Es gibt keinen Tod erster Klasse

Danke. Genua das meine ich. Die Verteilung auf die Stationen löst das Problem ja nicht.

Wie muss der ambulante Bereich verändert werden, damit ein Krankenhausaufenthalt vermieden werden kann. Wie muss das gestaltet werden, dass die Leute eben nicht ein Nervenbündel werden. Denn dann ist die Versorgung eben nicht optimal.

Wenn wir schon Geld ausgeben wollen- wie kann man es am günstigsten gestalten? Wie teuer ist eine 24-Stunden-Versorgung im Vergleich zu einem Krankenhaus? Ist es sinnvoll hier Pflegedienste zu nutzen- kommen ja noch diverse Kosten hinzu. Oder ist das was für Freiberufliche? ...

Mir geht es darum, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und nicht nur mantraartig mehr Personal zu fordern.

Elisabeth
 
Frage: Wie viel Zeit verwendet man in der Palliative Care-Ausbildung für die Vermittlung von Wissen über den Umgang mit Angehörigen? Welche Kompetenzen werden vermittelt, um Angehörigen anzuleiten und zu begleiten über den u.U. langen Weg bis zum Tod? Oder ist das gar kein Thema und als Aufgabe andere Berufsgruppen gesehen?

Die Beratung von Angehörigen ist ein sehr wichtiges Thema in der Palliative Care Fachweiterbildung. Die anderen Berufsgruppen werden im Konzept Palliative Care jedoch immer mit einbezogen. Interdisziplinär zu arbeiten ist eine der Grundvoraussetzungen von Palliative Care. Für die Ärzte, Therapeuten, Psychologen und Seelsorger ist die Belastung jedoch auch nicht gleich Null. Es geht darum, sie auf mehr Schultern zu verteilen, nicht auf andere.

Wie muss der ambulante Bereich verändert werden, damit ein Krankenhausaufenthalt vermieden werden kann. Wie muss das gestaltet werden, dass die Leute eben nicht ein Nervenbündel werden. Denn dann ist die Versorgung eben nicht optimal.

Die Möglichkeiten für eine gute ambulante Versorgung - durch SAPV, palliativmedizinische Tageskliniken, niedergelassene Schmerztherapeuten usw. sind regional sehr unterschiedlich. Am meisten verbreitet dürften die ambulanten Hospizhelfer zur ehrenamtlichen Betreuung sein - die leisten Großartiges, aber ersetzen nicht die Profis. Aber auch ein gute Versorgung durch SAPV kann nicht jeden Krankenhaus-Aufenthalt vermeiden. Die sind nicht 24 Stunden am Tag direkt beim Patienten. Abgesehen davon, dass dann die Belastung auf das SAPV-Team übertragen wird - das ist ja auch nicht die Lösung.

Was die Verhinderung des Angehörigen als Nervenbündel angeht, verlangst Du zu viel des Guten. Oder hast Du es in Deiner Zeit als Intensivpflegekraft geschafft, die Emotionen aller Angehörigen in - wie drück ich es aus - händelbare Bahnen zu lenken? Angst, Verzweiflung, Trauer, Unsicherheit sind angesichts der Tatsache, dass da ein geliebter Mensch versterben wird, normal. Ich krieg weder alle Patienten noch alle Angehörigen in die fünfte Phase nach Kübler-Ross. Das ist utopisch.
 
Wenn ich calypsos Einwände jetzt richtig verstanden habe- dann reicht die ambulante Versorgung nicht.

Und wenn wir vom "Nervenbündel" reden... welche Copingstratgien gibt, dieses zu verhindern. Was ist es, was genau die Unsicherheit auslöst? Ich finde es für Profis zu kurz gefasst mit "ist halt so und kann man nix machen".

Den Anspruch, dass ich sowohl Angehörige als auch Sterbende unbedingt durch die Ablauf á la Kübler-Ross bekomme hatte ich nie- weder im Intensivbereich, noch im Palliativbereich und schon gar nicht in der Häuslichkeit. Warum sollte ich dies auch tun? Jeder geht seinen eigenen Weg. Er gibt ihn vor. Wer bin ich, ihm da Vorschriften zu machen, weil es mal eine Fr. Kübler-Ross gab.

