ALS - plötzliche Besserung!

Hallo Andreas,
es gibt unglaublich viele Betroffene in den verschiedensten Stadien von ALS in Deutschland,da hast Du ganz sicher recht. Auch die beatmeten Fälle werden mehr,was mit dem Fortschritt der Medizintechnik usw. zu tun hat,denn der Großteil der beatmungspflichtigen ALS-Patienten wird zuhause versorgt.
Deine Patientin ist sicher für sich ein Einzelschicksal,aber im Verlauf der Erkrankung nun doch wieder nicht einzigartig,denn ein teilweises Auf und Ab ist bei vielen Patienten zu beobachten,auch daß das "Auf" mal eine zeitlang dominiert,ist nicht ungewöhnlich.
Ohne Dich jetzt angreifen zu wollen,Andreas,aber kann es nicht vielleicht sein,daß Du als Pflegekraft in der "Auf-Phase" Deiner Patientin zu viel Mut und Zuversicht suggeriert hast ? Ich meine,allein wie Du hier schreibst ist in meinen Augen ein deutliches Zeichen völlig fehlender Distanz,gesunder Distanz zum Patienten und diese fehlende Distanz macht's dem Patienten und auch der Pflegekraft nicht gerade leichter.
Dir fällt es scheinbar sehr schwer,den Verlauf der Erkrankung Deiner Patientin zu akzeptieren,Du bist völlig aufgewühlt und suchst die Schuld an der,in Deinen Augen fehlenden ALS-Forschung,im Schweigen der Kolleginnen und Kollegen,die ebenfalls mit ALS-Patienten arbeiten.
Irgendwie scheinst Du völlig zu übersehen,daß die medizinische Forschung,speziell solche wie zu ALS,sehr aufwendig und vorallem sehr langwierig ist und Du kannst scheinbar nicht akzeptieren,daß vielleicht erst die nächste ALS-Generation von der Forschung profitieren kann,eben weil man jetzt noch nicht soweit ist.
In allen Deinen Beiträgen ist der recht typische Verlauf von ALS zu erkennen,aber dennoch wurde jede noch so kleine "Besserung" von Dir als bleibende,feststehende Tatsache gefeiert,Du warst mit ganzem Herzen,aber leider ohne Verstand dabei und das ist alles andere als professionell.
Es wäre vielleicht ganz sinnvoll,wenn Du etwas Abstand zu dieser Versorgung gewinnst,eventuell bei anderen Betroffenen arbeitest und so Dein Blickfeld etwas erweiterst,denn lieber Andreas,Du bist nicht Ivy's Mann,Du bist kein Angehöriger...Du bist der diensthabende Krankenpfleger und solltest deswegen doch etwas Abstand wahren ! Klar bist Du über die Zeit ein Freund der Familie und der Patientin geworden,aber ist ein Freund nicht auch dazu da,den Blick auf's Wesentliche zu halten und unnütze Hoffnungen nicht noch zu bestärken ?
Dein Engagement ehrt Dich,das habe ich ja schon öfter zum Ausdruck gebracht,deswegen nimm mir meine Offenheit jetzt nicht übel !
 
@ZNA-Öse

Hallo,

nein ich nehme deinen Beitrag nicht übel. Du hast sicher recht, das ich in diesem Fall etwas distanzlos bin. doch wie Dir sicher klar geworden ist. Diese Distanzlosigkeit, ist eine bewußte Entscheidung.

Du berichtest von "Auf und ab". Wie sind denn Deine Erfahrungen mit dem "Auf und ab". Berichte!

Dem Gute Tage und schlechte Tage, die kann ich sicher unterscheiden und die spielen keine so wesentliche Rolle. Grundsätzliche Dinge wie Anfangs geschildert, fällt für mich nicht mehr unter "Tagesform".

