Zusehen oder handeln?

benedikt

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Nachdem ich super viele Wortmeldungen und auch Pn erhalten habe, die doch recht unterschiedlich ausgefallen sind, hier die Frage...

egal ob Azubi, Pfleger oder Schwester (examiniert)...sollte man Dinge die man mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann. oder einfach nur komisch findet, melden ? oder aus Angst vor Konsequenzen lieber weiter zusehen ?

Ich hoffe Elisabeth Dinse beteiligt sich an dieser Diskussion eifrig, denn ihre Meinung dazu hat mich am meisten schockiert, wie auch die Beiträge zu meinem ersten Thread.

Benedikt
 
Deine Frage lässt sich in dieser Allgemeinheit imho nicht beantworten.Dinge die man mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann und Dinge die man "einfach nur komisch" findet sind auch meist zwei verschiedene paar Schuhe. Leider habe ich auch keinen "alten" Fred von dir gefunden. Mich würde daher interessieren in welche Richtung deine Frage geht.
Ansonsten kann man hier über sämtliche ethnisch-rechtlich-fachlichen Sichtweisen diskutieren und kommt am Ende doch auf keinen grünen Zweig.
 
Die Frage kann man so schwer beantworten.
Es gibt manchmal Dinge, welche ich schwer mit meinen Gewissen vereinbaren kann, aber trotzdem so akzeptieren muss.
Ich denke da jetzt in Richtung fehlende Patientenverfügung und die Angehörigen entscheiden sich für das volle Maximal-Intensivtherapie-Programm aus Unsicherheit, ohne abschätzen zu können was nun auf sie und ihren Angehörigen zu kommt.

Wenn mir etwas komisch vorkommt frage ich nach und informiere mich bevor ich irgendwas melde.
Sollte etwas rechtlich und moralisch höchst fragwürdig sein, äußere ich meine Bedenken. Bei uns herrscht ein Klima, in dem so etwas auch möglich ist ohne mit Repressalien rechnen zu müssen.

Deinen Seitenhieb auf einen User finde ich absolut unnötig, vor allem deswegen, weil man deinen genannten Thread auch gar nicht mehr durchlesen kann.
 
Ich denke, wir müssen definieren, worum es geht, zumindest in Beispielen.

"Etwas komisch finden" kann ich zum Beispiel ein Form der Medikation oder Therapie, die mir unbekannt ist und vielleicht auch erstmal nicht logisch vorkommt. Es gibt z.B. eine ganze Reihe Medikamente, die nicht nur eine Wirkweise haben, sondern mehrere, und deshalb auch bei weniger bekannten Indikationen Anwendung finden: Morphin ist nicht nur ein Schmerzmittel, sondern hilft auch bei bestimmten Formen von Luftnot. Methadon findet nicht nur bei Suchtkranken Anwendung, sondern wird auch zur Schmerzbekämpfung eingesetzt. Die ursprüngliche Indikation des Wirkstoffs von Viagra ist die Herzinsuffizienz. Das Medikament Contergan, wegen des Skandals lange Zeit völlig vom Markt genommen, wird inzwischen unter anderem Namen bei der Tumorbekämpfung eingesetzt...

Eine Meldung bei der Ärztekammer wäre hier natürlich nicht angebracht. Stattdessen sollte ich den behandelnden Arzt höflich um eine Erklärung der Therapie bitten. Das kann hochinteressant und lehrreich sein.

"Etwas mit meinem Gewissen nicht vereinbaren können" ist ja zuerst einmal mein eigenes Problem. Ich kann z.B. die Empfängnisverhütung oder den Schwangerschaftsabbruch ablehnen. Eine Meldung bei der Ärztekammer wäre hier sinnlos: Verhütungsmittel sind in Deutschland nicht verboten, Abtreibungen sind straffrei, und die Ärztekammer ist sowieso darüber im Bilde, welcher Arzt und welches Haus diese Maßnahmen vornimmt. Ich kann für mich selbst entscheiden, dass ich nicht verhüte, oder auch, dass ich nicht bei Abtreibung mitmache, indem ich mir einen entsprechenden Arbeitgeber suche - dass andere Menschen da offensichtlich nicht in einen Gewissenskonflikt geraten, damit muss ich leben.

