- Registriert
- 23.10.2006
- Beiträge
- 172
- Beruf
- Studentin Berufspädagogik und Kinderkrankenschwester
- Akt. Einsatzbereich
- Kinderklinik und Krankenpflegeschule
- Funktion
- Mentorin Manchester Triage System
IHallo an Euch alle!
Ich wollte Euch hier mal einen Einblick in ein halbjähriges Abenteuer Nachtdienst in einem sich kaputt-sparendem Pflegewohnheim für schwerst-mehrfach-behinderte Jugendliche und Erwachsene geben.
Gelernt habe ich Kinderkrankenschwester, durch zahlreiche Einsätze in der Pflege von behinderten Kindern und Jugendlichen, wurde meine Erfahrung in der Behindertenbetreuung und -pflege und vor allem in der Pflege von Schwerst-Mehrfach-Behinderten als sehr positiv angesehen. Ich unterschrieb einen Teilzeit-Arbeitsvertrag als Dauernachtwache(ca. 10-11 Nächte pro Monat).
Es erfolgte eine Einarbeitung während eines Tages- und eines Nachtdienstes. Danach sollte ich nachts allein zwei Schwerstpflegestationen betreuen. Entweder konnte ich den zu erwartenden Arbeitsaufwand noch nicht einschätzen, weil ich die einzelnen Patienten noch nicht genau kannte oder ich war viele Patienten mit hohen Pflegestufen einfach schon sehr lange gewöhnt oder die Aussage der anleitenden Mitarbeiterin "auf der einen Station liegen nur die leichten Fälle, die schlafen ja alle nachts" sollte mich milde stimmen...Jedenfalls dachte ich am Anfang, dass ich die Arbeit schon schaffen werde und stürzte mich motiviert in meine ersten Nachtdienste.
Meine erste Übergabe vom Spätdienst befasste sich sehr kurz mit den Patienten, viel wichtiger schien allerdings die vom Nachtdienst zu erledigenden "Nebenarbeiten" zu sein:
Wäsche waschen, zum trocknen aufhängen, zusammenlegen, einsortieren, Verpflegungspäckchen für den nächsten Tag für Schule und Behindertenwerkstatt machen, Spülmaschinen ausräumen, etc. (die Hauswirtschaftskräfte waren gerade kürzlich eingespart worden) - alles für zwei Stationen.
Als Krankenschwester aus dem klinischen Bereich für mich ungewohnt, aber o.k., wird schon gehen...
Meine Rundgänge zu den Patienten nahm ich natürlich sehr genau, verschaffte mir einen Überblick über die Pflegetätigkeiten, Lagerungen, Sondennahrung, Medikamente, usw.
Diese Arbeit erledigte ich wie gelernt und gewohnt dann eben auch sehr genau und gewissenhaft...doch oh, Schreck...die Zeit!
Diese Pflegerunden nahmen bei 18 Schwerstpflege-Patienten soviel Zeit in Anspruch, die "ach so leichten" Patienten klingelten dafür umso öfter und forderten ihr Recht auf Zuwendung ein und dann gab es ja auch noch Zwischenfälle, wie neurologische Anfälle, Erbrechen, psychische Probleme einzelner Patienten, etc.
Ich bin nur gerannt und versuchte diese "Nebenarbeiten" irgendwie auch noch auf die Reihe zu bekommen. Kurz vor der Übergabe an den Frühdienst erschlug mich auch noch die wahnsinnige Flut von Pflegedokumentationen und weitere Schreibarbeiten. Damit war ich noch eine Stunde, nachdem der Frühdienst seine Arbeit begonnen hatte, beschäftigt.
Ich fuhr todmüde und frustriert nach Hause. Die folgenden Dienste verliefen ähnlich.
Der Unmut meiner Kollegen aus dem Tagesdienst sollte folgen. Vor und nach jedem Dienst gab es Sticheleien wegen der unzureichend erledigten "Nebenarbeiten". "Wir schaffen das nicht im Tagdienst und die Nachtwachen müssen das bei uns eben mit erledigen. Schließlich schlafen nachts ja die Bewohner."
Genau, so einfach funktioniert die Sichtweise von Leuten, die nie nachts arbeiten. Und nach solchen Aussagen wurde erstmal eine Raucher-Pause gemacht.
Im nächsten Nachtdienst-Turnus ging es so weiter. Bald folgte noch ein Gespräch mit einigen Kollegen und der Stationsleitung.
Ich betonte, dass ich als Krankenschwester die höchste Priorität in die gute Pflege meiner Patienten setze, sprich: regelmäßiges Umlagern und Lagern, Beobachtung und Dokumentation von Allgemeinzustand und Besonderheiten, Wundversorgung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Versorgen mit ausreichend Inkontinenzmaterial, Gabe von Sondennahrung und Medikamenten, persönliche Zuwendung, eben alles was zu einer guten Pflege gehört...
Nun ja, das war wohl der Anfang vom Ende...
Aussagen wie: "Wir haben nur 2 Inkontinenz-Vorlagen pro Nacht zu verwenden", "Die Wäsche war falsch aufgehängt, wurde garnicht trocken" waren harmlos, dass meine Dienste auf einmal nur noch am Wochenende lagen (obwohl bekannt war, dass ich ein Kind habe), Dienstplanwünsche nur bei mir vollkommen ignoriert wurden und hinter meinem Rücken geredet wurde, obwohl ich morgens noch nicht mal die Stationstür verlassen hatte, kam dann hinzu. Wohlgemerkt, kam besonders viel Kritik von Kollegen, die nicht mal ein Examen in einem Pflegeberuf hatten. Klasse!