Ich kann nicht nachvollziehen, dass man Gefühlen wie Angst, Verzweifelung, Trauer und Unischerheit als unangemessen empfindet. Diese Gefühle verstärken sich in der entsprechenden Situation- keine Frage. Aber Angehörige zu unterstützen, diese Gefühle nicht durchleben zu müssen- ist das das Ziel? Was machen wir dann nachdem der Betroffene verstorben ist? Wie lange betreuen wir Angehörige intensiv weiter?

Elisabeth
 
Elisabeth, ich kann mir kaum vorstellen, dass Gefühle wie Angst, Unsicherheit und Trauer als unangemessen angesehen werden.

Ich denke der medizinische, nicht der pflegerische Aspekt ist es, der Menschen verunsichert, sie an Grenzen bringt und verhindert teilweise einfach auf Gefühle zu hören/fühlen. Der zum Teil lange Leidensweg vielleicht sterbender Menschen, weil immer noch jemand auftaucht der nen anderen medizinischen Ansatz verfolgt.

Und ja in Anbetracht der umfassenden medizinischen Möglichkeiten ist es oftmals schwierig seinen Angehörigen "einfach" zum Schluß zu Hause zu betreuen. Nicht jeder Hausarzt ist der palliativen Betreuung gewachsen und nicht überall ist das palliative Netzwerk tatsächlich auch so funktionstüchtig ausgebaut wie man sich das vorstellt.


Gerade wenn es nicht um einen Menschen geht den aus Altersgründen die Kräfte verlassen, kommen halt oft diverse Komplikationen dazu, die nicht immer zu Hause beherrscht werden können, die sinnvollerweise einer Abklärung bedürfen und ggf nochmals eine Veränderung der Therapiemaßnahmen erfordern um Leiden zu minimieren ohne gleich das gesamte kurative Potenzial einzufordern.

Das können bei Hirnmetastasen dann doch Ödeme sein, die eine Verschlechterung im Bereich der Kognition bewirken bedingt durch eine Na- Verschiebung und nicht unbedingt die Auswirkung der Metastasen. Das können beim metastasierendem Pankreas CA dann vielleicht doch die Aszites sein und nicht die ausdehnenden Metastasen in der Leber oder Peritoneum die die Lebensqualität unbeherrschbar machen und wo nicht über Erhöhung von Schmerzmitteln und Antiemetika sondern durch eine Punktion Linderung geschaffen werden kann.....

Die ambulante Versorgung ist schwierig, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Wenn ich nicht in der Lage gewesen wäre das mit meinem Vater die letzte Lebenswoche meiner Mutter abzudecken, wäre ein Hospiz die einzige Alternative gewesen. Natürlich kommt der Pflegedienst auch auf Zuruf also bei Bedarf. Die Kosten pro zusätzlichem Einsatz sind aber kein Pappenstiel. Hier ging es viel weniger darum Trauer oder Abschiednehmen nicht auszuhalten als die notwendige medizinische Versorgung gewährleisten zu können um tatsächlich Leiden zu minimieren.

Und ich kann sehr gut verstehen, dass es in diesem Stadium Menschen gibt, die das so nicht aushalten können. Ist auch nicht schön, wenn der geliebte Mensch im Sternbeprozess, fiebernd und delirant mit jedem Aufstoßen Blut erbricht. Und auch ein solcher Sterbeprozess kann sich über mehre Tage hinziehen. Da kann dich keiner drauf vorbereiten.

Die Überlegung des Rückschritts, sprich Palliative Patienten auf Normalstationen zu verteilen, kann ich daher ganz und gar nicht nachvollziehen. Eher braucht es nen flächendeckenderen Ausbau der Möglichkeiten um Menschen im terminalen Lebensstadium aus dem kurativen Wahnsinn herauszuholen und ihnen und den Angehörigen ggf tatsächlich die Möglichkeit zu geben zu verstehen, was da gerade passiert und Lösungsstrathegien entwickeln zu können.

Auch das wird nicht immer gelingen, da Menschen unterschiedlich schnell begreifen(wollen), was nicht zu verhindern ist.
 