"Melden" muss ich ganz klar Straftaten und gefährliches Fehlverhalten. Eine Pflegekraft, die Patienten misshandelt, einen Arzt, der alkoholisiert zur Arbeit erscheint, einen Angehörigen, der seine Patienten erkennbar vernachlässigt - da habe ich die rechtliche und moralische Pflicht, einzuschreiten. Wichtig ist aber, dass ich "komisch vorkommen" oder "mit meinem Gewissen nicht vereinbaren können" nicht mit gefährlichem Fehlverhalten in einen Topf werfe. Das erste ist Unwissenheit meinerseits, das zweite ist Ansichtssache, und nur das dritte sollte verhindert werden.
 
ich denke ich bin eher der typ der (solange in der ausbildung) sich nich traut da wen in die pfanne zu hauen, allerdings wenn jetz etwas passiert was gar nicht geht würde ich es schon ansprechen wollen. dann allerdings bei der person direkt und nicht gleich irgendwo den vorgesetzten melden. dazu müsste dann schon was aaaarg schlimmes passiert sein!

wir hatten die diskussion grad in unserem kurs da eine schülerin erzählt hat sie hätte im praktikum beobachtet dass eine pflegerin einem älteren patienten eine ohrfeige gegeben hat, weil er beim nahrung anreichen etwas wieder aus dem mund hat fallen lassen.... naja..muss man nichts zu sagen denk ich..
 
@Vicodiin:
Es ehrt Dich, wenn Du keinen in die Pfanne hauen willst. Aber: eine Ohrfeige ist eine Körperverletzung. Die ist "arg schlimm" und sollte niemals vorkommen und wenn sie vokommt, dann keinesfalls unter den Teppich gekehrt werden!!
Jeder Bürger ist verpflichtet, ihm bekannt gewordene Straftaten zur Anzeige zu bringen. Tut er dies nicht, kann er nach § 258 StGB wegen Strafvereitelung belangt werden. Auch ist jeder, der eine Straftat beobachtet, zur Hilfeleistung verpflichtet.
So, und jetzt zum Eröffnungsbeitrag. ich denke, daß man da differenzieren muß. Und natürlich hängt alles auch von der ethischen Einstellung jedes Einzelnen ab. Ich z.B. hätte bei der Ohrfeige mit Sicherheit und sehr schnell gehandelt. Zusehen kann ich bei Ungerechtigkeiten nicht und sage dann meine Meinung. Zuerst leise, dann allerdings immer nachdrücklicher und lauter. Der direkte Weg ist meines Erachtens der beste, allerdings gehört da Mut und Stehvermögen dazu. Man muß Gegenwind aushalten können. Und: nicht jede Auseinandersetzung muß mit einer Verstimmung enden! Es gibt durchaus auch heute noch Menschen, die Offenheit schätzen! Und es gibt auch noch Menschen, denen ihr eigenes Fehlverhalten aufrichtig leid tut und die sich dann entschuldigen! Keiner ist vollkommen...
 
@benedict Habe zwar gerade eine PN geschickt- aber auf Aufforderung natürlich auch gerne nochmal hier.

Unabhängig vom Status desjenigen- egal ob Azubi, Pflegehelfer, Krankenschwester o.ä. Bei "komischen Sitautionen" hat stets sofort die zuständige Pflegekraft bzw. der Arzt informiert zu werden. Zusätzlich empfiehlt sich bei Verdacht auf eine Straftat eine zeitnahe Dokumentation des Ablaufes. Wenn Pflegekraft und Arzt net reagieren, dann geht es in der Hierarchieleiter hinauf: Oberarzt, Chefarzt, PDL. Als Azubi gibt es nich zusätzlcih die Möglichkeit, die Schule miteinzubeziehen.
Erst dann geht es zum Kadi... und zwar selber. So ein Handeln hat Konsequenzen. Man muss sich zu seiner eigenen Aussage bekennen- ggf. auch gegen die Aussage anderer. Wer Straftaten duldet macht sich mit strafbar. Auch hier ist es egal, welchen Status derjenige inne hat.

