und CIRS. Nicht die Schuldfrage sondern die Fehlerfrage.

Es wäre fachlich denkbar, dass der Patient tatsächlich keine Schuld an dem Vorfall hat. Sollte er nämlich in einem Delir gehandelt haben (deswegen die Frage nach derartigen Tests) müsste man die Ursache des Fehlers andernorts ausmachen als im Verhalten des Pat. - welches dann nur Symptom einer Ursache gewesen wäre. Alles im Konjunktiv!

Die Schuldfrage ist eine Frage für die Juristik. Ich bin kein Jurist, ich bin Pfleger, deshalb ist meine Frage, aus dem Fach der Pflege und/oder der Medizin heraus eine andere - eben eine nach einem möglichen Delir (o.Ä.) und wie das, was vorfiel in Zukunft nicht mehr passieren kann. Aber, wie gesagt - eine Anzeige ist so oder so notwendig. Selbst bei Schuldunfähigkeit ist eine Anzeige immer von Bedeutung. Ich möchte nur für einen anderen, weitergedachten bzw. vorwärts gewandten Umgang eines möglicherweise passierten Fehlers werben um der Zukunft eine bessere Alternative zur Vergangenheit zu geben.
 
mein Chef hat mir dazu gerraten ihn anzuzeigen.
Ja natürlich und das solltest du schleunigst tun.
1. Für dich persönlich - NIEMAND schlägt oder verletzt mich so schwer ohne Folgen.
2. wie schon geschrieben - um evtl. Spätfolgen geltend zu machen.
3. um im Zivilprozess Schmerzensgeld einzuklagen.

Wenn der Staatsanwalt "das besondere öffentliche Interesse bejaht", dann brauchst du nicht mal einen Strafantrag zu stellen. Kannst ja mal nachfragen.

Ich persönlich kann es nicht verstehen, dass man bei einer solchen Verletzung auch noch überlegt den Verursacher anzuzeigen - na klar - was denn sonst?

Was auch immer dabei herauskommt.

Anzeigen, das ist ja denke ich auch ein Arbeitsunfall.
Das eine hat doch nichts mit dem Anderen zu tun.
Ich hoffe doch, dass die Verletzung bereits als Arbeitsunfall gemeldet ist?

Noch eine Bemerkung:
Ich habe noch nie einen Pat. versucht festzuhalten, mit körperlichem Einsatz.
Wenn er gehen will soll er gehen - Arzt verständigen und der soll die Polizei verständigen.

Endlose Diskussionen? Auch dass nicht - wenn er es nicht kapiert - Arzt verständigen - denn der ist für die Aufklärung über med. Notwendigkeiten zuständig.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Martin H. - Dein Zitat von mir [Es ginge nicht um die Schuld] ist von dir seinem Zusammenhang beraubt worden.
Ok, tut mir leid, das war nicht beabsichtigt.
Im Weitergehen, im Aufarbeiten geht es eben nicht um die Schuldfrage sondern auf die Fehlerfrage. Die Schuldfrage soll nicht die Fehleraufarbeitung blockieren. Viel zu schnell wird menschliches Versagen bzw. Missverhalten in den Mittelpunkt der Betrachtung geführt - Das entspricht aber keiner systematischen, zielgeführten Aufarbeitung des Fehlers selbst.

Überall wo Menschen arbeiten bzw. Verantwortung übernehmen muss das System in welchem er sich bewegt so gestaltet sein, dass Fehler (welche mit dem Menschen unvermeidlich sind) passieren könnten/dürfen ohne, dass es zu einem Schaden für irgendeinen Beteiligten kommt. Das ist sind die Ziele von CRM und CIRS. Nicht die Schuldfrage sondern die Fehlerfrage.
Du hast natürlich recht, daß es (auch) wichtig ist, zu klären, wie ein Fehler zustande kam (Stichwort CIRS etc.). Das ist aber m. M. n. in erster Linie für Monis AG wichtig, sprich die Klinik, in der sich das Ganze ereignete.
Ich habe es jetzt eher aus ihrer Sicht als Geschädigte gesehen und da wäre es für mich erst mal das Wichtigste, daß die Schuldfrage geklärt wird, so daß auch mein Schadensanspruch abgedeckt ist (wie schon erwähnt, ist ja auch die Frage, ob etwas zurückbleibt).
 
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Wie seht ihr das anzeigen oder einfach ruhen lassen?

Solche schwer wiegende Vorkommnisse müssen von dir dokumentiert und angezeigt werden.

Tatvorwurf (aus meiner Sicht): Körperverletzung von einem Patienten, gegenüber Krankenpflegepersonal.

Frage: Musst du solche Vorkommnisse in ein Verbandbuch eintragen?

Vorgesetzte (Stationsleitung, PDL) zeitnah informieren.

Zum Patienten: Du erzählst, dass er schon mehrere Schlaganfälle hatte.
Ich habe die Vermutung, dass bei ihm das Frontalhirn (dort wo die Emotionen, Handlungen gesteuert werden) davon betroffen ist.
Wenn das wirklich so sein sollte, dann könnte / müsste er von einen Psychiater medikamentös eingestellt werden.
 
Nachdem Moni93 darauf nicht explizit eingegangen ist, wollte ich noch mal hervorheben (s.o.), dass der Vorfall unabhängig von einer Anzeige zur Wahrung deiner Ansprüche (Zuzahlungen, Reha, Physiotherapie uvm.) unbedingt zum D-Arzt muss! Nicht einfach von Hausarzt eine Krankschreibung holen. (Das wäre genau genommen sogar illegal, Hausärzte dürfen bei Arbeitsunfällen nicht (länger) krankschreiben). Ich vermute, das ist bereits passiert, wollte es nur noch mal betonen.
 

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