... Eher braucht es nen flächendeckenderen Ausbau der Möglichkeiten um Menschen im terminalen Lebensstadium aus dem kurativen Wahnsinn herauszuholen und ihnen und den Angehörigen ggf tatsächlich die Möglichkeit zu geben zu verstehen, was da gerade passiert und Lösungsstrathegien entwickeln zu können. ...
Ich denke, Angehörige erwarten da gar keine tiefgehende medizinische Erklärung warum etwas so und nicht anders abläuft. Angehörige brauchen jemanden, der ihren Gefühlen Raum gibt und darauf eingeht. Jemanden, der Sicherheit vermittelt- einzig und allein durch Anwesenheit bzw. schneller Verfügbarkeit.

Wie teuer ist ein Liegetag auf einer Palliativstation? Wie viele Pflegekräfte kann man davon beschäftigen, wenn man eine Aufnahme verhindern kann?

Elisabeth
 
Ich denke, Angehörige erwarten da gar keine tiefgehende medizinische Erklärung warum etwas so und nicht anders abläuft. Angehörige brauchen jemanden, der ihren Gefühlen Raum gibt und darauf eingeht. Jemanden, der Sicherheit vermittelt- einzig und allein durch Anwesenheit bzw. schneller Verfügbarkeit.



Elisabeth

Du kennst meine Schwester nicht. Habe ich gerade hinter mir, als Weihnachten meine Mutter starb
 
Ich kann nicht nachvollziehen, dass man Gefühlen wie Angst, Verzweifelung, Trauer und Unischerheit als unangemessen empfindet. Diese Gefühle verstärken sich in der entsprechenden Situation- keine Frage. Aber Angehörige zu unterstützen, diese Gefühle nicht durchleben zu müssen- ist das das Ziel?

Natürlich nicht. Aber Du warst diejenige, die die Sterbebegleitung in erster Linie als Aufgabe der Familie ansah und so die professionell Pflegenden entlasten wollte. Die (verständlichen) Emotionen der Angehörigen jedoch wirken nicht selten belastender als die Pflege der Patienten selbst. Die Betreuung der Familie gehört nach der WHO-Definition von Palliative Care wie auch nach meiner eigenen Meinung mit zu meinen Aufgaben. Aber leicht ist sie nicht. Oder zumindest nicht immer.

Ich denke, Angehörige erwarten da gar keine tiefgehende medizinische Erklärung warum etwas so und nicht anders abläuft. Angehörige brauchen jemanden, der ihren Gefühlen Raum gibt und darauf eingeht. Jemanden, der Sicherheit vermittelt- einzig und allein durch Anwesenheit bzw. schneller Verfügbarkeit.

Du beschreibst hier nur einen Teil der Angehörigen. Viele wollen die medizinische Erklärung (bis hin zur Obduktion); etliche fragen jede einzelne Person auf Station das Gleiche, in der Hoffnung, irgendwann käme mal eine andere, positivere Antwort. Nicht alle haben Verständnis für Therapieabbruch und Symptomkontrolle. Manch einer wird vorwurfsvoll und aggressiv uns gegenüber. Auch dies ist eher be- als entlastend.

Wie teuer ist ein Liegetag auf einer Palliativstation? Wie viele Pflegekräfte kann man davon beschäftigen, wenn man eine Aufnahme verhindern kann?

Das ist unterschiedlich, da einige Palliativstationen über DRGs abrechnen (z.B. eben das Juliusspital in Würzburg), andere über Tagessätze, die jährlich neu verhandelt werden. Ich kann Dir mitteilen, dass bei uns der Tagessatz letztes Jahr bei über Euro 300,- lag. Die kriegen wir aber nicht für eine unbegrenzte Liegedauer. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt gut 10 Tage. Aber ich weiß nicht, was das mit dem Thema zu tun hat. Dass meine Arbeit einen Erlös erwirtschaftet, belastet mich persönlich kein Stück.

Im Artikel wird die Be- oder Überlastung der Beschäftigten in der Palliativmedizin beschrieben. Allein die Forderung nach ambulanter Betreuung palliativer Patienten kann da aber nicht die Lösung sein. Ich wage zu behaupten, dass die ambulante Palliativversorgung auch nicht einfacher zu wuppen ist. Die Kollegen im stationären Bereich zu entlasten und dafür das Burnout bei denen im ambulanten Bereich zu fordern ist sicher nicht im Sinn des Erfinders.