Meiner Patientin zuviel Mut zu suggerienen: Nein ich glaube das mache ich nicht. Was ich hier schreibe, ist etwas völlig anderes als ich hier vermittel. Hier erzähle ich wie es mir geht, aber nicht zwangsläfig was ich ihr sage. So gesehen ist das was du schreibst ein "Eindruck" und "Mutmaßung". Glaube mir abgesehen davon das ich mich betreffen lasse, bin ich recht proffesionell.

Du schreibst "sehr viele sind betroffen". Wieviele? Ich habe eine statistische Zahl genannt. Deine ... und kleine Nebenfrage wie viele ALS Patienten pflegst Du? Ich ich im Moment nur eine!

Nein es fällt mir nicht schwer den Verlauf zu akzeptieren, er ist eben so ... zur Zeit. Ich weis das er so ist. Trotzdem keine Frage ... ich finde ihn grausam und ich denke da stimmst Du mir zu.

Forschung ALS. Nun wer forscht? Wir als Pflegekräfte haben viel mehr Erfahrung damit ... schlicht und einfach Beobachtung. Du schreibst "lieber Andreas". Ich weis ich bin nicht ihr Mann und kein Angehöriger. Das ist mir völlig klar.

Einziger Punkt: ich bin entschieden betroffen zu sein. Mehr nicht.

Ja und noch einmal ... all ihr lieben Pflegenden, die ein auf und ab erleben. Erzählt doch endlich einmal.

Ich nehme Deine Offenheit nicht übel!

Freundlich

Andreas
 
Guten Morgen Andreas,
gut,dann habe ich mich mal wieder in einigen Dingen von meinem Bauch leiten lassen und in Deine Sätze Unrichtigkeiten rein interpretiert,wenn da so einiges nicht den Tatsachen entspricht,tut's mir leid !
Zu meinen Erfahrungen mit ALS.
Wie schonmal geschrieben ist eine Freundin Inhaberin eines Intensivpflegedienstes mit Patienten in Berlin und Brandenburg und bei dieser Freundin mache ich so manchen WE-Dienst und so manche Nacht bei zur Zeit abwechselnd 7 ALS-Patienten. Pro Monat versuche ich es im Moment so einzurichten,daß ich 2 WE-Dienste und bis zu 4 Nächte mache,da meine Freundin auch knapp an Personal ist.
Dies mache ich nun schon seit ca. 4 Jahren so,vom Start ihres Dienstes an.
Dadurch konnte ich sehr viele Menschen mit ALS in den verschiedensten Stadien,aber auch ihre Familien kennenlernen und kann sagen,kein Krankheitsverlauf entspricht dem anderen. Bei 2 Patienten ist es der sprichwörtlich "schulbuchmäßige" Verlauf,es fängt mit leichter Taubheit und Kribbeln in den Füßen oder den Händen an und steigert sich mit der Zeit. Man kann wirklich anhand der Ausfälle erkennen,wie weit der Patient ist und ungefähr abschätzen,wann die Beatmung anfängt und wie es danach den Berg kontinuierlich runter geht. Oft läßt sich die Diagnose ALS erst stellen,wenn die Ausfälle schon so beeinträchtigend sind,daß nix anderes an Diagnose übrig bleibt,es wird also nach dem Ausschlußverfahren diagnostiziert,mit viel Warten,Leiden und Geduld des Patienten. Es gibt aber auch die atypischen Fälle,wo es wie ne verspannte Nackenmuskulatur beginnt und gleich darauf die Atmung so beeinträchtigt ist,daß die Beatmung begonnen werden muß,obwohl Hände und Füße usw. noch tadellos funktionieren und die Patienten trotz Beatmung noch am Leben teilnehmen können.
Deine Schilderungen zeigen einen 3. Typus,wovon ich auch 1 Patienten betreue. Dieser zeigte z.B. nach Ausfall der Arm-/Handmotorik eine Wiederkehr dieser Motorik,konnte über Wochen wieder selbstständig essen,sich teilweise waschen und auch den Hund an der Leine Halten,es war also auch die Kraft zurückgekehrt. Natürlich veranlaßte ihn und seine Familie dieser "Fortschritt" zu Hoffnung,zumal keiner seiner behandelnden Ärzte,darunter ein anerkannter ALS-Spezialist der Berliner Charite',sagen konnte,woher dies kommt und schon garnicht,ob es so bleiben wird. Es hieß immer nur : "Wenn's in 4 Wochen immernoch so is,dann haben wir uns in der Diagnose geirrt" und es folgte ein Schulterzucken. Bloß ließen nach ca. 2 Wochen die "Fortschritte" genauso schnell nach,wie sie kamen und die Enttäuschung bei Patienten und Familie kannst Dir sicher vorstellen. Danach ging es in Schüben,fast wie bei MS,schrittweise abwärts,zur Zeit kann der Patient noch die rechte Augenbraue heben und senken...weiter nix !
Das extrem brutale,wie Du es treffend nennst,ist ja die völlige Klarheit des Kopfes,der Betroffene bekommt alles haargenau mit,sieht sich "lebendig verfallen" und kann sich nicht wehren. Da hilft auch alle "Aufklärung" nix,denn in dieser Situation ist der Betroffene völlig auf sich selbst gestellt,kann nur noch mit Mühe,viel Technik und Hilfe kommunizieren und trotzdem kann er seine Seelenpein nicht konkret mitteilen.
Ich persönlich würde mir,wenn schon ALS,dann in Kombination mit Alzheimer,wünschen,denn es wäre für den Betroffenen sicher ertäglicher,wenn er diesen Verfall nicht mehr wachen Geistes erleben müßte !
 