Ich versuchte also weiterhin in den Nächten der Pflege meiner Patienten und diesen verflixten Nebenarbeiten irgendwie gerecht zu werden. Nach Ende meines Dienstes saß ich noch einige Zeit im Dienstzimmer vervollständigte die Dokumentation (immer mehr musste dokumentiert werden), dann hetzte ich nach Hause, um mein Kind zu versorgen und in den Kindergarten zu bringen, konnte dann nicht schlafen, weil viel zu aufgebracht und entsetzt, erschien abends wieder völlig kaputt zum Dienst und drehte weiter im "Hamsterrad"!
Das alles und die Nachfolgeerscheinigungen von ähnlichen Diensten in anderen Pflegeeinrichtungen katapultierten mich an den Rand des Burn-Out-Syndroms.
Eine längere Erkrankung und die "schreckliche Unflexibilität einer Mutter mit Kleinkind" waren der Grund mich dann zu entlassen. Die Stelle wurde nicht neu besetzt.
Fraglich wie das vorhandene Personal diese Dienste mit abdecken sollte. Von einer Freundin, die dort mit einem Kollegen über eine Zeitarbeitsfirma eingesetzt wurden, weiß ich, dass beide die Nachtdienste allein für zwei Schwerstpflegestationen abgelehnt haben.
Ich hätte es auch tun sollen, meiner Gesundheit und meinem Familienleben hätte es besser getan.
Was aus den Patienten geworden ist, steht auch zur Frage. "Aber Hauptsache die Wäsche ist ordentlich zusammen gelegt!"
Gute Nacht, perfekte Pflege!
PS: Diesen Beitrag habe ich auch auf einer Homepage über das erkrankte Gesundheitswesen eingestellt. Dort mal nach zu lesen, ist empfehlenswert. Patienten, Angehörige und Beschäftigte im Gesundheitswesen können Erlebnisse und Berichte schreiben zu den Widrigkeiten unseres Gesundheitssystems.
www.kein-einziges-märchen.de
Alles Gute an Euch alle!
Ich wollte Euch hier mal einen Einblick in ein halbjähriges Abenteuer Nachtdienst in einem sich kaputt-sparendem Pflegewohnheim für schwerst-mehrfach-behinderte Jugendliche und Erwachsene geben.
Gelernt habe ich Kinderkrankenschwester, durch zahlreiche Einsätze in der Pflege von behinderten Kindern und Jugendlichen, wurde meine Erfahrung in der Behindertenbetreuung und -pflege und vor allem in der Pflege von Schwerst-Mehrfach-Behinderten als sehr positiv angesehen. Ich unterschrieb einen Teilzeit-Arbeitsvertrag als Dauernachtwache(ca. 10-11 Nächte pro Monat).
Es erfolgte eine Einarbeitung während eines Tages- und eines Nachtdienstes. Danach sollte ich nachts allein zwei Schwerstpflegestationen betreuen. Entweder konnte ich den zu erwartenden Arbeitsaufwand noch nicht einschätzen, weil ich die einzelnen Patienten noch nicht genau kannte oder ich war viele Patienten mit hohen Pflegestufen einfach schon sehr lange gewöhnt oder die Aussage der anleitenden Mitarbeiterin "auf der einen Station liegen nur die leichten Fälle, die schlafen ja alle nachts" sollte mich milde stimmen...Jedenfalls dachte ich am Anfang, dass ich die Arbeit schon schaffen werde und stürzte mich motiviert in meine ersten Nachtdienste.
Meine erste Übergabe vom Spätdienst befasste sich sehr kurz mit den Patienten, viel wichtiger schien allerdings die vom Nachtdienst zu erledigenden "Nebenarbeiten" zu sein:
Wäsche waschen, zum trocknen aufhängen, zusammenlegen, einsortieren, Verpflegungspäckchen für den nächsten Tag für Schule und Behindertenwerkstatt machen, Spülmaschinen ausräumen, etc. (die Hauswirtschaftskräfte waren gerade kürzlich eingespart worden) - alles für zwei Stationen.
Als Krankenschwester aus dem klinischen Bereich für mich ungewohnt, aber o.k., wird schon gehen...
Meine Rundgänge zu den Patienten nahm ich natürlich sehr genau, verschaffte mir einen Überblick über die Pflegetätigkeiten, Lagerungen, Sondennahrung, Medikamente, usw.
Diese Arbeit erledigte ich wie gelernt und gewohnt dann eben auch sehr genau und gewissenhaft...doch oh, Schreck...die Zeit!
Diese Pflegerunden nahmen bei 18 Schwerstpflege-Patienten soviel Zeit in Anspruch, die "ach so leichten" Patienten klingelten dafür umso öfter und forderten ihr Recht auf Zuwendung ein und dann gab es ja auch noch Zwischenfälle, wie neurologische Anfälle, Erbrechen, psychische Probleme einzelner Patienten, etc.
Ich bin nur gerannt und versuchte diese "Nebenarbeiten" irgendwie auch noch auf die Reihe zu bekommen. Kurz vor der Übergabe an den Frühdienst erschlug mich auch noch die wahnsinnige Flut von Pflegedokumentationen und weitere Schreibarbeiten. Damit war ich noch eine Stunde, nachdem der Frühdienst seine Arbeit begonnen hatte, beschäftigt.
Ich fuhr todmüde und frustriert nach Hause. Die folgenden Dienste verliefen ähnlich.