Nur wenige kennen die fünfte Schmerzkomponente, die Cicely Saunders ins Total Pain Konzept aufgenommen hat: den Schmerz der Helfer.
 
Bist du schon mal jemandem auf der Gefühlsebene begegnet, der dich nach medizinischen Fakten gefragt hat? Ich hab das sehr häufig genutzt- auch auf die Gefahr hin mich dann mit den belastenden Emotionen kümmern zu müssen.

Und was Finanzen mit einem Thema zu tun haben? Ganz einfach. Wenn man nach Alternativen sucht, dann müssen diese auch finanzierbar sein. Die Rückverteilung der Palliativpat. wurde ja schon als keine gute Option angesehen.

Nächste Frage: Über welche Dimension reden wir hier? Wie viel Prozent der jährlichen Todesfälle versterben in einer Einrichtung? Wie viele davon auf einer Palliativstation bzw. in einem Hospiz? Vielleicht gibt es ja gar keinen Handlungsbedarf weil der Prozentsatz zu gering ist.

Elisabeth
 
@Elisabeth, auch wenn du nicht mich angesprochen hast, antworte ich mal stellvertretend für PC-Fachkräfte: Ja, das Ansprechen der Gefühlsebene gehört zum täglich Brot der Kommunikation (und wird auch so gelehrt). Damit trifft man oft ins Schwarze. Aber eben nicht bei allen, manche möchten tatsächlich Fakten. In gewisser Weise testen einige damit auch unsere Fachkompetenz - wenn wir nicht erklären können, warum wir was wie tun, wirken wir nicht glaubhaft und vergrößern eine eventuell schon vorhandene Unsicherheit.

Gerade im Hospiz, wo wir noch nicht einmal Weißzeug tragen, müssen wir uns manchmal auf diese Art "beweisen". Als Beispiel: Wir haben mal einen Ingenieur aufgenommen, der vorher immer wieder auf der Palliativstation war, dort aber nicht auf Dauer bleiben konnte. Dort wäre er aber eigentlich lieber geblieben, wegen der dort ständig im Hintergrund anwesenden Ärzte. Als Techniker und Akademiker vertraute er nur wissenschaftlichen Fakten, das ließ er sehr schnell durchblicken. Erst als er merkte, dass wir auch im Hospiz medizinische Probleme erfassen, erklären und bewältigen können, fasste er Vertrauen und blieb.

Deine zweite Frage dagegen kann wohl (noch) nicht konkret beatwortet werden, bisherige Zahlen unterscheiden nur grob zwischen Todesfällen in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen, aber nicht zwischen einzelnen Fachabteilungen, siehe Sterben ? Wikipedia Aber daran kannst du nicht den Bedarf erkennen, denn wenn es bisher nur wenige Palliativstationen und Hospize gibt, kann dort natürlich nur ein geringer Prozentsatz an Todesfällen sein (im Vergleich zur Gesamtzahl). Wenn mehr solche Einrichtungen vorgehalten werden, wird der Anteil steigen, aber wenn die ambulanten Angebote ausgebaut werden, auch wieder etwas sinken.
 
Dann fragt sich doch- was wollen wir? Das Sterben in der Häuslichkeit unterstützen oder das Sterben in einer Institution? Wo wollen wir zukünftig den Schwerpunkt legen wenn es um die professionelle Unterstützung geht. Wie kann man den ambulanten Bereich ausbauen? Welche Leistungen erwartet der Pat. nebst Angehörige hier? Ist das kostengünstiger als in einer Institution leistbar? ...

Eliabeth
 
Erstmal Danke an Claudia für die tollen Beiträge. Ich kann dir nur voll beipflichten.

Elisabeth, ich lese hier viel mit und bemerke immer wieder wie du regelrecht "schimpfst" über jene Kollegen die nach mehr Personal fördern. Gerne würde ich mal in einem privaten Mailaustausch mehr darüber erfahren. Vielleicht bist du sehr zufrieden mit eurer eigenen Stellensituation ?