Lieber Andreas,

vielleicht hast du es bereits geschrieben und ich habe es nur überlesen.

Zunächst einmal finde ich es toll, wie "persönlich" und herzlich du dich um Ivy kümmerst.
Du hattest geschrieben, dass Ivy erneut im Krankenhaus war. Gab es dort eine weitere Diagnostik? Wurde die Diagnose ALS erst einmal bestätigt oder kamen weitere Zweifel auf.

Ich wünsche dir und natürlich Ivy alles Gute und hoffe, dass sie mit der Hilfe ihres tollen Umfeldes trotz dieser ******-Krankheit das Lachen nicht ganz verlernt.

Liebe Grüße,

Jonas
 
Es ist schön zu sehen das Du Dich so freust:-)
Ich selber arbeite schon lange in der Neurologie und hab viele ALS Patienten betreut, doch auch ich bin eher skeptisch das es tatsächlich als ist. Die Verläufe generell sind eher dramatisch schlechter als irgendwie besser.

Trotzdem ist es schön zu lesen wie sehr Du bei der Sache bist, wünsch Euch viel Glück:-)
 
Hallo Andreas!
Ich habe mit Interesse verfolgt, was Du über Deine ALS Patientin geschrieben hast. Jetzt hast Du lange nichts berichtet :-( Wie gehts Yvi? Was gibts Neues?
 
Abendschön!

Ich arbeite nicht mehr bei diesem Pflegedienst, das ist eine andere Geschichte, aber ich halte Kontakt. Ivy, sie ist stabil, sie kann nichts mehr ich habe mich wirklich erschrocken das letzte Mal. Doch das Licht ist ihr Mann! Ivy kann nicht wie normalerweise über eine PC kommunizieren. Haltet mich nicht für blöd ... es ist eine Alternative:

Wenn ich ein Bild sehe habe ich ein spezifisches Muster von Gehirnströmen und dieses Muster wird einem Buchstaben zugeordenet.Ein PC kann es erkennen. A= Bild Anke

B = Bild Bernhard

usw.

Ihr Mann hat dieses Prinzip aufgetan, keine kasse bezahlt das ... aber er spart!

Ivy geht es schlecht. Hm ...

Andreas

Wenn Ihr etwas gutes tun wollt? Sendet einfach Grüße an sie, ihren Mann und die Kinder. Ich werde es ausrichten.
 