Der scheinbar sichere Weg, interne Inforamtionen an Angehörige weiter zu geben in der Hoffnung, dass diese dann schon handeln werden, erweist sich über kurz oder lang als Sackgasse. Spätestens wenn der Angehörige erklärt, woher er die Infos hat, ist Schluss mit der Anonymität. Da kann man also auch gleich offen auftreten.

Und was das Gewissen anbetrifft. Das ist so eine Sache. Wenn ich mir die Umsetzung so mancher Patientenverfügung bis zur letzten Konsequenz vorstelle, dann kann ich das mit meinem Gewissen net vereinbaren. Ich kann mich nun entscheiden: ich akzeptiere die Entscheidung des Pat. und erfülle meine Arbeitsaufgaben oder ich ziehe die Konsequenzen und gehe.

Die Idealvorstellung, dass es keine"komische Sitautionen" die ich net mit meinem Gewissen vereinbaren kann, geben darf, dürfte ein Wunschtraum bleiben. Und net alles, was man selbst als Unrecht empfindet, ist auch unter juristischem Blickwinkel tatsächlich unrecht.

ich hoffe, ich habe dir jetzt ausreichend Auskunft gegeben. Ich erwarte von einem Azubi dasselbe wie von jedem anderen MA: offenes Auftreten gegen Unrecht. Alles andere ist für mich Heuchelei. Die Leute, die sich hinter anderen verstecken, kann ich überhaupt net leiden.

Elisabeth
 
Wenn ich irgendetwas nicht verstehe, frage ich direkt nach. Ganz einfach!
 
@Vicodiin:
Es ehrt Dich, wenn Du keinen in die Pfanne hauen willst. Aber: eine Ohrfeige ist eine Körperverletzung. Die ist "arg schlimm" und sollte niemals vorkommen und wenn sie vokommt, dann keinesfalls unter den Teppich gekehrt werden!!

das war kein fall bei dem ich anwesend war. das hatte ich auch eher als beispiel aufführen wollen, bei dem man nicht einfach weggucken sollte ;)
 
Ich würd sagen, da gibt`s nen Unterschied.

Mit der Ohrfeige:
als Schüler ist es schwierig, da was zu sagen, denn es steht letzendlich Aussage gegen Aussage. Der Schüler vermutlich gegen die immer gute, ihr Pensum erfüllende PK, um die der Arbeitgeber i.d.R. froh ist, dass sie unter den Bedingungen bei ihm ist. Wer kriegt da wohl eher ans Bein gepinkelt?!
Gibt`s leider in der Pflege und ist nicht umsonst Thema. Hatte es später mal, da sagte der Pat. was von Gewalt, die PK behauptete, es sei nichts gewesen. Ich hab dann mal fett Klartext geredet und werde sowas mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr erleben. Und die Pat. auch nicht.


Mit dem Gewissen:
Ich finde, wenn man hinter was nicht steht, dann muss man Konsequenzen ziehen. Reanimation ist da ein Paradebeispiel.
Es gibt Stationen, z.B. Chirurgie, da wird ja jede Maximaltherapie ausgeschöpft, damit die OP als "erfolgreich" verbucht werden kann. Darauf wird Wert gelegt, insbes. weil im Internet mittlerweile die Mortalitätsraten der einzelnen Spitälter publiziert sind, tragischerweise.
Zumindest wird dann als logische Konsequenz auf Chirurgie alles ausgeschöpft- Reanimation, IPS und alles eingeschlossen. Folglich kommt man auf der Chirurgie eher einmal in die Lage, einer z.B. 95-jährigen älteren Lady die Maximaltherapie angedeihen zu lassen, obwohl diese sich vor der OP evtl. der Tragweite gewisser Entscheidungen NICHT bewusst war.
DAS nenne ich einen Gewissenskonflikt. Und bei so fundamentalen Konflikten hat man auf solch einer Stat. definitiv nichts verloren, wenn man nicht dahinter steht.
Ich denke aber, wenn man ein Problem mit der Arbeitsweise z.B. auf einer psychiatrischen oder Inneren Abteilung hat mit der Art und Weise, wie das Personal mit Patienten umgeht oder auf einer Inneren oder im APH oder sonst wo, dann darf man nicht denken, es ist überall so. Ich denke, dann war die Station definitiv nicht die, in die man später einmal gehört, wenn die in den eigenen Augen nicht das bringen, was man selbst vertretbar für die Pat. findet.
Und verpfeiffen bringt da eh nix, denn die werden trotzdem grad genauso weiterschaffen. Da deckt das Team sich dann meist gegenseitig. Da kann man als einzelner nichts bewirken.
Da hat man selbst dann nix verloren, wenn der Deckel nicht auf den Topf passt.
Jedes Team ist anders, hat andere Schwerpunkte und ethische Auffassungen. Ich denke, wenn man den Umgang mit den Patienten nicht vertretbar findet, dann sollte man schnellstmöglich dahin wechseln, wo man ihn vertretbar hält.
 