Fakt ist doch, dass auch Palliativstationen sehen müssen wie sie ihre Betten vollbekommen. Eine schlechte prozentuale Auslastung der Bettenbelegung fördert gleichzeitig den Stellenabbau. Ganz einfache Sache. Wer mehr Personal will muss seine Betten vollhalten. Komme was wolle...

Ich sehe eine praktikablere Lösung. Bessere Schulung von angehenden Allgemeinmedizinern (Pallimedizin ist im Studium leider immernoch ein Stiefkind), besserer Ausbau von SAPV-Teams und durch diese auch gleichzeitig bessere Information/Beratung/Schulung von Angehörigen. Dazu gehört aber auch, dass die Palliativpflege-und Medizin finanziell besser vergütet werden muss.
Es kann doch nicht angehen, dass man Palliativpflegepauschalen erst nach einer Liegedauer von mind. 7 Tagen voll angerechnet bekommt. Wenn der Pat. nach 3 Tagen verstirbt, bis dahin aber sehr viel "Arbeit" produziert hat... ach ich wills gar nicht sagen.

Leider heisst Palliativpflege heutzutage auch immernoch "Wir legen jetzt eine Pleurix-Drainage" "Wir legen einen ZVK" "Wir machen teure Laboruntersuchungen". Leider von Ärzten die sich noch Palliativmediziner schimpfen.
Für mich steht die ethische Entscheidungsfindung und die medizinische Sinnhaftigkeit an erster Stelle und allen vorran der Wille des Patienten.
Müssen wir den Patienten jetzt 10 Tage konservieren oder können wir die Schmerzeinstellung auch in 3 Tagen schaffen.
Aber da wird die Atemnot nicht symptomatisch behandelt sondern eben lieber therapeutisch und selbst der Patient der vor 2 Stunden noch fest der Meinung war, dass er keine lebensverlängernden Massnahmen mehr möchte stimmt der bsp. Pleurodese unter VN eben noch zu. Man kanns halt auch gut verkaufen.
Und das alles passt nicht zum palliativen Konzept, was mitunter den Pflegenden nicht gefällt und ggf. dann eben zu psych.Überlagerung führt.

Hat jemand verstanden was ich meine ?
 
Ich habe nicht genug Personal... für all das, was wir noch vor Jahren anbieten konnten. Aber es muss die Frage gestattet sein- müssen wir alles anbieten, was wie vor Jahren noch angeboten haben oder müssen wir nach neuen Wegen suchen. Wir leben nicht in einem Vakuum. Wir sind nicht der Nabel der Welt.

Mein Anspruch bleibt: Pflege muss bezahlbar bleiben für jeden und nicht nur für den, der es sich leisten kann. Und da würde es der eigenen Berufsgruppe gut zu Gesicht stehen, zu reflektieren, welche Wege es noch gibt- und sein sie noch so ungewöhnlich.

Das deutsche Gesundheitswesen definiert sich über die kurative Leistung. Nur das bringt Geld. Die demokratisch gewählten Gesetzesgeber sieht dies nun mal so vor. Und weil dies so ist, sehe ich die Palliativpflege eben nicht ausschließlich unter SGB V.
Hinzu kommt- Palliativpflege ist in der Bevölkertung nicht en vogue. Dank der unsäglichen Kampagnen aus dem Bereich Intensivmedizin wünscht der Bürger eher die aktive Sterbehilfe als den Ausbau der Palliativstationen. Vielleicht wäre es ein Weg, zu versuchen, Palliativpflege nicht nur Ende November in die Medien zu bringen und nicht nur im Zusammenhang mit dem Personalmangel. Aber da haben Sterbende wohl schlechte Karten. In eine Leistungsgesellschaft, die schon mit Altersbeschwerden Probleme hat, passt nun mal nicht die Beschäftigung mit dem Lebensende.

Zum Vorwurf gegen die Ärzte... wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Auch unsere Beufsgruppe bekleckert sich da nicht gerade mit Ruhm, wenn ich an die Einhaltung von Standards vs. individuelle Pflege denke. Und die Remonstrationspflicht fällt in der Regel nur ein, wenn es um Verbände und Co geht. *grübel* Vielleicht liegt das Problem hier auch im fehlenden Fachwissen.
Achtung- diese Jacke wird nicht jedem passen und muss auch nicht jedem passen. Sie ist aber nun mal nicht unter den Tisch zu kehren.