Hallo H.-H.;
ich lese hier als Gefäßpatient mit; Dein Bericht hat mich tief berührt, bis hin zu Tränen; vor allem die letzten Sätze in Beitrag 30.
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Was die Dir gegenüber geäußerte Kritik bzgl. mangelnder Distanz - angeht: Klar ist es nicht o.k., aber wir alle sind nur Menschen, und wennn Du total 100%ig von einem Fortschritt überzeugt bist, ist Dein Handeln mehr als nachvollziehbar.
Ich bin als "Pflegefachfremder" eh nicht in der Position, Kritik zu üben, will ich auch gar nicht.
Höchstens hielte ich es für wichtig, auch bei so einer sehr anspruchsvollen und von Dir mit bewundernswertem Engagement bewältigten Situation Dich selbst nicht aus den Augen zu verlieren - ich glaube, man kann daran "verbrennen", einfach aus Sorge um die Patientin/den Patienten sich selbst so zu vernachlässigen, daß man daran zugrunde gehen kann - aus physischer und psychischer Überlastung, auch wegen evtl. Schuldgefühle ( "ich konnte ihr nicht helfen, ich bin Schuld. Hätte ich nicht noch dies und jenes versuchen sollen.. " ).
Bitte nicht falsch verstehen, und meinen Respekt und meine allerbesten Wünsche für Dich und Ivy, so Du noch Kontakt zu ihr hast.
Gruß
Expatient
 
Lieber "Expatient" ... wüßte ich Deinen Namen, ich würde Dich damit ansprechen.

danke für Deinen ehrlichen Hinweis! Sich verbrennen, da bin ich potentiell sehr gut! Ivy oder die Familie haben mich nicht verbrannt, keineswegs. Diese Bezugs-, Betroffenheits- und Handlungsebene aufzubauen, wie ich das hier gemacht habe bei Ivy. Es ist sicher kein Rat, ich hatte einfach den Luxus mich darauf einzulassen (lange genug im Beruf um zu wissen was ich tue). Das hat mir nicht geschadet. Was mir fast geschadet hätte, formal einem Pflegedienst beizutreten, knapp ein Jahr dort zu arbeiten in verantwortlicher Position, immer erreichbar (Intensivpflegerische Leitung, rund um die Uhr ... ein Jahr), da habe ich fast angefangen Fackel zu werden. Es zündelte! Kleine Flammen! Ich habe sie ausgetreten! Sehr krass (lach). NEIN! - KÜNDIGUNG!

Jetzt, ich unterrichte nur noch. erzähle also einfach von der Pflege.

Ivy? Sie lebt ... ich habe Kontakt, klar.

Ich bin bei einigen Menschen sehr willkommen. Ob ich jemanden raten würde es so zu machen wie ich es getan habe? Ich meine auf ein Schicksal, einen Menschen.

Ganz zwiespältig: Meine Erfahrung ist gut, ein ganz wichtiger Punkt ich konnte hier berichten ... und ganz viele haben mir einfach den Rücken gestärkt (Seele gestreichelt) ... gesagt: (Sinngemäß) das finde ich ganz Klasse was Du da machst! Wenn so eine Rückmeldung nicht kommt, man "(mit)leidet" dann ist distanz der richtige Weg. Ich habe nie gelitten mit Ivy, ich war und bin nur betroffen.

Danke für Deine Antwort,

ich werde Ihr erzählen von Dir.

Andreas
 
Ich bin traurig und betroffen über Deinen letzten Beitrag! Wahrscheinlich berührt es mich so, weil es mir selbst gerade genauso geht...Ich bin auch soweit, daß ich so in diesem Beruf nicht mehr weitermachen kann...Aufgerieben von ständigen Doppelschichten, ständiger Erreichbarkeit, Pflegezeitvorgaben, die völlig unrealistisch sind, laufendem Einspringen und und und...Bin ausgebrannt und fertig und kann nicht mehr so weitermachen. Du hast für Dich schon eine Lösung gefunden-ich suche noch. Alles Gute für Dich und grüß Ivy!