Der Unmut meiner Kollegen aus dem Tagesdienst sollte folgen. Vor und nach jedem Dienst gab es Sticheleien wegen der unzureichend erledigten "Nebenarbeiten". "Wir schaffen das nicht im Tagdienst und die Nachtwachen müssen das bei uns eben mit erledigen. Schließlich schlafen nachts ja die Bewohner."
Genau, so einfach funktioniert die Sichtweise von Leuten, die nie nachts arbeiten. Und nach solchen Aussagen wurde erstmal eine Raucher-Pause gemacht.

Im nächsten Nachtdienst-Turnus ging es so weiter. Bald folgte noch ein Gespräch mit einigen Kollegen und der Stationsleitung.
Ich betonte, dass ich als Krankenschwester die höchste Priorität in die gute Pflege meiner Patienten setze, sprich: regelmäßiges Umlagern und Lagern, Beobachtung und Dokumentation von Allgemeinzustand und Besonderheiten, Wundversorgung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Versorgen mit ausreichend Inkontinenzmaterial, Gabe von Sondennahrung und Medikamenten, persönliche Zuwendung, eben alles was zu einer guten Pflege gehört...
Nun ja, das war wohl der Anfang vom Ende...
Aussagen wie: "Wir haben nur 2 Inkontinenz-Vorlagen pro Nacht zu verwenden", "Die Wäsche war falsch aufgehängt, wurde garnicht trocken" waren harmlos, dass meine Dienste auf einmal nur noch am Wochenende lagen (obwohl bekannt war, dass ich ein Kind habe), Dienstplanwünsche nur bei mir vollkommen ignoriert wurden und hinter meinem Rücken geredet wurde, obwohl ich morgens noch nicht mal die Stationstür verlassen hatte, kam dann hinzu. Wohlgemerkt, kam besonders viel Kritik von Kollegen, die nicht mal ein Examen in einem Pflegeberuf hatten. Klasse!

Ich versuchte also weiterhin in den Nächten der Pflege meiner Patienten und diesen verflixten Nebenarbeiten irgendwie gerecht zu werden. Nach Ende meines Dienstes saß ich noch einige Zeit im Dienstzimmer vervollständigte die Dokumentation (immer mehr musste dokumentiert werden), dann hetzte ich nach Hause, um mein Kind zu versorgen und in den Kindergarten zu bringen, konnte dann nicht schlafen, weil viel zu aufgebracht und entsetzt, erschien abends wieder völlig kaputt zum Dienst und drehte weiter im "Hamsterrad"!

Das alles und die Nachfolgeerscheinigungen von ähnlichen Diensten in anderen Pflegeeinrichtungen katapultierten mich an den Rand des Burn-Out-Syndroms.
Eine längere Erkrankung und die "schreckliche Unflexibilität einer Mutter mit Kleinkind" waren der Grund mich dann zu entlassen. Die Stelle wurde nicht neu besetzt.
Fraglich wie das vorhandene Personal diese Dienste mit abdecken sollte. Von einer Freundin, die dort mit einem Kollegen über eine Zeitarbeitsfirma eingesetzt wurden, weiß ich, dass beide die Nachtdienste allein für zwei Schwerstpflegestationen abgelehnt haben.
Ich hätte es auch tun sollen, meiner Gesundheit und meinem Familienleben hätte es besser getan.
Was aus den Patienten geworden ist, steht auch zur Frage. "Aber Hauptsache die Wäsche ist ordentlich zusammen gelegt!"
Gute Nacht, perfekte Pflege!

PS: Diesen Beitrag habe ich auch auf einer Homepage über das erkrankte Gesundheitswesen eingestellt. Dort mal nach zu lesen, ist empfehlenswert. Patienten, Angehörige und Beschäftigte im Gesundheitswesen können Erlebnisse und Berichte schreiben zu den Widrigkeiten unseres Gesundheitssystems.
www.kein-einziges-märchen.de
Alles Gute an Euch alle!