Elisabeth
 
@Sunny2189, das Legen eines ZVK einer Pleuradrainage,Implantieren eines Port-Systems oder ähnliches ist auch bei Palliativpatienten sinnvoll, da es ja nicht auf Heilung abzielt, sondern der effektiven Symptomkontrolle dient. Ein Patient mit Dyspnoe gewinnt oft an Lebensqualität, bei einem kachektischen Patienten müssen parenterale Medikamentengaben nicht mehr i.m. oder s.c. verabreicht werden bzw. wird er auf der Suche nach einem peripheren Zugang nicht mehr unnötig und schmerzhaft zerstochen.
Das die "Liegedauer" nicht ab Tag 1 zählt, ist nicht in Ordnung. Wenn das Gesetzbuch aber einen Anspruch auf angemessene Palliativversorgung formuliert, dann muss dem auch entsprechend finanziell nachgekommen werden.

Meiner Meinung nach ist genug Geld im System, es geht zum großen Teil aber an anderen Stellen drauf, zum Beispiel für High-Tech, von dem nur einige wenige profitieren. Da kann dann an der Basisversorgung bei denen gespart werden, die sich eh nicht mehr wehren können (bei Verstorbenen können ja auch keine "Kunden"-Befragungen im Sinne der Qualitätssicherung erfolgen). Oder es werden verbindliche Neuerungen eingeführt, für die Mitarbeiter teuer geschult werden müssen. Unternehmensberater, die gegen teuer Geld realitätsferne oder hinlänglich bekannte Tipps geben ("Organisation straffen" = Personal abbauen). Ich könnte diese Liste endlos weiterführen...

@Elisabeth, die aktive Sterbehilfe wird überwiegend von Gesunden gefordert. Ein großer Teil der Befürworter springt von dem Zug ab, wenn er selbst betroffen ist, und bestellt sich manchmal noch in den letzten Lebenswochen Pillen "aus Amerika" als Wunderheilmittel, das das "böse Gesundheitssystem hierzulande" nicht zulassen will...

Aber du hast recht, die alljährlichen Schwarz-Weiß-welke-Blätter-Handhalte-Bilder gehen an der eigentlichen Bedeutung und Zielsetzung von PC vorbei und fördern das eher trübe Klischee.
 
@calypso- mir fällt immer wieder auf, dass man meint, dass in anderen Bereichen das Geld unnötig versickert. Wenn man dann aber selber diesen Bereich nutzen muss, stellt man nicht selten fest: ops- da ist ja auch nicht mehr. Wehren können sich auch andere nicht. Dafür muss man nicht todkrank sein. Es reicht schon eine chronische Erkrankung.

Zur aktiven Sterbehilfe... ich habe die gleichen Erfahrungen gemacht. Das gilt übrigens auch, wenn es um die schnell erstellte Vorsorgevollmacht aus gesunden Tagen geht. Der (Über-)Lebenswille eines Menschen- egal wie alt- ist immer wieder beeindruckend und für uns manchmal auch nicht nachvollziehbar.

Warum kommen wir den Beratern nicht zuvor und überlegen selber, wie man die wenigen Gelder optimal einsetzen kann- inklusive der fundierten Darstellung, was nicht geht. Das bedeutet die Veranschiedung von Idealen. Aber was nutzt es uns, wenn wir mit dem Kopf durch die Wand wollen, wenn daneben eine Tür ist.

Elisabeth
 
Hallo Calypso

bitte nicht falsch verstehen. Mir ist bewusst dass auch solche Massnahmen palliativ sein können und die Lebensqualität verbessern. Warum aber eine Pleurodese mit Vollnarkose beim präfinalen Patienten wenns ein Morphin-Perfusor auch tun würde ?
Perfusor heisst ja nicht gleich Sterbehilfe sondern erstmal Symptomkontrolle. Der Pat. verstarb übrigens 2 Tage nach dem Eingriff.....
Ich will das auch gar nicht verallgemeinern.
Elisabeth.. du hast schon Recht. Die Gelder die da sind werden einfach falsch investiert.
 