He Baum: kennen wir uns von früher???? Eine bzw. mehrere Reanimationen eines Patienten waren der Sargnagel meiner (langen) Zeit in der Intensivtherapie!
ich habe ja die Entwicklung der gesamten Intensivtherapie miterlebt und war einmal hellauf begeistert von den Möglichkeiten, eigentlich tödliche Zustände mit ihrer Hilfe überleben zu können. Am Ende meiner ITS- Zeit hatte meine Begeisterung deutlich nachgelassen und ich habe für mich eine Patientenverfügung mit allen Details verfaßt... Und bin gegangen.
 
Das kommt immer darauf an, ob man die "komischen Dinge" mit der Person selbst klären kann, oder wie schwerwiegend das vorgefallene ist, sollte sich die Frage auf Kollegen beziehen.
Bei uns war es so, dass ich im Nachtdienst festgestellt hatte, das eine größere Menge Lorazepam und Pregabalin weg waren, da mir ein Kollege bereits erzählt hatte, dass es ihm psychisch nicht zu gut geht, hab ich das ganze in Verbindung gebracht und eine weitere Nacht, nachdem er im Dienst war die Tabletten gezählt, als wieder welche gefehlt haben, habe ich nicht ihn, sondern direkt die Stationsleitung darauf angesprochen und ihr meinen Verdacht geäußert, da er es sicherlich nicht zugegeben hätte und es sowohl für ihn, als auch andere Patienten grob fahrlässig gewesen wäre, ihn weiter bei uns arbeiten zu lassen. Die ganze Sache hat sich dann durch Zusammenarbeit aller aufgelöst und mein Verdacht wurde bestätig, der Kollege wurde vom Dienst frei gestellt und hat eine Therapie angefangen.
Er war mir auch nicht böse, dass ich den Schritt gegangen bin, im Gegenteil, es hatte ihm ja geholfen und ich würde es jederzeit wieder tun. Ich hätte ein sehr viel schlechteres Gewissen gehabt, wenn ich nichts unternommen hätte.
 
wir hatten die diskussion grad in unserem kurs da eine schülerin erzählt hat sie hätte im praktikum beobachtet dass eine pflegerin einem älteren patienten eine ohrfeige gegeben hat, weil er beim nahrung anreichen etwas wieder aus dem mund hat fallen lassen.... naja..muss man nichts zu sagen denk ich..

Da sollte man unbedingt was zusagen, egal ob Schüler, KS, Arzt, Angehöriger oder Mitpatient....
 
"Komisch finden" ist mir zu ungenau.Worauf genau willst Du hinaus? Ein konkretes Beispiel(oder mehrere wäre sinnvoll...)

LG:flowerpower:
 
... Die ganze Sache hat sich dann durch Zusammenarbeit aller aufgelöst und mein Verdacht wurde bestätig, der Kollege wurde vom Dienst frei gestellt und hat eine Therapie angefangen.
Er war mir auch nicht böse, dass ich den Schritt gegangen bin, im Gegenteil, es hatte ihm ja geholfen und ich würde es jederzeit wieder tun. Ich hätte ein sehr viel schlechteres Gewissen gehabt, wenn ich nichts unternommen hätte.
Ist ein gutes Beispiel für Kollegialität. Die hört net beim Einspringen auf sondern fängt mit dem Erkennen einer seelischen Not an. Ich kann dir nur gratulieren zu so einem guten Team.

Elisabeth
 

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