Warum kommen wir den Beratern nicht zuvor und überlegen selber, wie man die wenigen Gelder optimal einsetzen kann- inklusive der fundierten Darstellung, was nicht geht.
weil wir uns kein Gehör verschaffen können, da wir nicht organisiert sind und keine Selbstverwaltung haben???!!!

Das bedeutet die Veranschiedung von Idealen.
Ja von dem Ideal es könnte so weiter gehen ohne Selbstverwaltung und starkem Organisationsgrad, zumindest einen höheren wie heute und dies könne alles irgendwie vom Himmel fallen, oder alle werden plötzlich Einsichtig.
Wie wärs mit an der eigenen Nase fassen und sich für eine Richtung entscheiden und dann auch die Schattenseiten in kauf zu nehmen, wie immer im Leben?
 
@Renje- die Kammer wird keines dieser Probleme lösen. Aber das hatten wir ja schon anderswo. Deswegen muss es nicht noch hier wiederholt werden.

Elisabeth
 
Da muss ich Elisabeth Recht geben. Ich bin Pro-Kammer und hab hier auch nie einen Hehl daraus gemacht. Aber die Rate an Todesfällen auf Palliativstationen - wenn wir die nun dem Artikel zufolge als Hauptbelastung ansehen wollen - wird sich durch die Kammer nicht ändern.

Der Ausbau der ambulanten Betreuung, der ja längst stattfindet, ist für die Palliativpatienten nur zu begrüßen - aber im Juliusspital hat sich die Todesrate dadurch nochmal deutlich erhöht. Was, wie ich denke, mit zu dem Artikel geführt hat.

Meine ersten Berufsjahre verbrachte ich auf einer onkologischen Station (hohe psychische Belastung) mit zehn integrierten Palliativbetten (auch hohe Belastung). Gleichzeitig war das Krankenhaus jedoch die Feld-Wald-Wiesen-Innere für diesen Teil der Stadt. Regelmäßig lag also zwischen den Patienten mit Hochdosis-Chemo etc. ein leichterer internistischer Fall - entgleister Diabetes, Pneumonie, Exsikkose. Den Chefarzt hat das gestört - die Stationsärzte und das Pflegepersonal empfand das als ganz angenehm. Nicht dramatisches, kannst ein bisschen zaubern und hast mit wenig Aufwand ein rasches Erfolgserlebnis. (Weniger beliebt waren die Patienten mit C2-Abusus, die morgens um fünf in der Notaufnahme aufschlugen :boozed:).

These: Es wirkt sich positiv auf die Psyche von Beschäftigten in der Palliative Care aus, wenn sie zur Abwechselung mal kurativ behandeln können. Ich weiß von einer Palliativstation, in der zwei Oberärzte Job-sharing machen - nach sechs Monaten Palli kommt ein halbes Jahr im OP und anders herum. Man müsste untersuchen, ob ein Rotationsprogramm die Belastung für die Beschäftigten nachhaltig senken kann.
 
Ist die ambulante Versorgung ausreichend? Es geht ja hier nicht nur um die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse wie z.B. der Schmerzreduzierung. Hier braucht es ja viel mehr.

Elisabeth
 
@-Claudia- Das ist eine interessante Beobachtung. Denn ich arbeite momentan auf einer all-you-are-not-sure-what-it-is Station. Auf einer inneren fällt es mir ehrlich gesagt schwer zu sehen, wo der kurative Ansatz aufhört und wo der palliative anfängt. Symptomatisch behandelte kardiovaskuläre Insuffizienz ist im Prinzip palliativer Ansatz. Und das sind unsere Drehtürpatienten.

Ich habe eher das Problem damit, dass es strukturellbedingt nicht möglich ist, diese Patienten(die strenggenommen für Innere sind) bedürfnisgerecht zu behandeln.
Multimorbide Patienten nehmen zu und es ist häufig passiert, dass eine Erscheinung(Pneumonie) eine Kettenreaktion anlässt. Ich habe sehr wenige Patienten auf der inneren mit rein kurativem Ansatz kennen gelernt. Und dafür fand ich die Ausbildung der Ärzte und Pflegekräfte unzureichend.
 

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